Bäuerliche Landwirtschaft im Süden Brasiliens

Historische, theoretische und empirische Studie zu Ernährungs - souveränität, Modernisierung, Wiederbelebung und Staatsfunktion. Paulo Alfredo Schönardie.
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Hochschulschrif ten zur Nachhaltigkeit

Paulo Alfredo Schönardie

Bäuerliche Landwirtschaft im Süden Brasiliens Historische, theoretische und empirische Studie zu Ernährungssouveränität, Modernisierung, Wiederbelebung und Staatsfunktion

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Diese Publikation entstand mit Unterstützung vom Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., für das Werk „Brot für die Welt –Evangelischer Entwicklungsdienst“

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2013 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH Waltherstrasse 29, 80337 München

Mitherausgeber: Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., für das Werk „Brot für die Welt –Evangelischer Entwicklungsdienst“ Umschlagabbildung: Paulo Alfredo Schönardie Produktion und redaktionelle Betreuung: Volker Eidems Korrektorat: der Autor Druck: Digital Print Group, Nürnberg Dieses Buch wurde auf 100%igem Recyclingpapier gedruckt. FSC (Forest Stewardship Council) ist eine nichtstaatliche, gemeinnützige Organisation, die sich für eine ökologische und sozialverantwortliche Nutzung der Wälder unserer Erde einsetzt.

Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-86581-456-2 e-ISBN 978-3-86581-579-8

Paulo Alfredo Schönardie

Bäuerliche Landwirtschaft im Süden Brasiliens Historische, theoretische und empirische Studie zu Ernährungssouveränität, Modernisierung, Wiederbelebung und Staatsfunktion

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort…………………………………………………………………………………..4

Zusammenfassung……………………………………………………………………...10 Abstract…………………………………………………………………………………12 Resumo……………………………………………………………………………..…..14

Einleitung.........................................................................................................................16 1. Thematische Begrenzung und Aufstellung der Hypothesen................................16 2. Methode und Aufbau der Arbeit.........................................................................26

Kapitel I – Theoretische Meilensteine zur bäuerlichen Familienlandwirtschaft.............38 1.1.

Die Marxistische Sichtweise....................................................................39 1.1.1. Die Sphäre der Agrikultur bei Marx..................................................40 1.1.2. Die Überlegenheit der Großbetriebe bei Kautsky.............................57 1.1.3. Familienwirtschaft im Landbau bei Tschajanow...............................69

1.2.

Die Theorie und Praxis der Modernisierung der Landwirtschaft............86

1.3.

Wiederbelebung und Wandel der bäuerlichen Existenz........................105

Kapitel II – Von der Agrikultur Brasiliens bis zur Charakterisierung des Forschungsgebietes.................................................................................................124 2.1.

Agrikultur in Brasilien: Geschichtlicher Überblick...............................125 



2.2.

Spannungsfeld zwischen Großgrundbesitzern und bäuerlicher Familienlandwirtschaft.............................................................133

2.3.

Der Nordwesten des Bundesstaates Rio Grande do Sul........................140

2.4.

Das nordwestliche Grenzgebiet des Bundesstaates Rio Grande do Sul in der Gegenwart.................................................................148

Kapitel III – Die Entstehung der bäuerlichen Familienlandwirtschaft im Nordwesten von Rio Grande do Sul.........................................................................158 3.1.

Die Vorentwicklung und die bäuerliche Landwirtschaft der ‚Caboclos‘..............................................................................................159

3.2.

Kolonisierung als Staatsangelegenheit...................................................169

3.3.

Der Kolonisierungsprozess....................................................................176

3.4.

Ernährungssouveränität als Basis der bäuerlichen Familienlandwirtschaft……………………………………………………185 3.4.1. Ein theoretischer Versuch zur Ernährungssouveränität.............186 3.4.2. Organische Konstitution der Ernährungssouveränität im nordwestlichen Grenzgebiet von Rio Grande do Sul................189

3.5.

