Bedarfsplanung 2010-25_25.02.2010 3 - Stadt St.Gallen - Kanton St ...

Mein besonderer Dank gilt den Autorinnen Katja Meier- hans Steiner und Karolina Weber vom Amt für Gesellschaftsfragen, die für die überschaubare und ...
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Amt für Gesellschaftsfragen

Stationäre Betagteneinrichtungen Bedarfsplanung der Stadt St.Gallen für die Jahre 2010 bis 2025 Februar 2010

Stadt St.Gallen, Amt für Gesellschaftsfragen

www.gesellschaftsfragen.stadt.sg.ch

Amtshaus, Neugasse 3, CH-9004 St.Gallen

Bedarfsplanung 2010-25, 8. März 2010

Telefon +41 71 224 54 40

Katja Meierhans Steiner, Karolina Weber, Hilda Sager

Fax +41 71 224 52 76

H:\Office\Axioma\C_126512\Bedarfsplanung 2010-

[email protected]

25_25.02.2010.doc

Vorwort

Mehr als die vorangegangenen schält die Bedarfsplanung 2010 bis 2025 für stationäre Betagteneinrichtungen in der Stadt St.Gallen den IstZustand sowie die demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen heraus, um den Bedarf an stationären Einrichtungen für pflegebedürftige Menschen zu erkennen. Die Vertiefung der Analyse ist bedeutsam, denn die Bedarfsplanung hängt nicht allein vom verhältnismässig leicht zu prognostizierenden demografischen Fortgang ab. Zu berücksichtigen sind ebenso die bestehenden Gepflogenheiten und Bedürfnisse sowie deren absehbare Veränderungen. Sie ergeben sich aus den Biografien der zukünftigen, nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen «Alten», die anders sind als jene der heutigen «Alten». Obwohl es um die stationären Kapazitäten in den Alters- und Pflegeheimen der Stadt St.Gallen geht, ist auch der ambulante Bereich zur Beurteilung heranzuziehen. Hilfe und Pflege zu Hause, ebenfalls eine Aufgabe der Stadt, werden im Wesentlichen von den vier SpitexOrganisationen, der Pro Senectute sowie vom Haushalts- und Entlastungsdienst der Frauenzentrale geleistet. Aber auch die zahllosen, in keiner Statistik erfassten Helferinnen und Helfer aus den Familien der Betroffenen, aus deren Freundeskreis und Nachbarschaft dürfen nicht vergessen werden. Das ambulante Dienstleistungsangebot gilt es zu stärken, aber auch neue Wohnformen sind zu unterstützen, um stationäre Einrichtungen zu entlasten. Dafür sprechen einerseits die Kosten, die für stationäre Angebote naturgemäss höher liegen. Anderseits aber – und das ist ebenso hoch zu gewichten – entspricht der qualitative und quantitative Ausbau der Hilfe und Pflege zu Hause dem Bedürfnis älterer Menschen, möglichst lange und selbständig in ihrer gewohnten Umgebung zu leben. Die erfreuliche Tatsache, dass sich Vorstände, Leitungen und Personal in den Alters- und Pflegeheimen unserer Stadt engagiert und fachgerecht für das körperliche und seelische Wohl der ihnen anvertrauten Menschen einsetzen und diese dort gut aufgehoben sind, steht nicht im Widerspruch, sondern in sinnvoller Ergänzung dazu. Die Bedarfsplanung befasst sich mit Defiziten, die sich im Alter ergeben können, und ist notwendiger Bestandteil einer umfassenden Alterspolitik. Eine moderne Alterspolitik, wie sie im Grundlagenpapier «Altersund Generationenpolitik in der Stadt St.Gallen» der städtischen Konferenz für Alters- und Behindertenfragen (KABF) umrissen wird, ist aber alles andere als rein defizitorientiert. Mit Blick auf die demografische, medizinische und gesellschaftliche Entwicklung wird auch der ressourcenorientierte Teil der Alterspolitik künftig ein grösseres Gewicht erhalten. Das Bild der «armen und hilfsbedürftigen alten Menschen» ist je

nem einer Bevölkerungsgruppe gewichen, die bis ins hohe Alter hinein selbständig, finanziell unabhängig und aktiv ist. Es ist unsere Gesellschaft, die in vielfältigster Weise von den Kompetenzen und Ressourcen der «Alten» profitiert. Umgekehrt hat sie dem Individuum ein Alter in Würde, in möglichst grosser Selbständigkeit und in existenzieller Sicherheit zu ermöglichen. Ich danke allen Beteiligten der Arbeitsgruppe «Stationäre Alterspolitik» und dem Ausschuss der KABF, die viel zur vorliegenden Planung beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt den Autorinnen Katja Meierhans Steiner und Karolina Weber vom Amt für Gesellschaftsfragen, die für die überschaubare und professionelle Abfassung des vorliegenden Berichts verantwortlich zeichnen.

Nino Cozzio, Stadtrat Direktor Soziales und Sicherheit St.Gallen, Februar 2010

I

Zusammenfassung

Die hier vorgelegte siebte Bedarfsplanung für die stationären Alterseinrichtungen in der Stadt St.Gallen bezieht sich auf den Zeitraum 2010 bis 2025. Sie liefert differenzierte quantitative und qualitative Grundlagen für die Versorgungsplanung pflegebedürftiger Menschen, ausgehend von einer Ist-Analyse und unter Berücksichtigung der demografischen Prognosen sowie Schätzungen zur Entwicklung der Pflegebedürftigkeit.

Versorgungsplanung 2010 bis

Das Gesetz sieht für stationäre Angebote eine kommunale Planungspflicht vor1, jedoch nicht für den ambulanten Bereich, wo die Gemeinde ebenfalls für die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung zu sorgen hat. Da die Dienstleistungen der Hilfe und Pflege zu Hause teilweise den gleichen Bedarf abdecken wie die Heimplätze und damit ein gewisses Substitutionspotenzial vorhanden ist, drängt sich eine integrale Betrachtung der stationären und der ambulanten Seite auf. Dies ist nicht nur von der Sache her gerechtfertigt, sondern auch finanzpolitisch, sollen doch Steuermittel möglichst wirksam und wirtschaftlich zur optimalen Erfüllung öffentlicher Aufgaben eingesetzt werden.

Keine Planungspflicht für den

Die finanzpolitische Bedeutung der Bedarfsplanung für die kommunale Ebene zeigt sich bei den Investitionen, kostet doch jeder zusätzlich zu realisierende Pflegeheimplatz rund CHF 270'000. Diese Investitionen werden von der Stadt St.Gallen in Form von Baubeiträgen bis zu 40 Prozent mitfinanziert. Jeder zusätzliche Heimplatz führt ausserdem zu steigenden Gesundheits- und Sozialausgaben, die nicht nur von den Betroffenen, sondern zu einem grossen Teil auch von der Allgemeinheit als Folge steigender Krankenkassenprämien und in Form von umfangreicheren Ergänzungsleistungen getragen werden müssen.2

Ein zusätzlicher Pflegeplatz

Die Bedarfsplanung hat daher zuverlässige Grundlagen für die Sicherstellung der Versorgung mit Pflegeplätzen zu liefern, gleichzeitig aber auch die Möglichkeiten alternativer Versorgungsformen zu beleuchten, um die bedarfsgerechte Versorgung bei optimaler Verteilung der finanziellen Ressourcen zu ermöglichen.

Doppelte Zielsetzung der

1

2

Art. 29 Sozialhilfegesetz des Kantons St.Gallen vom 27. September 1998 (sGS 381.1, abgekürzt SHG). Auch bei den Dienstleistungen der Hilfe und Pflege zu Hause entstehen für das Gemeinwesen Kosten.

2025 für den stationären Bereich

ambulanten Bereich. Eine integrale Betrachtung drängt sich aber auf

verursacht CHF 270'000 Investitionskosten

Bedarfsplanung

II

Verbesserte Datengrundlagen gegenüber Bedarfsplanung 2005

Kantonaler Bedarfsrichtwert: Heimplätze für 30,2 % der über 80-Jährigen

Effektive Belegung Ende 2007: 77 Plätze mehr, als der kantonale Richtwert vorgibt

Bevölkerungsprognose von 2005 musste nach oben korrigiert werden

Für die Erarbeitung des aktuellen Berichts standen umfassendere und lokal besser abgestützte statistische Daten als für die vorhergehenden Planungen zur Verfügung, namentlich die RABEST3-Bevölkerungsprognose und die Betriebsdaten der Alters- und Pflegeheime in der Stadt St.Gallen aus der SOMED-Statistik4. Für die Bedarfsplanung der Gemeinden gibt der Kanton einen Richtwert vor. Aktuell beträgt das Soll netto 29 Heimplätze pro 100 Einwohner/innen über 80 Jahre; dies bei einer durchschnittlichen Auslastung von 96 Prozent. Dies ergibt die Anforderung, für 30,2 Prozent der über 80-Jährigen einen stationären Pflegeplatz bereitzustellen.5 Im Folgenden ist, wenn nicht anders vermerkt, jeweils vom (höheren) Brutto-Richtwert die Rede. Per Ende 2007 lag der Sollwert netto für die Stadt St.Gallen bei einer Gesamtkapazität von 1’265 Plätzen. Tatsächlich wurden 1’342 Plätze gezählt, dies bei einer durchschnittlichen Auslastung von 95,5 Prozent. Das sind 77 Plätze mehr, als der kantonale Richtwert vorgibt. Der letzte Bericht von 2005 wies keinen zusätzlichen Bedarf an Heimplätzen bis 2015 aus. Die besseren Datengrundlagen zur Abschätzung der Bevölkerungsentwicklung führen jedoch zu beträchtlichen Anpassungen gegenüber den Prognosen der letzten Bedarfsplanung. Während man damals von einer mehr oder weniger konstanten Anzahl der über 80-Jährigen bis ins Jahr 2030 ausging und damit die vorletzte Planung von 1999 nach unten korrigierte, rechnet die vorliegende Prognose mit einer Zunahme der gleichen Altersgruppe um 21 Prozent zwischen 2008 und 2028. Abbildung 1 illustriert dies eindrücklich:

3

4 5

RABEST steht für die Untersuchung der Veränderung von Raum- und Bevölkerungsstrukturen. Die RABEST-Daten wurden vom Institut für Raumentwicklung der Hochschule für Technik Rapperswil (IRAP) bereitgestellt. Eidgenössische Statistik der sozialmedizinischen Institutionen. Eine Auslastung von 100 % ergibt den Brutto-Richtwert. Die Berücksichtigung einer betrieblich sinnvollen Auslastung (der Kanton St.Gallen gibt 96 % vor) ergibt den Netto-Richtwert.

III

Vergleich alte und neue Prognose

Abbildung 1: Städtische Bevölkerungsentwicklung: Vergleich alte (BFS AT-00-2002) und neue Prognose (IRAP, basierend auf Registerdaten des Jahres 2007)

7'000

Anzahl Personen

6'000 5'000 70- bis 79-jährig neu 4'000

70- bis 79-jährig alt

3'000

über 80-jährig neu über 80-jährig alt

2'000 1'000 0 2010

2020

2028/30

Für die Planung der Gesundheitsversorgung und der Pflegeeinrichtungen ist jedoch nicht allein die Anzahl der älteren Menschen von Bedeutung. Zentral ist auch, wie sich deren Pflegebedürftigkeit in den kommenden Jahren entwickeln wird. Die behinderungsfreie Lebenszeit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten merklich erhöht, gleichzeitig ist die Lebenszeit mit Behinderung kürzer geworden. Dieser erfreuliche Trend dürfte sich fortsetzen. Er bedeutet sowohl absolut als auch relativ ein späteres Einsetzen der Pflegebedürftigkeit im Lebensverlauf.

Entwicklung der

Für den künftigen Pflegebedarf bedeutet dies, dass nicht eine Entwicklung im Gleichschritt mit den steigenden Bevölkerungszahlen zu erwarten ist (lineare Fortschreibung), sondern ein flacherer, moderater Anstieg. Entsprechend wurden differenzierte Schätzungen der künftigen Pflegebedürftigkeit pro Altersgruppe vorgenommen.

Annahme: Pflegebedarf wächst

Gegenüber einer linearen demografischen Fortschreibung resultiert von 2000 bis 2010 insgesamt eine Reduktion der Pflegefälle um bis 6 Prozent bzw. sogar um bis 13 Prozent bis 2020. Das heisst, anstelle einer Zunahme der Gesamtzahl Pflegebedürftiger bis 2020 um 30 Prozent erscheint eine Zunahme von 20 Prozent realistisch.

Folge: Zunahme der

In der Planung zu berücksichtigen sind auch die Wohnwünsche der künftigen älteren Generation. Das Wohnen in einem Heim hat aufgrund der verbesserten wirtschaftlichen Lage und der verstärkten Individualisierung in den vergangenen Jahrzehnten an Attraktivität verloren: Das Heim ist für viele der Ort, an den man nur zieht, wenn es nicht mehr anders geht. So lange es der Gesundheitszustand und soziale Faktoren erlauben, wird das selbstbestimmte Wohnen in den eigenen vier Wänden vorgezogen. Die Erfüllung dieses Wunsches ist dank des medizinischen und technischen Fortschritts sowie des starken Ausbaus und der Professionalisierung der Hilfe und Pflege zu Hause seit Ende der

Veränderte Präferenzen

Pflegebedürftigkeit als wichtiger Einflussfaktor

langsamer als die Gruppe der über 80-Jährigen

Pflegebedürftigkeit um 20 % statt um 30 % bis 2020

bezüglich des Wohnens im Alter

IV

1990er-Jahre in vielen Fällen und während eines langen Zeitraumes möglich. Der Trend zum aufgeschobenen Heimeintritt dürfte sich fortsetzen und zu einer stärkeren Nachfrage nach Alternativen zum Heim führen, so etwa in den Bereichen der Hilfe und Pflege zu Hause oder des Betreuten Wohnens. Das Wohnen im Heim kann jedoch eine sinnvolle Alternative zum isolierten Wohnen in der eigenen Wohnung sein, vor allem wenn Verwahrlosungs-, Überforderungs- oder Vereinsamungsrisiken vorliegen. Die Versorgungsplanung zielt darauf ab, für die Zielgruppe der älteren Menschen eine sowohl individuell als auch für die Gemeinschaft optimale Betreuung zu ermöglichen. Dazu ist die Abgrenzung zwischen ambulant und stationär zu überwinden. Die Angebote sind auf die Bedürfnisse der Betroffenen auszurichten und die Koordination zwischen ambulantem und stationärem Bereich ist zu verstärken Stationäre Versorgung nicht isoliert betrachten

Ausgangspunkt: relativ hohe Heimneigung bei quantitativ und qualitativ guter Infrastrukturausstattung

Methodik: Wahl der «richtigen» Bemessungsmethode

Die vorliegende Planung trägt diesem Sachverhalt Rechnung, indem sie die bisherige sektorielle Betrachtungsweise von «stationär» einerseits und «ambulant» anderseits überwindet. Sie liefert der Politik die Grundlagen für eine optimale Operationalisierung beider Versorgungsziele, was eine integrale, bereichsübergreifende Betrachtungsweise zwingend voraussetzt. Wegen des gesetzlichen Auftrages zur Bedarfsplanung liegt der Fokus im vorliegenden Dokument auf dem stationären Bereich. Der Vergleich der aktuellen Inanspruchnahme von Heimplätzen hat gezeigt, dass in der Stadt St.Gallen eine verhältnismässig hohe «Heimneigung» besteht. Der (im schweizweiten Vergleich relativ hohe) kantonale Bedarfsrichtwert von 30,2 Plätzen pro hundert Personen über 80 Jahre wird sogar um 0,9 Prozentpunkte überschritten. Dies ist teilweise auf die Anziehungskraft des hiesigen Heimangebots für auswärtige Einwohnerinnen und Einwohner zurückzuführen, jedoch scheint es auch ein regionales, kulturell verankertes Phänomen zu sein. Die hohe Heimneigung zeigt sich auch an den rund 400 Heimplätzen, die von Pensionärinnen und Pensionären ohne oder mit lediglich geringem Pflege- und Betreuungsbedarf (BESA-Stufen 0 und 1) genutzt werden. Für die Planung des künftigen Bedarfs an Heimplätzen stellte sich die Frage nach der «richtigen» Bemessungsmethode. Am einfachsten ist die Anwendung des kantonalen Bedarfsrichtwerts auf die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung. Fachlich begründete Vorbehalte gegenüber dem aktuellen Bedarfsrichtwert liessen es jedoch als angezeigt erscheinen, neben der Bevölkerungsentwicklung auch die Entwicklung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen. Letzteres hat eine dämpfende Wirkung auf den künftigen Bedarf. Auch spezielle lokale oder regionale Gegebenheiten sollten berücksichtigt werden. In der Stadt St.Gallen ist dies das überdurchschnittlich hohe Versorgungsniveau im Zentralort, eingebettet in einen ostschweizerischen Kontext, der von einer kulturell verankerten, vergleichsweise hohen Aufgeschlossenheit

