Buchbestellung - Willms Buhse

der Internetpionier Andrew McAfee, der Unternehmensberater Don. Tapscott, der .... So sehr das Buch eine Anleitung für Unternehmer ist, das Beste aus.
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Wie aus Kopfschütteln positive Energie wurde. Oder Kapuzenpulli trifft Anzugträger – wie das CIO-Magazin über unsere Initiative DNAdigital titelte. Das Ziel ist anspruchsvoll. Wie schafft man einen konstruktiven Dialog zwischen der Generation Internet und Top-Managern der deutschen Wirtschaft? Und was kommt dabei heraus? In diesem Buch wurden die meisten Artikel im Dialog zwischen diesen beiden Gruppen geschrieben. Beteiligt sind die Avantgarde der Internetgeneration sowie Vorstände und Top-Manager von Unternehmen wie AlcatelLucent, Best Buy, Cisco, Deutsche Telekom, IDS Scheer und Vordenker wie John Seely Brown, John Hagel III, Dirigent Itay Talgam, die Harvardprofessoren Urs Gasser und David Weinberger, Don Tapscott, Gartner-Analystenchef Peter Sondergaard und Netzwerk-Guru Peter Kruse. Dabei trifft inhaltliche Erfahrung auf das technisches Know-how der vernetzten Generation und beschäftigt sich mit Themen des Enterprise 2.0: der Arbeitswelt der Zukunft, kundengetriebene Produktentwicklung, Führung basierend auf Kompetenzen sowie Fragen der Unternehmenskultur. Eines verbindet alle Beiträge: Es geht um unsere Zukunft!

Die Kunst, aufeinander zuzugehen

Willms Buhse/Ulrike Reinhard (Hrsg.)

DNAdigital – Wenn Anzugträger auf Kapuzenpullis treffen

DNAdigital WENN ANZUGTRÄGER AUF KAPUZENPULLIS TREFFEN

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DNAdigital WENN ANZUGTRÄGER AUF KAPUZENPULLIS TREFFEN

Willms Buhse/Ulrike Reinhard (Hrsg.)


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DNAdigital_01 – Anstoß

Manifest der Digital Natives Robert Dürhager, Timo Heuer The Difference It Makes – Vorwort_01 Anne Grabs Dem Enterprise 2.0 gehört die Zukunft – Vorwort_02 August-Wilhelm Scheer DNAdigital – Der Weg zum Buch Willms Buhse, Ulrike Reinhard

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DNAdigital_02 – Die Digital Natives

Die Digital Natives Urs Gasser The Net Generation Takes The Lead Don Tapscott Crowds In The Cloud – Digital Natives Create Generation V Monica Basso, Steve Prentice, Peter Sondergaard, Ray Valdez 20h Begegnung – Aus dem Tagebuch eines Digital Natives Jana Hochberg

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inhalt

DNAdigital_03 – DNAdigital Live

#microblogging #interview #dnabuch – Alles in 140 Zeichen Hendrik Heuermann, Sören Stamer Mit einer Twitter-Einführung von Nicole Simon Livestream DNAdigital – Ein Gespräch mit Peter Kruse Peter Kruse, Ulrike Reinhard

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DNAdigital_04 – Der Weg zum Enterprise 2.0

Der Standort Deutschland Achim Bode, Michael Domsalla, Rainer Fechner, Thomas Mosch, Thomas Renger Building Bridges Between Business, Politics And People Nadia Zaboura Ich habe heute Dienst ... Du findest mich auf dem Sofa Achim Bode, Maxi Kirchner Auf dem Weg in die Projektwirtschaft?! Frank Schabel 3 Kulturen im Umgang mit Social Tools Bettina Fackelmann, Willi Kaczorowski, Jens Otto Lange CEO 2.0 – eine Konversation Martin Koser, Joachim Niemeier, Frank Roebers

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inhalt

Free Our Leaders From Isolation And Embrace Abundance Itay Talgam, David Weinberger Open Innovation – Wie das Web 2.0 Produktfindung und Innovation verändert Willms Buhse, Rainer Fechner, Cedric May How World Of Warcraft Promotes Innovation John Hagel III, John Seely Brown “A Company Is A Dream Factory ...” Brad Anderson, Ulrike Reinhard, Sören Stamer Digitale Insulaner schlagen Brücken Michael Heuser, Matthias Schuster

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DNAdigital_05 – Zu guter letzt ...

Die Herausgeber Mitgeschrieben Literaturverzeichnis Steckbrief DNAdigital

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editorial

SIE STÖREN! Wenn wir das von Unternehmen hören, dann sind wir auf dem richtigen Weg! Zunächst jedoch zurück zum Anfang. DNAdigital, was ist das? Es ist eine Initiative – hervorgegangen aus der Arbeitsgruppe 2 (AG2) des dritten Nationalen ITGipfels – die maßgeblich von uns beiden vorangetrieben wurde beziehungsweise wird. DNAdigital hat das Ziel, zwei sehr unterschiedliche Gruppen zum Netzwerken zu bringen: Die sogenannte Internet Generation – die Digital Natives – und die Manager der deutschen Industrie.

WARUM? Weil wir glauben, dass beide Gruppen ein hohes aber sehr unterschiedliches Potenzial zur Bildung von intelligenten Netzwerken besitzen: Bei den einen ist es der natürliche Umgang mit den neuen Netzwerk-Technologien (= Web 2.0), bei den anderen ist es die Fähigkeit, die Vielfalt von nichtkontextualen Informationen in Netzwerken zumindest ansatzweise zu bewerten. Intelligente Netzwerke – und nicht nur in Form von Unternehmen – benötigen wir, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen.

