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den Geldgebern angeboten werden, reine Spenden, materielle Belohnungen wie .... und sammeln Spendengelder für bestimmte, relativ all- gemein formulierte ...
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Schweizerisches Institut für Entrepreneurship (SIFE) Schwerpunkt Gründung und Wachstum

Short Paper Serie 2014-03

Crowdfunding als strategisches Instrument für Stiftungen Michael Beier und Kerstin Wagner, HTW Chur Crowdfunding hat sich in den letzten Jahren als Finanzierungsalternative für verschiedene Bereiche etabliert. Für Stiftungen bieten sich grosse Potenziale, wenn sie Crowdfunding als strategisches Instrument in ihre Prozesse integrieren. So werden neue Lösungen möglich, mit denen Stiftungen ihre Leistungen effektiver und effizienter erbringen können. Letztlich positionieren sich Stiftungen auf diese Weise als innovative, empathische Organisationen, die neben den eigenen Mechanismen die Stimme der Öffentlichkeit miteinbeziehen.

Der Nutzen für Stiftungen durch die Crowd Auf den ersten Blick scheint Crowdfunding vor allem ein Finanzierungsinstrument für Projektinitiatoren in den oben aufgeführten Bereichen und nur wenig kompatibel mit Stiftungsaktivitäten. Bei genauerer Betrachtung erfüllt Crowdfunding jedoch zahlreiche Funktionen, die für Stiftungen interessant sein können, um eine bessere Selektion potenzieller, leistungsfähiger Projekte für Stiftungszuwendungen vorzunehmen. Bisher gibt es allerdings nur wenige Beispiele in der Praxis, wo Stiftungen diese Funktionen bereits gezielt nutzen. Wenn Stiftungen Crowdfunding als ein strategisches Instrument in ihre Prozesse einbetten, können zahlreiche Mehrwerte für die Stiftungsarbeit generiert werden.

In jüngster Zeit nutzen Einzelpersonen, Unternehmen und Vereine vermehrt die Möglichkeit, online Geld zu akquirieren. Beim Crowdfunding wird ein direkter Aufruf über das Internet an die Öffentlichkeit, die „Crowd“, gestartet, um Geld für innovative Ideen und Vorhaben zu beschaffen. Dafür werden entweder auf einer eigenen Internetseite oder aber über eine spezielle Crowdfunding-Plattform Projektvorhaben beschrieben, dazu notwendige Geldmittel erfragt und mögliche Gegenleistungen angeboten. Dabei können die Gegenleistungen, die den Geldgebern angeboten werden, reine Spenden, materielle Belohnungen wie kleinere Geschenke oder das Produkt bzw. die Dienstleistung selbst sein (es geht hier explizit nicht um Unternehmensbeteiligungen wie im „Crowdinvesting“).

Der Nutzen für Stiftungen setzt genau dort an, wo Projektinitiatoren erhebliche Mehrwerte für ihre Projekte generieren, die ausserhalb der reinen Kapitalbeschaffung liegen. Erste empirische Befunde deuten hier grosse Potenziale an, die neben dem finanziellen Aspekt zum Tragen kommen (Beier/Früh/Wagner 2014). Über Crowdfunding-Aktivitäten lassen sich Mehrwerte in den Bereichen Marketing und Werbung, Online-Kommunikation und Innovationsmanagement („Pre-MarketChecks“) realisieren. Projektinitiatoren erhalten Informationen über ihr Produkt und die Bedürfnisse potenzieller Kunden, die bereits das Produkt vorbestellen können. Gleichzeitig gehen Initiatoren kaum Risiken ein, da sie noch nicht mit der Bereitstellung in Vorleistung gehen. Zudem können Marketing-Effekte in Bezug auf Bekanntheit, Image und Online-Reichweite erzielt werden.

Crowdfunding wird mittlerweile zur Finanzierung von Projekten in den verschiedensten Bereichen genutzt. Dies betrifft beispielsweise die Bereiche Technologie & Innovation, Gesellschaft, Soziales & Entwicklungsarbeit, Jugend, Sport und künstlerisch-kreative Themen. Dazu beschreiben Projektinitiatoren ihr Vorhaben mit Texten, Bildern und einem Video, legen die benötigte Finanzierungssumme fest und überlegen sich die Gegenleistungen, die ihre Geldgeber erhalten. Mit der Veröffentlichung auf einer Crowdfunding-Plattform nutzen sie aktiv Instrumente der Online-Kommunikation und versuchen zudem, in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit auf ihr Projekt zu lenken und Interessenten als Geldgeber zu gewinnen. Wenn das Projekt die angefragte Finanzierungssumme erreicht oder überschreitet, bekommen die Initiatoren das Geld ausgezahlt und können Ihr Projekt realisieren.