V

gegenüber dem Heim als Wohnform im Alter geprägt ist. Entsprechend ist eine Planung, welche vom aktuellen Versorgungsniveau aus startet, den Ergebnissen gegenüberzustellen, die aus der isolierten Anwendung des kantonalen Bedarfsrichtwerts resultieren. Für die Ermittlung des Bedarfs an Pflegekapazitäten für den Zeitraum 2010 bis 2025 wurden schliesslich folgende methodischen Entscheidungen getroffen:

Methodische Entscheidungen

- Wahl der aktuellen Inanspruchnahme stationärer Kapazitäten als Ausgangspunkt (statt losgelöste Anwendung des Bedarfsrichtwerts). - Verwerfung eines parallel zur Bevölkerungsentwicklung linear verlaufenden Heimplatzbedarfs (linearer Bedarf). Stattdessen: Berücksichtigung der in der gerontologischen Fachliteratur prognostizierten Entwicklung der Pflegebedürftigkeit, wobei diese die gesamte Bevölkerung und nicht nur die Gruppe der über 80-Jährigen betrifft (moderater Bedarf). - Gleichzeitig jeweils Gegenüberstellung der Ergebnisse mit den Zahlen, die sich aus der Anwendung des aktuellen kantonalen Bedarfsrichtwerts ergeben (Bedarfsrichtwert). Eine Visualisierung der Ergebnisse zeigt Abbildung 2: Abbildung 2: Gegenüberstellung künftiger Bedarf nach linearer Fortschreibung bzw. moderatem Szenario und dem kantonalen Bedarfsrichtwert

Nach der Bedarfsermittlung waren in einem nächsten Schritt die Erkenntnisse in Form von Empfehlungen zu operationalisieren: Mit welchen Massnahmen ist der künftige Bedarf an Pflegekapazitäten zu decken? In Übereinstimmung mit der eingangs erwähnten Zielsetzung einer integralen Betrachtung des stationären und ambulanten Sektors war die Frage zu beantworten, ob nicht ein Teil der benötigten Pflegekapazitäten statt durch zusätzliche Heimplätze durch einen Ausbau der

Operationalisierung: Berücksichtigung von Substitutionsmöglichkeiten

VI

Hilfe und Pflege zu Hause sowie durch gezielte Entlastungsangebote für pflegende Angehörige abgedeckt werden könnte. Folgende Leitvorstellungen kamen dabei zur Anwendung: - Zusätzlich benötigte Pflegekapazitäten sollen nicht ausschliesslich im stationären Bereich bereit gestellt werden, sondern zur Hälfte angebotsseitig durch einen Ausbau der ambulanten Dienste (Hilfe und Pflege zu Hause) und die Schaffung von Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige. - Ein Teil der aktuell rund 400 mehrheitlich als Pensionsplätze genutzten Heimplätze ist als Kapazitätsreserve für künftigen Bedarf zu betrachten und bei Knappheit von den städtisch unterstützten Heimen prioritär mit mittel- bis stark pflegebedürftigen Aufnahmewilligen zu belegen. - Soweit zusätzliche stationäre Kapazitäten bereit zu stellen sind, ist dem Ausbau bestehender Institutionen der Vorzug zu geben, insbesondere mit dem Ziel der Betriebsgrössenoptimierung. - Die konzeptionelle Ausrichtung und Positionierung der einzelnen Heime ist mit Blick auf bestimmte Zielgruppen wie z.B. Personen mit Migrationshintergrund oder an Demenz Erkrankte weiterhin grundsätzlich Sache der Trägerschaften, welche die Bedürfnisse am Markt besser kennen und das unternehmerische Risiko zum überwiegenden Teil selbst tragen. Die wichtigsten Erkenntnisse und die daraus abgeleiteten Massnahmen für die Bedarfsplanung 2010 bis 2025 werden im Folgenden kurz zusammengefasst: Versorgung mit stationären Angeboten zurzeit gut

Orientierung sowohl an der demografischen Entwicklung als auch an der Pflegebedürftigkeit

Mittelfristiger Ausbaubedarf bis 2015: stationär und ambulant

Die aktuelle Ausstattung der Stadt St.Gallen mit stationären Angeboten für hilfs- und pflegebedürftige alte Menschen ist quantitativ und qualitativ ausreichend: Es steht ein breites Spektrum an Wohnmöglichkeiten in 20 Alters- und Pflegeheimen bereit; dringend Pflegebedürftige finden ohne lange Wartezeiten einen Heimplatz, auch wenn es vielleicht nicht auf Anhieb das gewünschte Einzelzimmer im favorisierten Heim ist. Was die künftige Entwicklung des Bedarfs betrifft, werden die Veränderungen der Alterszusammensetzung in der Bevölkerung spürbar: Ausgehend von einer etwas hinausgeschobenen Pflegebedürftigkeit (moderate Entwicklung) werden, bei vergleichbarer Inanspruchnahme wie heute, im Jahr 2015 voraussichtlich 94, im Jahr 2020 141 und im Jahr 2025 170 stationäre Plätze fehlen. Entsprechend dem Grundsatz, wonach zusätzlich benötigte Kapazitäten nur zur Hälfte im stationären Bereich realisiert werden sollen, ergibt sich mittelfristig folgender Ausbaubedarf: - Realisierung zusätzlicher 40 bis 50 Pflegeheimplätze bis 2015, prioritär durch Ausbau bestehender Institutionen.

VII

- Aufbau der Kapazitäten in der Hilfe und Pflege zu Hause bis ca. 2015, so dass dauerhaft zusätzliche 40 bis 50 leicht bis mittelschwer Pflegebedürftige statt im Heim zu Hause betreut und gepflegt werden können. Für den langfristigen Ausbaubedarf (nach 2015) werden keine operationalisierten Zielwerte angegeben. Dies, weil sich die Prognoseungenauigkeit mit zunehmender zeitlicher Distanz vergrössert und bei der nächsten Bedarfsplanung in fünf Jahren ein neuer, kantonaler Bedarfsrichtwert vorliegen wird, an dem sich die Gemeinden auszurichten haben.

Kapazitätsbedarf nach 2015

Der Bedarf gemäss kantonalem Bedarfsrichtwert liegt für alle Zeitpunkte - ausser für 2025 - tiefer als der Bedarf aufgrund der Berechnungen mit einer moderaten Entwicklung der Pflegebedürftigkeit. Grund hierfür ist die geringere vorzeitige Mortalität von behinderten oder pflegebedürftigen Menschen in der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen, die aufgrund medizinischer Fortschritte überhaupt das AHV-Alter erreichen und die im kantonalen Bedarfsrichtwert nicht berücksichtigt sind.

Kantonaler Bedarfsrichtwert

Koordination, Beratung und Öffentlichkeitsarbeit sind Elemente, welche den wirkungsvollen und zielgerichteten Mitteleinsatz im Bereich der Altershilfe unterstützen. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, ein Case Management-Angebot zu installieren, das Betroffene und Angehörige darin unterstützt, in dieser Lebensphase situativ die beste Lösung zu finden. Im Sinne des Versorgungsauftrags der Stadt gegenüber der Bevölkerung müssen dabei die Bedürfnisse des Klienten bzw. der Klientin im Mittelpunkt stehen und die Neutralität gegenüber den verschiedenen Leistungserbringern gewährleistet sein.

Neutrales Case Management

Das Betreute Wohnen bietet die Möglichkeit, weiterhin selbständig zu leben, so lange der Pflegebedarf mässig und ausreichend informelle Unterstützung vorhanden ist. Es stellt eine Vorstufe zum Heim dar, die aber, zumindest für Angehörige der Mittelschicht, auf dem Wohnungsund Immobilienmarkt durch private Bauträger und Genossenschaften weitgehend abgedeckt werden kann, unter Beizug der bewährten ambulanten Dienste der Hilfe und Pflege zu Hause. Die Aufgabe der Stadt liegt hierbei nicht in der Mitfinanzierung entsprechender Vorhaben, sondern primär in der Sicherstellung einer hohen Verfügbarkeit und Qualität der Hilfe und Pflege zu Hause sowie in der ideellen und praktischen Unterstützung privater Trägerschaften bei der Realisierung von entsprechenden Angeboten.

Betreutes Wohnen kann

Bei der Umsetzung der Bedarfsplanung ist neben der erforderlichen Infrastruktur auch die Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen, da sich gemäss neueren Studien ein erheblicher Mangel an Gesundheitspersonal abzeichnet, der im Heimbereich und in der Spitex aufgrund der Al-

wird erst nach Vorliegen des neuen kant. Bedarfsrichtwerts operationalisiert

blendet die Entwicklung der Pflegebedürftigkeit der unter 70-Jährigen aus

unterstützt den optimalen Mitteleinsatz

weitgehend über den Markt bereitgestellt werden, wenn eine hohe Verfügbarkeit und Qualität der Hilfe und Pflege zu Hause sichergestellt ist

Gemeinsam dem drohenden Pflegenotstand entgegenwirken

VIII

terszusammensetzung sehr bald spürbar sein wird: Bis 2020 werden in den Heimen und in den Spitex-Organisationen rund 30 Prozent der Mitarbeitenden das Pensionsalter erreicht haben. In absoluten Zahlen sind das ca. 250 Mitarbeitende allein in der Stadt St.Gallen, die in den kommenden zehn Jahren altershalber aus dem Arbeitsleben ausscheiden und ersetzt werden müssen. Es gilt daher, frühzeitig, im Verbund mit allen Beteiligten, wirksame Massnahmen zu ergreifen, damit die Pflege auch künftig sichergestellt werden kann. Förderung und Wertschätzung der Bereitschaft zum freiwilligen Engagement

Information, Koordination und Förderung bei den Entlastungsangeboten

Kein Ersatz für ausgebildetes Fachpersonal, aber eine wichtige Ergänzung zu diesem sind diejenigen Menschen, die informell oder in formellem Rahmen Freiwilligenarbeit leisten. Gerade angesichts der demografischen Verschiebungen und der gestiegenen gesunden Lebenserwartung wird es künftig eine beträchtliche Anzahl Personen geben, die, aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, immer noch sehr aktiv und unternehmungslustig sind. Ihnen sollten Angebote gemacht werden, wie sie sich zu Gunsten anderer Menschen und der Gesellschaft einsetzen können, nicht zuletzt im Bereich der Altersarbeit. Freiwilliges Engagement, so weit es gut organisiert und begleitet ist, kann für den Einzelnen oder die Einzelne zur grossen Bereicherung und zu einer sinnstiftenden Aufgabe werden. Wichtig sind ausserdem das Angebot und die Finanzierung von Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige. Dieser bisher eher stiefmütterlich behandelte Bereich ist auch für die Bevölkerung unübersichtlich und verzettelt. Ein wichtiger Beitrag kann hier durch Koordination und Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden. Zudem ist eine vertiefte Bedarfsanalyse notwendig, um einen allfälligen Ausbau bedarfsgerecht und so niederschwellig wie möglich zu realisieren. Obwohl unscheinbar birgt dieser Bereich ein grosses Potenzial, denn Unterstützung für pflegende Angehörige durch Beratung und ein zahlbares, bedarfsgerechtes Entlastungsangebot dämpft die Nachfrage nach stationären Kapazitäten an der Quelle und verhindert auch gesundheitliche Folgeschäden bei den betreuenden Familienmitgliedern.

Inhaltsverzeichnis 1 2 3

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5

6

7

Einleitung........................................................................................ 1 Ziele................................................................................................ 5 Ausgangslage ................................................................................. 7 3.1 Verpflichtung zur Bedarfsplanung ......................................... 7 3.2 Faktoren für den Heimeintritt................................................ 7 3.3 Kantonaler Bedarfsrichtwert ................................................. 8 3.4 Soll-Ist-Vergleich per Ende 2007 ......................................... 10 3.5 Entwicklung der Pflegebedürftigkeit ................................... 12 3.6 Szenarien einer moderaten Entwicklung der Pflegebedürftigkeit bis 2020 ............................................... 13 3.7 Gesellschaftlicher Trend in Bezug auf die Wohn- und Betreuungsformen im Alter ................................................ 15 3.8 Entwicklungen im Gesundheitswesen................................ 18 Bevölkerungsentwicklung............................................................. 21 4.1 Bevölkerungsentwicklung im Vergleich mit den bisherigen Prognosen .......................................................................... 21 4.2 Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen ................... 23 4.3 Bevölkerungsentwicklung der Personengruppe mit Migrationshintergrund ........................................................ 24 Angebot........................................................................................ 27 5.1 Informeller Bereich ............................................................. 27 5.2 Ambulante Angebote.......................................................... 30 5.3 Stationäre Angebote........................................................... 35 5.4 Geplante Angebote und Projekte inner- und ausserhalb der Stadt................................................................................... 39 5.5 Lücken im bestehenden Versorgungssystem..................... 41 Bedarf........................................................................................... 45 6.1 Vergleich Bevölkerungsstatistik und Nutzung ambulanter Angebote............................................................................ 45 6.2 Vergleich Bevölkerungsstatistik und aktuelle Heimbelegung .................................................................... 45 6.3 Heimplatzbedarf bei demografisch linearer Fortschreibung 46 6.4 Heimplatzbedarf bei moderater Fortschreibung .................. 47 6.5 Einschätzung des Bedarfs .................................................. 48 Beurteilung und Empfehlungen .................................................... 51

Literatur ............................................................................................... 57 Quellen ................................................................................................ 59 Tabellen ............................................................................................... 61 Abbildungen......................................................................................... 63 Abkürzungen........................................................................................ 65 Anhang A1 Glossar

1

1

Einleitung

Die vorliegende Bedarfsplanung für stationäre Alterseinrichtungen bezieht sich auf den Zeithorizont 2010 bis 2025 und schliesst damit an die im Jahr 2005 vorgelegte Bedarfsplanung für die Jahre 2005 bis 2015 an. Eine systematische Bedarfsplanung für die stationären Betagteneinrichtungen wurde von der Stadt St.Gallen erstmals 1978 und danach etwa im Fünfjahres-Rhythmus vorgelegt. Der letzte Bericht von 2005 wies keinen zusätzlichen Bedarf an Heimplätzen aus.6 Der Bericht von 2010 ist der siebte in dieser Reihe, umfasst einen Planungshorizont von 15 Jahren und reicht bis ins Jahr 2025.

Siebter Bedarfsplanungsbericht

Naturgemäss gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen den bisherigen Berichten und der neusten Planung. Abgesehen davon, dass neu in Anlehnung an ähnliche Planungen in anderen Kantonen und Gemeinden der Planungshorizont von 10 auf 15 Jahre verlängert wurde, waren für die Erarbeitung des hier vorgelegten Berichts von 2010 einige Rahmenbedingungen anders als bei seinen Vorgängern, insbesondere des Berichts des Jahres 2005. Dies betrifft zum einen das zur Verfügung stehende Datenmaterial, aber auch die Abkehr von der bisherigen Annahme einer unveränderten Pflegebedürftigkeit der älteren Generation.

Unterschiedliche

für den Zeithorizont 2010 bis 2025

Voraussetzungen im Vergleich zur letzten Ausgabe von 2005

Änderungen im Bereich der Datengrundlagen: - SOMED-Daten: Erstmals standen für die Bedarfsplanung die differenzierten Betriebsdaten der Alters- und Pflegeheime in der Stadt St.Gallen zur Verfügung, wie sie in der eidgenössischen Statistik der sozialmedizinischen Institutionen (SOMED) jährlich erhoben wurden. Die daraus verwendeten Daten beziehen sich auf das Jahr 2007 bzw. auf den Stichtag 31.12.2007. Die Aufbereitung der entsprechenden Datensätze für unsere Zwecke wurde von Statistik Luzern (LUSTAT) geleistet, die Heime haben zur Datenweitergabe an die Stadt St.Gallen ihr Einverständnis gegeben.

