Daniela Egger Der Steward hätte die Tür nicht öffnen dürfen

nen der Passagiere meinen Flugplan. Ich bemerkte das Unbehagen meiner damaligen Bekannten rasch, auch die leichte Beimischung von Faszination und.
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Daniela Egger Der Steward hätte die Tür nicht öffnen dürfen Erzählung

unartproduktion

Daniela Egger

Der Steward hätte die Tür nicht öffnen dürfen

1. Auflage, November 2011 © Copyright by unartproduktion A-6850 Dornbirn, Hatlerstraße 53 Telefon 0043-5572-23019 Fax 0043-5572-394719 [email protected] www.unartproduktion.at Gestaltung: Werner Wohlgenannt, Dornbirn ISBN: 978-3-901325-72-4

Inhalt Delikatessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Durchreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Der Sheik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Das Flugzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Fliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Crew . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Hotels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Bibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Pétrus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Jeddah . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Toleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Bikini. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Private Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Diamanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Picknick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Der Hadsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Sittenpolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Töchter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Männer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 König Fahd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Urlaub von Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Die Angst des Diktators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Soukh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Bongoville . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Die Einladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 AIDS am Donnerstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Der böse Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Streit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

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Die Mauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Währungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Hanbok . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Das Urinal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Disco-Tour . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Das Triebwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Raubritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Freudenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Kaviar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Der erste Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

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Delikatessen Miriam starrt auf ihre Beine. Aufstehen, denkt sie. Wenn ich nicht aufstehe, passiert ein Unglück. Sie bleibt sitzen und betrachtet die Menschen vor dem Flughafengebäude. Die Soldaten sind nervös. Sie halten ihre Gewehre verkrampft und blicken immer wieder in alle Richtungen. Der Präsident geht mit langsamen Schritten am Spalier der Offiziere entlang und schüttelt Hände. Der Kinderchor singt. Die Blasmusik spielt. Grässlich, denkt sie. Neben ihr steht einer der Bodyguards und gibt Anweisungen in sein WalkieTalkie. Er schwitzt. Die Ankunft des Präsidenten ist immer eine heikle Phase der Reise. Sie ist froh, dass sie die Sprache nicht versteht. Die afrikanische Hitze hat das Flugzeuginnere ausgefüllt, Miriams Haut ist feucht, der Kragen ihrer Uniform klebt am Hals. Die Übelkeit trifft sie heftig. Sie kennt das schon, ihr wird jedes Mal übel, wenn sie wütend ist. Steh auf und sag dem Steward, dass wir die Parkposition ändern, denkt sie und betrachtet den Schlepper, der einen großen Abstand zu den Menschen hält und ein wenig entfernt auf seinen Einsatz wartet. Der Steward hätte die Tür nicht öffnen dürfen, er weiß es und tut es doch. Jetzt steht Mobutu Sese Seko vor dem Kinderchor und legt mit väterlicher Geste seine Hände auf ein paar der Köpfchen. Sie tragen an der Kopfhaut entlang geflochtene Zöpfe, weiße Maschen zieren die Enden. Sese Seko – der Hahn, der alle Hennen besteigt. Die Präsidenten im Kongo tragen solche Titel, und er trägt ihn noch, der alternde Mann, dessen Zeit abgelaufen ist. Er weiß es und er hat Angst. Je näher 7

die Rebellen seinem Wohnsitz kommen, desto größer wird der Kinderchor, desto wichtiger die Militärparade, die sich bei jeder Landung des Privatflugzeugs auf dem verlorenen Rollfeld mitten im Busch abspielt. Seit einigen Monaten steigen Kampfjets auf, um das Flugzeug des Präsidenten zur Landung zu eskortieren. Von oben sieht man besser, wenn sich eine Stinger-Rakete im Busch aufrichtet. Das Privatflugzeug im Landeanflug wäre ein einfaches Ziel. Es passiert nie etwas. Irgendwie geht immer alles gut, denkt sie. Trotzdem steht sie auf, endlich. Der Blick auf die Menschenmenge hinter der Absperrung, am anderen Ende des Rollfeldes, erinnert sie daran, dass sie das Essen verpacken muss. Da der Präsident niemandem vertraut, der nicht mit ihm verwandt ist, rührt er an Bord der DC-8 keinen Bissen an. Und da der Präsident nichts isst, halten sich auch seine Familie und die Menschen in seinem Gefolge zurück, man nimmt diskret ein paar Häppchen im hinteren Teil der Lounge zu sich, dort, wo die Bodyguards und die Dienstmädchen sitzen. Der Geruch der warmen Speisen könnte ihn stören. Also ist die Küche nach der Landung noch immer voll unberührter Delikatessen, die von den feinsten Restaurants in Paris geliefert worden sind. Sie müssen an Bord sein, weil es ihm eines Tages doch einfallen könnte, seine Flugangst und sein Misstrauen zu überwinden und nach einem viergängigen Menü zu verlangen. Man weiß nie, was einem Mann wie Mobutu Sese Seko einfällt. Eine Reihe von Soldaten hält sich an den Händen und bildet so eine Absperrung gegen die Leute – Kinder, Jugendliche und Erwachsene –, die in zerlumpten Kleidern und mit großen Augen Richtung Flugzeug 8