Organische Entwicklung der Kooperation und der ersten Genossenschaften........................................................................................193

Exkurs – Der Militärputsch von 1964 und die Anpassung Brasiliens an den internationalen kapitalistischen Agrarmarkt...........................................................198

Kapitel IV – Die Modernisierung der Landwirtschaft und ihre Auswirkung auf die bäuerliche Familienlandwirtschaft....................................................................203 4.1.

Staat und Agrarunternehmen im Vordergrund der brasilianischen landwirtschaftlichen Modernisierung.................................206

4.2.

Die lokale Ebene: Operação Tatu..........................................................221

4.3.

Genossenschaften als Modernisierungsinstrument................................229

4.4.

Soja: Die Modernisierungspflanze.........................................................236

4.5.

Eine Einführung in die Modernisierungsfolgen für die bäuerliche Familienlandwirtschaft..............................................................247 



Kapitel V – Agrotreibstoff: Staatsprogramm mit Auswirkung auf die bäuerliche Familienlandwirtschaft................................................................................257 5.1.

Einführung in die Debatte der Agroenergie...........................................259

5.2.

Das brasilianische Agroethanolprogramm............................................264 5.2.1. Kleinbauern und die Coopercana...............................................271

5.3.

Das brasilianische Agrodieselprogramm und die bäuerliche Familienlandwirtschaft im nordwestlichen Grenzgebiet.............................273

5.4.

Das Untersuchungsgebiet heute: Kleinbauern, Sojadieselproduktion und Ernährungssouveränität........................................................................278

Kapitel VI – Wiederbelebung und bäuerliche Perspektiven der Existenz: Der Einfluss des Staates und der Kampf um Souveränität...................................................286 6.1.

Mikroethanolbrennereien: Energie- und Ernährungssouveränität.........288

6.2.

Kooperation: Gemeinsame Strategie der bäuerlichen Existenz.............297

6.3.

Öffentliche Politikprogramme und Auswirkungen auf die bäuerliche Existenzform..............................................................................300

6.4.

Herausforderungen der Recampesinização............................................309

6.5.

Wiederbelebung und bäuerliche Weiterexistenz....................................317

Schlussfolgerungen: Um nicht zum Ende zu kommen..................................................331

Literatur- und Quellenverzeichnis.................................................................................339

Liste der Anhänge..........................................................................................................366 Anhang 1 – Abkürzungsverzeichnis..............................................................................367 Anhang 2 – Tabellenverzeichnis...................................................................................377 Anhang 3 – Kartenverzeichnis......................................................................................378 Anhang 4 – Abbildungsverzeichnis...............................................................................379 Anhang 5 – Leitfragen für Experten..............................................................................381 Anhang 6 – Leitfragen für Schüler................................................................................384 Anhang 7 – Leitfragen für Landwirte............................................................................386 Anhang 8 – Danksagung………………………………………………………………392 Anhang 9 – Lebenslauf..................................................................................................394  

