Das nackte Gehirn: Wie die Neurotechnik unser Leben revolutioniert

Mario Markus. DAS NACKTE GEHIRN. Wie die Neurotechnik unser Leben ..... Orbitofrontaler Kortex. Frontaler Pol. (frontopolarer Kortex). Riechkolben.
3MB Größe 8 Downloads 457 Ansichten
Mario Markus

DAS NACKTE GEHIRN Wie die Neurotechnik unser Leben revolutioniert

THEISS

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Konrad Theiss Verlag ist ein lmprint der WBG. © 2016 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Lektorat: Alessandra Kreibaum, Worpswede Satz: Melanie Jungeis, scancomp GmbH, Wiesbaden Einbandabbildung: © Henrik5000 - istockphoto.com Einbandgestaltung: Christian Hahn, Frankfurt am Main Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-8062-3278-3 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-3323-0 eBook (epub): 978-3-8062-3324-7

Inhalt

Beobachtungen und Gehirnkarten

8 12

Parapsychologie: Mal klappt es und mal nicht

17

Einführung und Überblick

TEi L 1

1

Tausendjährige Geschichte: Von den Propheten bis zu

Gibt es Alternativen durch die heutige Technik?

17 18 19 20 21 23

Blick ins Gehirn

24

Vorbemerkung

24 26 30 32 33 37

deutschen Lehrstühlen Hat rnan „Tricks" gefunden, womit es klappt? Was sagt die Statistik? Was meinen Wissenschaftler und Juristen? Alternative: Das Lesen von Köpersprache und Körperfunktionen

TEi L 2

1

Lesen von Wörtern und Zahlen Lesen von Träumen Lesen von gedachten Bildern Lesen von Lügen Sind Lügendetektoren sinnvoll? Reagieren Männer und Frauen unterschiedlich auf äußere erotische Reize? Homo oder hetero? Pädophilie Internetsucht: Die neue Krankheit IAS

(Internet Addiction Syndrome)

Gefühle stärker als Vernunft? Freude, Trauer, Ekel, Angst und Wut Mutterliebe und romantische Liebe Eifersucht Schuldgefühle, Verlegenheit, Scham und Stolz Neid und Schadenfreude Mitgefühl Hass Extro- oder introvertiert? Absichten zur Kooperation oder zum Verrat? Bereitschaft zum Verzeihen bei Unredlichkeit oder bei Schäden Lust am Töten: Wer ist frei davon? Rassismus: Wer gibt ihn zu? Wer verbirgt ihn? Kränkung bei Ausschluss aus einer Gemeinschaft Politische Orientierung: rechts oder links? Verfügen wir wirklich über einen freien Willen? Das Speichern von Wissen: Festplatte Hippocampus Kann man Intelligenz im Gehirn sehen? Wie gut kann jemand rechnen? Einmaleins und Rechengenies

39 40 41 43 44 45 47 48 50 51 53 54 56 57 59 60 62 64 66 67 69 72 74 5

Wie gut ist ein Schachspieler? Wie gut ist ein Computerspieler? Parfüm- und Weinkenner Sieht man Musikalität? Wie gut ist ein Schlagzeuger? Wie gut ist ein Opernsänger? Jazz im Gehirn Wie gut hat man einen Tanz gelernt? Fertigkeiten in der bildenden Kunst

76 77 79 81 85 87 89 91 92

Kann man religiösen Glauben sehen? Und auch den Glauben an Placebos? Glaube an die Medien Beten als „Dialog mit Gott" Kontemplative Meditation Hinterlassen seelische Verletzungen „Wunden" im Gehirn? Depressionen, Neigung zum Selbstmord und Zwangshandlungen Planung eines Werbespots Wie gut wirkt sich eine Werbeaktion aus? langfristiges oder kurzfristiges Planen? Ist die sogenannte übersinnliche Begabung im Gehirn sichtbar? Schlussbemerkung

TEIL 3 1 „Telekinese": Bewegungen durch Gedanken Vorbemerkung Prothesen Rollstühle Menschenähnliche Roboter Fahrräder, Autos, Drohnen und Flugzeuge Gehirnmusik Malen mit Gedanken Stumme sprechen mit ihren Gedanken Virtueller Tourismus Gedanken als E-Mails verschicken Das beste Training: gedankengesteuerte Computerspiele Schlussbemerkung

