Das große Ulmer-Biogartenbuch

Biologischer Pflanzenschutz 92. Spezielle Methoden und Anschauungen 99. Gärtnern mit gutem Gewissen 102. Gemüse und Kräuter anbauen 106.
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Brunhilde Bross-Burkhardt

Das große Ulmer

Bio garten buch

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Biogartenbuch

Brunhilde Bross-Burkhardt

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Bio garten   buch

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Biogärtnern als Lebenshaltung  7

Die Wurzeln des Biogartenbaus  8 Biologisch gärtnern – was ist das?  10 Dem Bioanbau verwandte Praktiken  12 Von den Anfängen des Biogartenbaus  14

Umsetzung in die Praxis – sieben Beispiele  18 Annäherung ans biologische Gärtnern – wie beginnen?  20 1 Urban Gardening – gemeinschaftlich gärtnern  22 2 Kleiner Nutzgarten direkt am Haus  26 3 Großer Selbstversorgergarten am Wohnhaus  30 4 Krautgarten – ein Gartengrundstück in freiem Gelände  34 5 Streuobstwiese mit Wildgehölzen  38 6 Resthof mit Pferdehaltung  42 7 Rosen- und Kräutergarten am Haus  46

Biologisch Gärtnern – die Grundlagen  50 Das Grundstück und seine Standortbedingungen  52 Die Pflanze  60 Bodenpflege im Biogarten  66 Keine Angst vor Unkräutern  90 Biologischer Pflanzenschutz  92 Spezielle Methoden und Anschauungen  99 Gärtnern mit gutem Gewissen  102

Gemüse und Kräuter anbauen  106 Die richtigen Arten und Sorten auswählen  108 Der äußere Rahmen: Beetformen  112 Gemüse und Kräuter vor Wind und Wetter schützen  114 Fruchtfolge und Mischkultur im Gemüsebeet  116 Pflanzen anziehen und vermehren  118 Vielfalt beim Gemüse – Arten und Sorten  120 Seltenes und Wildes  174 Heil- und Küchenkräuter mit vielen Facetten  176 Lust auf Kräuter – Arten und Sorten  178

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Obst im Biogarten  188 Obstanbau für Generationen  190 Unkompliziertes Beerenobst  192 Obstbäume mit Kernen und Steinen  193 Von Beerensträuchern und Obstbäumen – Arten und Sorten  198 Wildobst 224

Ziergarten und andere Gartenteile  230 Natürliches Gestalten  232 Sommerblumen 233 Zweijährige Blumen  236 Zwiebel- und Knollenpflanzen  237 Stauden 240 Ziersträucher und ausdauernde Kletterpflanzen  244 Rosen 248 Von Blumenwiese bis Gartenteich  254

Selbstversorgung mit Gemüse, Obst und Kräutern  258 Selbstversorgung heutzutage  260 Rund ums Jahr: Arbeiten im Selbstversorgergarten  262 Die Ernte konservieren und Vorräte anlegen  268

Noch mehr erfahren …  276 Bezugsquellen 281 Zum Weiterlesen  282 Register 283 Zur Autorin  287

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Biogärtnern als Lebenshaltung Der Biogarten ist für mich mehr als ein Ort, an dem Nutzpflanzen gesund heranwachsen und mich gesund ernähren. Das biologische Gärtnern ist gleichzeitig Ausdruck meiner Lebenshaltung. Es bringt mich der Natur ganz nahe und es schenkt mir Lebensfreude. Dabei hat für mich das biologisch orientierte Gärtnern mehrere Aspekte: Da ist zum einen die stoffliche Ebene mit Düngung, Pflanzenschutz, Saatgut und andere Ressourcen. Im biologischen Gartenbau gibt es den klaren Grundsatz, auf chemisch-synthetische Spritzmittel zu verzichten, keinen „Kunstdünger“ zu verwenden und sparsam mit Wasser, Energie und Rohstoffen umzugehen. In der öffentlichen Wahrnehmung steht der materielle Aspekt des Biogartenbaus im Vordergrund. Und er ist auch seine Basis. Zu den Grundsätzen auf stofflicher Ebene gehört zudem der sorgsame Umgang mit der organischen Substanz. Der pflanzliche Aufwuchs und Abfälle aus dem Haushalt sollen möglichst im Naturkreislauf des Gartens bleiben und so längerfristig für Humusaufbau und fruchtbaren Boden sorgen. Bei meinem Verständnis vom biologischen Gärtnern schwingt zum anderen immer der Naturschutzgedanke mit. Ich will einen Beitrag zur Biodiversität leisten, indem ich in meinen Gärten und in meinem Lebensumfeld Lebensräume für Tiere und Pflanzen erhalte und neu schaffe. Mir ist es beispielsweise wichtig, dass alte Bäume stehen bleiben, manchmal bis sie absterben. Und ich lasse bis zu einem gewissen Grad Wildwuchs zu.