VORWORT

Paulo Alfredo Schönardie hat für seine Forschungen, aus denen das vorliegende Buch hervorgegangen ist, eine Thematik gewählt, die unter vielerlei politik- und sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten von außergewöhnlicher Bedeutung ist – und dies keineswegs allein oder auch nur vorrangig im Blick auf innerbrasilianische Entwicklungen, sondern ebenso für Europa und die gesamte Welt. Hinter dem ganzen politischen Theater, das in der EU seit gut zwei Jahren zur Festlegung der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Zeit von 2014 - 2020 stattfindet und dessen wirksame Details gerade einmal (wieder) nationalisiert werden, verschwinden oft die eigentlich politischen Fragen. Und diese sind: Welche Art von Landwirtschaft und Ernährung ist gesellschaftlich gewünscht und soll gefördert werden? Dies ist beileibe keine allein in der EU wichtige Frage. Sie stellt sich in jedem Land der Welt und in jeder Region. Im Kern geht es dabei darum, auf welchem Weg eine gesellschaftliche Entwicklung befördert werden kann, die die Ernährung einer absehbar noch, wenn auch regional sehr ungleich wachsenden Weltbevölkerung auf eine Weise ermöglicht, die die ökologisch, sozial und ökonomisch zerstörerischen Folgen von Industrialisierung und Urbanisierung langfristig naturgerecht auffängt, teilweise umkehrt. Man muss keiner apokalyptischen Tendenz nachgehen um zu sehen, was auch wissenschaftlich state of the art ist: o Die zentralen natürlichen Lebensgrundlagen (Ökosysteme, biologische Vielfalt, (sauberes) Wasser, (fruchtbare) Böden sind vielfältig negativ beeinträchtigt, teilweise unterliegen sie einem fortwährenden Erosionsprozess; o ebenfalls zentrale Kreisläufe auf der Erde wie Kohlenstoff-, Phosphor- oder Stickstoffkreislauf sind durch menschliche Aktivitäten erheblich aus dem  

Gleichgewicht geraten; o das Klimasystem durchläuft rapide Veränderungen mit gravierenden globalen Folgen für Landwirtschaften und Ernährung, die Sicherheit von menschlichen Siedlungen und die Lebensgestaltungsmöglichkeiten eines erheblichen Teils der Menschheit; o die soziale und wirtschaftliche Balance in den meisten Staaten ist zunehmend aus den Fugen geraten, dies betrifft nicht nur die Diskrepanz zwischen materiell armen und reichen Menschen, sondern auch die fehlende Balance zwischen ländlichen und Ballungsräumen; o die inneren sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte sind auch in den internationalen politischen und wirtschaftlichen Systemen und Institutionen zu beobachten, was zu einer vielfachen Schwäche öffentlicher Institutionen und Regime gegenüber mächtigen privaten oder korporativen Interessen führt. Ein entscheidender treibender Faktor hinter vielen Prozessen, die zu den beispielhaft angedeuteten Abläufen und Implikationen geführt haben, ist die Verfügbarkeit immer größerer Mengen fossiler Energieträger seit nunmehr bald 200 Jahren. Die dadurch möglich gewordene Industrialisierung zunächst in Europa und Nordamerika, mittlerweile auch in Teilen Asiens und Südamerikas, ist sich dieser eigenen Entwicklungsbedingung allerdings nie bewusst geworden. Stattdessen herrschte – und herrscht – vielfach die doppelte Illusion von der unbegrenzten Verfügbarkeit der fossilen Vorräte oder – im Notfall – von der technologischen Substituierbarkeit endlicher Stoffvorräte. Die Landwirtschaften in den OECD- und den BRICS-Ländern sind mit dem dominierenden Typus eines energie- und chemieintensiven Nutzpflanzenbaus und einer energie- und pharmazieintensiven Tierhaltung ein wesentlicher Bereich, an dem die Folgen des industrialisierten Metabolismus der natur-gesellschaftlichen Beziehungen beobachtet werden können. In allen Ländern der Erde sind die Landwirtschaften aber strukturell gespalten. Es gibt nämlich neben den industrialisierten, rationalisierten, weltmarktorientierten und spezialisierten Betriebsformen auch bäuerliche Familienlandwirtschaften, bei denen die eigene und regionale Lebensmittelversorgung im Vordergrund einer vielfältigen, Tierhaltung und Pflanzenbau kombinierenden Wirtschaftsweise steht. Viele Jahre schien es so, als ob diese, über Jahrhunderte und -tausende bewährte soziale Daseinsform dem industrialisierten Wachstum letztlich zum Opfer fallen würde. Seit gut 20 Jahren aber  

