Darmstadt berichtet SPD, CDU und Antifa demonstrieren zusammen ...

1945 ausdrücklich um eine Befreiung gehandelt hat. Für Israel und Palästina? An den Worten von Jochen Partsch, dass die Kundgebungsteilnehmer für die ...
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Linksjugend [solid’] Darmstadt berichtet Heute fanden in Darmstadt zwei Kundgebungen/Demonstrationen statt, wobei die erste, um 15 Uhr, unter dem Motto “Solidarität mit den Menschen in Israel! Gegen Antisemitismus und Islamismus!” stand, während die zweite, um 16 Uhr, sich lediglich “Demo für Gaza Darmstadt” nannte. Wir haben uns auf beiden kritisch beteiligt, dies schien uns aufgrund deren schlechter Konzeption, in Hinblick auf unser Programm notwendig. Wir wollen nicht sektiererisch damit wirken, aber bei dem Thema gibt es leider sehr viele reaktionäre Vereinahmungsversuche, trotzdem wollen wir gegen Antisemitismus und Krieg einstehen!

SPD, CDU und Antifa demonstrieren zusammen Die Kundgebung für “Solidarität mit den Menschen in Israel”, in den Medien als “Pro Israel” Kundgebung abgekürzt, sollte sich primär gegen die Antisemitischen Vorfälle im Zusammenhang mit Antikriegs- und Free Palestine- Protesten richteten. Hierbei wurde zwar mehrfach betont, das legitime Kritik an Israel in Ordnung sei, geäußert wurde jedoch keine 1. Dafür wurde mehrfach betont das Israel das Recht zu Selbstverteidigung habe, ohne Konfliktfelder wie Besetzung oder die Abriegelung Gazas zu erwähnen, einseitige Deutungsmuster fanden sich also auch hier. Nicht verschweigen wollen wir die viele guten Aussagen der Redner*Innen, wie z.B. die von Gabriele Zander dass eine Solidarität für Palästinenser und Israelis notwendig sei. Sowie die Betonung von Martin Frenzel das es sich 1945 ausdrücklich um eine Befreiung gehandelt hat.

Für Israel und Palästina? An den Worten von Jochen Partsch, dass die Kundgebungsteilnehmer für die Menschen in Israel und Palästina eintreten würden mussten wir leider anzweifeln, denn von Zweiteren war keine Spur. Die auf echo-online gezeigten Fahnen waren allesamt klar außerhalb der Kundgebung und nur anfangs präsent. Auf der Kundgebung gab es sehr viele Israelfahnen in verschiedenen Größen, sowie zwei Deutschlandfahnen und zwei Antifa-Fahnen. Welche aufgrund der Abgrenzung von sog. ‘Extremisten’ ja eigentlich unerwünscht waren2.

1

Soweit für uns erhöhrbar war. http://www.spdfraktion-da.de/newsreader/items/kein-rassismus-und-antisemitismus-in-derwissenschaftsstadt-darmstadt.html 2

Die einzige Palästinafahne auf dem Platz, mit der die Aussage von Herrn Partsch bekräftigt werden konnte, befand sich in dem von uns mitgebrachten Solidaritätsschild. Dessen Hintergrund eine Zeichnung des israelischen Zeichners Avi Kratz war.

“Solidarität mit den israelischen Friedensaktivist*Innen und ihren Freunden” “Gegen Rassismus und Kriegstreiber, überall!”

Wir konnten damit, innerhalb des Titels der Kundgebung, einen linken Impuls setzen und auf die Israelis aufmerksam machen, welche sich ebenfalls gegen Krieg und Besatzung erheben. Wie zum Beispiel auf dem Habimaplatz in Tel Aviv, dort werden sie von rechtsradikalen Zionisten tätlich angegriffen und angefeindet mit Sprüchen wie “Tot den Arabern” 3. Es gibt also kein homogen israelisches, schon gar nicht jüdisches Kollektiv welches für die Operationen der IDF verantwortlich gemacht werden kann! Wie bei allen Konflikten sind auch hier vor allem die wirtschaftlichen und machtpolitischen Faktoren zu betrachten. Für uns war es auch wichtig ein Zeichen gegen den antijüdischen und antiarabischen Rassismus zu setzten, da dieser von den Hardlinern beider Konfliktparteien als Propaganda für ihre Angriffe genutzt wird. 3

http://972mag.com/the-night-it-became-dangerous-to-demonstrate-in-tel-aviv/93524/

“Standing together”, Junge Union demonstriert Staatsräson (in der Mitte Helligkeit korrigert)