TEIL 4 1 Gehirnmanipulation: Methoden und Möglichkeiten Vorbemerkung Magnetfelder Künstliche Autisten Strom mit Elektroden auf dem Kopf Gehirntraining mit Strom Strom mit implantierten Elektroden Licht (LEDs und Lichtleiter) Periodische Licht- und Tonpulse Mikrowellen

6

93 94 95 96 99 102 104 105 106 108 111

112 112 112 114 116 117 119 121 122 123 124 125 128

129 129 129 134 136 140 143 145 148 154

Der „Gotteshelm" Ultraschall Fernsteuerung von Gehirnen Schlussbemerkung

TEi L 5

1

Sehen ohne Augen, hören ohne Ohren, tasten ohne Haut

Das „innere Auge" Das „innere Ohr" Die „denkende Haut"

TEi L 6

1

Daten von Gehirnen zu Gehirnen, von Gehirnen zu Chips, von Chips zu Gehirnen

Steuerung des Gehirns durch das eigene Gehirn: Neurofeedback Kann man Gehirndaten auf Chips übertragen? „Synthetische Telepathie" - das Prinzip „Synthetische Telepathie" - die Verwirklichung

TEi L 7

1

Ethische Fragen

ANHANG A 1 Methoden der Hirnschau

A1 A2 A3 A4 A5 A6

1 1 1 1 1 1

EEG (Elektroenzephalogramm) MEG (Magnetoenzephalogramm) fMRT (Funktionelle Magnetresonanztomografie) PET (Positronen-Emissions-Tomografie) SPECT (Einzelphotonen-Emissions-Computertomografie) NIRS (Nahinfrarotspektroskopie)

ANHANG B 1 Gedankliches Äußern von Wünschen

B1 B2 B3 B4 65

1 1 1 1 1

Allgemeines Sensomotorische Signale Ereigniskorrelierte Potenziale (EVP) Stationäre, visuell evozierte Potenziale (SSVEP) Implantierte Elektroden

157 160 162 167

168

168 171 173

175

175 181 186 188

191

201

201 202 203 205 206 207 209

209 210 211 212 212

ANHANG C 1 Funktionen der Hirnregionen

215

ANHANG D 1 Gehirnwellen

223

Dank Literaturverzeichnis Bildnachweis Register

224 225 238 239 7

Einführung und Uberblick

E

rst in diesem Jahrtausend erleben wir, dass Vorgänge, die in der Parapsychologie beziehungsweise der Esoterik „Gedanken­

lesen", „Telekinese" und „Telepathie" genannt werden, zu wissen­ schaftlich anerkannten, reproduzierbaren und teilweise sehr nütz­ lichen Techniken geworden sind. Obwohl in der Presse immer häufiger Artikel wie „Telepathie in Sicht: Neue Schnittstelle erlaubt Hirn-zu-Hirn-Kommunikation"' erscheinen, möchte ich klarstellen, dass es sich in den meisten Fällen nicht um esoterische Phänomene handelt, sondern um knallharte technische Errungenschaften. Sie „riechen" nach Para­

psychologie und das macht sie für viele Menschen attraktiv. Ich möchte in diesem Buch unter anderem klarmachen, welche wis­ senschaftlichen Aspekte dahinterstecken. Im Buchteil „Beobachtungen und Gehirnkarten" werden Ab­ bildungen der Gehirnoberfläche sowie von Gehirnschnitten, die später im Text vorkommen, gezeigt - mit den Lagen der Hirnre­ gionen. Der Leser kann die Gehirnkarten so betrachten wie Land­ karten und jedes Mal, wenn im Text eine Hirnregion vorkommt, auf der Karte schauen, wo die beschriebenen Dinge geschehen. Zusätzlich kann der Leser die Region in Anhang C, Funktionen der Hirnregionen, nachschlagen. Wen das aber nicht interessiert, kann die Hirnregionbezeichnungen im Text einfach überspringen. In Teil

1

des Buches wird Parapsychologie definiert und es wird

erklärt, warum sie sich nicht als Naturwissenschaft durchsetzen konnte. Trotz aller Bemühungen blieb sie auf das Aufzeichnen von 8