WAS PASSIERT ALSO BEI DNAdigital GENAU? Wir bringen Digital Natives in das Netzwerk „Unternehmen“ mit der Zielsetzung ein, das Unternehmen intelligenter zu machen, es zu einem sogenannten Enterprise 2.0 hinzuführen. Wir tun das, indem wir zunächst einmal stören! Wir stören, indem wir – um mit den Worten von Peter Kruse zu sprechen – Raum schaffen für nichthierarchische Kommunikationsformen: Blogs, Twitter, Wikis und all das was man unter Social Media versteht. Top-down tritt in den Hintergrund, die Linienstruktur scheint zu verschwinden. Die Macht über die Information, die bislang auf den unterschiedlichsten Unternehmensebenen „gehalten“ wurde, fließt, geht verloren.

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Man muss sich ein ganzes Stück einlassen auf eine unkontrollierte Dynamik, auf ansatzweises Chaos. Und das stört Unternehmen: Denn wo immer auch nur implizit die Linie angegriffen wird, entstehen Machtreaktionen. DNAdigital stellt Ihrem Unternehmen die folgenden Fragen: Wie bereit und wie fähig sind Sie, sich mit dieser Form von heterarchischen Systemen überhaupt auseinanderzusetzen? Wie bereit ist Ihre Kultur, sich auf das Nicht-Mehr-Kontrollieren von Informationsflüssen einzulassen? Wie bereit sind Sie, sich nicht nach den Organisationsmustern der Hierarchie zu richten? Können Sie es zulassen, dass ein Beteiligter im Netzwerk für eine kleine Phase der Zeit wichtiger wird als der Vorstandsvorsitzende? Wenn Sie diese Fragen positiv beantworten können, dann sollten Sie weiterlesen und mehr erfahren über DNAdigital, den Störfaktor. Wir bieten Ihnen und Ihrem Unternehmen keine Beratung, wir arbeiten mit Netzwerkstrukturen – virtuell (Social Media-Tools wie Blogs, Wiki, Twitter, ...) und real (Open Space, Workshops, ...) und zeigen Potenziale auf. Diese gilt es dann, in einem nächsten Schritt zu bewerten und umzusetzen. Wir glauben, dass in Zukunft die Unternehmen die Nase vorne haben werden, die sich stören lassen und denen es gelingt, die Störfaktoren als positive Energie im intelligenten Netzwerk, im Unternehmen, zu nutzen. In diesem lebendigen Buch finden Sie Ideen, Ansatzpunkte und Themen von DNAdigital. Unser Ziel war es, die enorme Spannweite der Initiative aufzuzeigen und Sie zum Mitmachen anzuregen! Geniessen Sie die Lektüre und wenn wir Sie stören sollen, dann melden Sie sich bitte bei uns!

Ihr/Euer Willms Buhse und Ulrike Reinhard

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Manifest der Digital Natives

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MANIFEST DER DIGITAL NATIVES Wir sind die Assimilanten der digitalen Kultur, unser Leben gestalten wir digital. Dies ist unser Manifest. Es richtet sich an alle, die mit uns kommunizieren oder kollaborieren möchten.

Robert Dürhager

Timo Heuer

Credits: Moritz Avenarius, Björn Bauer, Nicole Braun, Andreas Dittes, Anna Dürhager, Bettina Fackelmann, Anne Grabs, Jana Hochberg, Boris Jäger, Alexander Rausch, Christian Spannagel, Dominik Wind, Simon Wind

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DNAdigital_01 – Anstoß

> WIR SIND DIE GENERATION INTERNET Wir sind die Evolution der Fernseh-Generation, deren gemeinsames Schicksal der Passivität noch heute Kultur und Gesellschaft prägt. Indem das Leben der Zuschauer hinter geschlossenen Türen stattfindet, entwickeln diese in Abgrenzung zur Masse ihre Individualität. Doch während die FernsehGeneration selbst bei Ausflügen ins interaktive Internet sich hinter Pseudonymen versteckt und weiterhin passiv als (Be-)Sucher Inhalte auf nun neue Weise konsumiert, sind wir es, welche die Interaktivität als (Be-)Nutzer tatsächlich leben. So sind wir Individuen in der Unterschiedlichkeit unserer Netzwerke, immer und überall online, als Peer im Kontakt mit unseren Netzwerken. Die Tausch-Kultur im Netz ist unser Werk und die offene Gesellschaft unser Ziel.

> DAS NETZ WIRKT AUF DIE WELT Wir Digital Natives verstehen das Virtuelle als Teil der Realität. Auch wenn Virtuelles nicht physisch ist, hat es dennoch einen erheblichen Einfluss auf das Denken und Fühlen. Betrachtet man das Internet als geistigen Lebensraum, so sind dessen Auswirkungen reale Wirklichkeit. Indem wir online sind, flüchten wir nicht vor der Realität, sondern partizipieren an der virtuell erweiterten Realität des 21. Jahrhunderts.

> NETZWERKE SIND DIE BESSEREN PROBLEMLÖSER Wir arbeiten vernetzt und kollaborieren in dynamischen und offenen Netzwerk-Teams. In unserem Arbeitsleben spielt die kollektive Intelligenz eine große Rolle. Crowd Sourcing ist ein Begriff, der nicht nur unsere Arbeitsweise geprägt hat, sondern unser ganzes Denken. Nicht zuletzt wegen der vielfältigen Kommunikationsinstrumente, von (Micro-)Blogs bis Wikis, können wir jederzeit und zu jedem Thema mit anderen zusammenarbeiten. Eine Arbeit, die uns bisher Stunden gekostet hätte, wird durch ein Micro-Posting zu einer Sache von Minuten. Die Schwierigkeit eines Problems misst sich bei uns nicht am Wissen des Individuums, sondern seiner Fähigkeit zur vernetzten Kommunikation. Abhängig vom Grad der individuellen Vernetzung gelingt es uns, für fast jedes Problem eine Lösung zu finden.