Die aufgezeigten Mehrwerte, die sich durch Crowdfunding für Projektinitiatoren ergeben, verdeutlichen, dass die Crowd neben dem Geldgeben weitere wichtige Aufgaben übernimmt. Die Crowd sind dabei alle Personen, die direkt oder indirekt über die Aktivitäten der Projektinitiatoren erreicht werden (via E-Mail, Social Media, Presse, persönliche Ansprache, Veranstaltungen, Flyer, etc.). Sie gibt direkte und indirekte Rückmeldung an die Projektinitiatoren, indem sie auf bestimmte Projekte, Aktivitäten und Eigenschaften der Projektinitiatoren reagiert. Die Reaktionen zeigen sich zum einen an der Höhe der Geldsumme, die gegeben wird.

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soll. Diese könnte dann dazu dienen, weitere finanzielle Anschaffungen bzw. Investitionen für das neue Produkt zu unterstützen.

Zum anderen wird aber auch darin offensichtlich, ob sie als Befürworter des Projekts das Vorhaben im eigenen Netzwerk weitertragen, darüber sprechen bzw. schreiben, es weiterempfehlen und auf diese Weise die Reichweite des Projekts erhöhen. Diese Reaktionen geben wertvolle Hinweise für unterschiedliche Typen von Projekten. Im Folgenden werden drei wichtige Funktionen aufgezeigt, die für Stiftungen unterschiedlicher Ausrichtung interessant sein können.

2. Für die Nachfrage nach einem öffentlichen lokalen Gut Eine zweite wichtige Funktion kann die Crowd bei jenen Stiftungen erbringen, die Zuwendungen für Projekte geben, die einen gesellschaftlichen, regionalen oder prosozialen Zweck erfüllen. Diese Projekte beziehen sich oftmals auch auf einen bestimmten Ort oder besitzen eine begrenzte regionale Reichweite (Einzugsgebiet). Dies kann in künstlerisch-kreativen Bereichen (Filme, Ausstellungen, Veranstaltungen, etc.) liegen oder die Jugend-, Sport und Seniorenarbeit betreffen. Studien zeigen, dass Projekte bzw. Projektinitiatoren vermehrt lokale bzw. regionale Geldgeber anziehen (Beier/Wagner 2014; Agarwal et al. 2011). Tendenziell bevorzugen Geldgeber beim Crowdfunding Projekte, die sich in räumlicher Nähe zu ihrem Wohnort befinden. Gerade für Projekte, die sich auf einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Region beziehen, bedeutet dies: Einheimische sind eine wichtige Gruppe an potenziellen Geldgebern in Crowdfunding-Projekten. Denn selbst wenn Einheimische keinen direkten Nutzen von einem Projekt haben, so besitzt ein neues Angebot bzw. eine neue Leistung das Potenzial, den Ort bzw. die Region lebenswerter oder attraktiver zu gestalten. Entsprechend ergeben sich Anreize für die lokale Bevölkerung, die Crowdfunding-Kampagne eines lokalen Projekts mit zu unterstützen. Die Crowd hilft mit, ein Projekt überhaupt erst bekannt zu machen, eine Nachfrage vor Ort zu erzeugen, die Reichweite eines Projekts zu erhöhen und das Projekt weiterzutragen. Letztendlich werden manche Projekte besser, manche schlechter ankommen und Befürworter finden. Diese Rückmeldung von den Stakeholdern ist ein wichtiger Hinweis für die Stiftung, ob sie für bestimmte Projekte finanzielle Zuwendungen sprechen soll. In jedem Fall lässt sich besser abschätzen, wie gross die Nachfrage für eine Nutzung oder einen Besuch der angebotenen Leistung sein wird.