Biogärtnern ist für mich aber noch viel mehr. Bio­gärtnern bedeutet für mich auch eine innere Verbundenheit mit dem Geschehen im Garten und in der umgebenden Natur. Der Garten ist für mich ein Ort, in dem ich die belebte und unbelebte Garten­welt genau beobachten und den Pflanzen, den Tieren und dem Boden ganz nahe sein kann. Der Boden ist für mich der Schlüssel zu allem. Und ein vierter wesentlicher Aspekt des Biogärtnerns (vielleicht der Wichtigste) ist für mich fast so etwas wie eine Lebenshaltung, eine geistige Freiheit, die sich in Experimentierfreude und der Bereitschaft, mich auf Neues einzu­ lassen, ausdrückt. Dabei bleibe ich auf dem Boden des naturwissenschaftlich Begründbaren und hinter­frage und analysiere manch vermeintliche Biogartenmethode. Mehr als die Spanne einer Generation liegt zwischen der ersten großen Welle der Biogarten­ bewegung und der heutigen Biogartenpraxis. Die Grundsätze haben sich nicht geändert. Doch die Bewegung ist vielfältiger geworden. Und, der wesentliche Unterschied: Früher wurde alles, was sich „bio“ nannte, von der breiten Masse ver­un­ glimpft und oft ziemlich rabiat bekämpft. Heute ist Biogartenbau in der Öffentlichkeit allgemein akzeptiert und für viele selbstverständlich geworden. Ich bin gespannt darauf, wie es in Zukunft mit dem biologischen Garten­bau weitergeht. Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Die Wurzeln des Bio¯ gartenbaus

Bioanbau in privaten Gärten hat viele Facetten. Bei allen individuellen Ausprägungen gibt es viele Gemeinsamkeiten: Biogärtner wollen gesundes Obst und Gemüse ohne Schadstoffe ernten und etwas für die Natur tun.

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· Die Wurzeln des Biogartenbaus ·

Biologisch gärtnern – was ist das? Es ist gar nicht so einfach, diese Frage zu beantworten. Eine exakte Definition bezogen auf den privaten Biogartenbau gibt es nicht. Der kleinste gemeinsame Nenner ist wohl, dass es ein Gärtnern mit der Natur und ohne giftige Stoffe ist.

Gesundheit auf drei Ebenen Ein wichtiger Leitgedanke des biologischen Anbaus ist, dass nur auf einem gesunden Boden gesunde Pflanzen wachsen können. Der Boden ist das A und O beim biologischen Gärtnern. Alles zielt darauf ab, den Boden fruchtbar zu machen. Damit verbunden ist die weitergehende Vorstellung, dass nur auf einem gesunden Boden gesunde Pflanzen wachsen, die wiederum der Gesundheit des Menschen zuträglich sind. Gesundheit auf drei Ebenen also. Die wichtigsten Methoden zur Förderung der Bodenfruchtbarkeit sind Gründüngung, Mulchen und Kompostgaben mit dem Ziel einer Kreislaufwirtschaft. Und zur Gesunderhaltung der Pflanzen

Ziel des Biogärtnerns: fruchtbaren Boden schaffen.

selbst dienen giftfreie Methoden zur Krankheitsund Schädlingsregulierung. Unter diesen Voraussetzungen, so ist die Idealvorstellung, soll sich der Mensch selber als Nutznießer gesund von den pflanzlichen Produkten ernähren können. Zu meinem Verständnis von biologischem Gärtnern gehört auch, nicht unnötig Energie und Ressourcen zu verschwenden.

Ökologischer Aspekt Für mich hat das biologische Gärtnern auch einen starken ökologischen Aspekt. Ein Biogarten ist für mich zumindest in Teilbereichen auch ein Naturgarten. Ich möchte in meinem Garten, auf meinem Grundstück für die Vielfalt in der Natur etwas tun, indem ich Lebensräume für Pflanzen und für Tiere schaffe. Dabei denke ich nicht nur an die Welt über der Erdoberfläche, sondern auch an die im Boden. Eine natürliche Umgebung und gewachsener Boden bieten die besten Voraussetzungen für biologisches Gärtnern. In Kisten und Kästen, in denen die Pflanzerde keinen direkten Kontakt zum gewachsenen Boden hat, lässt sich nur eingeschränkt biologisch gärtnern.