wachsen das Bewusstsein und die Organisationskraft von Menschen, Betrieben und Netzwerken, die explizit den bäuerlichen Weg als Leitbild der weltweiten landwirtschaftlichen Zukunft ansehen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben vielfach und robust die enormen und realen Entwicklungspotentiale bäuerlicher Familienbetriebe in allen Teilen der Erde belegt. Die Diskursarena um die Zukunft der Landwirtschaft ist so in allen Weltgegenden wieder eröffnet. Dabei ist es wichtig, auch die Historie solcher Diskurse einzubeziehen. An der Landwirtschaftstheorie zeigen sich exemplarisch die gewaltfundierten und anderen Brüche des geistigen Lebens im 20. Jahrhundert. Dass Karl Kautsky mit seiner leider so einflussreichen Arbeit zur Landwirtschaftsfrage zu Beginn des Jahrhunderts dem bäuerlichen Familienbetrieb nur noch den Untergang als rückständiger sozialer Residualform bescheinigen mochte angesichts der angeblichen Unausweichlichkeit von technischem Fortschritt und Großbetrieb, zeugt mehr von seinen urbanisierten Vorurteilen gegenüber dem Land und der schon fortgeschrittenen Industrialisierung des Denkens in der damaligen SPD als von einer dialektischen Fortführung des Marx’schen Denkens. Alexander Tschajanow’s grundlegende Arbeiten zu einer Ökonomie der bäuerlichen Wirtschaft sollten mit seiner willkürlichen Einkerkerung durch die stalinistische Justiz und seinem Dahinsiechen in Gefängnissen und Straflagern dem Vergessen anheimfallen. Die dem Kautsky’schen Konzept der Industrialisierung nachfolgenden Landwirtschaftspolitiken in den sozialistischen Ländern nach 1945 haben – trotz aller auch sichtbaren Misserfolge – keine Alternativen des Denkens aufkommen lassen, insoweit ungemein ähnlich der Zwillingsschwester, nämlich der Modernisierung, i.e. Industrialisierung der Landwirtschaft unter kapitalistischen Prämissen und deren Erfolgen wie Misserfolgen. Die Studie von Paulo Alfredo Schönardie kann man also auch als Beitrag zu einer ‚Archäologie der bäuerlichen Landbewirtschaftung’ bezeichnen, wobei, ähnlich wie in der Ethnobotanik, diese nicht etwa rückwärts-, sondern vorwärtsgewandt zu verstehen ist, nämlich dass aus der Vielfalt der Erkenntnisse über frühere und bisherige Entwicklungen wichtige Grundlagen und Perspektiven für die Zukunft abgeleitet werden können. Durch die Verknüpfung gesellschaftstheoretischer, historischer und empirisch-sozialer Perspektiven entsteht ein wichtiger Beitrag zur Fortentwicklung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um die normativen, strategischen und operationalen Fragen der Zukunft einer in einem gehaltvollen Sinne nachhaltigen Landwirtschaft und Gesellschaft.  