1. Für den Nachweis am Markt („Market Proof“) Je nach Ausrichtung der Stiftung und je nach definiertem Stiftungszweck kann eine Stiftung die Crowd in ihren Auswahlprozess für Stiftungszuwendungen einbinden. Auf diese Weise kann die Crowd der Stiftung wichtige Hinweise geben, was die Glaubwürdigkeit eines Produkts, eines Projekts aber auch einer Person oder eines Teams von Projektinitiatoren betrifft. Eine erste wichtige Funktion kann die Crowd für jene Stiftungen erbringen, die im Bereich der Innovations- und Start-upFörderung aktiv sind. Entwickler und Gründer investieren oft viel Zeit und Geld, um einen Prototypen zu erstellen oder ein Produkt zur Marktreife zu entwickeln, um es im Anschluss daran zu kommerzialisieren. In der Regel erfolgt erst dann der Schritt des Markteintritts, wo das Produkt bzw. das Unternehmen beworben wird und Akquise betrieben wird. Stiftungen in diesem Segment unterstützen oftmals Projekte oder Start-ups, wo die wirtschaftliche Machbarkeit und der Nachweis des tatsächlichen Marktbedarfs im Vorfeld nur unzureichend erbracht werden kann. Bei jeder Förderzusage verbleibt ein nicht abschätzbares Risiko, ob der Gründer oder Unternehmer in der Lage sein wird, das Produkt bzw. Projekt am Markt zu platzieren und potenzielle Kunden motivieren kann, die Leistung zu kaufen. Crowdfunding stellt hier einen geeigneten Weg dar, die kleinste oder einfachste Version eines Produktes oder einer Leistung in Form eines minimal funktionsfähigen Produktes („Minimum Viable Product“, Ries 2014) am Markt zu testen. Dies ermöglicht es, ein erstes Feedback vom Markt zu erhalten, was das Produkt bzw. die Leistung angeht. Gleichzeitig wird sich zeigen, welche „Köpfe“ hinter einem Projekt in der Lage sind, glaubwürdig eine neue Leistung am Markt zu präsentieren, eine strategisch aufgesetzte Kampagne zu führen und potenzielle Kunden zu motivieren, ein neuartiges Produkt in Vorleistung zu kaufen. Für Stiftungen enthält der Erfolg oder NichtErfolg einer Kampagne relevante Hinweise, ob und wie im Anschluss eine Förderzusage gesprochen werden

3. Für personalisiertes Fundraising Stiftungen, NGOs oder Vereine, die als gemeinnützige Organisation tätig sind, verwenden ihre gesammelten Spendengelder für Projekte, über die der Spender informiert wird und diese realisiert sehen möchte. Die Zwecke und Projekte sind dabei vielfältig, sie reichen von Projekten einer Gemeinde vor Ort bis hin zu Hilfsprojek-

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überschritten haben, relativ hohe Chancen haben, das Projekt mit einer erfolgreichen Finanzierung abzuschliessen. Hier zeigt der sog. „Social Proof“ in dem Masse Effekte, in dem weitere potenzielle Geldgeber beeinflusst durch die angezeigten vorherigen Zahlungen ihre Entscheidungen treffen. Projekte, die frühzeitig bereits relativ hohe Beträge erhalten haben, signalisieren auf diese Weise, dass sie von besonderer Güte sind. Für Stiftungen heisst das jedoch auch, dass während der Laufzeit einer Kampagne finanzielle „Belohnungen“ von Zwischenzielen oder das Auffüllen von nicht-erfolgreichen Kampagnen sich eher kontraproduktiv auf die Dynamik und Motivation der Crowd auswirken können.

ten in Krisenländern. Gemeinnützig tätige Organisationen treten dabei oftmals als abstrakte Institutionen auf und sammeln Spendengelder für bestimmte, relativ allgemein formulierte Zwecke wie beispielsweise medizinische Versorgung in einer Krisenregion. Crowdfunding ist auch ein Weg, klassisches Fundraising zu betreiben, indem online Geld für ein bestimmtes Projekt Geld gesammelt wird. Der grosse Unterschied liegt jedoch darin, dass eine Person oder ein Team in Form einer sehr persönlichen Ansprache ein überzeugendes Angebot macht. Die Person oder das Team, das dabei in Erscheinung tritt, können sowohl die Köpfe der Organisation sein, die das Geld sammeln, um Projekte zu finanzieren, als auch die Menschen, die sich mit ihrem Problem oder ihrer Herausforderung an die Crowd wenden und dann direkt von der finanziellen Zuwendung profitieren. Bei dieser Art des Fundraisings werden die potenziellen Geldgeber direkt angesprochen und über ein bereits bestehendes Netzwerk bzw. bestehende Kontakte für einen sehr konkreten Zweck motiviert, Geld zu geben. Die Projektinitiatoren informieren persönlich und transparent darüber, was mit der Crowdfunding-Kampagne bezweckt wird und wie der einzuwerbende Betrag konkret verwendet wird. Auf diese Art und Weise wird eine ganz andere Art der Beziehungsqualität und Vertrauen zwischen Geldgebern und Projektinitiatoren bzw. der Organisation dahinter hergestellt.