Einführung und Überblick

Einzelfällen beschränkt. Sie blieb, auch da wo man keine Zauber­ tricks entdeckte, trotz des allgemeinen Staunens unglaubwürdig beziehungsweise nutzlos aus einem wichtigen Grund: Man konnte die Beobachtungen nicht wiederholen. Teil

1

befasst sich auch mit früheren Versuchen, einige Ziele der

Parapsychologie auf wiederholbare, also naturwissenschaftliche Weise zu erreichen - etwa das Gedankenlesen durch Körperspra­ che und die klassischen Lügendetektoren, die sogenannten Poly­ graphen. Aus den neueren Fortschritten in diesem Bereich ergibt sich die Absicht des vorliegenden Buches: Bei drei Zielen der Pa­ rapsychologie - Gedankenlesen, Telekinese und Telepathie - kann man heutzutage mit neurophysiologischen Methoden zu überra­ schenden Erfolgen gelangen. Der Prozess ist vergleichbar mit dem Übergang von der Alchemie zur Chemie und von der Naturphi­ losophie zur Physik: Die Ziele von älteren, nicht wiederholbaren Methoden werden durch naturwissenschaftliche Vorgehenswei­ sen ersetzt und die Phänomene somit wiederholbar gemacht. Teil

2

beschreibt Ergebnisse der durch verschiedene Metho­

den möglichen „Hirnschau". Man kann gedachte Wörter, Zahlen oder Bilder, ja sogar Träume, ,,lesen". Darüber hinaus lassen sich angesammeltes Wissen, Fertigkeiten beim Schachspiel oder Rech­ nen sowie auch Musikalität und sonstige künstlerische Fähigkei­ ten feststellen. Ferner kann man per Hirnschau Emotionen wie Angst, Freude, Wut, Mitgefühl, Eifersucht, Verliebtheit, Neid oder Hass beobachten, aber auch Persönlichkeitsmerkmale und Verhal­ tensweisen wie Pädophilie, Rassismus, Neigung zu Depressionen, Zwangsstörungen, Religiosität, Tendenzen der politischen Orien­ tierung oder Konsumverhalten enthüllen. Teil 3 handelt von jenen Dingen, die in der Parapsychologie un­ ter dem Begriff „Telekinese" zusammengefasst werden: Steuerung von Prothesen und Rollstühlen, Malen und Musizieren, ja sogar Fahrrad- und Autofahren nur mit den Gedanken. In Teil 4, Gehirnmanipulation, geht es um das Auslösen von Verhaltensweisen und die Behandlung von Krankheiten durch technische Vorrichtungen, die von außen auf das Gehirn einwir9

Einführung und Überblick

ken. Hierzu gehört die Behandlung von Bewegungsstörungen nach einem Schlaganfall, von Depressionen und Suchtverhalten, der Parkinson-Krankheit, der Epilepsie und des Tinnitus. Einige Vorrichtungen haben sich in diesem Sinne bewährt - solche, die Magnetfelder, elektrische Ströme sowie Licht- oder Tonpulse be­ nutzen. Andere Methoden - mit Ultraschall oder Mikrowellen sowie der sogenannte Gotteshelm, der mit niedrigen Magnetfel­ dern funktioniert, muss man kritisch betrachten. Zum Teil sind sie gefährlich oder ihre Wirkung ist stark begrenzt beziehungsweise umstritten. Am Ende dieses Buchteils wird die Fernsteuerung von lebenden Tieren zur Erkundung von Geländen - durch neuronale Manipulation ihres Gehirns per Funk - beschrieben. Teil 5 stellt erste Erfolge beim Sehen und Hören, ohne die ent­ sprechenden äußeren Organe zu benutzen, dar. Eingesetzt wer­ den Funkempfänger, die mit dem Sehzentrum des Gehirns oder mit der Hörschnecke elektrisch verbunden sind. Auch das Tasten mit einer künstlichen Haut, eine in der Entwicklung befindlichen Technik, wird beschrieben. Teil 6 beschreibt Kombinationen von Techniken aus Teil 3 (Übertragung von Informationen aus dem Gehirn nach außen) mit denen aus Teil 4 und Teil 5 (Übertragung von Informationen von außen in das Gehirn). Mit solchen Kombinationen kann man eine Übertragung von Gehirn zu Gehirn zustande bringen - also das, was in der Parapsychologie als Telepathie bezeichnet wird. In diesem Teil des Buches wird auch darüber berichtet, wie man Gehirndaten auf einen Chip speichern und umgekehrt auch Daten eines Chips dem Gehirn verfügbar machen kann. Das Speichern von großen Datenmengen, beispielsweise von Lexika, in Gehirnen ist dabei in zukünftigen Entwicklungen nicht auszuschließen. Teil 7 ist eine Zusammenfassung der enormen ethischen Last, die auf uns zukommt, wenn Gehirne gelesen, manipuliert und so­ gar über den Tod hinaus irgendwo gespeichert bleiben. Nicht der Körper würde dann mumifiziert werden, sondern das Wissen, Er­ innerungen, Meinungen und Geheimnisse. Könnte dies eine Art ewiges Leben bedeuten? 10