Reichhaltige SOMED-Daten

- RABEST-Bevölkerungsperspektiven: Während die vorangegangene Bedarfsplanung auf der Anwendung des Standardszenarios «Trend» (AT-00-2002) des Bundesamts für Statistik (BFS) auf die Stadt St.Gallen basierte, konnten der neuen Planung RABEST7-Daten zugrunde gelegt werden, die auf die effektiven Gegebenheiten abstützen (z.B. lokale Geburten- und Sterbeziffern, Wanderungssaldi) und für kleinregionale Räume aufzeigen, innerhalb welcher Bandbreite die mögliche Entwicklung der Bevölkerung in den nächsten zwanzig Jahren liegen könnte. Diese Daten bilden die lokalen Verhältnisse

Ortsspezifische Berechnung

6

7

Vgl. Der Bedarf an Alters- und Pflegeheimplätzen in der Stadt St.Gallen Planung 2010 bzw. 2015, S. 26, Abschnitt 10.3. RABEST steht für die Untersuchung der Veränderung von Raum- und Bevölkerungsstrukturen.

der Bevölkerungsentwicklung

2

besser ab, als es bei der vorangehenden Durchführung der Bedarfsplanung möglich war. Von den Varianten «optimistisch», «mittel» und «pessimistisch» wurde das mittlere Szenario gewählt. Die RABESTDaten für die Stadt St.Gallen wurden vom Institut für Raumentwicklung der Hochschule für Technik Rapperswil (IRAP) bereitgestellt. Optimierung der Wartelistenerhebung

Markante Abweichungen zur Bevölkerungs- und damit zur Bedarfsprognose von 2005

Erweiterung der Bedarfsermittlung durch Verhaltensdimensionen

Einflussfaktor «Entwicklung der Pflegebedürftigkeit»

- Erhebungen zur Warteliste: Bei der Wartelistenerhebung wurde ein optimales Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen gesucht, was zu verschiedenen Modifikationen des Erhebungsinstruments in den vergangenen fünf Jahren und in der Folge zu einer verminderten Vergleichbarkeit der Zeitreihendaten führte. Die gewünschte Aussagekraft hinsichtlich der Versorgungslage wurde jedoch erreicht. Das Hauptinteresse gilt den dringend pflege- und betreuungsbedürftigen Betagten, die kurzfristig einen Pflegeheimplatz benötigen. Aus Sicht der Versorgung sind Wartezeiten, die sich im Rahmen der üblichen Kündigungsfristen auf dem Wohnungsmarkt bewegen, für den gewünschten Eintritt in ein Betagtenheim akzeptabel, soweit kein dringender Pflegebedarf besteht. Zuverlässige Auskünfte über die Verfügbarkeit von Pflegeplätzen konnten die zuweisenden Sozialdienste auch aus der Geriatrischen Klinik (Bürgerspital) und dem Kantonsspital St.Gallen geben. Die besseren Datengrundlagen in Bezug auf die künftige Bevölkerungsentwicklung haben zu beträchtlichen Abweichungen gegenüber den Prognosen der letzten Bedarfsplanung im Jahr 2005 geführt. Während die Bevölkerungsprognose des BFS damals von einer mehr oder weniger konstanten Anzahl der über 80-Jährigen bis ins Jahr 2030 ausging und damit die vorletzte Planung von 1999 nach unten korrigierte8, ist aufgrund der IRAP-Daten zwischen 2008 und 2028 mit einer Zunahme dieser Altersgruppe um 21 Prozent zu rechnen. Die bisherigen Bedarfsermittlungen stützten sich ausschliesslich auf bevölkerungsstatistische Prognosen, welche mit den jeweils aktuellen Nutzungsquoten und vorgegebenen Bedarfsrichtwerten kombiniert wurden. Aus dem Status Quo und – zum Vergleich – dem kantonalen Bedarfsrichtwert wurde der künftige Bedarf an Betagtenheimplätzen hochgerechnet. Dies ist grundsätzlich auch bei der vorliegenden Planung der Fall. Allerdings werden noch weitere Einflussfaktoren berücksichtigt, die sich auf die Nachfrage nach Betagtenheimplätzen auswirken: - Aufgrund gerontologischer Erkenntnisse wird davon ausgegangen, dass weiterhin die letzten zwei bis fünf Lebensjahre den Schwerpunkt der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen bilden. Aufgrund von Veränderungen in der Lebenserwartung, im Lebensstil und dem daraus resultierenden Gesundheitszustand der künftigen Betagten muss von einer markanten Zunahme der Hochaltrigkeit ausgegangen werden. Die Dimension «Entwicklung der Pflegebedürftigkeit» wird

8

Vgl. Der Bedarf an Alters- und Pflegeheimplätzen in der Stadt St.Gallen. Planung 2010 bzw. 2015 (2005), S. 13, Tabelle 12 sowie Abb. 6 auf S. 10.

3

in der Bedarfsermittlung durch reduzierte Pflegebedürftigkeitsquoten berücksichtigt. Dem «Normalszenario» einer linearen Fortschreibung des Pflegebedarfs wird ein moderates Szenario gegenübergestellt, das die tendenziell überhöhten Prognosewerte nach unten korrigiert. - Die Ausrichtung an der erwarteten Pflegebedürftigkeit, abgestuft nach Altersgruppen, führt im Bereich der unter 80-Jährigen zu einer Differenz gegenüber den bisherigen Planungen und dem kantonal vorgegebenen Bedarfsrichtwert. Dieser richtet das Soll an bereitzustellenden Pflegeplätzen einzig an der Anzahl der über 80-Jährigen aus. Der medizinische Fortschritt hat jedoch dazu geführt, dass die Lebenserwartung von Menschen mit Behinderung in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen hat. Das macht sich zahlenmässig insbesondere bei den Pflegebedürftigen der Altersgruppen unter 65 Jahre und 65 bis 69 Jahre bemerkbar. In dieser Hinsicht dürfte die alleinige Orientierung am Richtwert daher den effektiven Bedarf tendenziell unterschätzen.

Berücksichtigung des

- Die gesellschaftliche Entwicklung seit Ende der 1960er-Jahre prägt die Werte, die Erwartungen und letztlich das Verhalten der Altersgruppen, welche in Zukunft aufgrund ihres Lebensalters und Gesundheitszustandes Pflege- und Betreuungsleistungen benötigen werden. Der Wunsch, so lange als möglich selbstbestimmt im eigenen Haushalt zu leben, führt dazu, dass Heimeintritte generell immer später und in einem fragileren Gesundheitszustand vollzogen werden. Das Heim ist für viele der Ort, an den man nur zieht, wenn es gar nicht mehr anders geht. Die Erfüllung dieses Wunsches ist dank des medizinischen und technischen Fortschritts sowie des starken Ausbaus und der Professionalisierung der Hilfe und Pflege zu Hause seit Ende der 1990er-Jahre in vielen Fällen und während eines langen Zeitraumes möglich.

Einflussfaktor «individuelle

Das hat zur Folge, dass diese tauglichen Alternativen dem Heimeintritt sehr oft vorgezogen werden. Es kann von einem gewissen Substitutionspotenzial zum Heimaufenthalt ausgegangen werden, sofern der Pflegebedarf ein gewisses Mass nicht überschreitet und das individuelle Umfeld vorhanden ist, um die nötigen Assistenz- und Betreuungsleistungen sicherzustellen.

Substitutionspotenzial

An dieser Stelle ist aber auch zu betonen, dass das Leben im Heim in manchen Situationen die ideale Lösung sein kann. Viele Menschen verbinden mit dem Betagtenheim vorwiegend negative Vorstellungen. Solche Vorurteile sind oft Folge einer mangelhaften Aufklärung und können bei einer Besichtigung widerlegt werden. Das Wohnen im Heim kann eine echte Alternative zum Alleinleben in der eigenen Wohnung sein. Nicht selten finden Menschen, die sich mit dem Übertritt zunächst schwer taten, nach einer Eingewöhnungszeit, dieser Schritt hätte schon früher erfolgen sollen.

Das Heim kann je nach

Im Kanton St.Gallen ist die Gemeinde für die Erfüllung zweier Versorgungsaufträge zuständig, die inhaltlich in engem Zusammenhang ste-

Pflegebedarfs bei den Altersgruppen unter 80 Jahren

Präferenzen», wenn es Alternativen zum Heim gibt

zwischen ambulanten und stationären Pflege- und Betreuungsangeboten

Situation die ideale Lösung und eine echte Alternative zum Alleinleben sein

Zwei Versorgungsaufträge mit stark überlappender Zielgruppe

4

hen, da sich die jeweiligen Zielgruppen stark überlappen: Einerseits stellt sie die stationären Kapazitäten in der Betagtenhilfe gemäss Sozialhilfegesetz bereit (Heimplätze). Anderseits versorgt sie die Bevölkerung mit Dienstleistungen der Hilfe und Pflege zu Hause gemäss Gesundheitsgesetz. Sie stellt also die ambulante Pflege (Pflege zu Hause) sowie die hauswirtschaftliche und sozialbetreuerische Unterstützung von Privathaushalten (Hilfe zu Hause) sicher. Welches ist der ideale Mix von stationären und ambulanten Pflege- und Betreuungsangeboten?

Bereichsübergreifende Entscheidungsgrundlagen zuhanden der Politik

Umfangreichere Grundlagen spiegeln die zunehmende Bedeutung und Komplexität der Thematik Altershilfe

Für die Politik stellt sich deshalb die Frage nach dem idealen Mix von ambulanten und stationären Pflegeangeboten und nach den notwendigen ergänzenden Massnahmen. Zu letzteren zählen Information und Beratung, Case Management, Übergangspflege, kurzstationäre Aufenthaltsmöglichkeiten sowie Entlastungs- und Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige. Die Beantwortung dieser Frage ist von grosser finanzpolitischer Bedeutung: Die Bereitstellung von Heimplätzen ist tendenziell kostspieliger als der bedarfsgerechte Ausbau der ambulanten Versorgung. In der ambulanten Versorgung lassen sich zudem personelle Bedarfsschwankungen kurzfristiger und flexibler ausgleichen, während für bauliche Kapazitätsanpassungen mit einem Realisierungszeitraum von fünf bis zehn Jahren zu rechnen ist. Die vorliegende Planung trägt diesem Sachverhalt Rechnung, indem sie die bisherige sektorielle Betrachtungsweise von «stationär» einerseits und «ambulant» anderseits überwindet. Sie liefert der Politik die Grundlagen für eine optimale Operationalisierung beider Versorgungsziele, was eine integrale, bereichsübergreifende Betrachtungsweise zwingend voraussetzt. Der Fokus im vorliegenden Dokument liegt, aufgrund des gesetzlichen Auftrages zur Bedarfsplanung, im stationären Bereich. Eine vertiefte Aufarbeitung der Daten zum ambulanten Bereich ist allerdings in einem nächsten Schritt noch zu leisten, um beide Versorgungsaufträge planerisch gleichwertig abzubilden. Wegen des integralen Ansatzes bei der Versorgung mit Pflege- und Betreuungsleistungen zugunsten Betagter ist die nun vorliegende Bedarfsplanung für die Jahre 2010 bis 2025 deutlich umfangreicher als frühere Berichte. Die neue Bedarfsplanung trägt damit den inneren Zusammenhängen und der infolge der Neuregelung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) wichtiger gewordenen Rolle der Gemeinde in dieser Thematik Rechnung. Sie berücksichtigt aber auch die Herausforderung der zunehmenden Hochaltrigkeit und nimmt die quantitativ bedeutsamen Auswirkungen der demografischen Entwicklung ernst, die sich in der künftigen Alterszusammensetzung der Bevölkerung manifestieren wird.

5

2

Ziele

Die vorgelegte Bedarfsplanung hat zum Ziel, ausgehend von einer IstAnalyse und unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung, quantitative und qualitative Grundlagen für die Versorgungsplanung pflegebedürftiger Menschen in der Stadt St.Gallen für den Zeitraum 2010 bis 2025 zu liefern. Damit wird der Planungspflicht der Gemeinde für stationäre Betagteneinrichtungen gemäss Art. 29 SHG9 entsprochen.

Erarbeitung quantitativer und

Sie beschränkt sich nicht auf den stationären Bereich, in welchem die Stadt zur Beurteilung von Mitfinanzierungsgesuchen bei Investitionsvorhaben von Alters- und Betagtenheimen sowie von Anbietern von alternativen Wohnformen im Alter herangezogen wird. Die Bedarfsplanung bietet zudem eine Gesamtsicht über die städtische Altershilfe und dient indirekt ebenfalls als Planungsgrundlage für die ambulanten Dienstleistungen (Hilfe und Pflege zu Hause) und die Unterstützungs- und Entlastungsangebote zugunsten pflegender Angehöriger.

Gesamtsicht über die gesamte

Die Bedarfsplanung orientiert sich am kantonalen Altersleitbild10 und am Grundlagenpapier zur städtischen Alters- und Generationenpolitik11. Das kantonale Altersleitbild weist unter dem Kapitel «Wohnen» darauf hin, dass Wohnmöglichkeiten in jeder Lebensphase bedürfnisgerecht gestaltet sein sollen und die Freiheit, die eigene Wohnform zu wählen, auch im Alter gewährleistet bleiben muss. Gemäss städtischem Grundlagenpapier ist die Versorgung nach dem Grundsatz «ambulant vor stationär» auszugestalten, das selbständige Wohnen im Alter zu fördern und mit geeigneten Massnahmen zu unterstützen. Neben der Sicherstellung und einem bedarfsgerechten Ausbau des qualitativ hoch stehenden stationären Angebots unterstreicht das Grundlagenpapier auch die Notwendigkeit der Förderung neuer Wohnformen für das Alter und die Bedeutung der ambulanten Angebote.

Orientierung an

Die Erkenntnisse aus der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Thematik werden so aufbereitet, dass sie für Politik, Verwaltung und Leistungserbringer verständlich und nachvollziehbar sind. Sie werden in Form von konkreten Empfehlungen operationalisiert, um die spätere Anwendung der Planungsgrundlagen zu erleichtern.

Verständliche Erkenntnisse und

9

Sozialhilfegesetz des Kantons St.Gallen vom 27. September 1998 (sGS 381.1; abgekürzt SHG). Altersleitbild für den Kanton St.Gallen, 1996. 11 Alters- und Generationenpolitik der Stadt St.Gallen, S. 4. 10

qualitativer Grundlagen zur Versorgungsplanung für pflegebedürftige Betagte

städtische Altershilfe, keine Beschränkung auf die stationären Angebote

übergeordneten Grundlagendokumenten

operationalisierte Empfehlungen

6

Finanzpolitische Bedeutung

Die Bedarfsplanung ist für die Trägerschaften von Heimen in der Stadt St.Gallen von grossem Interesse, da sie eine Grundlage für deren Investitionsentscheide bieten kann. Die Bedeutung der Bedarfsplanung in finanzieller Hinsicht ist für die Stadt St.Gallen selbst nicht zu unterschätzen, sind doch für jeden zusätzlich zu realisierenden Pflegeheimplatz Investitionen in der Höhe von rund CHF 270'000 nötig, die in der Stadt St.Gallen bis zu 40 Prozent aus Steuergeldern finanziert werden. Der grössere Investitionsanteil und insbesondere das Risiko des Marktauftrittes verbleiben jedoch bei den verschiedenen Trägerschaften der Heime. Jeder zusätzliche Heimplatz erhöht die laufenden Gesundheitsund Sozialausgaben, die nicht nur von den Betroffenen, sondern zu einem grossen Teil auch von der Allgemeinheit in Form von Krankenkassenprämien und vom Steuerzahler bzw. von der Steuerzahlerin als Ergänzungsleistungen getragen werden müssen.12 Die Bedarfsplanung hat daher einerseits zuverlässige Grundlagen für die Sicherstellung der Versorgung mit Pflegeplätzen zu liefern, gleichzeitig aber auch die Möglichkeiten alternativer Versorgungsformen zu beleuchten.

12

Es versteht sich von selbst, dass auch bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen der Hilfe und Pflege zu Hause Kosten für das Gemeinwesen entstehen. Diese fallen jedoch tendenziell tiefer aus als bei einer stationären Pflege und Betreuung.

7

3

Ausgangslage

3.1

Verpflichtung zur Bedarfsplanung

Das Sozialhilfegesetz des Kantons St.Gallen verpflichtet die politischen Gemeinden, für ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in stationären Einrichtungen zur Betreuung und Pflege von Betagten zu sorgen. Im Rahmen dieses Versorgungsauftrages sind sie zur regelmässigen Bedarfsplanung verpflichtet.