Fazit Für Stiftungen bieten sich grosse Potenziale indem sie Crowdfunding als strategisches Instrument in ihre Auswahlprozesse für Stiftungszuwendungen integrieren. Dafür sind jedoch strategische Konzepte gefragt, die entsprechend der Ziele und Herausforderungen der Stiftung Mehrwerte über die Crowd erbringen. Dann kann Crowdfunding einen echten Nutzen stiften, indem für neue Produkte der „Market Proof“ erbracht wird, Projekte auf ihre regionale Nachfrage und Attraktivität getestet werden oder auch personalisierte Wege des klassischen Fundraisings zu höheren bzw. zusätzlichen Spendenerfolgen verhelfen. Gleichermassen sind Stiftungen auf diese Weise in der Lage, eine grössere Anzahl von Projekten zu fördern, da die Crowd eine Art CoFinanzierung übernimmt. Die Qualität der Projekte steigt insgesamt, da bei der Crowd die Projekte auf Markttauglichkeit getestet werden können und sich somit die leistungsfähigen Projekte und Köpfe durchsetzen werden. Letztlich positioniert sich die Stiftung als innovativer Träger, der für die eigenen Projekte die Stimme der Öffentlichkeit miteinbezieht. Um die aufgezeigten Mehrwerte auch tatsächlich zu realisieren, ist es jedoch erforderlich, die aufgezeigten Mechanismen von Crowdfunding möglichst so einzusetzen, dass die Dynamik und Motivation der Crowd nicht signifikant beeinträchtigt werden.

Stiftungen sollten die Dynamik und Motivation der Crowd nicht stören Die drei aufgezeigten Beispiele verdeutlichen, auf welche Weise Stiftungen von den Mechanismen und der Dynamik, die beim Crowdfunding entsteht, profitieren können. Allerdings zeigen unsere eigenen Analysen der Schweizer Crowdfunding-Plattform 100-days.net auch, dass sich während der Laufzeit von Kampagnen eine ganz eigene Dynamik zwischen der Crowd und den Projektinitiatoren entwickelt (Beier/Wagner 2014b-Timing). So zeigt sich meistens bereits relativ früh innerhalb der ersten Tage, ob sich Projekte erfolgreich oder nicht-erfolgreich entwickeln. Nicht-erfolgreiche Projekte mit einem ungünstigen Start sind oft nicht in der Lage, den Rückstand aufzuholen. So haben zum Ende der Kampagne 62% der nicht-erfolgreichen Projekte auch nicht mehr als 5% ihrer jeweiligen Zielsumme eingesammelt. Gleichzeitig erhalten nur 2% der nicht-erfolgreichen Projekte mehr als 50% der angefragten Zielsumme. Umgekehrt bedeutet dies, dass Projekte, die einmal die 50%-Schwelle der angefragten Summe 3

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Literaturnachweise Agarwal, A., Catalini C. & Goldfarb A. (2011). The Geography of Crowdfunding. SSRN Electronic Journal http://ssrn.com/abstract=1770375. Beier, M., Früh, S.& Wagner, K. (2014): Crowdfunding für Unternehmen - Plattformen, Projekte und Erfolgs-faktoren in der Schweiz. SSRN Electronic Journal: http://ssrn.com/abstract=2430147 Beier, M. & Wagner, K. (2014): Wann sind Crowdfunding-Kampagnen im Tourismus erfolgreich? Short Paper Serie 2014-02. Chur. http://www.htwchur.ch/fileadmin/user_upload/institute/SIFE/3_Forschungsthemen/Startup/Crowdfunding_Tourism_BeierWagner_2014.pdf Beier, M. & Wagner, K. (2014): Das richtige Timing beim Crowdfunding. Eine explorative Studie zu Projekten auf 100-days.net. SSRN Electronic Journal: http://ssrn.com/abstract= 2484799 Ries, E. (2014) Lean Startup, 3. Auflage, Redline Verlag, München.

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