Von Extremismustheorien und Kulturkampf Seltsam war auch die mehrmals vorgetragene Behauptung das die antisemitischen Ausschreitungen der letzten Wochen von einer Front aus ‘linken, rechten und islamistischen Extremisten’ getragen worden wären. Dass sich diese Personengruppen, aus komplexen Gründen, tatsächlich manchmal in räumlicher Nähe befanden wollen wir nicht leugnen, dafür dass sich linke Aktivist*Innen aktiv mit Nazis oder Islamisten solidarisiert hätten gibt es jedoch keine Anhaltspunkte! Ebenso gib es keine Belege, dafür das sich linke Aktivisten durch antisemitisches Verhalten oder Aussagen hervor getan haben! Hier fragten wir uns ob dies, einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Thema gerecht wird oder nicht womöglich linke Opposition diffamiert werden sollte. Mehrfach vorgetragen wurde als ideologische Floskel, dass Israel die einzige Demokratie im nahen Osten sei. Fakt ist aber, dass im kurdischen Rojava (Nordsyrien) aktuell ein basisdemokratisches Projekt läuft, außerdem gibt es auch in vielen arabischen Ländern demokratische Wahlen. Deren Qualität reicht dabei von Saudia Arabien (keine Kompetenzen) bis hin zum parlamentarischen Staat Türkei, welches sogar Natomitglied ist. Ob letztere genannte genauso gut funktioniert wie die israelische, können wir nicht sagen, was wir allerdings sagen ist dass die demokratischen Defizite auch ein Produkt der kolonialen wie imperialistischen Politik des Westens sind! Daher ist es auch bedenklich einen Kampf zwischen Gut und Böse anhand dessen zu konstruieren oder wie es ein junger Redner tat, einen Kampf der Aufklärung gegen den barbarischen Islamismus herbei zu philosophieren. Von derlei neokonservativen Politikansätzen können tausende Menschen im Irak kein Lied mehr singen und auch in Libyen haben die Bomben der Nato nichts verbessert, im Gegenteil! Mit einer solchen Argumentation wird nicht der Antisemitismus bekämpft sondern islamistischen Hetzern eine reale Basis geliefert. Anstatt Feindbilder zu etablieren4, sollten wir versuchen, das Leben aller zu verbessern, damit Hass, Neid und ihre Begleiterscheinungen keine Grundlage mehr haben. 4

http://www.bild.de/news/standards/religionen/islam-als-integrationshindernis-36990528.bild.html

Schlussendlich möchten wir uns jedoch ganz klar der Forderung anschließen, dass es in Deutschland nicht weiter geduldet werden kann das immernoch Menschen wegen ihres (jüdischen) Glaubens angegriffen oder angefeindet werden!

Free Gaza Darmstadt Die zweite Demonstration begann um 16 Uhr am Ludwigsplatz, sie wurde von einer türkischstämmigen Einzelperson organisiert und trat in erster Linie für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser ein. Dies bedeutet auch dass es keine professionelle Organisation gab, was bei einer Betrachtung der Redebeiträge und der Parolen berücksichtigt werden sollte. Ziel der Demonstration war es auch nicht eine ausgewogene Antikriegsperspektive zu artikulieren sondern vor allem gegen die ‘Kollateralschäden’ der Militäroperation in Gaza zu protestieren. So wurde z.B. zu Anfang gesagt “Natürlich hat Israel ein Selbstverteidigungsrecht aber dann haben es die Palästinenser auch!”. Die Teilnehmer deswegen als “Pro Hamas” einzuordnen, würden wir aber als einen Fehler zurückweisen 5. Gezeigt wurden nur Palästina Fahnen in verschiedenen Größen, wie auf der ersten Kundgebung auch von (kleinen) Kindern getragen.

Anfangskundgebung der Free Gaza Darmstadt Demonstration

Wir hatten uns Anfangs an der Demo beteiligt, weil wir ebenfalls für einen gerechten Frieden im nahen Osten sind. Haben uns dann aber etwas abgesetzt, weil wir als deutsche Linke einige Agitationsformen nicht mittragen konnten und wollten. Es wurde immer wieder deutlich darauf aufmerksam gemacht, dass antisemitische und hasserfüllte Parolen nicht erwünscht sind. Trotzdem waren einige von ihnen mehr als grenzwertig. Was uns überhaupt nicht gefallen hat, war “Zionisten sind Faschisten, töten Kinder und Zivilisten”, weil dies nicht nur den Faschismusbegriff deformiert, sondern auch unzulässige historische Analogien hervorruft. Gleichwohl muss darauf hingewiesen werden, dass auch in den Medien in allen möglichen 5

http://972mag.com/why-do-palestinians-continue-to-support-hamas-despite-such-devastating-loses/