Einführung und Überblick

In den Anhängen werden technische Methoden erläutert, die aufgrund ihrer Komplexität den Lesefluss der vorherigen Texte erschweren könnten, jedoch für technisch interessierte Leser die dargestellten Fakten vervollständigen sollen. In Anhang A, Metho­ den der Hirnschau, werden Techniken (EEG, MEG, fMRT, PET, SPECT und NIRS) erklärt, die Einblicke in verschiedene Teile un­ seres Gehirns und deren Funktionen erlauben. In Anhang B findet man technische Erläuterungen zu den Methoden zum Äußern von Wünschen durch Gedanken. Dieser Anhang befasst sich mit der Steuerung von Gehirnwellen durch Training sowie mit verschie­ denen Arten von elektrischen Signalen des Gehirns, die außen erfasst werden können. In Anhang C werden die Gehirnteile al­ phabetisch aufgelistet und ihre Funktion kurz erläutert. Anhang D erklärt die verschiedenen Wellen, die im Gehirn auftreten und im EEG sichtbar sind.

11

Beobachtungen und Gehirnkarten In diesem Buch ist oft davon die Rede, dass ein Gehirnteil „auf­ leuchtet" oder „aktiviert" wird. Dies bedeutet, dass in einer funktio­ nellen Magnetoresonanztomographie (fMRT; siehe Anhang A3) Bilder wie die folgenden (Bild

1

bis Bild

4)

entstehen. Die „akti­

vierten" Gehirnteile erscheinen heller oder werden anders hervor­ gehoben:

Abb. 1 Aktivierung des Corpus callosum {hellerer „Bogen" in der Bildmitte).6

Abb. 2 Verstärkte Aktivität (heller im Bild) des Globus pallidus (weiße Pfeile) und des Nucleus caudatus (schwarze Pfeile) bei einer Leberzirrhose.526

12

Beobachtungen und Gehirnkarten

Abb.3 Verdickung des Pons (schwarzer Pfeil) bei einer alkoholischen Leberzirrhose.526

Abb.4 Horizontaler Gehirn­ schnitt mit Visualisie­ rung der Augen und der Sehnerven. Anato­ mische Veränderungen im unteren Teil dieses Bildes signalisieren die Alzheimer-Krankheit.527

13

Beobachtungen und Gehirnkarten

Frontallappen

Abb. 5

Grobe Unterteilung des Gehirns.2

Präzentraler Gyrus Primäres motorisches Zentrum

Zentraler Sulcus Primäres somatosensorisches Zentrum Postzentraler Gyrus

lntraparietaler Sulcus

Gyrus angularis Mittlerer frontaler Gyrus ---:i-f�.,_-4:1-= Unterer frontaler Gyrus -1---ii::.....11-.,,&..:.�--

Pars opercularis Orbitofrontaler Kortex

Primärer visueller Kortex

Abb. 6 14

Sicht der Gehirnoberfläche von der Seite.3

Beobachtungen und Gehirnkarten

Corpus callosum

Vorderes Cingulum

Gyrus lingualis Nucleus accumbens

Gyrus fusiformis

Abb. 7 Trennebene zwischen den Gehirnhälften.3

Gyrus parahippocampalis Pans

Orbitofrontaler Kortex

Frontaler Pol (frontopolarer Kortex)

Riechkolben

Kleinhirn

Abb. 8

Sicht der Gehirnoberfläche von unten.3

15

Beobachtungen und Gehirnkarten

Corpus callosum

-&���s,;�5::.1� Globus pallidus !:"'i..,,,'-i:7.=li