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AUSSTELLUNGEN — EXHIBITIONS 76

CONSTRUCTING WORLDS Photography and Architecture in the Modern Age

CONSTRUCTING WORLDS Photography and Architecture in the Modern Age

Barbican, London, 25. September 2014 – 11. Jänner 2015

Barbican, London, September 25, 2014—January 11, 2015

Simon Bowcock

Simon Bowcock

Die im Jahre 1826 entstandene und damit älteste erhaltene Fotografie zeigt uns Gebäude, und entlang solcher Fotografien könnten wir auch, so ist zumindest denkbar, die gesamte Geschichte der Fotografie erzählen. Die Auswahl, die diese Ausstellung trifft und die von 1930 bis zur Gegenwart reicht, spannt nun ein Netz zwischen den wichtigsten Protagonisten ebenjener Geschichte. Das für die europäische Moderne stehende Bauhaus hatte einen großen Einfluss darauf, wie der Amerikaner Walker Evans 1936 seine sich durch ihre Frontalität und Flächigkeit auszeichnenden Kirchen-Studien gestaltete, die in einer beim fotografischen Establishment noch heute beliebten Art und Weise erarbeitet waren: rigoros, methodisch, konsistent. Diese fotografische Philosophie hätte 1970 von den Deutschen Bernd und Hilla Becher erledigt werden können, aber stattdessen installierten die beiden erneut die Typologie als beherrschende fotografische Methode und popularisierten damit einen Stil, der genauso starr und funktional war wie die Architekturen in ihren Bildern. In ihrer Sachlichkeit, Abgeklärtheit und Leidenschaftslosigkeit erschienen ihre Fotografien dabei außergewöhnlich und unauffällig zugleich. Unbestritten setzten die Bechers, vielleicht mehr als irgendjemand sonst, für das nächste halbe Jahrhundert den Standard in der „seriösen“ westlichen Fotografie: die jährliche Flut an sorgfältig arrangierten, frontal aufgenommenen Mittelformat-Portraits von gleichmäßig ausgeleuchteten und ausdruckslosen jungen Erwachsenen in der Londoner National Portrait Gallery – das heißt die schiere Ubiquität eines fotografischen Projekts, das nur einen einzigen Stil kennt und in Form einer präzise gegliederten Serie auftritt. Unabhängig davon, ob dies nun zum Triumph des unprätentiösen Dokuments-als-Kunst oder einfach zum Triumph des in keiner Weise besonderen Fotos führte: Es war jedenfalls ein Triumph, der nicht geleugnet werden kann. Diese Ausstellung setzt sich aus Arbeiten von 18 größtenteils europäischen und amerikanischen Fotografen zusammen1 und zeigt, wie einhellig

Created in 1826, the earliest surviving photograph depicts buildings, and photographs of buildings could conceivably tell the entire history of photography. This selection, from 1930 to the present, pulls together the threads between many of that history’s major protagonists. The European modernism of the Bauhaus had a clear bearing on the American Walker Evans’ head-on, flattened-perspective studies of churches in 1936, worked in the way still so beloved of the photography establishment: rigorous, methodical, consistent. This photographic philosophy might have concluded by 1970 with the Germans Bernd and Hilla Becher, but instead they revived the typology as the dominant photographic mode, and popularised a style as inert and functional as the buildings in their pictures. Depersonalized, detached and dispassionate, their photographs were at once exceptional and unremarkable. For good or ill, the Bechers, probably more than anyone else, set the tone for the next half century in “serious” Western photography: the annual deluge of carefully-contrived, head-on medium-format portraits of flatly-lit, deadpanning young adults at London’s National Portrait Gallery; the near ubiquity of the photographic project worked in a single style and a precisely structured series. Whether it led to the triumph of the unpretentious document as art, or simply the triumph of humdrum photographs, it was a triumph which cannot be denied. This exhibition consists of work by 18 mainly European and American photographers1, and shows how “proper” photography has mostly marched to the Bechers’ tune. Of course there is an awful lot more going on here, and much wider influences, trends and ideas are clearly discernible. But this particular lineage is so stark, the common bond so strong, it is impossible to ignore.

alle / all Ausstellungsansichten / exhibition views Fotos / photos: Chris Jackson / Getty Images

1 Darunter etwa Ed Ruscha, der die Bechers schon vorwegnahm und beinahe ebenso einflussreich war wie sie. 1 Including Ed Ruscha, who prefigured the Bechers, and was almost as influential.