3.2

Versorgungsauftrag beinhaltet auch die periodische Bedarfsplanung

Faktoren für den Heimeintritt

Die Betreuung und Pflege von älteren Menschen spielt sich zu einem grossen Teil in den privaten Haushalten ab. Je nach Verfügbarkeit von Betreuungspersonen und Schweregrad der Pflegebedürftigkeit kann sie vom persönlichen Umfeld (Partner/Partnerin, Familienangehörige, Nachbarschaft) allein geleistet werden. Oft und mit zunehmender Hilfs- und Pflegebedürftigkeit werden die Dienste Dritter in Anspruch genommen, sei es für hauswirtschaftliche und sozialbegleiterische Dienstleistungen oder aber für kassenpflichtige Pflegeleistungen. Hinzu kommen, so weit verfügbar und finanzierbar, auch Unterstützungs- und Entlastungsangebote für pflegende Angehörige, wie zum Beispiel Tages- oder Nachtstätten oder temporäre Heimaufenthalte («Ferienbetten»).

Betreuung und Pflege von

Der Eintritt in ein Alters- oder Pflegeheim ist ein grosser Schritt für einen älteren Menschen. Er wird oft lange hinausgezögert, bedeutet er doch den Verlust der vertrauten Umgebung und eine gewisse Preisgabe von Autonomie und Privatsphäre sowie das Eingeständnis, dass die letzte Etappe des eigenen Lebensweges begonnen hat. Der Rückgang des Anteils von nicht bis nur leicht pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohnern in den Heimen in den vergangenen Jahren belegt diese Feststellungen eindrücklich. Nach wie vor gibt es aktiv geplante Heimeintritte zu einem Zeitpunkt, in dem die Pensionärinnen und Pensionäre noch über eine weitgehende körperliche und soziale Selbständigkeit verfügen, doch sie sind seltener geworden.

Übertritt in ein Alters- und

Betagten wird vor allem in Privathaushalten geleistet

Pflegeheim: Wann findet er statt? Geplant oder aus einer dringlichen Situation heraus? Was bedeutet er für die Betroffenen und ihre Angehörigen?

8

Gesundheitliche Beeinträchtigungen, soziale Isolation, Überforderung der Angehörigen durch die nötige Pflege und Betreuung, Sicherheitsbedürfnis

Häufige Auslöser für den Heimeintritt sind gesundheitliche Beeinträchtigungen: Die Diagnose einer chronischen, fortschreitenden Erkrankung, plötzliche Mobilitätseinschränkungen durch einen Unfall oder Phasen von Verwirrtheit. In solchen Situationen ist die Partnerin oder der Partner oder Angehörige zunehmend überfordert mit der notwendigen Betreuung und Pflege. Der Verlust an Mobilität macht es schwieriger, soziale Kontakte zu pflegen, was zur Isolation führt. Nicht selten spielen auch die Fürsorge und das Sicherheitsbedürfnis der nachfolgenden Generation eine wichtige Rolle: Söhne und Töchter motivieren ihre gebrechlicher werdenden Eltern zum Heimeintritt, um eine gewisse Sicherheit der Betreuung zu erreichen. Oft kann die Folgegeneration aus verschiedenen Gründen keine oder nur ungenügende persönliche Unterstützung im Seniorenhaushalt leisten (z.B. Distanz des eigenen Wohnortes, Inanspruchnahme durch Berufstätigkeit und Betreuungsaufgaben in der eigenen Familie, Überforderung durch anspruchsvolle und zeitintensive Pflege).

3.3 SOLL: Für 30,2 % der über 80-Jährigen soll ein Platz im Betagtenheim bereitgestellt werden

Effektiver Versorgungsgrad per Ende 2007 lag bei 31,1 %

St.Galler Richtwert liegt vergleichsweise hoch; genereller Trend zur Absenkung

Kantonaler Bedarfsrichtwert

Für die Bedarfsplanung gibt der Kanton einen Bedarfsrichtwert vor. Aktuell beträgt das Soll netto 29 Betten pro 100 Einwohner/innen über 80 Jahre; dies bei einer durchschnittlichen Auslastung von 96 Prozent. Daraus resultiert die Anforderung, für 30,2 Prozent der über 80-Jährigen einen stationären Pflegeplatz einzurichten.13 Im Folgenden ist, wenn nicht anders vermerkt, jeweils vom Brutto-Richtwert die Rede. Der Bedarfsrichtwert bezieht sich auf alle stationären Angebote (z.B. auch auf Plätze für die spezialisierte Betreuung von Menschen mit Demenzerkrankungen). Er gilt für den ganzen Kanton gleichermassen, berücksichtigt also keine regionalen Unterschiede. Per Ende 2007 lag der Sollwert für die Stadt St.Gallen bei einer Gesamtkapazität von bereitzustellenden 1’265 Plätzen. Tatsächlich wurden 1’342 Plätze gezählt, bei einer durchschnittlichen Auslastung von 95,5 Prozent. Dies sind 77 Plätze mehr, als die kantonale Vorgabe erfordert. Mit 30,2 Prozent liegt der kantonale Bedarfsrichtwert im schweizerischen Vergleich relativ hoch. Die durchschnittliche effektive Bettendichte gemäss SOMED-Statistik 2006 liegt gesamtschweizerisch bei 25,5 Prozent, wobei die Spannweite von 18 Prozent (Genf) bis 34,9 Prozent (Appenzell Ausserrhoden) reicht. Der Vergleich mit anderen Kantonen

13

Eine Auslastung von 100 % ergibt den Brutto-Richtwert. Die Berücksichtigung einer betrieblich sinnvollen Auslastung (der Kanton St.Gallen gibt 96 % vor) ergibt den Netto-Richtwert.

9

zeigt, dass die Richtwerte in den vergangenen Jahren vielerorts abgesenkt worden sind oder dass dies für die Zukunft diskutiert wird.14 Die Bemessung des Bedarfs anhand des vorgegebenen Richtwerts ist jedoch nicht unproblematisch: Zunächst ist der dem Richtwert zugrunde gelegte durchschnittliche Grad der Pflegebedürftigkeit nicht offengelegt. Die Orientierung ausschliesslich an der Gruppe der über 80-Jährigen verstellt den Blick auf die Veränderungen der Pflegebedürftigkeit in den Altersgruppen darunter, z.B. bei Menschen mit Behinderung, deren Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten stetig angestiegen ist. Zudem wird ausgeblendet, dass über die demografischen Eckdaten hinaus zahlreiche weitere Faktoren relevant sind, um die optimale Versorgung hilfs- und pflegebedürftiger alter Menschen sicherzustellen. In der Entscheidungssituation «Verbleib im eigenen Haushalt» versus «Heimeintritt» spielen neben dem Heimangebot die Verfügbarkeit ambulanter und teilstationärer Angebote (Hilfe und Pflege zu Hause, Tages- und Nachtstrukturen, Ferienbetten in Heimen) eine bedeutsame Rolle. Ebenso wichtig sind der Zugang zu alternativen Wohnformen im Alter, Unterstützungs- und Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige sowie die Anstrengungen in der Gesundheitsförderung und Prävention zugunsten der Zielgruppe.

Stationären Bedarf im

Vor diesem Hintergrund ist der im Rahmen der Arbeiten zum kantonalen Altersleitbild festgelegte, auf einer Datenerhebung von 1994 fussende Bedarfsrichtwert von 30,2 Prozent kritisch zu hinterfragen.15 Er ist einseitig auf den stationären Bereich ausgerichtet, lässt keine regionale Differenzierung zu und berücksichtigt die Veränderungen in der Pflegebedürftigkeit pro Altersgruppe nicht. Insgesamt dürfte er inzwischen zu hoch angesetzt sein. Aktuelle Bedarfsplanungen andernorts rechnen denn heute auch mit tieferen Zielwerten, so z.B. die Gemeinde Wittenbach, die eine Pflegeplatzquote von 27,1 Prozent16 der über 80-Jährigen anstrebt.17

Kantonaler Bedarfsrichtwert zu

Zurzeit laufen beim Kanton St.Gallen Arbeiten zur Überprüfung des Bedarfsrichtwerts. Mit den Ergebnissen wird im Verlauf des Jahres 2010 gerechnet. Im Falle grundlegender Neuaussagen sind diese jedoch für die Anwendung und Umsetzung der Planung in der Stadt St.Gallen zu berücksichtigen.

Kantonaler Bedarfsrichtwert

14

Vgl. Kanton Aargau, 2009, S. 46 ff. Vgl. auch Interpellation Gysi-Wil vom 26. September 2006 «Anpassung der Planungsvorgaben zur Pflegeplanung» und die schriftliche Antwort der Regierung vom 9. Januar 2007 (Kantonsrat St.Gallen, Geschäft 51.06.68). 16 Nettowert: 26 %. 17 Gemeinde Wittenbach, 2009, S. 18 f. Alterskonzept, vom Gemeinderat genehmigt am 21. Oktober 2009. 15

Gesamtkontext ermitteln

starr

wird zurzeit überprüft

10

3.4 Stationäres Angebot liegt 77 Betten oder 0,9 % über dem kant. Richtwert

Soll-Ist-Vergleich per Ende 2007

Per Ende 2007 lag das Soll gemäss kantonalem Bedarfsrichtwert für die Stadt St.Gallen bei 1’265 Plätzen. Die Ergebnisse der SOMED-Erhebung per Ende 2007 zeichnen folgendes Bild: Die tatsächliche Gesamtkapazität lag zu diesem Zeitpunkt bei 1’342 Plätzen, wovon 1’280 effektiv belegt waren. Die durchschnittliche Auslastung lag damit bei 95,5 Prozent. Der in der Stadt St.Gallen erreichte Versorgungsgrad übertraf die kantonalen Vorgaben um 77 Plätze und lag bei 31,1 Betten pro 100 Einwohner/innen über 80 Jahre. Stand per Ende 2007 SOLL: anzustrebender Versorgungsgrad der über 80-Jährigen Soll-Auslastung

Tabelle 1: Soll-Ist-Vergleich des Versorgungsgrades per Ende 2007

errechneter Bedarf gemäss kantonalem Richtwert

30,2 % 96 % 1’265 Plätze

IST: Effektives Angebot an Betagtenheimplätzen effektive Auslastung resultierender Versorgungsgrad der über 80-Jährigen

1’342 Plätze 95,5 % 31,1 %

18

Differenz zum kantonalen Richtwert Auslastung trotz Mehrkapazität gut Diskrepanz zwischen tatsächlicher Inanspruchnahme und normativer Planung

Rund 400 Heimbewohnerinnen auf BESA-Stufe 0 und 1

+ 77 Plätze / + 0,9 %

Die zusätzlich verfügbaren 77 Betten19 entsprechen offenbar einem Bedürfnis, denn sie werden betriebswirtschaftlich sinnvoll ausgelastet. Die im vorhergehenden Kapitel dargelegte Einschätzung, dass der aktuelle kantonale Richtwert heute tendenziell zu hoch angesetzt ist, steht damit im Kontrast zur tatsächlichen Nachfragesituation in den St.Galler Heimen, wie sie sich Ende 2007 präsentierte. Eine Pflegeplatzquote von 27,1 Prozent (brutto), wie sie aktuell von der Gemeinde Wittenbach angestrebt wird, würde den «Überschuss» an städtischen Heimplätzen per Ende 2007 gar auf 220 Plätze anheben. Offensichtlich gibt es eine Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Nachfrage und normativen planerischen Überlegungen. Nachfolgend zwei Einflussfaktoren, welche die Abweichung wenigstens teilweise erklären können: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Ende 2007 gut 30 Prozent aller städtischen Plätze von Personen belegt waren, die keine bis wenig Unterstützung und Pflege benötigen (BESA-Stufen 0 und 1) und angesichts des guten Versorgungsniveaus der Hilfe und Pflege zu Hause, wenn nicht besondere soziale Umstände vorliegen, auch im eigenen Haushalt

18

Basis: 4190 Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt St.Gallen über 80 Jahre (ständige Wohnbevölkerung am 31.12.2007). 19 Die durchschnittliche Anzahl Plätze der städtischen Heime liegt bei 67, es handelt sich also um eine planerische Überkapazität von 1,25 Heimen.

11

leben könnten. Ein Teil dieser Personen mag aus sozialen Gründen auf das Heim angewiesen sein. Wo dies nicht der Fall ist, könnte die im Vergleich zu anderen Regionen hohe «Heimneigung» Ausdruck einer gesellschaftlichen getragenen und traditionell gewachsenen Orientierung sein, die sich in der Ausgestaltung der Infrastruktur niedergeschlagen hat. Ein zweiter Punkt, den es zu bedenken gibt, sind die Wanderungsbewegungen innerhalb des Kantons: Für die Stadt St.Gallen resultierte per Ende 2007 ein Nettozugang von 58 Heimbewohnenden aus anderen St.Galler Gemeinden. Dies ist aus versorgungs- und fiskalpolitischer Optik bedeutsam, da es auf einen gewissen zentralörtlichen Sog hinweist, wie er auch in anderen sozialen, aber auch in kulturellen und wirtschaftlichen Bereichen zu beobachten ist. Handelte es sich bei Betagtenheimplätzen um ein kommerzielles, rein privatwirtschaftliches Gut, wäre dies eine ungeschmälert erfreuliche Tatsache, denn sie zeigt, dass die städtischen Betagtenheime ein sowohl preislich als auch qualitativ attraktives Angebot bereitstellen. Mit Befriedigung kann deshalb festgestellt werden, dass zurzeit verschiedene umliegende Gemeinden den Ausbau von Heimplätzen vorantreiben und dadurch der demografischen Entwicklung Rechnung tragen.

St.Galler Heime sind beliebt:

Weitet man die Betrachtung auf die ganze Schweiz aus, gleichen sich die Wanderungsbewegungen jedoch wieder etwas aus, denn auf dieser Ebene resultierte für die Stadt St.Gallen nur noch ein positiver Wanderungssaldo von 23 Plätzen.20 Eine Gegenüberstellung der belegten Plätze in St.Gallen und der von Stadt-St.Gallerinnen und -St.Gallern beanspruchten Plätze in anderen Gemeinden zeigt, je nach berücksichtigtem Raum, einen positiven oder negativen Wanderungssaldo:

National: Nettozufluss von 23

von St.Gallerinnen und St.Gallern belegte Plätze

1'132 56

Total

1'320

restlicher Kanton SG

Stadt St.Gallen Wahlkreis St.Gallen übrige Wahlkreise im Kanton St.Gallen übrige Schweiz Ausland

20

99

32 1

Stadt St.Gallen restlicher Kanton St.Gallen

Belegung der in St.Gallen angebotenen Plätze, nach Herkunft21

übrige Schweiz Ausland Total

1'132

Wanderungssaldi: Nettozufluss (+) Nettoabfluss (-) 0

97

+ 58

68

- 36 +1

22

0 1'297

+ 23

Es wurden 23 Heimplätze mehr angeboten, als aus St.Gallen stammende Bewohnerinnen und Bewohner in stationären Alterseinrichtungen im Inland gezählt wurden. 21 Das Kriterium ist der letzte zivilrechtliche Wohnsitz vor dem Heimeintritt. 22 Der Wert 0 ist eine technisch bedingte Annahme zur Berechnung des Wanderungssaldos – die SOMED-Statistik gibt effektiv keine Auskunft darüber.

Nettozufluss von 58 Heimbewohnenden aus dem ganzen Kanton

Heimbewohnenden

Tabelle 2: belegte Heimplätze nach Herkunft bzw. Umzug in auswärtige Heime per 31.12.2007

12

Gut ausgelastetes «Überangebot» weist auf Diskrepanz zwischen Planungsvorgaben und «Heimneigung» hin

«Stille Reserven» im stationären Betagtenbereich

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Stadt St.Gallen zurzeit über ein Bettenangebot im stationären Betagtenbereich verfügt, das einerseits die gesamte Nachfrage der städtischen Bevölkerung um rund 20 Betten übertrifft und das gleichzeitig knapp 80 Betten über dem kantonalen Richtwert liegt, der seinerseits eher zu hoch angesetzt ist. Der Vergleich der Ist-Daten mit den normativen Überlegungen zur Bedarfsplanung lässt vermuten, dass in der stationären Versorgung gewisse «Reserven» liegen, die mit einem attraktiven ambulanten Angebot und mit gezielten Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige genutzt werden können. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die mittelfristige demografische Entwicklung von Bedeutung.