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Allerdings funktioniert Crowd Sourcing nur, wenn die Arbeit öffentlich zugänglich ist. Wir Digital Natives fordern deshalb die digitale Öffnung und digitale Modernisierung der Arbeitswelt. Zu viele Ideen sind als Interna gestorben. Sie erhielten nie die Chance, die Welt zu verändern oder wenigstens Sympathie für das Unternehmen zu erwirtschaften.

> WIR BEFREIEN DIE ARBEIT Klassische Neun-bis-Fünf-Uhr-Jobs sind ein Relikt aus den Zeiten der Industrialisierung. Es wird Zeit, die Arbeit von starren Arbeitsmodellen zu befreien. Als Netzwerk-Individuen befinden sich unsere globalen Kontakte in verschiedenen Zeitzonen, so dass die klassischen Arbeitszeiten für uns kontraproduktiv sind. Und auch den Arbeitsablauf wollen wir flexibel gestalten können. So lassen sich verschiedene Aufgaben miteinander verknüpfen und damit effizienter und schneller erledigen, wenn nicht sogar Synergieeffekte dafür sorgen, dass inhaltlich neue Ideen gefunden werden. Genauso arbeiten wir lieber ortsunabhängig an der Stelle, die uns gerade am nützlichsten erscheint. Das kann ein Café, ein Büro oder das Homeoffice sein. Das Internet erlaubt uns, von überall aus mühelos auf arbeitsrelevante Daten und Instrumente zugreifen zu können. Flexible und öffentliche Arbeitsmöglichkeiten, flache Hierarchien und Mitbestimmung, sowie Vertrauen, motivierende Herausforderungen und eine ergebnisorientierte gerechte Bezahlung sind die Arbeitsqualitäten unserer Wahl.

> ARBEIT KANN NUR PRIVAT SEIN Unser Wertesystem kennt neben Lohn auch den Wert der Selbstverwirklichung und Eigenmotivation. Zwischen Arbeit und Privatleben zu unterscheiden fällt unter diesen Voraussetzungen schwer. Für uns gehört es zum Alltag, dass viele Angelegenheiten in beide Kategorien fallen und somit immer nach persönlichen Maßstäben und anhand allgemeiner Moralvorstellungen bewertet werden. Eine Arbeitsstelle messen wir also daran, welche persönlichen Wachstumschancen sie uns eröffnet und wie motivierend ihr Arbeitsumfeld für uns

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sein kann. An Unternehmen schätzen wir, neben dessen Transparenz und Offenheit, auch den sozialen Umgang mit Arbeitnehmern und Umwelt.

> UNSERE VERANTWORTUNG ZUR ÖFFENTLICHKEIT Weil wir unsere Stärke in der öffentlichen Zusammenarbeit wissen, teilen wir nur zu gerne unser geistiges Kapital und schaffen damit freie Wissensressourcen. Konkurrenzdenken gibt es bei uns nicht, dafür aber Wettbewerb um die besseren Ideen und Reputation für erbrachte Leistung. Wir kennen das Potenzial von freiem Wissen und fordern deshalb den freien Zugang zu allen steuerlich geförderten Forschungsergebnissen und Lernmaterialien. Gleichzeitig soll es Bildungseinrichtungen finanziell und inhaltlich ermöglicht werden, die zur Verwendung der Informationen notwendige Medienkompetenz an die zugünftigen Generationen vermitteln zu können. Für uns ist es von großer Wichtigkeit, dass freie Wissensressourcen gefördert, erhalten und für jeden zugänglich gemacht werden. Als Digital Natives unterstützen wir deshalb alle Initiativen, die Informationen und Werkzeuge frei und wiederverwendbar verfügbar machen. Die neuen Medien verstehen wir allgemein als Chance für eine bessere Welt. Ihre Veranlagung (im Sinne des lateinischen „virtus“ für Kraft, Tugend), Informationen zu verteilen und zu verarbeiten, ermöglicht es den Menschen auf viele neue Arten miteinander zu kommunizieren und sich auszutauschen. So stellt unsere digitale Kultur schon jetzt räumliche, kulturelle und damit auch politische Grenzen in Frage und bietet eine echte Chance für einen partizipativ-demokratischen Kosmopolitismus. Denn als Digital Natives sind wir Weltbürger und eine der ersten globalen Generationen. Erste Schritte hin zu einer partizipativ-demokratischen Weltpolitik wäre die uneingeschränkte Transparenz politischer Arbeit und Entscheidungsfindung, sowie der vielfältige Ausbau der Online-Partizipation.

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> DAS NETZ HAT EINE KULTUR Wir verstehen das Internet als sozialen Kulturraum. Mit unseren realen Identitäten prägen wir dessen Inhalte und mit unseren sozialen Beziehungen dessen Vergesellschaftung. Im Rahmen der Legalität und manchmal auch im konstruktiven Diskurs mit dieser, sind wir hier die Exekutive, unsere Moral die Judikative und unser Code die Legislative. Eine vierte Gewalt wählen wir durch unsere Aufmerksamkeit. In der globalen und diversiven Wirklichkeit unserer Netzwerke verstehen wir Relevanz vor allem als soziale Relevanz. Unsere mehrdimensionalen Netzwerke bieten die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches und der gemeinsamen Bewertung. Aufgrund der sozialen Beziehung sind Empfehlungen und Informationen aus einem dieser Netzwerke besonders relevant. Als Digital Natives sind wir uns bewusst, dass unsere Kultur vom technischen Fortschritt abhängig ist. Genau deswegen nutzen wir frühzeitig technische Innovationen, um einerseits neue Möglichkeiten für unsere Kultur zu erkunden, und andererseits, mit unserem Feedback Fehlentwicklungen entgegen zu wirken.

