Das „russische Mädchen“ begleitet jetzt Flüchtlinge

gewachsen und hat in Bayern selbst Diskrimi- nierung erlebt. Nun will sie zur besseren Integ- ration von Flücht- lingen beitragen. BILD: SN/KOLARIK/LEO.
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8 SALZBURG AKTUELL

Lili Sterzer ist in Kirgisistan aufgewachsen und hat in Bayern selbst Diskriminierung erlebt. Nun will sie zur besseren Integration von Flüchtlingen beitragen. BILD: SN/KOLARIK/LEO

Das „russische Mädchen“ begleitet jetzt Flüchtlinge Lili Sterzer ist als Kind mit der Familie von Kirgisistan nach Deutschland umgesiedelt. In Salzburg hat sie sich zur Akademikerin hochgearbeitet. Jetzt engagiert sie sich selbst für Flüchtlinge. SALZBURG. Wegen ihrer deutschen Wurzeln als angebliche Partisanin gefangen genommen. Als Krankenschwester zum Dienst in der Roten Armee zwangsverpflichtet. Flucht nach Kasachstan, Übersiedlung nach Sibirien, dann nach Kirgisistan. Das sind die Stationen von Lili Sterzers Urgroßmutter. 1988 kommt Lili in Kirgisistan zur Welt und wächst russischsprachig auf, was in Kirgisistan nicht gern gesehen ist. Ihre Mutter ist Ärztin und kreidet Missstände im korrupten Gesundheitssystem an. Das bringt ihr massive Drohungen ein. Daher geht die Familie zu Verwandten nach Deutschland. Die erste Zeit in der neuen Heimat nahe Frankfurt wohnt die Siebenjährige mit einem halben Dutzend Menschen in einem

Zimmer. Dann geht es nach Bayern in eine Siedlung für Zuwanderer. In der Volksschule fühlt sich das Mädchen von der Klasse ausgeschlossen. „Das war eine sehr harte Zeit. Die Lehrer haben sich um Integration bemüht, aber es hat nichts genützt. Ich war für die anderen das unwillkommene

SN-AUFSTEIGERIN

Lili Sterzer

,Russenkind‘. Sie haben meinen Fahrradsitz angespuckt. Nur eine Mitschülerin hat zu mir gehalten. Diese Freundschaft besteht noch heute.“ Wie wichtig Anpassung und Integration sind, hat Sterzer schnell verstanden. 2014 hat sie ihr Lehramtsstudium in Biologie, Philosophie und Psychologie an

der Uni Salzburg abgeschlossen und sich so zur anerkannten Akademikerin hochgearbeitet. Die aktuelle Flüchtlingskrise, bei der die Schere zwischen totaler Hilfsbereitschaft und totaler Ablehnung in der Gesellschaft immer weiter aufgeht, beschäftigt die 26-Jährige: „Ich kann nicht verstehen, warum bei manchen ein so großer Fremdenhass da ist. Was ich schon verstehe, ist die Angst von Leuten vor dem Unbekannten. Es kommen ja Menschen aus einer ganz anderen Kultur zu uns. Wie wird es mit der Integration klappen, fragen sich da viele. Man darf in der Flüchtlingsfrage nicht schwarzweiß malen und nicht alle in einen Topf werfen.“ Um ihnen die Integration in Österreich zu erleichtern, half Sterzer Flüchtlingen beim Deutsch-Lernen und

bei Wohnungs- oder Arztsuche. Der Wunsch dazuzugehören müsse ja nicht so weit gehen, dass man seine Vergangenheit verleugne, wie sie es in ihrer Gymnasialzeit getan habe, erzählt die junge Frau. Nur allerengste Freunde wussten damals von ihrer russischen Kindheit. Mit perfekten Deutschkenntnissen baute sie eine neue Identität auf. Erst vor Kurzem ist Sterzer aus Ecuador zurückgekehrt. Dort hat sie ein halbes Jahr eine deutsche Schulklasse geleitet. „Die Korruption dort hat bei mir Erinnerungen an Erzählungen über Kirgisistan geweckt.“ Aktuell absolviert Sterzer ihr Probejahr als Lehrerin. Ihr Erfolgsrezept? „Ich habe vieles geschafft – durch soziale Kontakte und eigenes Engagement. Aber Integration ist manchmal auch harte Arbeit.“