3.5 Wie wird sich die Pflegebedürftigkeit entwickeln?

Ein im Gleichschritt mit der demografischen Alterung zunehmender Pflegebedarf ist unwahrscheinlich

Entwicklung der Pflegebedürftigkeit

Die Zahl älterer und vor allem hochbetagter Menschen wird in den nächsten Jahrzehnten bedeutend ansteigen, einerseits infolge der gestiegenen Lebenserwartung und anderseits, weil geburtenstarke Jahrgänge allmählich ins hohe Alter kommen. Für die Planung der Gesundheitsversorgung und der Pflegeeinrichtungen ist aber nicht allein die Anzahl der älteren Menschen von Bedeutung. Zentral ist auch, wie sich deren Pflegebedürftigkeit in den kommenden Jahren entwickeln wird. Beobachtungen im Alltag werden von der aktuellen gerontologischen Fachliteratur untermauert. Die behinderungsfreien Lebensjahre haben sich in den vergangenen Jahrzehnten merklich erhöht: bei den Frauen um fünf, bei den Männern um vier Jahre. Gleichzeitig hat sich die Lebenszeit mit altersabhängigen Behinderungen reduziert: bei den Frauen um zwei, bei den Männern um ein halbes Jahr.23 Für die künftige Deckung des Pflegebedarfs bedeutet dies, dass er nicht parallel zur demografischen Entwicklung ansteigt, sondern sich moderater entwickelt. Es zeichnet sich ferner eine «Zweiteilung» der Pflegebedürftigkeit im Alter ab: Einerseits verbleibt eine grössere Gruppe von Menschen längere Zeit behinderungsfrei, bevor sie gegen Lebensende eine relativ kurze und oft intensive Phase der Pflegebedürftigkeit erfährt. Anderseits gibt es eine Minderheit älterer Menschen, die über eine längere Zeit pflegebedürftig ist.

23

Vgl. Höpflinger, Hugentobler, 2003, S. 45 ff. und 2005 S. 48 ff. sowie Bundesamt für Statistik BFS 2005, S. 62 ff.

13

Das Risiko der Pflegebedürftigkeit steigt mit der Hochaltrigkeit rasch an. Allerdings deuten Modellrechnungen darauf hin, dass es mit geeigneten präventiven Massnahmen dennoch weiter gesenkt werden könnte. In Pilotstudien wurde nachgewiesen, dass sich namentlich präventive Hausbesuche mit multidimensionalen geriatrischen Assessments24 bei älteren Menschen als nachweisbar gesundheitsfördernd erwiesen und zu einer Reduktion der Gesamtmortalität führten.

Mit welchen Massnahmen

Im höheren Alter ist die Pflegebedürftigkeit oft auf das Zusammenwirken verschiedener alters- und krankheitsbedingter Faktoren (Multimorbidität) zurückzuführen. Der Unterstützungsbedarf hängt im Wesentlichen davon ab, welche Bewältigungsstrategien Betroffene selber entwickeln können und welche Alltagsaktivitäten als unabdingbar betrachtet werden müssen. Es wird vermutet, dass mindestens die Hälfte der pflegebedürftigen älteren Menschen an hirnorganischen Störungen (Demenz) leidet, was im Zusammenhang mit der zunehmenden Hochaltrigkeit als zentrale Herausforderung im Gesundheitswesen gilt.

Mehrfacherkrankungen und

Die zukünftige Nachfrage nach Alters- und Pflegeheimplätzen wird aber nicht nur von der gesundheitlichen Situation der Betroffenen bestimmt. Vielmehr beeinflussen auch die Verfügbarkeit von pflegenden Angehörigen und deren Zugang zu unterstützenden Strukturen sowie der Ausbau ambulanter und teilstationärer Angebote den Bettenbedarf. Diese Sachlage erfordert eine kommunale Gesamtstrategie, die festlegt, wo künftig Schwerpunkte im Altersbereich gesetzt werden sollen.

Wichtige Rolle der pflegenden

3.6

Pflegebedürftigkeit senken?

Demenz als typische Merkmale der Hochaltrigkeit

Angehörigen

Szenarien einer moderaten Entwicklung der Pflegebedürftigkeit bis 2020

Da, wie angedeutet, gesamtschweizerisch eine parallele Entwicklung der Pflegebedürftigkeit zur demografischen Entwicklung eher unwahrscheinlich ist, wird auch für die Stadt St.Gallen eine mögliche moderate Entwicklung vorausgesagt, die sich auf gerontologisch abgestützte Sachverhalte25 bezieht.

24

lässt sich das Risiko der

Assessment: Einschätzung des Patientenzustandes nach festen Bewertungsregeln, die entsprechende Pflegemassnahmen nach sich ziehen. Ein multidimensionales geriatrisches Assessment berücksichtigt nicht nur medizinisch-funktionale, sondern auch soziale und psychische Einflussfaktoren beim alten Menschen. 25 Vgl. Höpflinger, Hugentobler, 2003, S. 48 ff.

Moderates Szenario ist auf gerontologische Erkenntnisse abgestützt

14

Kohortenbedingte Veränderungen reduzieren zukünftig die Pflegebedürftigkeit

Kohortenbedingte Veränderungen wie die allgemein verbesserte gesundheitliche Lage, weniger gesundheitsbelastende Berufsbiografien und präventive bzw. rehabilitative medizinische Fortschritte lassen insgesamt eine Reduktion der Pflegebedürftigkeit in den nächsten Jahrzehnten als sehr wahrscheinlich erscheinen. Dabei werden pro Altersgruppe unabhängig von der Wohnform folgende Annahmen getroffen:

65- bis 69-Jährige

Gegen den beschriebenen Trend zeichnet sich in der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen eine leichte Zunahme der Pflegebedürftigkeit ab, da soziale und medizinische Fortschritte dazu beitragen, dass mehr behinderte bzw. pflegebedürftige Menschen das AHV-Alter erreichen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich die bei dieser Altersgruppe an sich tiefe Pflegebedürftigkeitsquote bis 2010 bzw. bis 2020 um 5 Prozent bzw. um 10 Prozent erhöhen wird.

70- bis 79-Jährige

Bei der Gruppe der 70- bis 79-Jährigen wird von einem moderaten Rückgang der Pflegebedürftigkeitsquote um 10 Prozent bis 2010 bzw. um 20 Prozent bis 2020 ausgegangen.

80- bis 84-Jährige

Bei den 80- bis 84-Jährigen wird eine etwas geringere Reduktion um 7 Prozent bis 2010 bzw. um 15 Prozent bis 2020 angenommen, da es sich hier um ältere Geburtsjahrgänge handelt, welche noch stärker vom Arbeitsleben im industriellen Umfeld geprägt sind.

über 85-Jährige

Relativ optimistisch, aber realistisch erscheint in der Altersgruppe der über 85-Jährigen eine Reduktion der Pflegebedürftigkeitsquote bis 2010 um 5 Prozent, bzw. bis 2020 um 10 Prozent, da diese Gruppe der Hochaltrigen Geburtsjahrgänge umfasst, die in ihrer Erwerbsphase einer hohen körperlichen Belastung ausgesetzt waren.

Moderat: Zunahme der

Wird von diesen pro Altersgruppe genannten Schätzwerten ausgegangen, kann gegenüber einer linearen demografischen Fortschreibung von einer gesamten Reduktion der Pflegefälle um bis 6 Prozent von 2000 bis 2010 bzw. sogar um bis 13 Prozent von 2000 bis 2020 ausgegangen werden. Das heisst, anstelle einer Zunahme der totalen Zahl Pflegebedürftiger bis 2020 um 30 Prozent (lineare Sichtweise) erscheint eine Zunahme von 20 Prozent (moderate Sichtweise) realistisch. Die Pflegebedürftigkeit von Menschen mit Demenzerkrankungen wurde mitberücksichtigt. Die zurzeit angenommenen Werte der Pflegebedürftigkeitsquoten pro Altersgruppe werden in Tabelle 3 dargestellt.

Pflegebedürftigkeit um 20 statt um 30 % bis 2020

15

Tabelle 3: Szenario einer

Altersgruppen 65 - 69 J.

70 - 74 J.

75 - 79 J.

80 - 84 J.

> 85 J.

Entwicklung Pflegebedürftigkeitsquoten (PBQ)

Zeitraum

Pflegebedürftigkeitsquoten 2000-2020

2000 - 2010

+5 %

-10 %

-10 %

-7 %

-5 %

2000 - 2020

+10 %

-20 %

-20 %

-15 %

-10 %

resultierende Pflegebedürftigkeitsquoten (PBQ)

Zeitpunkt per 2000

2,5 %

5 bis 6,5 %

8 bis 10 %

18 bis 20 %

30 bis 35 %

per 2010

2,6 %

4,5 bis 5,5 %

7,2 bis 9 %

16,7 bis 18,6 %

28,5 bis 33,3 %

per 2020

2,8 %

4 bis 4,8 %

6,4 bis 8 %

15,3 bis 17 %

27,0 bis 31,5 %

3.7

moderaten Reduktion der

Gesellschaftlicher Trend in Bezug auf die Wohn- und Betreuungsformen im Alter

Eine im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 32 durchgeführte Studie belegt, dass das kollektive Wohnen aufgrund der verbesserten wirtschaftlichen Lage und der verstärkten Individualisierung der Betagten in den vergangenen Jahrzehnten an Attraktivität verloren hat und das selbstbestimmte Leben in den eigenen vier Wänden am beliebtesten ist.26

Autonomes Wohnen im

Der kontinuierliche Ausbau ambulanter Dienste in den letzten Jahren hat diese Entwicklung gefördert. So wohnen betagte und hochbetagte Menschen heute mehrheitlich in eigenen Haushaltungen. Gesamtschweizerisch leben weniger als ein Viertel der 80-Jährigen und älteren Menschen in Heimen. In den höheren Altersklassen steigt der prozentuale Anteil der in den Heimen lebenden Personen allerdings markant an. Aufgrund dieses Trends haben sich die stationären Altersangebote immer mehr zu Pflegeeinrichtungen für hochaltrige und pflegebedürftige Menschen entwickelt.

Dank Hilfe und Pflege zu Hause

Weitere soziodemografische Determinanten für ein Leben in einer Heimeinrichtung hat die eidgenössische Volkszählung 200027 zu Tage gefördert. Zunächst belegt sie, dass die Population in Kollektivhaushalten zunehmend älter und mehrheitlich weiblich ist. Als weitere Merkmale gelten: Nicht (mehr) verheiratet zu sein, über einen eher niedrigen Bildungsstand zu verfügen und materiell benachteiligt zu sein. Staatsangehörige mit Migrationshintergrund leben im Verhältnis eher weniger in Kollektivhaushaltungen, da sie oft über ein tragfähigeres familiäres Netzwerk verfügen.

Volkszählung 2000:

26

Vgl. Höpflinger, Stuckelberger, 2000, S. 136 ff.

eigenen Haushalt wird dem Heim vorgezogen

länger daheim; Altersheim weniger nachgefragt; Pflegeheim bleibt unentbehrlich

soziodemografisches Profil der Heimbewohnenden

16

SOMED-Statistik 2006: Heimeintritte haben sich unterproportional entwickelt

Pflegebedürftige CH: 40 % im Heim, 60 % zu Hause

Die Statistik der sozialmedizinischen Institutionen 2006 belegt, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Pflegeheimen 1'000 Tage beträgt und sich das Angebot der stationären Einrichtungen nicht parallel zur Alterung der Bevölkerung entwickelt hat: Obwohl die Gesamtzahl der 80-Jährigen und älteren Personen im Zeitraum von 1999 bis 2006 um 20 Prozent zugenommen hat, leben in dieser Altersgruppe nur zusätzliche 9,8 Prozent in Alters- und Pflegeheimen.28 Werden die gesamtschweizerischen Daten über Heimbewohnende mit der Gesamtzahl pflegebedürftiger älterer Menschen in Verbindung gebracht, lässt sich ableiten, dass rund 40 Prozent der pflegebedürftigen Betagten in Institutionen gepflegt werden, 60 Prozent werden zu Hause betreut. Allerdings sind in der Schweiz die regionalen Unterschiede sehr ausgeprägt. Dies bestätigt die eidgenössische Volkszählung von 200029. Sie zeigt, dass beträchtliche kantonale Unterschiede bezüglich der Anteile älterer Personen festzustellen sind, die in einem Alters- und Pflegeheim wohnen bzw. die ambulanten Dienste nutzen (vgl. Abbildung 3): - Die Betagtenpflege im Kanton St.Gallen wird von Personen über 80 Jahren wie folgt in Anspruch genommen: 22 Prozent wohnen im Heim, 39 Prozent leben mit Unterstützung durch die Hilfe und Pflege zu Hause im eigenen Haushalt. - In den Kantonen der Zentral- und Ostschweiz (Appenzell Ausserhoden, Glarus, Zug, Schaffhausen, St.Gallen usw.) ist das Alter bei Heimeintritt im Durchschnitt niedriger und sind die Anteile der Heimbewohnenden entsprechend höher. - In den Westschweizer Kantonen (Waadt, Wallis, Freiburg, Genf), im Norden der Schweiz (Jura, Solothurn, beide Basel) und in Graubünden ist der Heimbewohneranteil geringer und das durchschnittliche Eintrittsalter entsprechend höher.

27

Vgl. Bundesamt für Statistik BFS, 2005, S. 122 ff. Vgl. Bundesamt für Statistik BFS, 2007, S. 1. 29 Vgl. Bundesamt für Statistik BFS, 2005, S. 126 f. 28

17

Abbildung 3: Anteile der Bewohnenden in sozialmedizinischen Institutionen, bzw. der Spitexnutzenden in % der über 80-Jährigen, nach Kantonen, 2000 (Quelle: BFS 2005)

Diese Sachlage spiegelt die sozial- und gesundheitspolitischen Traditionen und die unterschiedlichen wohlfahrtsstaatlichen Regelungen in den einzelnen Kantonen: In der West- und Nordschweiz sowie in Graubünden sind die ambulanten Dienste nach dem Motto «ambulant vor stationär» besser ausgebaut als in der Zentral- und Ostschweiz.30

Wohlfahrtsstaatlicher

Will man die Wohnwünsche der künftigen älteren Generationen prognostizieren, liegt die Schwierigkeit darin, dass vom Verhalten und den Werthaltungen der heutigen älteren Generationen nicht direkt auf jene der nächsten Generation geschlossen werden kann. Den Betagten der Zukunft werden Wohnformen wie Wohn- und Hausgemeinschaften aus ihrer eigenen Lebenserfahrung bereits besser bekannt sein. Aber auch private Residenzen oder andere, heute noch wenig umgesetzte Wohnformen wie das Betreute Wohnen werden an Bekanntheit und Beliebtheit gewinnen, wenn sie den generellen Bedürfnissen nach Wahrung der grösstmöglichen Autonomie und Sicherheit Rechnung tragen. So zeichnet sich ab, dass es neben den bewährten Alters- und Pflegeheimen mehr gemeinschaftliche Wohnformen für Hochbetagte braucht, die zwischen den Polen des Alleinlebens und des Kollektivhaushaltes angesiedelt sind.31

Heutige Wohnwünsche sind

30 31

Vgl. Höpflinger, Hugentobler 2005, S. 89. Vgl. Wehrli-Schindler, 1997, S. 67 ff.