Die Arbeit verknüpft in sehr gelungener Weise die internationalen wissenschaftlichen Debatten (z.B. Weltagrarbericht) mit der lokalen und regionalen Situation in Südbrasilien. Ebenso werden die oftmals getrennt oder konfrontativ diskutierten Aspekte von Groß- vs. Kleinbetriebe, moderne Technik vs. traditionelle Arbeitsweisen oder Tank vs. Teller in neue integrierte Perspektiven und Kontexte gesetzt, die sich aus der theoretisch wohl abgeleiteten ökonomischen und sozialen Existenzform der bäuerlichen Familienlandwirtschaft ergeben. Dies betrifft auch die Analyse der Rolle der verschiedenen Ebenen des brasilianischen Staates und der Entwicklung des Genossenschaftswesens. Auch hier zeigt Paulo Alfredo Schönardie aus den historischen Abläufen, Erfolgen und Irrwegen Anknüpfungspunkte für eine zukünftige und nachhaltigkeitsorientierte Weiterentwicklung auf. Die Revitalisierung der Landwirtschaften der Welt als entscheidendes Fundament aller menschlichen Gesellschaften ist eine dauernde und große Aufgabe. Ohne sie wird die globale Wende in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung nicht möglich sein. Im gelingenden Falle aber strömt in dieser Revitalisierung sehr Vieles von dem zusammen, was ein lebenswertes Leben ausmacht, ein Leben in Würde, aktiv, kreativ und gesund, bewusst, gerecht und gemeinschaftlich – und innerhalb der so ungemein weiten Grenzen, die die natürlichen Lebensgrundlagen und die Sonne mit ihrer üppigen Energie uns Menschen gezogen haben. Die Industrialisierung der Welt war ein kurzer historischer Sonderweg, der am Ende in eine Sackgasse führt. Die Revitalisierung der Landwirtschaften impliziert viele Auswege aus dieser Sackgasse zurück. Einer davon ist die Neuorientierung der staatlichen Unterstützungen für die Landwirtschaft. Wie Paulo Alfredo Schönardie zeigt, hat der brasilianische Staat im gesamten Untersuchungszeitraum aktiv und absichtsvoll bestimmte Entwicklungen gefördert, zuerst die bäuerliche Kolonisierung, später die industrielle Modernisierung, neuerdings auch die Förderung der bäuerlichen Familienlandwirtschaft. Diese Einsicht ist bedeutsam, weil die neoliberale Orthodoxie immer wieder behauptet, der Staat sei als Ordnungsmacht historisch zunehmend obsolet und sollte durch Marktmechanismen ersetzt werden. Tatsächlich aber gibt es wohl kaum einen wirtschaftlichen Bereich, für den die ideologischen Marktradikalismen abwegiger erscheinen. Politics matter ist also eine wichtige Maxime der Veränderung. Ein weiterer Ausweg ist die Herstellung von Bedingungen, dass junge, gut ausgebildete Jugendliche, Frauen und Männer wieder Interesse daran finden können, in ländlichen Räumen im Kontext der Landwirtschaft zu leben und zu arbeiten.  

Auch in dieser Hinsicht machen die Untersuchungen von Paulo Alfredo Schönardie Mut. Ich wünsche der Arbeit im deutschsprachigen Raum ebenso wie danach im brasilianischsprachigen eine weite Verbreitung und Rezeption.

Stephan Albrecht Oldenswort, Juli 2013

 

          

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ZUSAMMENFASSUNG

Titel der Dissertation: Bäuerliche Familienlandwirtschaft im Nordwesten des Bundesstaates Rio Grande do Sul, Brasilien. Ernährungssouveränität, Modernisierung, Wiederbelebung und die Rolle des Staates. Eine historische, empirische und theoretische Studie.

Thema der vorliegenden Dissertation ist die bäuerliche Familienlandwirtschaft. Der empirische Ausgangspunkt ist die historische und soziale Praxis der Kleinbauern im Nordwesten des Bundesstaates Rio Grande do Sul in Brasilien. Aus dem Gegenstand werden vier Hypothesen abgeleitet: 1. Während der Konstitution der bäuerlichen Existenz entstand auch eine Ernährungssouveränität. 2. Mit der Modernisierung der Landwirtschaft wurden Ernährungssouveränität und bäuerliche Familienlandwirtschaft infragegestellt und als nicht zukunftsfähig angesehen. 3. Gegenwärtig resultiert aus der bäuerlichen Existenz ein Widerstand gegenüber Abhängigkeits- und Auschlussverhältnissen, der u.a. zu Wiederbelebungsprozessen führt. 4. Der Staat spielte immer eine zentrale Rolle im Nordwesten des Bundesstaates Rio Grande do Sul, sei es bei der Entstehung der bäuerlichen Familienlandwirtschaft, bei der Modernisierung oder bei der gegenwärtigen Wiederbelebung.