> DEM NETZ GEHÖRT DIE ZUKUNFT Wie jedes Medium hat auch das Internet seine Schwächen. Durch Interaktivität und Vernetzung lässt sich jedoch Transparenz aufbauen, weswegen das Internet den anderen Massenmedien überlegen ist. Die Möglichkeit der polydirektionalen Kommunikation ermöglicht es zudem, ein vielfältigeres Abbild der Wirklichkeit zu liefern, was das Internet zum passenden Medium einer postmodernen Welt macht. Das Netz etabliert sich zu Recht als Leitmedium und dessen offene Kultur eignet sich wie keine andere als Maßstab für eine gerechte Gesellschaft der Zukunft.

Willms Buhse, Sören Stamer (HG.)

ENTERPRISE 2.0 –

DIE KUNST, LOSZULASSEN

RHOMBOS

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Redaktion Tina Kulow, Lilian Mrusek Lektorat Hergen Hillen Übersetzungen Tracy Newton, Christiane Zschunke Umschlaggestaltung Hartwig Otto und Carsten Raffel GUPPY Designerschwarm Satz Steffen Nerlinger, Berlin eMail: [email protected] Verlag Rhombos-Verlag, Bernhard Reiser Kurfürstenstraße 17, 10785 Berlin Telefon: +49 30 261 94 61, eMail: [email protected] Internet: www.rhombos.de VK-Nr. 65 859 Druck dbusiness.de GmbH, Berlin Herausgeber CoreMedia AG, vertreten durch Sören Stamer und Willms Buhse Printed in Germany © Rhombos-Verlag, Berlin 2008 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten. Kein Teil dieses Werkes darf außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ohne schriftliche Einwilligung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Eine Haftung für die Richtigkeit der veröffentlichten Informationen kann trotz sorgfältiger Prüfung vom Verlag nicht übernommen werden. ISBN 978-3-938807-68-2

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Willms Buhse, Sören Stamer

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Götz Hamann

Eine Definition von Enterprise 2.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Andrew McAfee

Lehren aus der Vergangenheit – Computer-Supported Collaborative Work & Co . . . . . . . . . . . . . . . 37 Michael Koch

Enterprise 2.0 – Learning by Doing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Sören Stamer

Kontrolle als Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 David Weinberger

Interaktive Wertschöpfung Herausforderungen für die Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Ralf Reichwald, Kathrin M. Möslein, Frank T. Piller

Mit Enterprise 2.0 gewinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Don Tapscott

Schönheit kommt von innen – Die neue Kommunikationskultur eines Enterprise 2.0 . . . . . . . . 149 Willms Buhse

Reality Check Enterprise 2.0: Wie weit sind deutsche Unternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Nicole Dufft

SAP: Der Aufbau von Communities im Unternehmen . . . . . . . . . 181 Craig Cmehil

Enterprise 2.0 bei Vodafone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Stefan Böcking

Nokia: Enterprise 2.0 und Mobility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Stephen Johnston

Mollys geheimes Tagebuch oder Bekenntnisse eines Anfängers über soziale Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Suw Charman-Anderson

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Willms Buhse, Sören Stamer

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255





ENTERPRISE 2.0 – DIE KUNST, LOSZULASSEN

Vorwort

Als wir auf der 1. Enterprise 2.0 Konferenz in Boston 2007 einige Autoren zu der Idee für ein Buchprojekt ansprachen, bekamen wir als Antwort: „Enterprise 2.0 - as a book? Hm. Interesting idea. Haven‘t thought about that“. Und genau das soll der Anspruch dieses Buches sein: zu interessanten und wertvollen Gedanken anregen. Wir wollten ein Buch zu einem Thema zusammenstellen, das bisher hauptsächlich im Internet in Form von Blogs diskutiert wurde. Wir wollten Leser außerhalb dieser Zirkel erreichen. Und wir wollten die Diskussionen zu diesem Thema beleben. Unser Anspruch an dieses Buch ist es, bedeutende Experten und Pioniere auf diesem Gebiet mit ihren Beiträgen redaktionell zusammenzubringen und verschiedene Aspekte von Enterprise 2.0 zu analysieren. Wir haben uns sehr bemüht, den unterschiedlichen Charakter der Beiträge und deren Motivation (trotz Übersetzung) zu bewahren. An dieser Stelle einen herzlichen und großen Dank an alle Autoren, die mit uns ihre Erfahrungen, Gedanken und Ansichten teilen. Es war eine große Freude, mit allen zu arbeiten. Dieses Buch wäre nicht ohne die vielen helfenden Hände im Hintergrund entstanden. Als Herausgeber möchten wir uns daher besonders bedanken für den hohen persönlichen Einsatz, ohne den es dieses Buch nie geben würde: Tina Kulow für ihre Betreuung von Buch und Autoren, Lilian Mrusek für ihre intensiven Kontakte zum Rhombos-Verlag, Hergen Hillen für das akribische Lektorat, Thomas Stegmann und Hartwig Otto für die Gestaltung, Tracy Newton und Christiane Zschunke für die Übersetzungen.

