breitachklamm

von den Felsen wachsen. Die- se zeugen von der hohen. Feuchtigkeit in der bis zu 100. Meter hohen Schlucht, die sich in den Sommermonaten in einem satten ...
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21.02.10 12:43:36

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Samstag, 20. Februar 2010

REISEJOURNAL AM WOCHENENDE

Höllenschlund mit tosendem Wasser BREITACHKLAMM: Mitteleuropas tiefste Schlucht ist mehr als ein Schlechtwetterziel Von Walter Kreuzer

Von der Oberstdorfer Kurverwaltung offiziell als „Schlechtwetterziel“ angepriesen, hat die Breitachklamm bei Tiefenbach erheblich mehr zu bieten als lediglich etwas Abwechslung von den Skipisten oder Wanderwegen der Allgäuer Alpen. „Was, so hoch soll hier das Wasser gestanden haben?“ Die ältere Dame auf der schmalen Holzbrücke traut ihren Augen nicht. Sie schaut abwechselnd die steilen Felswände entlang nach oben und nach unten. Dort bahnt sich tief unter ihr die Breitach sprudelnd und tosend ihren Weg ins Tal. Die Aussage des Hinweisschildes und eines überdimensionierten Lineals am Fels sind aber eindeutig: Mehr als 30 Meter hoch hatte sich das Wasser im Winter 1995/96 gestaut – um gerade rechtzeitig zum Frühjahrsbeginn mit kaum vorstellbarer Gewalt talwärts zu donnern und alles, was sich ihm in den Weg stellte, mitzureißen. Begonnen hatte das doppelte Naturereignis, das immerhin 300 000 Mark Schaden anrichtete, am 24. September 1995. An jenem Spätsommertag löste sich gegen 5.30 Uhr morgens ein Felsblock von 50 000 Kubikmetern Größe, stürzte 70 Meter in die Tiefe

30 Meter Stauhöhe und staute das Wasser. In der oberen Klamm bildete sich ein 200 Meter langer und sieben Meter tiefer See. In den folgenden Monaten tat die Breitach, was sie frei nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“ seit tausenden von Jahren getan hatte. Sie räumte sich den Weg frei. Am 23. März 1996 gegen Mittag war sie mit einem Schlag am Ziel. Wege, Brücken, Geländer – was sich den zu Tale stürzenden 300 000 Kubikmetern Wasser in den Weg stellte, wurde mitgerissen. Heute morgen ist das Flüsschen jedoch friedlich und lässt kaum erahnen, welche Kraft es entfalten kann. Der Winter hat einen Großteil des Wassers in bizarre Eisgebilde und Vorhänge verwandelt. Die Mädchen und Jungen einer Schulklasse machen sich einen Spaß draus, Eiszapfen abzubrechen, die hier überall von den Felsen wachsen. Die-

Die Breitachklamm präsentiert sich dem Wanderer bei jedem Besuch in einer anderen Aufmachung: Ob das saftige Grün der Sommermonate oder die Eisskulpturen des Winters, die tiefste Felsschlucht Mitteleuropas beeindruckt immer wieder aufs Neue. Fotos: Beate Kreuzer se zeugen von der hohen Feuchtigkeit in der bis zu 100 Meter hohen Schlucht, die sich in den Sommermonaten in einem satten – fast tropisch anmutenden – Grün zeigt. Die Kinder können ganz ungezwungen durch die „Große Zwing“, wie die Schlucht einst genannt wurde, wandern. Großgewachsene Besucher sollten da schon etwas vorsichtiger sein: Der Weg ist oft schmal und an mehreren Stellen heißt es Kopf einziehen, um nicht gegen überhängende Felsen zu stoßen – oder andere Wanderer zu rempeln, die mit offenem Mund das Naturwunder betrachten oder die Speicherkar-

Im Schein der Fackeln entfaltet der enge Felskorridor ein ganz besonderes Flair.