drängen. Sie achten nicht auf den Präsidenten und auch nicht auf die Soldaten, die sich vor ihnen zu einer Menschenkette zusammenfügen. Sie starren gebannt auf den hinteren Teil des Flugzeugs. Sie wissen, wo die Küche liegt und wo manchmal, wenn die hintere Tür sich öffnet und eine Treppe angedockt wird, das Essen ausgeladen wird. Miriam weiß, weshalb diese Menschen so unruhig sind, die Tür ist geöffnet, keine Treppe nähert sich, nichts geschieht. Der Steward darf diese verdammte Tür nicht öffnen ohne Anweisung aus dem Cockpit. Er tut es nur, weil er seine Scheiß-Küche saubermachen will, so schnell es geht. Er hat einen krankhaften Sauberkeits-Tick, mit dem er alle Crew-Mitglieder nervt. Miriam ist die Einzige, die es überhaupt mit ihm aushält, weshalb sie oft in der Küche arbeitet. Er treibt sie zum Wahnsinn, aber sie lässt es nicht zu, dass irgendjemand das bemerkt. Wenn er nachdenkt oder angespannt ist, also beinahe immer, schiebt sich seine Zunge aus dem Mund und berührt seine Nasenspitze. Sie weiß nicht, ob ihm das bewusst ist. Obwohl er seit dreißig Jahren in der Schweiz lebt, spricht er immer noch mit einem starken spanischen Akzent, was ihn nicht daran hindert, mit Vorliebe ausländerfeindliche Witze zu erzählen. Niemand kann ihm etwas recht machen. Wenn die Kabine startbereit ist, kurz bevor die Passagiere einsteigen, geht er von Lounge zu Lounge und reißt alle Tischdecken wieder von den Tischen, um die Bügelfalten in Flugrichtung zu drehen. Er inspiziert die drei Badezimmer, faltet die ausgelegten Handtücher im ganzen Flugzeug in dieselbe Richtung, Bugfalte nach links. Immer nach links. Sie hat sich einmal die Mühe gemacht, jedes Badezimmer mit derselben Ak9

ribie herzurichten, die Handtücher aber nach rechts zu legen. Sie wollte wissen, ob links eine besondere Bedeutung für ihn hat, aber sie wollte ihn nicht fragen – man sprach nicht mit ihm über seine Ticks. Ein ungeschriebenes Gesetz. Er drehte die Bugfalte der Handtücher wieder nach links. Wenn sie das Essen wie immer an die Menschen verteilen möchte, muss sie jetzt in die Küche gehen und es so vorbereiten, dass man es nachher rasch nach draußen reichen kann. Die Küche ist nahezu unbenutzt geblieben, da es einer der Flüge war, die mit gedrückter Stimmung und sehr ruhigen Passagieren vonstatten gingen. Seit einigen Monaten wird nicht mehr gelacht und nur mehr leise gesprochen, wenn der Präsident in der Nähe ist. Mobutu Sese Seko hat nichts mehr zu lachen, der vielfache Mörder und geldgierige Diktator hat seine Kraft verloren. Seine Gegner spüren das, es gibt einen sicheren Instinkt für den Zeitpunkt, an dem der alte Herrscher das Feld zu räumen hat. Möglicherweise funktioniert dieser Instinkt im afrikanischen Buschland noch besser als in den westlichen Großstädten. Vielleicht auch nicht, denkt sie. Sie nähert sich der Küche und hört ein Geräusch, das ihr die Kopfhaut zusammenzieht. Ein Müllsack raschelt. Sie bleibt vor der Küche stehen und starrt fassungslos auf sechs prall gefüllte Müllsäcke, die vor der geöffneten Flugzeugtür warten. Ein Gemisch von Saucen und anderen Flüssigkeiten rinnt auf den Parkettboden. Die Schränke sind alle aufgerissen, leer und blank geputzt. Die ganze Küche ist strahlend sauber. Er hasst es, wenn jetzt noch jemand die Küche betritt, denn jeder Mensch ist für ihn ein potentielles Schmutzrisiko. Menschen hinterlassen 10