Lieber Leser, Ihnen wünschen wir Spaß und Inspiration bei der Lektüre und ein feines Gespür, bei der Kunst loszulassen. Wir freuen uns schon auf Ihre Erlebnisberichte, Meinungen und Ideen unter blog.coremedia.com.

Willms Buhse und Sören Stamer





ENTERPRISE 2.0 – DIE KUNST, LOSZULASSEN

Götz Hamann

Einleitung





Götz Hamann

Dieses Buch ist der Versuch einer Befreiung – und gleichzeitig ein Angriff. Mit vereinten Kräften attackieren die Autoren ein zentrales Prinzip des Kapitalismus – die traditionelle Arbeitsteilung. Es geht gegen das Erbe zweier Männer, deren Einfluss gar nicht unterschätzt werden kann: Der eine war Henry Ford und machte vor fast einhundert Jahren das Fließband populär, der andere hieß Frederick W. Taylor und entwickelte die Theorie, dass es für jede Arbeit nur eine, „allein richtige“ Bewegungsabfolge gebe. Beides zusammen, Fließband und rationalisierte Abläufe, machen das Wesen der herkömmlichen Arbeitsteilung aus und bestimmen bis heute den Aufbau praktisch eines jeden Unternehmens. Ohne sie sind der Siegeszug des Kapitalismus und der uns heute so vertraute Wohlstand in den westlichen Industrieländern nicht vorstellbar. Und nicht nur das. Was der Westen vor fünfzig Jahren erlebte, lässt sich heute in Asien erneut beobachten. Doch was den Westen einst so stark gemacht hat, hemmt in­zwischen seine Wirtschaft, argumentieren die Autoren in diesem Buch. Es sind der Internetpionier Andrew McAfee, der Unternehmensberater Don Tapscott, der Unternehmer Sören Stamer und viele andere. Sie gehen davon aus: Die traditionelle Arbeitsteilung schnürt die Angestellten vielerorts ein. Ihren Gegenentwurf nennen sie „Enterprise 2.0“. ENTERPRISE 2.0 – DIE KUNST, LOSZULASSEN

Wer gegen ein so erfolgreiches Prinzip wie das der traditionellen Arbeitsteilung zu Felde zieht, muss gute Argumente haben – und die gibt es zweifellos. Im täglichen Geschäft verlieren das fordis­tische und das tayloristische Prinzip längst an Bedeutung, was beileibe nicht nur für die Internetwirtschaft gilt. Auch in traditionellen Branchen wie dem Maschinenbau machen komplexe Dienstleist­ungen vor, während und nach der Produktion einer Maschine heute einen großen und darüber hinaus auch einen wachsenden Teil der Wertschöpfung aus. Ein Bedeutungsverlust von klaren Arbeitsabläufen, Hierarchien und eine Individualisierung der Arbeit gehen mit dieser Entwicklung einher. Es ist der Unterschied zwischen denen, die früher am Fließband standen, und denen, die heute in aller Welt Maschinen einrichten und warten, die dafür notwendige Software schreiben oder eine Maschine in einen komplexen Produktions­ prozess einpassen. Gestützt von Internet und Mobilfunk werden die Kommunikation und das Wissen der Mitarbeiter und ihr persönliches Netzwerk zu immer zentraleren Produktionsfaktoren.

Einleitung

Dieses Buch nimmt die unerschlossenen Transformations- und Wachstumspotenziale in den Blick, die in einem großen Teil der Wirtschaft schlummern. Dabei blendet es die Kosten des Wandels aus und konzentriert sich auf den eindeutig sichtbaren Nutzen des Konzepts in wissensintensiven Branchen, in denen es den Unterschied ausmachen kann, wie umfassend ein Unternehmen das Wissen seiner Mitarbeiter nutzen kann. Ob es sie zu maximaler Kreativität und Produktivität anregen kann. Google oder Microsoft? Deutsche Bank oder Citigroup? Den ersten Wettstreit entschied jenes Unternehmen für sich, dessen Manager als erste erkannten, was die zentrale Dienstleistung im Internet ist – die Suche –, und im nächsten Schritt die besten Entwickler anziehen konnten, um diesen Vorsprung zu halten oder sogar auszubauen. Es war Google. Es ist Google. Und es wird auf lange Zeit Google sein. Das zeigt die Umsatzentwicklung, die Rendite im Internet­geschäft und auch der Weltmarktanteil in der Onlinewerbung. Wissen, Kommunikation, die daraus entstehenden Netzwerke und eine darauf abgestimmte Unternehmensstruktur zählen mehr denn je. Das gilt auch im Fall der Deutschen Bank. Sie hatte besonders weitsichtige Mitarbeiter und die richtigen Prozesse im Unternehmen, um die wachsenden Risiken auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt zu bewerten. Im Nachhinein, sagte der Vorstandschef Joseph Ackermann, sei es eine knappe Entscheidung gewesen. Aber sie wurde getroffen. Und so blieben der Bank mehrere Monate, um ihr Risiko abzubauen. Die US-amerikanische Citigroup hingegen wurde von der Krise überrollt, musste milliardenschwere Abschreibungen vornehmen und wurde durch das Geld eines arabischen Staatsfonds stabilisiert. Der Journalist James Surowiecki schrieb im Jahr 2004 in seinem Buch „The Wisdom of Crowds“: „Unternehmensstrategie heißt, Informationen aus vielen Quellen zu sammeln, die Wahrscheinlichkeit von potenziellen Ergebnissen zu evaluieren, und Entscheidungen angesichts einer ungewissen Zukunft zu treffen.“ Die Manager von Google und der Deutschen Bank waren darin in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich. Aber wie tut man es ihnen gleich?