Biologisches Gärtnern heute Was ist biologisches Gärtnern heute? Der Begriff ist – abgesehen von der Grundintention des naturnahen, giftfreien Anbaus – nicht klar definiert. Nicht jeder Biogärtner oder jede Biogärtnerin wird alle verfügbaren Methoden praktizieren, sondern viel-

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Ein vielfältiges Miteinander prägt den Biogarten.

mehr nur diejenigen umsetzen, die für die eigenen Bedürfnisse nötig sind. Für eine umfassende Praxis fehlt bei den vielfältigen Belastungen im Beruf und in der Familie oft die Zeit. Wenn man keine umfassende Selbstversorgung wie in frühen Biogärtnerzeiten anstrebt, ist das auch gar nicht nötig. So kann man sehr gelassen und experimentierfreudig an das Projekt Biogarten herangehen. Wer im privaten Umfeld biologisch gärtnert, muss sich nicht an feste Regeln halten wie im professionellen Bioanbau, bei dem alle Details genau in Anbaurichtlinien festgehalten sind. Privatleute können frei entscheiden, wie sie Bioanbau praktizieren.

technischen Methoden, um hohe Erträge zu erzielen. Andere private Biogärtner werden nur mal hier und mal da eingreifen, wenn Blattläuse überhandnehmen oder Schnecken alles Grüne abraspeln. Eine dritte Gruppe von Biogärtnerinnen und -gärtnern lässt es nach meiner Erfahrung einfach eher laufen. Sie kommen kaum auf die Idee, Pflanzenschutzmittel oder -pflegemittel egal welcher Ausrichtung anzuwenden, und sie düngen sehr zurückhaltend mit garteneigenem Kompost und allenfalls gelegentlich etwas Hornmehl, wenn Stickstoffmangel deutlich zu sehen ist. Geerntet wird eben das, was mehr oder weniger von alleine heranwächst. All das fällt unter den Überbegriff „biologisches Gärtnern“.

Intensiver oder extensiver Anbau Dabei kann die Intensität des Anbaus ganz unterschiedlich sein: Biologisch gärtnern kann man mit einem hohen (intensiven) oder einem geringen (extensiven) Einsatz an Ressourcen (Düngung, Pflanzenschutz, Technik, Energie und Zeit). Manche private Biogärtner schöpfen, so wie im Erwerbsanbau, alle Möglichkeiten aus und behandeln ihr Gemüse und Obst intensiv mit den zur Verfügung stehenden Düngemitteln, Pflanzenschutz- und Pflanzenpflegemitteln sowie mit bio-

Biologisch gärtnern auf verschiedenen Ebenen • Fruchtbaren Boden schaffen (durch Gründüngung und Mulchen) • Düngen mit organischen Düngern • Giftfreie Pflanzenpflege und P­ flanzenschutz • Saatgutpflege • Vielfalt bei Pflanzen und Tieren fördern • Ressourcen schonen

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· Die Wurzeln des Biogartenbaus ·

Dem Bioanbau ­verwandte Praktiken In einem Perma­k ulturgarten oder einem Naturgarten geht es eher um ein Gesamt­konzept für das Lebensumfeld des Menschen, das Gebäude und andere architektonische Elemente mit einbezieht.

Permakultur Permakultur ist ein umfassendes Entwurfs­system für den Lebensraum des Menschen mit den Bestand­ teilen Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Wasser­ wirtschaft, Obstbau, Gartenbau, Energiewirtschaft, Architektur, Baubiologie, Ökonomie und Ökologie. Ziel ist eine möglichst große Nahrungsmittelunabhängigkeit auf der kleinstmöglichen praktikablen Fläche. Der Australier Bill Mollison hat den Begriff Permakutur im Jahr 1978 mit seinem Buch „Per-

Ein Naturgarten bietet Lebensraum für eine Vielzahl von Wild- und Kulturpflanzen und für Tiere.

maculture I. A Perennial Agriculture for Human Settlements“ an die Öffentlichkeit gebracht. Perma­ kulturpraktiker streben an, die Nahrung dort zu erzeugen, wo sie gebraucht wird, also auch in Städten. In Permakulturgärten soll sich möglichst alles selbst regulieren. Der Mensch soll von der Natur leben, sie kontrollieren, dabei aber nicht zerstören. Das Bestreben ist, sich selbst mit Energie zu versorgen. Deswegen werden organische Abfälle möglichst komplett verwertet und zu Dünger, Kompost oder Biogas verarbeitet. Abwässer werden am Ort ihrer Entstehung aufbereitet und weiterverwertet. Permakulturpraktiker wollen das Kleinklima günstig beeinflussen, sodass auch exotische Gewächse in unserem Klimabereich wachsen können. Sie bauen Gebäude und pflanzen Gehölze so, dass kalte Winde abgehalten werden oder dass die Sonne so reflektiert wird, dass sie wärmebedürftigen Gewächsen wie beispielsweise dem Weinstock zugutekommt. Genau genommen unterscheidet sich die Permakultur kaum von traditionellen mitteleuropäischen Anbausystemen. Auch in Mitteleuropa wirtschafteten Landleute notgedrungen energieeffizient und verwerteten die verfügbare organische Substanz zum Düngen und auch zum Bauen. Der Anbau von Spalierobst an der Südseite von Gebäuden ist ebenfalls altes gärtnerisches Wissen, ebenso das Auffangen von Regenwasser von den Dächern.