Diskussionen zu schlimmen Vorgängen schnell von ‘Faschismus’ gesprochen wird (z.B. bzgl. Rußland). Ob die Mehrzahl der Demonstrierenden unter dem Begriff die aktuelle Politik des Staates Israels gegenüber den Menschen in der Westbank (Militärverwaltung, Besiedlungsregime) und Gaza (völkerrechtlich als Besetzt zu werten) versteht oder den Zionismus insgesamt können wir nicht sagen. Es gab außer zu Beginn, quasi keine großen Redebeiträge, es wurden fast durchgehend wiederholende Parolen gerufen, hier eine Auswahl: “Gaza wird bombardiert, von Frau Merkel finanziert!”,

nicht “Kaserniert,…” und spätestens damit keine

Hassparole wie auf echo-online berichtet wurde

“Augen auf, Augen auf, unsere Kinder gehen drauf!” “Israel und USA, Menschenrechte, Hahaha!” “Gaza, Gaza weine nicht, morgen scheint euer Licht!” “Ist die Welt taub und stumm, Israel bringt Kinder um!” “Gaza, Gaza du bist nicht allein, wir sind mit dir Groß und Klein!” “Freiheit für Gaza!” “Freiheit für Palästina” “Wir wollen keinen Krieg, Freiheit ist unser Ziel” sowie selten: “Hoch die Internationale Solidarität”

Der Slogan: „Kindermörder Israel“, der für kein anderes Land der Welt verwendet wird, obwohl z.B. die USA im Verlaufe ihrer Geschichte weit mehr Kinder in Kriegen ermordet haben, ist zumindest im deutschen Kontext stark antisemitisch konnotiert; auch wenn persönlich betroffenen PalästinserInnen beim Rufen dieses Slogans nicht per se Antisemitismus vorgeworfen werden kann, schürt er doch antisemitische Ressentiments. Am Marktplatz konnten wir die Demonstrationsleitung auf zwei Neonazis mit eindeutigen TShirts aufmerksam machen, welche diese von der Polizei entfernen ließ. Ein konsequenteres Vorgehen gegen diese selbst, war aus verschiedenen Gründen nicht durchführbar. Ob sie zur Kameradschaft “FSN Dieburg” gehören, welche in den letzten Tagen Schmierereien in Darmstadt hinterlassen hat können wir nicht sagen.

“Support the Hamas - Fuck Israel” ;

beides nur in rechtsextremen Shops zu erwerben

Gegen Ende tauchten dann auch große Schilder auf, auf denen Karikaturen abgebildet waren. Zwar sollen Karikaturen überziehen und Aufmerksamkeit erregen, aber eines der Schilder ging

schon einen Schritt zu weit und zeigte in unangepasster Weise einen Soldaten und ein totes Kind mit Nuckelflasche. Auf unsere Kritik bzgl. des Kindermörder Vorwurfs angesprochen, zeigte sich bei vielen Demonstranten Verständnis für unsere Vorbehalte und den verfälschenden Charakter solcher Agitation. Über die gefährlichen Auswirkungen derartiger Anschuldigungen sollte öffentlich aufgeklärt werden, um einen Reflektionsprozess zu bewirken, statt sie schlicht als antisemitisch zu bezeichnen. Unseres Empfinden nach handelte es sich bei den Demonstrierenden nicht um ideologisch gefestigte Kader, sondern um eher unpolitische, meist migrantische Personen, welche ihren Frust gegen die täglichen Kriegsbilder zeigen wollten. In Unterhaltungen mit den Teilnehmer*Innen der beiden Veranstaltungen, mussten wir merken, dass es auf beiden Seiten rassistische Vorurteile gibt, die uns traurig machten. Jedoch waren dies absolute Einzelmeinungen, die auch durch andere Teilnehmer*Innen nicht unwidersprochen blieben. Manch einer mag nun sagen das wir die erste Kundgebung womöglich härter kritisiert haben. Sollte dies so sein, möchten wir darauf hinweisen, dass diese von den Regierenden der Stadt, sowie den wichtigsten Parteien getragen wurde. Auch die Redner waren allesamt Profis, hierbei also von unglücklichen Formulierungen oder fehlendem Sachverstand auszugehen wäre naiv.