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Wenn die Produktivität der Wissensarbeiter den Unterschied ausmacht, wie kann man sie dramatisch steigern? Wie muss ein Unter­ nehmen beschaffen sein, das schneller und besser als seine Wettbewerber das Wissen seiner Mitarbeiter in Gewinn verwandeln kann? Die Botschaft dieses Buches lautet: Man muss sich von Ford und Taylor abwenden und einem neuen Prinzip unterwerfen. Dieses Prinzip wird hier Enterprise 2.0 genannt und von Internetpionier Andrew McAfee einleitend vorgestellt (Eine Definition von Enterprise 2.0). Enterprise 2.0 sucht die schöpferische Kraft der Mitarbeiter umfassend zu nutzen, indem es ihnen die Möglichkeit bietet, jenseits eines engen Aufgabengebiets freiwillig mehr Verantwortung zu übernehmen, Meinungen kundzutun und sich in im beruflichen Alltag stärker als bisher von persönlichen Neigungen leiten zu lassen. Freie Zusammenarbeit von möglichst vielen Benutzern ist gewollt – weitgehend ohne Einschränkungen durch Organisationen, Prozesse oder Techniken. Wie das in der Praxis aussehen kann, welche Grenzen fallen und welche bestehen bleiben, beschreibt der Unter­nehmer Sören Stamer. Er hat es in dem von ihm gegründeten Software-Haus CoreMedia selbst angeregt und durchgesetzt („Enterprise 2.0 - Learning by Doing“). ENTERPRISE 2.0 – DIE KUNST, LOSZULASSEN

Alles, was menschliches Sozialverhalten unterstützt, erweitert oder daraus einen Mehrwert generiert, wird unterstützt. Der Unter­ nehmensberater Don Tapscott schreibt sogar vom „Zeitalter der Kollaboration“ („Mit Enterprise 2.0 gewinnen”). Um einen möglichst umfassenden Austausch zu ermöglichen, setzt Tapscott auf eine Art von Software, die sich unter dem Oberbegriff „Social Software“ etabliert hat. Es sind Wikis, Instant Messaging, Blogs, Social Bookmarking und Social Networking Software. Eine gewollte Wirkung von Enterprise 2.0 ist infolgedessen der Verlust von Kontrolle in ihrer bekannten Form. Erfassung von Arbeitszeit, Abteilungsgrenzen, enge Aufgabengebiete und in größeren Konzernen die Trennung in viele Tochtergesellschaften verhindern die im Enterprise 2.0 gewollten Netzwerkeffekte ziemlich gründlich. Wer demgegenüber seine Mitarbeiter möglichst umfassend untereinander verbinden will, der muss akzeptieren, dass Informationen

Einleitung

nicht mehr in den gewohnten Bahnen von oben nach unten oder umgekehrt fließen und auf diesem Weg viele Filter durchlaufen, sondern dass sie sich weitgehend ungehemmt ausbreiten. Wissen wird geteilt und nicht in erster Linie benutzt, um die eigene Herrschaft zu sichern. Einzelne Manager werden Informationen in so einem Umfeld schwerer in ihrem Sinn manipulieren können, was der Wissenschaftler David Weinberger vom Berkman Center for Internet and Society an der Universität von Harvard unmissverständlich herausarbeitet („Kontrolle als Risiko”). Den Unternehmen und ihren Computersystemen muss eine Architektur der Beteiligung zugrunde liegen. Das führt in den Augen von Tapscott und Stamer zu Teambildungen, die sich an Themen und Produkten orientieren und traditionelle Abteilungsgrenzen zerstören. Idealerweise entstehen diese Teams ganz oder teilweise in Selbstorganisation. Dieser Wandel macht an den Unternehmensgrenzen nicht halt. Er hat längst auch die Kunden erfasst. Sie müssen sich nicht mehr auf das verlassen, was Unternehmen über ihre Produkte und Dienstleistungen sagen. Foren, Newsgroups, Blogs und andere Informationsquellen im Internet haben sich etabliert. So werden Manager und Unternehmer dazu gezwungen, in einen Dialog mit ihren Kunden zu treten. Wie das Marketing diesen neuen Umständen Rechnung tragen kann und wie ein veränderter Kundendialog wieder in die Unternehmen hineinwirkt, beschreibt Willms Buhse, der Marketingverantwortliche von CoreMedia („Schönheit kommt von innen – Die neue Kommunikationskultur eines Enterprise 2.0“). Das Ziel dieser Strategie ist klar: eine höhere Produktivität von Wissens­arbeitern zu erreichen. Wie essenziell die intensive Kommunikation der Beteiligten und der Aufbau beruflicher Netzwerke dabei ist, hat der US-amerikanische Organisationswissenschaftler Mark Granovetter bereits im Jahr 1973 in einer bis heute einflussreichen Theorie dargelegt. Damals veröffentlichte er einen Artikel mit dem Titel „The Strength of Weak Ties“1. Er argumentiert, dass Unter­ 1 Granovetter, Mark (1973): The Strength of Weak Ties. In: American Journal of Sociology, 78 (May): 1360-1380. Zu beziehen über die Online-Datenbank JSTOR: http://tinyurl.com/2s9gck.