Gestaltungsspielraum

keine zuverlässige Planungsgrundlage

18

3.8 Medizinischer und pflegerischer Fortschritt hat Lebensqualität im Alter gesteigert

Auswirkungen der Pflegefinanzierung

Fallpauschalen im Akutspital haben bedeutende Auswirkungen auf die nachsorgenden Stellen

Entwicklungen im Gesundheitswesen

In den letzten Jahrzehnten konnten erhebliche Fortschritte in der Medizin erzielt werden, erfreulicherweise auch bei der Behandlung chronischer Krankheiten und in der Langzeitpflege. Neue technische Möglichkeiten und wissenschaftliche Erkenntnisse, erweiterte Behandlungsansätze, aber auch das Wissen, dass therapeutische Behandlungen durchaus auch im hohen Alter indiziert sind (z.B. Hüftoperationen bei über 80-Jährigen), tragen zur Verbesserung der Lebensqualität im Alter bei. Parallel zum medizinischen Fortschritt ist aber auch der administrative Aufwand in den Organisationen stark gestiegen: Qualität und Wirkung müssen nachgewiesen und dokumentiert werden, Abläufe geregelt und die Zusammenarbeit vernetzt sein. Die konkreten Auswirkungen der neuen Pflegefinanzierung, die am 1. Januar 2011 in Kraft treten wird, auf die Pflege und Betreuung in Heimen und auf die Hilfe und Pflege zu Hause bleiben abzuwarten. Um dem volkswirtschaftlich sinnvollen Grundsatz «ambulant vor stationär» Nachachtung zu verschaffen und um Fehlanreize zu vermeiden, wäre es wünschenswert, dass der Kanton in Übereinstimmung mit den GDKEmpfehlungen32 von seiner Möglichkeit Gebrauch macht, auf den maximalen Eigenbeitrag von 20 Prozent, der den versicherten Personen neu nach Art. 25a Abs. 5 KVG auferlegt werden kann, im ambulanten Bereich (Spitex) zu verzichten. Absehbar ist, dass die andere bedeutende Neuerung, die schweizweite Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen (sogenannte DRGs) im Akutspital per 2012, eine weitere Verkürzung der durchschnittlichen Spitalaufenthaltsdauer auch bei den betagten Patientinnen und Patienten zur Folge haben wird. Der Druck auf die nachsorgenden Stellen wird mit Sicherheit steigen. Hier zeichnen sich quantitativ und qualitativ bedeutsame Auswirkungen ab: - Die Nachfrage nach Dienstleistungen der Hilfe und Pflege zu Hause, aber auch nach temporären Heimaufenthalten, wird markant zunehmen. - Aufgrund der höheren Komplexität der Fälle steigen die fachlichen Anforderungen an die Nachsorge. - Die Leistungserbringer in der Nachsorge müssen mit einer höheren Verfügbarkeit und Flexibilität reagieren können (kurzfristige Auf- und Übernahme austretender Spitalpatienten, Ausweitung der Einsatzzeiten der Organisationen in der Hilfe und Pflege zu Hause).

32

Vgl. Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und –direktoren GDK, 2009, 47.61, S. 6 f.

19

Auf diese Herausforderungen gilt es sich bei den betroffenen Leistungserbringern vorzubereiten. Zwar ist bereits mit der Einführung der neuen Pflegefinanzierung eine Übergangspflege von zwei Wochen nach einem Spitalaufenthalt vorgesehen, die stationär oder ambulant erfolgen kann, deren konkrete Umsetzung ist jedoch zurzeit noch unklar. Die Fallpauschalen dürften eine Verschiebung der Kosten von der Krankenversicherung zu den privaten Haushalten und zum Staat bewirken, insbesondere zu den Gemeinden, in deren Zuständigkeitsbereich die Heime und die Hilfe und Pflege zu Hause liegen.

Vorbereitung der Leistungserbringer auf die Herausforderungen

21

4

Bevölkerungsentwicklung

4.1

Bevölkerungsentwicklung im Vergleich mit den bisherigen Prognosen

Die Bevölkerungsentwicklung der Stadt St.Gallen blieb im Zeitraum von 1996 bis 2007 recht stabil. Die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner hat sich bis 2007 bei rund 70’000 eingependelt. Die Anzahl der über 65-Jährigen liegt seither bei rund 12’500 oder anteilsmässig bei rund 18 Prozent der städtischen Gesamtbevölkerung.

Stadt St.Gallen zwischen 1996

Ebenso stabil verhielten sich die Anteile der definierten Altersgruppen: Der Anteil der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen lag von 1987 bis 2007 bei rund 9 Prozent, jener der 75- bis 84-Jährigen bei rund 7 Prozent, der Anteil der Altersgruppen darüber bei rund 3 Prozent der städtischen Bevölkerung (vgl. Abbildung 4).

Anteile der Altersgruppen

Anteile der Altersgruppen an der gesamten Stadtbevölkerung

100%

und 2007: Einwohnerzahl stabil bei rund 70'000

blieben ebenfalls stabil

Abbildung 4: Anteile definierter Altersgruppen an der gesamten Stadtbevölkerung (Fachstelle für Statistik des Kantons St.Gallen)

80% 85+

60%

75- bis 84-jährig 65- bis 74-jährig

40%

unter 65 20% 0% 1987

1992

1997

2002

2007

Für die Prognose der zukünftigen städtischen Bevölkerungsentwicklung wurde eine Expertise beim IRAP33 in Auftrag gegeben. Diese Prognose umfasst drei Szenarien: ein optimistisches, ein pessimistisches und ein mittleres. Für die Ausführungen in diesem Bericht wurde vom mittleren Szenario ausgegangen. Die Prognose basiert auf den Einwohnerregisterdaten von 2007. Zur Berechnung der künftigen Entwicklung der Bevölkerungszahlen der höheren Altersklassen wurden die Sterberaten der

33

Vgl. Institut für Raumentwicklung IRAP, Hochschule für Technik Rapperswil.

Berechnung der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung durch das IRAP

22

letzten fünf Jahre herangezogen. Diese liegen tiefer als im gesamtschweizerischen Schnitt. Dies führt zu einer beträchtlichen Differenz gegenüber den Prognosen der letzten Bedarfsplanung: Die Zahl der Menschen in den Altersgruppen der 70- bis 79-Jährigen und der über 80-Jährigen wird voraussichtlich höher liegen als bisher angenommen (vgl. Abbildung 5). Abbildung 5: Städtische Bevölkerungsentwicklung: Vergleich alte (BFS AT-00-2002) und neue Prognose (IRAP, basierend auf Registerdaten des Jahres 2007)

Vergleich alte und neue Prognose 7'000

Anzahl Personen

6'000 5'000 70- bis 79-jährig neu 4'000

70- bis 79-jährig alt

3'000

über 80-jährig neu über 80-jährig alt

2'000 1'000 0 2010

2020

2028/30

Gemäss dem mittleren IRAP-Szenario ist für die Stadt St.Gallen im Vergleich mit den bisherigen Prognosen in den kommenden Jahren eine stärkere Zunahme des älteren Bevölkerungsanteils zu erwarten. Der voraussichtliche Anteil von Menschen ab 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung (Abbildung 6) erfährt ab 2010, vor allem aber ab 2025, insgesamt eine Zunahme. Dabei schlägt infolge der gestiegenen Lebenserwartung vor allem die Altersgruppe der über 80-Jährigen stark nach oben aus.

23

Entw icklung der Anzahl der Betagten in Altersgruppen

Abbildung 6: Entwicklung der Anzahl der Betagten in Altersgruppen (IRAP)

6'000

Anzahl Personen

5'000 65- bis 69-jährig

4'000

70- bis 74-jährig

3'000

75- bis 79-jährig über 80-jährig

2'000 1'000 0 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2028

4.2

Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen

Aus Tabelle 4 und Abbildung 7 wird ersichtlich, dass der erwartete Anstieg der Anzahl betagter Personen bis 2028 infolge zunehmender Hochaltrigkeit vor allem in der Altersdklasse der über 90-Jährigen stattfinden wird. In allen anderen Altersgruppen ist die Zunahme moderater. Die Anzahl der über 90-Jährigen wird sich voraussichtlich bis 2028 nahezu verdoppeln, die Anzahl der über 80-Jährigen wird um einen Fünftel bzw. um knapp 900 Personen zunehmen. Bevölkerung

2008

2010

2015

2020

2025

2028

65 bis 69 Jahre

3'299

3'416

3'354

3'440

3'776

4'066

70 bis 74 Jahre

2'812

2'763

3'133

3'071

3'157

3'344

75 bis 79 Jahre

2'433

2'459

2'430

2'800

2'738

2'726

80 bis 84 Jahre

2'109

2'054

1'988

1'959

2'329

2'297

85 bis 90 Jahre

1'391

1'566

1'383

1'317

1'288

1'541

690

732

972

1'158

1'209

1'235

4'190

4'352

4'343

4'434

4'826

5'073

12'734

12'990

13'260

13'745

14'497

15'209

älter als 90 Jahre Total älter als 80 Jahre Total älter 65 Jahre

Anzahl der über 90-Jährigen steigt zukünftig stark an

Tabelle 4: Voraussichtliche Entwicklung der Anzahl Personen 65+ (IRAP)

24

Abbildung 7: Voraussichtliche Entwicklung der Anzahl Personen 65+ (IRAP)

Voraussichtliche Entwicklung der Bevölkerung 65+ 16'000 14'000

Anzahl Personen

12'000 über 90-jährig 10'000

85- bis 90-jährig 80- bis 84-jährig

8'000

75- bis 79-jährig 70- bis 74-jährig

6'000

65- bis 69-jährig 4'000 2'000 0 2008

4.3

Migrantinnen und Migranten aus Südeuropa kommen ins Alter

Heute: Je älter, desto eher in der Schweiz geboren

2010

2015

2020

2025

2028

Bevölkerungsentwicklung der Personengruppe mit Migrationshintergrund

Die städtische Bevölkerung hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer multikulturellen Gesellschaft entwickelt, zusehends auch in den höheren Altersklassen. Gemäss der Volkszählung 2000 sind dies unter der Wohnbevölkerung mit Migrationshintergrund vor allem Personen mit mediterranen Wurzeln. Einwohnerinnen und Einwohner im höheren Alter mit Geburtsland im Balkan, im übrigen Europa und anderen Kontinenten fallen weniger ins Gewicht, zumal in der Gruppe «Angehörige aus dem übrigen Europa» vor allem österreichische und deutsche Staatsangehörige vertreten sind, welche sich kulturell relativ wenig von den Deutschschweizerinnen und -schweizern unterscheiden. Gemäss der Fachstelle für Statistik des Kantons St.Gallen erhöhen sich die Prozentanteile der Personen, welche in der Schweiz geboren wurden, mit dem Alter. Von den 40- bis 44-Jährigen wurden zum Beispiel 63 Prozent in der Schweiz geboren. Bei den Personen, welche im Jahr 2000 über 70 Jahre alt waren, sind es 80 Prozent und mehr.

25

Wohnbevölkerung mit 55 bis 64 J. Migrationshintergrund Mediterran Balkan übriges Europa übrige Kontinente

65 bis 74 J.

75 bis 84 J.

> 85 J.

Total

1'021

449

122

20

1'612

926

169

51

5

1'151

1'259

615

290

107

2'271

312

128

50

3

Tabelle 5: Personen mit Migrationshintergrund in Altersklassen und Geburtsland (Quelle: Eidg. Volkszählung 2000, Aufbereitung: Fachstelle für Statistik Kanton St.Gallen)

493

Vorausgesetzt, Personen ausländischer Herkunft sterben oder ziehen mit steigendem Alter nicht häufiger weg als im Inland Geborene, ist zu erwarten, dass der Anteil der Personen mit ausländischem Geburtsland in den älteren Jahrgängen zukünftig steigen wird, da deren Anzahl in den unteren Altersklassen bedeutend höher ist. Dabei ist anzunehmen, dass Personen aus dem Balkan in den höheren Altersklassen künftig mehr ins Gewicht fallen werden, da sie bei der 55- bis 64-jährigen Wohnbevölkerung mit Migrationshintergrund ebenfalls einen hohen Anteil aufweisen (vgl. Tabelle 5).

Nach den Südeuropäern

Allerdings zeigt das Wanderungsverhalten der über 50-Jährigen, dass – im Verhältnis zu ihrem Anteil an der ständigen Wohnbevölkerung – die Bevölkerungsgruppe mit ausländischer Staatsangehörigkeit per Saldo häufiger das Land verlässt, als die Schweizer Bevölkerung. Laut Bundesamt für Migration ist zu beobachten, dass sich ein Drittel der Menschen, die in den 1950er- und 1960er-Jahren aus dem südlichen Europa zugewandert sind, dazu entschliesst, in die Heimat zurückzukehren. Ein Drittel pendelt zwischen der Schweiz und dem Herkunftsland, während ein weiteres Drittel seinen Lebensabend in der Schweiz verbringt.34

Ein Drittel bleibt, ein Drittel

Hält dieser Trend an, so würde in Zukunft der Anteil älterer Personen mit Migrationshintergrund an der gesamten städtischen Bevölkerung wanderungsbedingt etwas zurückgehen. In absoluten Zahlen wäre dennoch eine Zunahme zu beobachten. Der zunehmende Anteil von Personen mit Migrationshintergrund in den höheren Altersklassen wird künftig angepasste Angebote und neue interkulturelle Kompetenzen erforderlich machen.

Angepasste Angebote für

34

Vgl. Bundesamt für Migration, BFM, 2006, S. 6 f.

kommen die Migrantinnen und Migranten aus dem Balkan ins Alter

pendelt, ein Drittel kehrt in die Heimat zurück

Betagte mit Migrationshintergrund

27

5

Angebot

5.1

Informeller Bereich35

5.1.1

Familiäres System

Zuverlässige Daten zur Pflege durch Angehörige in der Stadt St.Gallen liegen nicht vor. Wird von den gesamtschweizerischen Schätzwerten ausgegangen, kann angenommen werden, dass in der Stadt St.Gallen rund 2’000 Menschen zu Hause von mindestens gleich vielen Angehörigen betreut oder mitbetreut werden. Gemäss den regelmässigen Auswertungen der Geriatrischen Klinik des Kompetenzzentrums Gesundheit und Alter St.Gallen werden jährlich 500 bis 600 Personen nach Hause entlassen.36 93 Prozent dieser Menschen sind weiterhin auf Hilfe angewiesen. Bei 15 Prozent der Austretenden reichen die Dienstleistungen der ambulanten Organisationen aus, bei 85 Prozent sind für die weitere Betreuung die Angehörigen involviert.37 Gemäss einer Schätzung der Pro Senectute St.Gallen werden rund 75 Prozent der Betreuung und Pflege zu Hause in der Stadt St.Gallen durch Angehörige erbracht.

Ungefähr 2’000 Menschen

Sofern vorhanden pflegen in erster Linie Ehe- und Lebenspartnerinnen und -partner. Aufgrund der höheren Lebenserwartung von Frauen, des traditionellen Altersunterschieds in Paarbeziehungen sowie dem traditionellen Rollenverständnis übernehmen hauptsächlich Frauen die Betreuung von Angehörigen. An erster Stelle stehen die Partnerinnen, an zweiter die eigenen Kinder, namentlich die Töchter.38

Pflege vor allem durch Ehe- und

Mit Blick auf die sich verändernden Familienstrukturen – Verlängerung der gemeinsamen Lebensspanne von Enkelkindern und Grosseltern, aber auch Geburtenrückgang, abnehmende Zahlen naher Verwandter und horizontaler Familienbeziehungen – und aufgrund der Verschiebungen bei den Lebensformen – Zunahme von Patchwork- und Einelternfamilien, zunehmende Berufstätigkeit von Frauen – wird künftig ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung nicht mehr oder nicht mehr jederzeit auf familiäre Ressourcen zurückgreifen können.39 Vor diesem Hintergrund sind einerseits die Familiensysteme zu stärken und anderseits

Veränderte Familienstrukturen

35

Mit informellen Angeboten sind familiäre und freiwillige Leistungen gemeint, in Abgrenzung zu den formellen Angeboten der ambulanten und stationären Dienste. 36 Diese stammen aus dem gesamten Einzugsgebiet, nicht nur aus der Stadt St.Gallen. 37 Vgl. Beantwortung der Interpellation «Unterstützung von pflegenden Angehörigen» vom 23.10.2008, Nr. 4979. 38 Vgl. Höpflinger, Hugentobler, 2005, S. 56. 39 Vgl. Kantonsrat St.Gallen, Politik im Zeichen des demografischen Wandels, Bericht der Regierung vom 10.03.2009, S. 25 f.

werden in der Stadt St.Gallen von Angehörigen gepflegt

Lebenspartner/innen

und Lebensformen verändern Bereitschaft, Angehörige zu pflegen

28

intergenerationelle Beziehungen und Solidarität ausserhalb der Familien zu fördern.