Naturgarten In einem Naturgarten geht es weniger um Nahrungsmittelerzeugung, sondern um aktiven Naturschutz, indem man Lebensräume für Pflanzen und

· D e m B i o a n b a u v­ e r w a n d t e P r a k t i k e n ·

Tiere schafft (oder einfach nur zulässt). Diese Vielfalt kommt indirekt dem Nutzgarten zugute. Ein Naturgarten kann ein wenig von den Funktionen übernehmen, die in der Feldflur Hecken, Feldgehölze, Raine und Tümpel erfüllen, nämlich Tieren Nahrung, Brut- und Rückzugsorte zu bieten. Dazu legen Naturgärtner Blumenwiesen an, lassen Wildkrautecken stehen, bauen Trockenbiotope und Trockenmauern. Tragen Lesesteinhaufen zusammen, pflanzen Hecken und schaffen – wo es passt – Feuchtzonen und Tümpel. Naturgärtner denken immer an die Tierwelt. Sie lassen Brennnesseln als Futterpflanzen für Schmetterlinge wie den Kleinen Fuchs wachsen. Sie schneiden nicht alles Abgeblühte gleich ab, sondern lassen es als Futter für Vögel oder Insekten stehen. Sie dulden bis zu einem gewissen Grad Unkräuter.

Urban Gardening Genau genommen sind alle Anbauformen in einem städtischen Umfeld urbanes Gärtnern, also auch traditionelle Kleingärten oder Schrebergärten, Balkongärten oder Dachgärten. Doch der englische Begriff „Urban Gardening“, der in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen ist, hat durch die vielen Veröffentlichungen in den Medien einen anderen Anklang und bezieht sich vor allem auf neue Modelle des Gärtnerns, vor allem des Nutzpflanzenanbaus, in der Stadt. Diese heben sich vom individuellen, manchmal als spießig empfundenen Gärtnern im Kleingarten ab – eine äußerst bunte Szene vom Guerilla-Gardening mit dem Werfen von Samenbomben über Gemeinschaftsgärten und Selbsterntegärten bis hin zu kommerziellen Urban-Agriculture-Projekten wie Aquaponic und Indoor-Farming. Viele Urban-Gardening-Projekte finden im öffentlichen Raum statt. Da geht es nicht um individuellen Landbesitz, sondern um die Nutzung des öffentlichen Raums, der als Allgemeingut verstanden wird. So ist es beispielsweise beim Prinzessinnengarten in Berlin-Kreuzberg. In diesem findet der Anbau hauptsächlich in Kisten und Säcken statt. Bei einer solchen Anbauweise kommt es besonders auf die gleichmäßige Wasserversorgung eventuell mit Hilfe einer automatischen Bewässerung an, denn die Gemüsepflanzen oder die Obstgehölze haben nur einen begrenzten Wurzelraum. Anders

Bekannt für Gemüseanbau im Container: der Berliner Prinzessinnengarten.

als in gewachsener Erde können die Kulturpflanzen mit ihren Wurzeln nicht in tiefere Bodenschichten vordringen und sich aus dem Bodenvorrat mit Wasser und Nährstoffen versorgen. Bei Dauerkulturen besteht zudem die Gefahr, dass die Pflanzen im Winter vertrocknen oder ausfrieren.

Widerständig sein Ökologisch und nachhaltig ist der Anbau in Gefäßen nur, wenn man sorgsam und sparsam mit Materialien umgeht und Erde (Substrate) ohne Torf verwendet. Die Kosten sollten in einem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag stehen. Etwas Widerständigkeit gegen modisches (und teures) Urban-Gardening-Zubehör aus dem Handel gehört auch dazu. Selbstverständlich sollte sein, dass die Urban-Gardening-Aktivitäten in sicherer Entfernung von Abgasen, Feinstaub und Reifenabrieb betrieben werden. In früheren Biogartenzeiten haben wir wegen der potenziellen Schadstoffbelastung eher vor dem Anbau von Gemüse und Kräutern in der Stadt gewarnt.

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