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nehmen nicht nur alles dafür tun sollten, damit Wissens­arbeiter mit ihren vertrauten Kollegen gut und effizient zusammenarbeiten. Es reiche auch nicht, wenn man bewusst ein Team zusammenstelle, das verschiedene Talente und Fachrichtungen vereine. Ein größerer Effekt sei zu erzielen, so Granovetter, wenn Unternehmen nicht nur enge, also starke Arbeitsbeziehungen verstärken. Mindestens in gleichem Maße solle man viele schwache Beziehungen intensivieren. Sie, so Granovetter, können eine immense Bedeutung für die Entwicklung eines Unternehmens haben. Unter schwachen Beziehungen versteht Granovetter lose Kontakte. Er ist der Ansicht, dass derjenige, der sich vornehmlich in einer Gruppe mit vertrauten Personen bewegt, in der sich diese Personen stark aufeinander konzentrieren, zu selten neue Impulse bekommt. Lose Kontakte hingegen haben, so Granovetter, den Vorteil, dass man durch sie – und noch mehr durch deren Netzwerk – vergleichsweise leicht und schnell den Zugang zu einem bis dahin unerschlossenen Wissenspool bekommt. Lose Kontakte können insofern gute Informationsquellen sein und die Innovationsgeschwindigkeit im Unternehmen deutlich erhöhen.

ENTERPRISE 2.0 – DIE KUNST, LOSZULASSEN

Das ist, wenn man so will, der theoretische Ausgangspunkt des Enterprise 2.0. Von dort betrachtet hat ein Enterprise 2.0 besonders große Chancen, im Wettbewerb den größten Wissensvorsprung zu erlangen, weil es die interne Kommunikation fördert, auf freien Informationsfluss setzt – und möglichst viele Mitarbeiter dazu bewegt, sich über ihre alten Funktionen hinweg kreativ an Prozessen im Unternehmen zu beteiligen. Computer, Internet sowie die genannte Social Software gelten dafür als die geeigneten Hilfsmittel, weil sie, zusammen genommen, effizienter sind als alles, was es noch vor wenigen Jahren gab. So sehr das Buch eine Anleitung für Unternehmer ist, das Beste aus Wissensarbeitern herauszuholen, so sehr sind einzelne Beiträge darüber hinaus von einer sozioökonomischen Utopie durchdrungen. In ihnen wird ein Enterprise 2.0 zur idealen Unternehmensform für den Menschen insgesamt. Sie entspricht einer Welt, in der jeder Einzelne in hohem Maße für seine Karriere und seine Lebensgeschichte verantwortlich ist – und gemacht wird. Jeder muss in dieser Welt zur Sicherung seines Arbeitsplatzes bewusst beitragen. Freiräume dienen dem

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persönlichen Wohlbefinden, müssen aber auch für das Wachstum des Ganzen genutzt werden, um im Wettstreit der Wissens- und Netzwerkwirtschaft zu bestehen. Am Ende soll in dieser Welt eine Selbstverwirklichung durch Unternehmertum in Unternehmen und Privatleben gelingen – wobei sich beide miteinander vermischen. Diese Vorstellungen grenzen sich ab von vergangenen Epochen der westlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte. Grob vereinfacht betrachtet hat der Manchester-Kapitalismus den Einzelnen noch verschlungen und ohne Rücksicht zurückgelassen, sobald er verbraucht war. Im Vergleich dazu wurde in den Industrien des 20. Jahrhunderts viel getan, um die Arbeitskraft der Mitarbeiter zu erhalten, sie zu qualifizieren und ihnen erhöhte Sicherheit durch sozialstaatliche Leist­ ungen und Netze zu bieten. Doch blieb der Einzelne in bürokratisierten Unternehmen auf eine eng definierte Aufgabe beschränkt, Eigenverantwortung und die persönliche Entfaltung hielten sich in Grenzen. Die größere Sicherheit hatte ihren Preis. Der heutige Wissensarbeiter, so lässt sich etwa bei Don Tapscott nachlesen, empfindet diesen traditionellen Unternehmensalltag als unnötige Disziplinierung. Im Vergleich dazu findet der Einzelne in der heutigen Netzwerkökonomie, in Erfinderunternehmen und bei qualifizierten Dienstleistern mehr Freiräume denn je. Und dieser wird in der festen Überzeugung gewährt, dass sich viele Menschen stärker wertschöpfend einbringen können und wollen, als es traditionelle Organisationen erlauben. Natürlich hat das Enterprise 2.0 in der Realität seine Vorläufer – und zwar weit jenseits der Internetwirtschaft. Einen entsprechenden Einblick liefert das Kapitel von Michael Koch („Lehren aus der Vergangenheit – Computer-Supported Collaborative Work & Co.”). Computergestützte Teamarbeit gibt es seit mehr als 20 Jahren, die Gruppenarbeit in der Automobilproduktion ist legendär. Investmentbanker arbeiten in Teams, Entwickler in großen Konzernen machen rund um den Globus gemeinsame Sache, über alle Zeitzonen hinweg und verbunden durch die konzerninternen Computersysteme.

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Wer sich gleichwohl die Strukturen durchschnittlicher, globaler Konzerne und straff organisierter, mittelständischer Unternehmen anschaut, wird erkennen, dass das Erbe von Ford und Taylor sehr lebendig ist: Vertrieb, Marketing, Entwicklung, Produktion, Buchhaltung, Innenverwaltung, IT-Abteilung – und natürlich der Vorstand. Konzerne bestehen aus Schubladen und wer in einer von ihnen steckt, hat in den anderen meist nichts zu suchen. Selbstverständlich ist vielen Managern schon aufgegangen, wie unproduktiv das in vielen Fällen ist. Sie haben ihre Organisation trotzdem nicht verändert.