5.1.2 Soziologische und statistische Erkenntnisse zur Freiwilligenarbeit

Rolle der Stiftung Benevol in der lokalen Freiwilligenarbeit

Verschiedene Organisationen bieten formalen Raum für Freiwilligenarbeit

Freiwilligenarbeit

Die immense Bedeutung der Freiwilligenarbeit für die heutige Gesellschaft ist unbestritten. Die Definition von Freiwilligenarbeit variiert je nach Kontext. Als gemeinsame Kriterien gelten Freiwilligkeit, Unentgeltlichkeit, Einsatz für Dritte und Organisationen. Gemäss BFS wird zwischen organisierter Freiwilligenarbeit und informellen persönlichen Hilfeleistungen, zum Beispiel von Angehörigen, unterschieden. Diese beiden Formen der unbezahlten Arbeit werden von verschiedenen Gruppen geleistet und sind unterschiedlich motiviert. Beide haben einen sehr hohen Stellenwert und ergänzen sich gegenseitig.40 Im Sozialbereich sind drei Viertel der freiwillig Tätigen in der Schweiz Frauen. Männer sind hauptsächlich in Interessenverbänden, politischen Parteien und im Sport freiwillig aktiv. Im Gegensatz zur organisierten Freiwilligenarbeit steigt das Engagement im informellen Bereich mit dem Alter an. Rentnerinnen und Rentner übernehmen am häufigsten informelle Hilfeleistungen und sind weniger in organisierter Freiwilligenarbeit engagiert.41 Gemäss BFS ist in der organisierten Freiwilligenarbeit und im Bereich der informellen Hilfeleistungen seit 1997 eine rückläufige Tendenz um jeweils ungefähr 2 Prozentpunkte zu verzeichnen.42 Vor dem Hintergrund der zukünftigen demografischen Entwicklung und der verbesserten gesundheitlichen Situation von Pensionärinnen und Pensionären besteht ein grosses Potenzial und ein gesellschaftliches Bedürfnis, ältere Menschen zur Betreuung von älteren Menschen zu gewinnen. Freiwilligenarbeit findet auf Gemeindeebene in verschiedenen Bereichen statt, besonders auch in der Begleitung von Kranken und Betagten. Eine Schlüsselrolle in der Ermöglichung und Gestaltung von Freiwilligenarbeit nimmt die Fach- und Vermittlungsstelle Benevol43 ein, die auch von der Stadt St.Gallen finanziell unterstützt wird. Sie informiert, koordiniert und unterstützt bei allen Fragen rund um das Thema Freiwilligenarbeit. In der Stadt St.Gallen hat Benevol 80 Mitgliedorganisationen. Eine konkrete Erhebung über die insgesamt geleisteten freiwilligen Einsätze im Altersbereich in der Stadt St.Gallen ist schwierig, weil in der Regel nur spezialisierte Organisationen entsprechende Aufzeichnungen machen. In der ehrenamtlichen Begleitung von schwerkranken und

40

Vgl. Bundesamt für Statistik BFS, 2004, S. 17 f. Vgl. Bundesamt für Statistik BFS, 2008a, S. 4 ff. 42 Vgl. Bundesamt für Statistik BFS, 2008b, S. 1. 43 www.benevol.ch. 41

29

sterbenden Menschen engagiert sich vor allem der Hospizdienst. Er bietet stunden-, tage- oder nächteweise Entlastung ohne pflegerische Leistungen an und ergänzt professionelle Leistungserbringer. Mit 45 Begleiterinnen und Begleitern konnten gemäss Jahresbericht 2005 insgesamt 564 Einsätze oder 3’083 Stunden geleistet werden, davon 1’029 zu Hause und 1’944 im Spital und in Heimen. Es kann eine deutliche Zunahme gegenüber den Vorjahren verzeichnet werden. Aber auch Quartiervereine, kirchliche Dienste, der IDEM (Dienst des Kantonsspitals und der Geriatrie), der inzwischen auf 200 Mitglieder angewachsen ist, und weitere Freiwillige in Heimen bieten wertvolle Besuchs- und Begleitdienste an. Eine spezielle Variante der Laienarbeit, die auf einem regulierten Arbeitsverhältnis und einer reduzierten Stundenentschädigung beruht, bietet die Pro Senectute unter dem Titel «Sozialzeitengagement» im Bereich der Haushilfe für ältere Menschen an. Das Sozialzeitengagement fällt damit teilweise unter die Kategorie Freiwilligenarbeit. Für die Versorgung der Betagten mit hauswirtschaftlichen und sozialbetreuerischen Leistungen spielt es eine bedeutende quantitative Rolle, werden doch pro Jahr knapp 60'000 städtisch subventionierte Stunden Haushilfe von Sozialzeit-Engagierten geleistet.

Sozialzeitengagement in der

Die freiwillige Nachbarschaftshilfe ist eine Art der organisierten Freiwilligenarbeit, die in der Stadt Zürich realisiert wurde und auch für St.Gallen interessant sein könnte. Wenn der Aktionsradius älterer Menschen aufgrund reduzierter Mobilität abnimmt, wird das Quartier zum wichtigen Sozialraum und nachbarschaftliche Beziehungen gewinnen stark an Bedeutung. Das Zürcher Projekt versucht die Nachbarschaftshilfe zu stärken und bringt Angebot und Nachfrage nach nachbarschaftlicher Hilfe zusammen. Quartierbewohnerinnen und -bewohner jeden Alters können Hilfe anbieten und bei Bedarf ebenso von nachbarschaftlichen Hilfeleistungen wie z.B. Einkaufen profitieren. Älteren und hilfsbedürftigen Menschen wird so geholfen, länger in der gewohnten Umgebung zu verbleiben.

Organisierte Freiwilligenarbeit:

von der Pro Senectute angebotenen Haushilfe als Sonderfall der teilweisen Freiwilligenarbeit

freiwillige Nachbarschaftshilfe

30

Versorgungsauftrag auch für die Hilfe und Pflege zu Hause

Unterstellung der Pflege unter das KVG hat Professionalisierungs- und Fusionsschub ausgelöst

Allgemein CH: Zunahme der Pflegeleistungen, Rückgang der hauswirtschaftlichen Leistungen

Sonderfall Stadt St.Gallen bezüglich Hauswirtschaft (Hilfe zu Hause)

5.2

Ambulante Angebote

5.2.1

Angebote der Hilfe und Pflege zu Hause und ihre Nutzung

Die ambulante Gesundheitsversorgung durch Dienstleistungen der Hilfe und Pflege zu Hause liegt, wie die Bereitstellung stationärer Angebote für Betagte, im Zuständigkeitsbereich der Gemeinden. Erst die Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) im Jahr 1996 machte die Pflege zur kassenpflichtigen Leistung. Dieser Schritt hat eine erste Strukturbereinigung und einen starken Professionalisierungsschub ausgelöst. Bisherige gemeinnützige Hauspflege- und Gemeindekrankenpflegevereine wurden in Spitex-Organisationen zusammengefasst, die mit Leistungsauftrag der Gemeinde die Versorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen der Hilfe und Pflege zu Hause sicherstellen, so dass sich die Zahl der Spitex-Basisorganisationen seit 1995 halbiert hat. Die Einsätze in der Pflege sind tendenziell kürzer und häufiger geworden, die Krankheitsbilder der Patientinnen und Patienten komplexer. Die Anzahl Pflegestunden pro Klient hat im schweizerischen Durchschnitt zwischen 2001 und 2007 von 19,0 auf 20,7 zugenommen (+ 9 Prozent). In der letzten Dekade lässt sich ein allgemein bedeutsamer Rückgang der hauswirtschaftlichen Leistungen zu Gunsten der pflegerischen beobachten. Gesamtschweizerisch ist die Anzahl geleisteter Pflegestunden zwischen 2001 und 2007 um 42 Prozent angestiegen, während die Hauswirtschaftsstunden im gleichen Zeitraum um 13 Prozent zurückgegangen sind. Die geleisteten Stunden waren im Jahr 2001 im schweizerischen Durchschnitt etwa gleichgewichtig auf die Hilfe zu Hause (Hauswirtschaft, nicht kassenpflichtig) und die Pflege zu Hause (kassenpflichtige Leistungen) verteilt, sechs Jahre später dominierte die Pflege mit 62 Prozent deutlich. Diese Entwicklung fand zwar auch in der Stadt St.Gallen statt, jedoch in geringerem Umfang und mit einem deutlich anderen Ausgangspunkt: Im Jahr 2001 wurde nur knapp ein Viertel der Leistungsstunden in der Pflege erbracht, hingegen drei Viertel in der Hauswirtschaft. Der Hauswirtschaftsanteil ging bis 2003 zunächst auf zwei Drittel zurück. Bis 2007 sank er weiter auf 60 Prozent, wo er sich inzwischen stabilisiert hat. Der Anteil der Hauswirtschaft liegt in der Stadt St. Gallen damit heute immer noch 10 Prozent höher als gesamtschweizerisch zum Zeitpunkt, als diese Entwicklung ihren Anfang nahm. Auch die absoluten Zahlen der Inanspruchnahme von Dienstleistungen der Hilfe und Pflege (vgl. Tabelle 6) zeigen die Sonderstellung der Stadt St.Gallen, die sich einerseits in einer sehr hohen Nachfrage nach hauswirtschaftlichen Leistungen äussert, anderseits aufgrund der urbanen Situation puncto

31

pflegerischer Versorgung auf einem deutlich höheren Niveau liegt als der kantonale Mittelwert: Leistungsstunden Hilfe und Pflege zu Hause 2007 Schweiz Kt. St.Gallen Stadt St.Gallen Hilfe zu Hause (nicht kassenpflichtig)

Pflege zu Hause (kassenpflichtig)

[h pro Klient u. Jahr]

[h pro Klient u. Jahr]

[h pro Klient u. Jahr]

43

53

59

48

39

48

Tabelle 6: Vergleich CH – Kanton SG – Stadt St.Gallen bezüglich beanspruchte Leistungsstunden der Hilfe und Pflege zu Hause

Eine Erklärung für diesen Sonderfall St.Gallen ist möglicherweise angebotsseitig zu finden: Die Haushilfe44, die mit 85 Prozent den weitaus grössten Teil der total rund 97'000 hauswirtschaftlichen Leistungsstunden pro Jahr45 ausmacht, hat in St.Gallen eine über 50-jährige Tradition46 und wird zu etwa 80 Prozent im Laiensystem erbracht. Dieser vergleichsweise hohe Anteil ist u.a. das Resultat einer in der Stadt St.Gallen gepflegten liberalen Politik, die immer explizit Wert darauf legte, das Laienengagement im Sozialbereich, wie es im Bereich der Hilfe zu Hause seit langer Zeit Tradition hat, zu fördern und zu unterstützen.47

Haushilfe im Laiensystem ist in

Das von der Pro Senectute als wichtigster Leistungserbringerin der Haushilfe praktizierte Modell eines «Sozialzeitengagements» basiert auf dem Einsatz professionell angeleiteter Laien, die gegen ein reduziertes Stundenentgelt tätig sind. Das Sozialzeitmodell trägt durch die Vielzahl persönlich Beteiligter zum Bekanntheitsgrad der Dienstleistung, aber auch zu deren Niederschwelligkeit, zu erschwinglichen Tarifen und zu einem massvollen Subventionsbedarf bei. Knapp 60'000 Stunden Haushilfe für Seniorinnen und Senioren werden jährlich im Sozialzeitengagement der Pro Senectute geleistet. Ein grosser Teil der rund 270 Sozialzeit-Engagierten sind Frauen nach der Familienphase sowie jüngere Seniorinnen. Das Geschäftsmodell der Haushilfe in Laienarbeit bringt für die Klientinnen und Klienten eine willkommene Regelmässigkeit im Tages- oder Wochenablauf. Eine Haushelferin, die sich Zeit nehmen und zu der eine langfristige und stabile Beziehung entstehen kann, stellt einen wichtigen sozialen Pluspunkt dar, der sich im Geschäftsmodell der

Sozialzeitmodell der

44

In St.Gallen wird zwischen Hauspflege und Haushilfe unterschieden. Hauspflege ist indiziert, wenn die psychosoziale Situation komplexer ist und/oder es sich um einen Haushalt mit Kindern handelt und entsprechend anspruchsvollere Aufgaben der stellvertretenden Haushaltführung wahrzunehmen sind. Die Hauspflege wird durch ausgebildete Fachkräfte ausgeführt. Haushilfe hingegen beschränkt sich auf wenig komplexe, regelmässige häusliche Arbeiten (Bsp. Wochenkehr). In der Haushilfe kann Laienpersonal eingesetzt werden, wenn dieses professionell angeleitet wird. 45 Referenzjahr: 2007. 46 Im Jahr 1958 beauftragte die Stadt St.Gallen die Pro Senectute Ortsvertretung (heute: Regionalstelle) mit dem Aufbau eines Haushilfedienstes. Mit dieser neuen Dienstleistung wollte man den Senioren bei beschwerlichen Hausarbeiten helfen, um sie im Daheim-Bleiben zu unterstützen. 47 Vgl. dazu auch Hauss, Ziegler, 2010, S.16 f.

der Bevölkerung gut verankert und wird durch die städtische Sozialpolitik gezielt gefördert

Pro Senectute

32

professionellen Spitex naturgemäss nur schwierig realisieren lässt. Der Erfolg des Sozialzeitmodells kann die hohe Hauswirtschaftsquote in der Stadt St.Gallen zumindest teilweise erklären. «Spitex aus einer Hand» in St.Gallen nur teilweise umgesetzt

Langer Weg bis zur akzeptierten Arbeitsteilung

Gute Ausgangslage in der Hilfe zu Hause für «ambulant vor stationär»

Ambulante Pflege wird immer wichtiger

Das vom Spitex Verband Schweiz geprägte und vom Bundesamt für Sozialversicherungen unterstützte Ziel einer «Spitex aus einer Hand», hat in den meisten anderen Städten und Kantonen eine deutlichere Verlagerung von der Hilfe hin zur Pflege und vom Laienengagement hin zum professionellen Versorgungssystem bewirkt – samt entsprechenden Kostenfolgen. Es steht in einem gewissen Widerspruch zur hiesigen Praxis und Wertschätzung der Laienarbeit und wurde in der Stadt St.Gallen daher nur teilweise umgesetzt. Das heutige städtische Versorgungssystem der Hilfe und Pflege zu Hause besteht aus vier «klassischen» Spitex-Organisationen als Vollversorger im Berufssystem einerseits und zwei dem Sozialwesen zuzurechnenden Organisationen als Teilversorger im Laiensystem anderseits. Mit der Rahmenleistungsvereinbarung 2010-2011 ist eine Aufgabenteilung nach dem Grundsatz der Subsidiarität zustande gekommen, die das Potenzial hat, die seit längerer Zeit bestehende Konfliktsituation zwischen den Leistungserbringern dauerhaft aufzulösen. So sind die Pflegeleistungen sowie die komplexe Hauspflege das Kerngeschäft der Spitex-Vereine, während die primäre Zuständigkeit für die einfache Haushilfe bei den beiden im Laiensystem organisierten Leistungserbringern liegt. Einfache Haushilfe bzw. einfache Grundpflegeleistungen werden jeweils nur subsidiär erbracht, wenn auf diese Weise der Beizug eines zweiten Dienstleisters vermieden werden kann. Die Anstrengungen zur Beibehaltung und Stärkung der Laienarbeit könnten sich angesichts der demografischen Entwicklung als lohnende Investition erweisen. Die überdurchschnittlich gute Versorgung mit Leistungen der Hilfe zu Hause und das noch vorhandene Potenzial für den Ausbau des Laienengagements in der Haushilfe für Senioren bilden eine tragfähige Ausgangslage für die Umsetzung des Grundsatzes «ambulant vor stationär». Dies wird es künftig noch mehr älteren Menschen ermöglichen, mit der nötigen niederschwelligen Unterstützung länger selbstbestimmt im eigenen Haushalt zu leben. Die Bedeutung der ambulanten Pflege innerhalb des Gesundheitswesens wird in den kommenden Jahren stark zunehmen. Dies einerseits wegen der Umstellung der Spitalfinanzierung auf Fallpauschalen, anderseits aufgrund der demografischen Entwicklung, gepaart mit einem stärker ausgeprägten Autonomiewunsch in der älteren und pflegebedürftigen Bevölkerung. Dies erfordert bedeutende Entwicklungsschritte in der Hilfe und Pflege zu Hause, sowohl im Leistungsbereich als auch

33

bei den Strukturen. Die Trägervereine mit ihren ehrenamtlichen Vorständen stehen somit grossen Herausforderungen gegenüber. Im Bereich der Leistungen steht im Hinblick auf die Einführung der Fallpauschalen in den Akutspitälern per 2012, aber auch wegen der erwünschten Verlagerung von der stationären hin zur ambulanten Langzeitpflege, ein Ausbau zur Diskussion. Dabei geht es einerseits um die Ausweitung der Betriebszeiten und damit die bessere Verfügbarkeit der Dienste in der Nacht und am Wochenende. Anderseits geht es um die kontinuierliche Erhöhung des Kompetenzniveaus im Pflegebereich zu bestimmten Themen oder für spezifische Zielgruppen. Auch Prozessoptimierungen, Verbesserungen in der Zusammenarbeit mit den Spitälern und in der Logistik sind nötig, um dem erwarteten Volumen- und Komplexitätszuwachs gerecht zu werden.