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sich die Fotografie der Becher’schen Vorgabe fügte. Natürlich wird hier noch wesentlich mehr verhandelt, und viele weitere Einflüsse, Trends und Ideen sind klar zu erkennen. Doch diese eine Traditionslinie ist so augenfällig, ihre Bande so stark, dass sie unmöglich übergangen werden kann. Die Arbeiten jenseits dieses Mainstreams stechen dann freilich hervor, wie zum Beispiel die dunkel-dramatischen, performancehaften Bilder der Schweizerin Hélène Binet aus dem Jahre 1997 und Julius Shulmans kommerzielle Fotografien zu den Moderne-Phantasien der Jahrhundertmitte in der überholten Sprache der 1950er-Reklame. Zwei Fotografen heben sich vom Rest jedoch besonders ab: Die beinahe nichts vorstellenden Bilder der Italienerin Luisa Lambri faszinieren deutlich mehr als Andreas Gurskys beinahe alles zeigende Ausblicke; und Hiroshi Sugimotos verschwommene Fotografien bekannter Gebäude sind so offenkundig piktorialistisch, dass sie eine glatte Herausforderung für alle gezeigten Modernismen darstellen. Aber auch Sugimotos Serie der Unschärfe kann sich letztlich der gewissenhaften Disziplin der modernen fotografischen Kultur nicht entziehen. Der Piktorialismus wird von der Kritik noch immer verhöhnt, als unaufrichtig und unauthentisch hingestellt. Aber abgesehen von der einen merkwürdigen Ausnahme ist die in der Schau vorgeführte Moderne offenbar mehrheitlich selbst unehrlich: sorgsam konstruierte Bilder einer konstruierten Welt, die von unrepräsentativen Zeiten und ebensolchen Situationen sprechen, während sie uns viel darüber verraten, wie Architektur aussieht, doch herzlich wenig darüber, wie sie wirklich ist. Sie erzählen mehr von den ausgetretenen (post)modernen Pfaden des Mediums als von Architekturen, Menschen oder der Welt. Ein solch knapper und positiv-selektiver Überblick betont nun, dass die ernsthafte (Architektur-)Fotografie nach 1930 eine – zumindest uneingestandene – Geschichte unentdeckter Räume und unbeschrittener Verbindungswege darstellt. Kann es wirklich sein, dass (Architektur-)Fotografien in der Moderne, indem sie beflissen das Künstlerische und das Künstliche mieden, uns so viel gezeigt, aber zugleich so wenig erzählt haben? ■

Those outside this mainstream stand out, such as the Swiss Hélène Binet’s darkly dramatic, performance-like images from 1997 and Julius Shulman’s commercial photographs of the mid-century modern dream in the dated language of 1950s advertising. Two photographers sit farthest adrift from the rest: Italian Luisa Lambri’s pictures of almost nothing fascinate more than Andreas Gursky’s vistas of almost everything; and Japanese Hiroshi Sugimoto’s out-of-focus photographs of well-known structures are overtly pictorialist, picking a fight with all the modernism on display. But even Sugimoto’s series of blurs can’t escape modern photographic culture’s meticulous discipline. Pictorialism is still as critically derided as ever, accused of insincerity and inauthenticity. But with the odd exception, the modernist majority on show here is manifestly dishonest: carefully constructed images of a constructed world, made at unrepresentative times of unrepresentative situations, where photographs show us plenty about what architecture looks like, but tell us precious little about what it is like. They speak more about the medium’s moribund (post)modernist rut than they do about buildings, people or the world. Such a tight and well-chosen survey only emphasises that serious (architectural) photography after 1930 is a story of unexplored rooms and of corridors not travelled, or at least unacknowledged. In assiduously avoiding the artistic or the artificial, can it really be that photographs (of buildings) in the modern age have shown us so much, but have told us so little? ■