ENTERPRISE 2.0 – DIE KUNST, LOSZULASSEN

Dafür gibt es Gründe. Zumindest einer davon ist stichhaltig, wird aber in diesem Buch nicht diskutiert: Der Wandel hat Kosten. Nicht jeder kann oder will unternehmerisch denken, nicht jeder besitzt eine schöpferische Ader, die sich in neue Produkte verwandeln lässt, nicht jeder wird dadurch besser, dass man ihm klare Strukturen in seinem Alltag nimmt, nicht jeder ist in der Lage, sich seine Arbeit selbst einzuteilen. Ein erfolgreiches Unternehmen muss auch diesen Menschen eine Umgebung bieten, in der sie maximal produktiv sind. Darüber hinaus ist es vor allem in großen Unternehmen eine hohe Kunst, abteilungsübergreifende Arbeit zu erreichen. Zeit ist eine knappe Ressource, irgendjemand wird weiterhin die Verantwortung dafür tragen, womit Mitarbeiter den überwiegenden Teil ihrer Zeit verbringen. Was ist kreativ? Was Zeitverschwendung? Den Alltag im Enterprise 2.0 zu managen, wird nicht jedem gelingen. Darüber hinaus gibt es Gründe, die zwar gewichtig sind, aber die Notwendigkeit dieses Buches unterstreichen und viel über heutige Manager aussagen. Die traditionelle Arbeitsteilung gilt noch immer als sicherste Form der Herrschaftsausübung und als wirkungsvollste Methode, um eine Organisation zu kontrollieren. Nicole Dufft von Berlecon Research liefert in ihrem Kapitel klare Belege für eine weit verbreitete Unkenntnis der in diesem Buch mit Enterprise 2.0 beschriebenen Ideen („Reality Check Enterprise 2.0: Wie weit sind deutsche Unternehmen?“). So hat sie erhoben, dass die Hälfte der von ihr befragten Manager in wissensintensiven Branchen entweder den Begriff „Web 2.0“ noch nicht kennen oder, wenn sie ihn kennen, für eine mediale Modeerscheinung halten. Unternehmen, in denen diese Manager arbeiten, sind sicherlich noch Jahre davon entfernt, die Ideen des Enterprise 2.0 anzuwenden.

Einleitung

Sowohl in seinen Überlegungen zu den Folgen der ITK-Revolution der vergangenen Jahrzehnte als auch in seinen Anregungen für die betriebliche Praxis steht dieses Buch in einer langen Tradition. Sie beginnt mit einem Aufsatz von Herbert A. Simon, dem späteren Nobelpreisträger für Wirtschaft, der in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts darüber nachdachte, wie sich das Informations- und Wissensmanagement im heraufziehenden Computerzeitalter verändern würde („Designing Organizations for an information rich world“). Es folgten dreißig Jahre später die Visionäre des Internetzeitalters, unter ihnen Nicholas Negroponte vom Massachusetts Institute of Technology („Total Digital“), die Hightech-Visionärin Esther Dyson („Release 2.0. Die Internet-Gesellschaft“) und Don Tapscott. Letzterer ahnte schon vor zehn Jahren, wie groß die anstehenden Veränderungen in Unternehmen ausfallen könnten („The Digital Economy. Promise and peril in the age of networked intelligence“). Andere wie Kevin Kelly, ein Journalist des Magazins „Wired“, sahen in der New Economy eine Kraft, die die alten Regeln des Wirtschaftslebens außer Kraft setzen würde („New Rules for the New Economy“). Veränderte Lebens- und Arbeitsformen, technische Innovation und tausende von Start-ups würden die Großkonzerne hinwegfegen. Doch blendete Kelly dabei die harte Realität aus, dass vor zehn Jahren erstens die technische Ausstattung der meisten Haushalte mit Computern und schnellen Internetzugängen nicht ausreichend war, deshalb zweitens viele Geschäftsideen nicht tragfähig waren und dass so drittens die New Economy in quasireligiöser Übertreibung keine glaubwürdige Blaupause für den Unternehmensalltag in der Wissensökonomie liefern konnte. Schon kurz nach dem Börsencrash des Jahres 2001 begannen Autoren allerdings nach den die Krise überdauernden Innovationen zu suchen und beschrieben sie beispielsweise als „Next Economy“ wie der Journalist Thomas Fischermann. Von all diesen Überlegungen führt ein direkter Pfad zum Enterprise 2.0. Insofern ist es an der Zeit, den Markt richten zu lassen. Er wird jene belohnen, denen es gelingt, eine Organisation aufzubauen, in der die Arbeiter der Wissensökonomie besonders produktiv sind. Und dafür liefert dieses Buch zweifellos viele Anregungen.

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Götz Hamann

LITERATUR Granovetter, Mark (1973): The Strength of Weak Ties. In: American Journal of Sociology, 78 (May): 1360-1380. Zu beziehen über die Online-Datenbank JSTOR: http://tinyurl.com/2s9gck. Simon, Herbert A. (1996): Designing Organizations for an information rich world, in: Lamberton, Donald M. (Hg.): The Economics of Communication and Information, Cheltenham/Brookefield, S. 187-202. Nicholas Negroponte: Total Digital. Die Welt zwischen 0 und 1 oder Die Zukunft der Kommunikation. Bertelsmann Verlag, München, 1995. Dyson, Esther (1997): Release 2.0. Die Internet-Gesellschaft. Spiel­regeln für unsere digitale Zukunft. Übersetzung von Henning Thies. München: Droemer Knaur. Tapscott, Don (1996): The Digital Economy: Promise and Peril in the Age of Net­ worked Intelligence by Don Tapscott McGraw-Hill, New York. Zusammenfassung unter http://tinyurl.com/29wojy. Kelly, Kevin (1996), New Rules for the New Economy, Viking. Online­version unter http://www.kk.org/newrules/.

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