Spuren, und er kann es nicht ausstehen, wenn sich nach getaner Arbeit neue Fingerabdrücke auf dem polierten Holz finden. Er sieht sie mit einem Blick an, der deutlich signalisiert, dass sie im Begriff ist, verbotenes Terrain zu betreten. Entsetzt betrachtet sie die Müllsäcke, die sich durch das Gewicht der Delikatessen biegen. „Ich wollte das Essen den Leuten bringen“, mehr bringt sie nicht über die Lippen, die Empörung lässt ihre Stimme kippen. „Die holen sich das schon aus dem Müll“, sagt er und wischt nervös mit einem Lappen über eine vollkommen blank geputzte Stelle am Wasserhahn. Sie sieht ihn an, ihr Hass lässt sich jetzt kaum verbergen. Er spürt, dass er diesmal zu weit gegangen ist, und um das ohrenbetäubende Schweigen zu beenden, beginnt er jetzt, die Müllsäcke aus zwölf Metern Höhe auf den Asphalt zu werfen. Dabei schiebt sich seine Zunge aus dem Mund und biegt sich zur Nasenspitze. Seine Bewegungen sind ruckartig. Sie stellt sich neben ihn in die Tür und betrachtet von oben die schwarzen Säcke, die sich wie gekrümmte Leiber auf dem Asphalt übereinander legen, an den Nahtstellen aufplatzen und blutähnliche Lachen bilden. Die Ratatouille mischt sich mit den CrushEiswürfeln der bretonischen Austern, sautierte Wachtelbrüstchen kullern zu Boden, getränkt in Cham­­pag­ner­cremesuppe. Jetzt sind die Leute hinter der Absperrung kaum zu halten, die Soldaten kämpfen um ihre Position. Prügeleien beginnen. Ein offener Jeep setzt sich in Bewegung, fährt vor die Menge und weitere sechs Männer gehen in Stellung, mit den Gewehren im Anschlag. Die Soldaten ringen verzweifelt 11

darum, dass sie nicht zu Boden gedrückt werden. Miriam betrachtet die Szene wie im Traum, für einen Moment sieht sie sich selbst eine kleine Bewegung gegen den Körper des Mannes neben ihr ausführen, sieht, wie er stolpert, auf der Sauce ausrutscht und fällt. Sie greift nach dem Haltegriff, atmet langsam und tief und dreht den Kopf zu ihm. Er steht unbewegt in der Tür und – lacht. Er lacht. Sie folgt seinem Blick. Er schaut, entspannt wie selten, den sich prügelnden Leuten zu und lacht. Er greift nach dem nächsten Müllsack und schiebt sie dabei ein wenig zur Seite. Miriam geht. Mit tauben Schritten verlässt sie die Küche und setzt sich wieder auf den schweren Ledersessel in der vorderen Lounge. Von hier sieht sie die letzten Wagen, die das Rollfeld verlassen, zwei Männer rollen den roten Teppich zusammen, Militär, Blaskapelle und Kinderchor sind bereits weg. Der Präsident ist auf dem Weg zu seiner Residenz. In einer Stunde sind sie ebenfalls fertig, schließen das Flugzeug ab und machen sich auf den Weg in das private Guesthouse seiner Residenz. Es gibt in diesem Ort weder ein Hotel noch ein Restaurant. Es gibt nur das alte, kleine Dorf mit seinen erdgestampften Wegen, einen Flughafen, eine einzige asphaltierte Straße vom Flughafen zum Palast und das im selben Areal liegende Guesthouse für die seltenen Gäste. Sie wünscht sich endlich unter eine kühle Dusche. Die Übelkeit nimmt ihr fast den Atem. Das Rollfeld ist jetzt leer bis auf zwei Flughafenmitarbeiter, die die vordere Treppe entfernen. „Ist hinten alles zu?“, fragt eine Stimme neben ihr. Ihre Kollegin sieht sie erstaunt an. 12