te ihrer Digitalkameras mit einer Flut von Bildern füllen. Die Jahreszeit ist dabei ziemlich gleichgültig. Wo in den Wintermonaten surreale Eisgebilde den Blick auf sich ziehen oder während der wöchentlichen Fackelwanderungen Stein und Eis in gedämpftes, flackerndes Licht getaucht wird, bietet sich in der warmen Jahreszeit ein ganz anderes Bild. Wenn die Breitach nach der Schneeschmelze wieder geöffnet ist oder auch nach heftigen Regenfällen brodelt, rauscht und

Ein Hirsch und ein Priester zischt es überall in dem 600 Meter langen Felskorridor mit einem Gefälle von 57 Grad. Wasserfälle stürzen donnert über hohe Felsbänke. In tiefen Gumpen bilden sich Strudel und in der Gischt aus feinsten Tröpfchen bricht sich das Licht. Diese Feuchtigkeit bildet dann im Winter die Grundlage für das stellenweise meterdicke Eis. Begehbar ist die Breitachklamm erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Mehr als 300 000 Besucher pro Jahr werden heutzutage in einem der spektakulärsten Naturwunder der Alpen gezählt. Der Widerhall des durch die Klamm donnernden Wassers kann so ohrenbetäubende Ausmaße annehmen, dass bei manchem Zeitgenossen beklemmende Gefühle aufkommen. Das dürfte mit ein Grund dafür sein, dass die Schlucht seit Menschengedenken als Reich von Hexen und Berggeistern galt. Zahlreiche Sagen umgeben den Ort. Eine besagt, dass ein Sterblicher, der sich der Klamm

Nachts nähere, von einer wunderbaren Musik angelockt würde, die in entsetzliches Geheul übergehe. Wem es in dieser Situation nicht gelinge, sich loszureißen, werde von Zwinggeistern und Hexen in den Höllenschlund gerissen. Angesichts solcher Geschichten ist es nicht verwunderlich, dass sich erst im Dezember 1875 der erste Mutige in die Schlucht hinabwagte – und das auch nur, weil mit 25 Gulden ein satter Lohn winkte. Bei dem Auftrag ging es darum, einen erlegten Hirsch aus dem Zwing zu holen. 30 Jahre später war es ein junger Pfarrer, der sich durch keine Widerstände davon abbringen ließ, die Breitachklamm für Besucher zu erschließen. Am unteren Eingang zur Schlucht, die sich nach einigen hundert Metern mehr und mehr verengt, wird der Besucher seit einigen Jahren von einem Informationszentrum erwartet. An Schautafeln und einem Modell wird hier erläutert, wie sich die Breitach im Laufe der vergangenen 20 000 Jahre – damals war das benachbarte Kleinwalsertal von einem mehrere 100 Meter dicken Gletscher überzogen – ihren Weg durch den Kalkstein gegraben und geschliffen hat. Am anderen Ende der Schlucht führt ein schmaler Stieg zu einem schon auf österreichischem Gebiet liegendem Gasthaus. Eine lohnende Alternative, etwa für eine ausgedehnte Tour mit Schneeschuhen, ist der Weg über den Zwingsteg. Von diesem bietet sich ein beeindruckender Blick in die enge Klamm, ehe der Wanderer vor der nicht leichten Qual der Wahl einer für ihn richtigen Route steht.

INFO-BOX Anreise: Von Osthessen aus ist das gut 400 Kilometer entfernte Oberstdorf über die Autobahn 7 leicht in drei bis dreieinhalb Stunden zu erreichen. Am Autobahnkreuz Allgäu geht es auf die A 980 und wenige Kilometer später auf die bis 15 Kilometer vor dem Ziel zweispurig ausgebaute B 12. Auskunft: Tourismus Oberstdorf, Prinzregenten-Platz 1, 87561 Oberstdorf, Telefon: (0 83 22)

700-0, E-Mail: [email protected] Internet: www.oberstdorf.de; www.breitachklamm.de; www.aktiv-amberg.de Schneeschuhwanderungen: geführte Touren und Ausrüstungsverleih bietet unter anderem die Oberstdorfer Bergschule Aktiv am Berg, Telefon (0 83 22) 6126 oder 7 80 93 33, E-Mail: [email protected]

Ob mit Schnee- oder Wanderschuhen, die Breitachklamm ist ein beliebter Ausgangspunkt für ausgedehnte Touren.