„Ist dir schlecht?“ „Weiß nicht. Ja.“ „Warte, ich hol dir ein Glas Wasser.“ Ihre Übelkeit nimmt zu. Der Schlepper fährt vor die Flugzeugnase. Die Menge hat sich etwas beruhigt, die Soldaten scheinen die Kontrolle wiedererlangt zu haben, sind aber nach wie vor nervös. Sie hört das übliche Klacken der Greifarme, die den Flugzeug­ rumpf auf dem Schlepper fixieren. Die vordere Tür wird geschlossen. Mit einem heftigen Ruck setzt sich die Maschine in Bewegung. Dann hört sie den dumpfen Aufprall und das Rascheln der Müllsäcke, die ins Rutschen kommen. Ein Raunen geht durch die jetzt bewegungslose Menge. Zwei Soldaten reißen ihre Körper herum, die Gewehre im Anschlag. Der Schweiß auf ihren Gesichtern glitzert. Sie hört ein Knattern und zwei Schreie. Das Flugzeug bewegt sich noch immer. Es dauert, bis sie begreift, woher das seltsame knatternde Geräusch kam. Als das Flugzeug mit einem Ruck zum Stehen kommt, sieht sie, wie einer der beiden Soldaten in die Knie sinkt. Den Sturz auf die Müllsäcke hätte der Steward möglicherweise überlebt. Aber die Schüsse, die von beiden Soldaten abgefeuert wurden, durchsiebten seinen Körper an 68 Stellen. Das wird die Obduktion der Leiche ergeben, die in Kinshasa durchgeführt werden wird. Die restlichen Kugeln trafen die Säcke mit dem Essen. Jetzt bildet sich eine Blutlache, die Säcke platzen an weiteren Stellen auf, Brokkoli rollt auf den Asphalt, das Blut fließt auf Wachtelbrüstchen, Saucen und die rohen Steaks. Ein Militärwagen rast mit Blaulicht zu der Stelle, an der jetzt beide Soldaten knien. Der Kapitän rennt fluchend an ihr vorbei in die 13

Küche. Er steht in der geöffneten Tür und starrt auf den toten Körper unter ihm. „Warum zum Teufel ist die verdammte Tür offen?“, schreit er. Miriam ist ihm gefolgt und sieht schweigend nach unten. „Was ist das für eine beschissene Crew, die meine Anweisungen nicht befolgt?“ Miriam sieht, wie die Menschen, die zuvor in Richtung Flugzeug gedrängt hatten, jetzt schweigend und ruhig das Flughafengelände verlassen. Die Soldaten stehen immer noch sich an den Händen fassend in einer Reihe und blicken wortlos auf den Toten, der gekrümmt wie die Säcke unter ihm vor ihren beiden Kameraden liegt. Die Ankunft eines Präsidenten ist eine sensible Phase.

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Durchreise Während der fünf Jahre als Flight Attendant lebte ich auf der permanenten Durchreise. Der Eintritt in diesen eigenartigen Lebensstil eröffnete eine ganz unerwartete und intensive Erfahrung. Plötzlich war ich ungreifbar geworden für meine Freundinnen und Bekannten. Ich war entweder fort, gerade ankommend oder abreisend, mit mir konnte man nicht mehr rechnen. Arbeitet man für eine Fluglinie, ist es noch möglich, Termine zuzusagen und diese dann auch zu halten. Aber mit dem Jobwechsel auf das Privatflugzeug war ich weitgehend frei von jedweder privaten Verbindlichkeit, denn ab jetzt bestimmten die Pläne und Launen der Passagiere meinen Flugplan. Ich bemerkte das Unbehagen meiner damaligen Bekannten rasch, auch die leichte Beimischung von Faszination und Ärger. Wir hatten sehr bald keine gemeinsame Welt mehr, über die es gelohnt hätte zu sprechen. Ich versuchte nicht zu viel Aufhebens über die Destinationen meiner Flüge zu machen, aber es war nicht zu übersehen, dass ich im tiefsten Winter braungebrannt und erholt nach Hause kam. Ich dokumentierte meine Aufenthaltsorte und machte häufig Notizen: in einem Zeitraum von mehr als drei Jahren war der längste Aufenthalt an einem Ort zehn Tage. Dabei handelte es sich um einen Urlaub, den ich zu Hause verbrachte. Das machte mir nicht viel aus, ich zog mit meinem Rollkoffer durch die Welt und hatte oft das Gefühl, zu Hause zu sein. Die Uniform hingegen war eine echte Überwindung für mich; sobald ich sie trug, verschwand ein wesentlicher Teil von mir. Ich fand sie außerdem schrecklich 15