Erhöhung der Verfügbarkeit,

Die erwartete künftige Entwicklung gibt auch Anlass, die heutigen Führungs- und Organisationsstrukturen zu hinterfragen. Eine erste Fusionswelle fand Ende der 1990er-Jahre statt. Der Konzentrationsprozess bei den Vollversorgern (Spitex-Vereine) ist mit heute vier unabhängigen Leistungserbringern, die sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene erst punktuell und unverbindlich zusammenarbeiten, aus städtischer Sicht noch nicht abgeschlossen. In den Bereichen Führung, Organisation, Administration, Einkauf, Logistik sowie in der Aus- und Weiterbildung liegen ungenutzte Synergiepotenziale, die es mittelfristig zu erschliessen gilt, um die Versorgung der St.Galler Bevölkerung mit qualitativ hoch stehenden, effizient erbrachten Dienstleistungen der Hilfe und Pflege zu Hause sicherzustellen.

Konzentrationsprozess bei den

Ähnlich wie in den Alters- und Pflegeheimen zeichnet sich in den beauftragten Spitex-Organisationen wegen einer grossen Anzahl Mitarbeitender, die sich dem Pensionierungsalter nähern, gepaart mit der allgemeinen demografischen Entwicklung, ein gravierendes Personalproblem ab. Die Stadt erwartet von ihnen, dass sie sich nach Kräften in der Berufsbildung engagieren und unterstützt sie, indem sie die anfallenden finanziellen und personellen Aufwendungen pro Ausbildungsplatz durch Pauschalbeiträge kompensiert.

Städtische Förderung der

5.2.2

Prozessoptimierung und gezielte fachliche Weiterentwicklung im Pflegebereich

Spitex-Vereinen ist noch nicht abgeschlossen

Berufsbildung im Gesundheitswesen

Weitere Hilfe- und Betreuungsangebote

Grundsätzlich kann von einer guten Versorgungslage im Bereich Sozialberatung ausgegangen werden. Die Stadt St.Gallen unterhält mit der Pro Senectute Regionalstelle St.Gallen eine Leistungsvereinbarung für Sozialberatung in den Bereichen Finanzen, Wohnen, Gesundheit, Recht und Lebensgestaltung. Zudem ist die städtische AHV-Zweigstelle eine wichtige Anlaufstelle, insbesondere, wenn es um Fragen im Zusammenhang mit den Sozialversicherungen geht. Die Inanspruchnahme von Sozialberatungen bei der Pro Senectute Regionalstelle St.Gallen ist in

Beratung: Sozialberatung durch die Pro Senectute, Sozialversicherungsberatung bei der AHV-Zweigstelle

34

den letzten Jahren angestiegen. Im Jahr 2008 nutzten rund 1’200 Personen oder 7,5 Prozent der über 60-Jährigen dieses Angebot. Unausgeschöpfte Kapazitäten bei den Tagesheimen aufgrund ungeklärter Finanzierungsfrage

Zukünftig grosse Lücken bei Entlastungsangeboten für pflegende Angehörige

Angehörigengruppen und -seminare

Tages- und Nachtstätten, Ferienplätze

Case Management

Wenn man die Schätzwerte über betreuende Angehörige heranzieht (siehe Kapitel 5.1.1), ist davon auszugehen, dass Lücken im Angebot der Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige (Tagesheime, Entlastungsplätze, Nachtbetten) bestehen. Trotzdem wies eine Expertenumfrage im Jahr 200848 auf unausgeschöpfte Kapazitäten bei den Tagesheimen hin. Dies ist einerseits auf die ungeklärte Finanzierungsfrage zurückzuführen, denn die Hauptkosten dieser halbstationären Angebote müssen von den Betroffenen mehrheitlich selber getragen werden. Anderseits hat es auch damit zu tun, dass pflegende Angehörige eine psychologische Hemmschwelle haben, diese Angebote zu beanspruchen. Eine vom Amt für Gesellschaftsfragen durchgeführte Expertenbefragung49 ergab, dass das Platzangebot für kurz- und mittelfristige Aufenthalte als Entlastung für pflegende Angehörige besonders im Hinblick auf den künftigen Bedarf als zu klein und lückenhaft eingeschätzt wird. Es wurde angeregt, den Ausbau von Entlastungsangeboten im Hinblick auf die Einführung der Fallpauschalen im Akutbereich zu prüfen und die diesbezüglichen Finanzierungsfragen zu klären. Ausserdem wurde als weiteres Entlastungsangebot die Weiterführung von Angehörigengruppen empfohlen. In diesen Selbsthilfegruppen haben pflegende Angehörige die Möglichkeit, Erfahrungen mit Gleichbetroffenen auszutauschen. In einem Pilotprojekt in St.Gallen50 konnte der Bedarf solcher Angebote ausgewiesen werden. Mangels Finanzierung war eine Weiterführung jedoch nicht möglich, denn Angehörigengruppen sind professionell zu begleiten und zu führen. Es wurde auch auf die Memory-Klinik der Geriatrie hingewiesen, welche regelmässig thematische Seminare für pflegende Angehörige anbietet. Entlastungsangebote in ausgedehnter Form (ganze Tage, Nächte) zusätzlich zu den stundenweisen Diensten halten die befragten Fachleuten für wünschenswert. Allerdings sei auch hier zuerst die Finanzierung zu klären: Müssten die Betroffenen diese Angebote selber bezahlen, würden sie trotz ausgewiesenen Bedarfs zu wenig genutzt. Für sehr komplexe Betreuungssituationen halten Fachleute ein professionelles Case Management für nutzbringend. Dieses soll die Betroffenen und ihre Angehörigen kompetent beraten und begleiten, indem es

48

Vgl. Beantwortung der Interpellation von Maria Huber-Kobler: Unterstützung von pflegenden Angehörigen vom 23.10.2008, Nr. 4979. 49 Es wurden Fachpersonen befragt, die in Sozialdiensten in der Stadt St.Gallen tätig sind. 50 Vgl. Dörig, J., 1997.

35

die unterschiedlichen Dienstleistungen und Zuständigkeiten plant, koordiniert und überwacht.

5.3

Stationäre Angebote

5.3.1

Heimplätze und Belegung der Heime

Die insgesamt 20 städtischen Alters- und Pflegeheime sind mehrheitlich privatrechtliche Betriebe, lediglich drei sind öffentlich-rechtliche Organisationen.51 Insgesamt verfügten die Heime per 1. Januar 2008 über 1’342 Plätze, davon sind 12 Kurzzeitplätze. 1’280 Plätze waren belegt. In nahezu allen Heimen konnte 2007 eine Auslastung von über 90 Prozent erzielt werden, im Durchschnitt 95,4 Prozent. Das Angebot hat sich seit 2002 um 5 Heimplätze erhöht, die Anzahl belegter Plätze per Stichtag 31.12.2007 aber um 20 verringert. Gegenüber der letzten Erhebung im Jahr 2002 sind Ende 2007 insgesamt mehr Ein- und Austritte zu verzeichnen. Dies bedeutet, dass sich in diesem Zeitraum die durchschnittliche Aufenthaltsdauer reduziert hat. 31.12.2007 Städtische Alters- und Pflegeheime Alters- und Pflegeheim Hof Riedern Alters- und Pflegeheim Lindenhof Alters- und Pflegeheim Notkerianum Altersheim Rotmonten Altersheim Singenberg Alterszentrum am Schäflisberg Betagtenheim Halden Altersheim Bürgerspital St.Gallen Pflegeheim Bürgerspital St.Gallen Evangelisches Pflegeheim Bruggen Evangelisches Pflegeheim Heiligkreuz GHG Marthaheim Betagtenheim Pflege- u. Betagtenheim Josefshaus Kursana Residenz am Spisertor OBV Blinden-Alters- und Pflegeheim Pflegeheim St.Otmar Verein Altersheime Sömmerli

51

52

Anz. davon Plätze belegt 20 16 105 102 80 79 55 51 57 53 98 94 63 57 54 54 66 58 100 96 85 74 44 42 75 75 64 67 62 55 83 80 125 121

2007 Eintritte 3 55 48 17 17 22 10 17 60 52 42 4 22 16 11 33 22

200752

Aus- ∅ Aufenthalt tritte in Jahren 4 5,5 58 3,2 46 3,5 16 3,7 20 3,0 18 6,4 10 5,8 16 3,5 69 2,9 50 3,2 46 3,9 6 5,5 21 3,6 13 4,2 16 5,7 35 3,0 20 4,8

Städtisches Wohnheim für Betagte Riederenholz, Altersheim und Pflegeheim Bürgerspital (Trägerschaft Ortsbürgergemeinde St.Gallen). Die ∅ Aufenthaltsdauer 2007 basiert auf einer anderen Berechnung als im Jahr 2002, weshalb diese Werte nicht miteinander verglichen werden können. Berechnet man die ∅ Aufenthaltsdauer für 2007 analog zu 2002, reduziert sich diese von 3,1 im Jahr 2002 auf 2,7 im Jahr 2007.

Kennzahlen zu Angebot, Belegung und Auslastung per 31.12.07 bzw. für das Jahr 2008

Tabelle 7: Belegung der Altersund Pflegeheime in der Stadt St.Gallen (SOMED) per 31.12.2007 bzw. 2002

36

31.12.2007 Städtische Alters- und Pflegeheime Wohn- und Pflegehaus Wienerberg Wohnheim für Betagte Riederenholz Wohnheim Genossenschaft Raphael Total per 31.12.2007 Total per 31.12.2002

5.3.2 Anpassungsbedarf beim Erhebungsinstrument für die Wartelisten

Erkenntnisse aus der Wartelistenerhebung

Tabelle 8: Zusammenzug Wartelistenerhebungen seit September 2008

Matching-Problem bei der

Eintritte 9 7 3 470 415

200752

Aus- ∅ Aufenthalt tritte in Jahren 9 3,9 5 5,1 2 5,8 480 4,1 431 -

Wartelisten der städtischen Heime

Die Datenerhebung über die Wartelisten der städtischen Betagtenheime liefert wertvolle Angaben für die Bedarfsplanung. Können die Daten laufend und zuverlässig erfasst werden, lässt sich der Trend in Bezug auf die Anzahl Personen ableiten, die dringend auf einen Platz angewiesen sind bzw. sich verbindlich angemeldet haben. Das Formular der Wartelistenerhebung ist in den vergangenen Jahren nach dem Grundsatz «so wenig wie möglich, so viel wie nötig» mehrfach angepasst worden, um die Verantwortlichen in den Heimen nicht übermässig zu beanspruchen und doch zu aussagekräftigen Daten zu gelangen. Tabelle 8 zeigt die Anzahl Personen, die auf Wartelisten registriert sind. Dargestellt sind nur die Daten der letzten vier Erhebungen ab Ende September 2008. Ein Vergleich mit früheren Daten ist aus erhebungstechnischen Gründen nicht sinnvoll. Im Beobachtungszeitraum lässt sich eine rückläufige Tendenz der angemeldeten Personen und dringend Pflegebedürftigen erkennen, gleichzeitig aber eine Zunahme auswärtiger Anmeldungen und freier Plätze in den Heimen. So waren Ende August 2009 79 Personen angemeldet, davon 9 Auswärtige. 18 Personen waren dringend pflegebedürftig. Die Anzahl freier Plätze in den Heimen, die sich an der Umfrage beteiligten und eine Warteliste führten, betrug 17. Anzahl angemeldete Personen Stichtag angedavon meldet auswärtig

30.09.2008 31.12.2008 30.04.2009 31.08.2009

Belegung von Heimplätzen

Anz. davon Plätze belegt 65 65 26 26 15 15 1’342 1’280 1’337 1’300

2007

78 76 67 79

5 10 12 9

dringend pflegebedürftig

33 24 18 18

verbindlich eintrittswillig in den nächsten 3 Monaten 30 40 43 55

Anzahl freie Plätze in allen Heimen 11 17 26 17

Anzahl Heime ohne Rückmeldung 5 2 2 2

Bei der Belegung der Heimplätze stellt sich ein Matching-Problem: Die freien Plätze in den Heimen stimmen teilweise nicht mit den Vorstellungen und Bedürfnissen der angemeldeten Personen überein, so dass

37

eine Anzahl von freien Plätzen in den Heimen bestehen bleibt, obwohl angemeldete Personen auf einen Platz warten.

5.3.3

Aktuelle Nutzung der Heimplätze im Vergleich mit den Vorjahren

Gemäss Tabelle 9 sind die belegten Heimplätze in der Stadt St.Gallen innerhalb von zehn Jahren zwischen 1988 und 1998 um 27 gestiegen und danach bis 2008 wieder um 24 gesunken. Die Anzahl belegter Heimplätze im Jahr 2008 entspricht somit etwa der Situation vor zwanzig Jahren. Zählt man die in auswärtigen Heimen unterbrachten Personen aus der Stadt St.Gallen und die in Heimen als dringend angemeldeten Personen dazu, ergibt sich allerdings eine tiefere Anzahl als damals. Bereinigt um jene Heimbewohnenden, die früher nicht in der Stadt St.Gallen wohnhaft gewesen sind, ist das Total der Heimbedürftigen der Stadt St.Gallen in den letzten 20 Jahren von 1’356 auf 1’167 Personen gesunken. Die Anzahl der auswärtigen Heimbewohnenden in der Stadt St.Gallen war im gleichen Zeitraum gewissen Schwankungen unterworfen. Zu beachten ist aber, dass für die Zeit vor 2008 Doppelzählungen bei den angemeldeten Personen nicht ausgeschlossen werden können. Wird dieser Umstand berücksichtigt, ist von einer weniger starken Abnahme der Anzahl Heimbedürftiger in der Stadt St.Gallen zwischen 1988 und 2008 auszugehen. 1988

1993

1998

2003

2008

Belegte Heimplätze in der Stadt St.Gallen

1’277

1’293

1’304

1’294

1’280

In auswärtigen Heimen untergebrachte Personen*

52

65

67

80

13

In Heimen der Stadt St.Gallen als dringend angemeldete Personen

162

145

56

186

12

1’491

1’503

1’427

1’560

1’315

135

150

131

178

148

1’356

1’353

1’296

1’382

1’167

Zwischentotal Heimbewohnende, die früher nicht in der Stadt St.Gallen wohnhaft gewesen sind Total Heimbedürftige der Stadt St.Gallen

*Erhebung wurde modifiziert, ab 2008 «Wochenaufenthalter in auswärtigen Heimen», davor «alle Wochenaufenthalter», auch privat Wohnende.

Belegte Heimplätze seit 20 Jahren relativ stabil

Tabelle 9: Aktueller Bedarf an Heimplätzen im Vergleich mit den Vorjahren

38

5.3.4

Abnahme der über 80-Jährigen um 1,7 % seit 2002

Anteil der NichtPflegebedürftigen um 7,4 % gesunken

BESA-Index als Mass für die durchschnittliche vorherrschende Pflegebedürftigkeit in einer Institution

Alter und Schweregrad der Pflegebedürftigkeit der Heimbewohnenden

Fast unverändert im Vergleich zu den Erfassungsjahren 1998 bzw. 2002 zeigt sich gemäss SOMED-Statistik die Altersverteilung der Heimbewohnerinnen und –bewohner. Seit 2002 kann eine leichte Abnahme von 1,7 Prozent bei den über 80-Jährigen zu Gunsten der jüngeren Altersklassen verzeichnet werden. Dieser gegen den Trend laufende Sachverhalt kann darauf zurückgeführt werden, dass aufgrund von sozialen und medizinischen Fortschritten mehr behinderte bzw. pflegebedürftige Menschen das AHV-Alter erreichen. Für die Erfassung der Pflegebedürftigkeit wird meist mit dem BESA53System gearbeitet. Dieses unterscheidet vier Stufen der Pflegebedürftigkeit (je höher, desto umfangreicher der Pflegebedarf). Ist die BESAStufe mit 0 angegeben, benötigt die betreffende Person im täglichen Leben keine Pflege und Unterstützung. Tabelle 10 zeigt die Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner der einzelnen Heime gemäss ihrer BESA-Einstufung im Jahresmittel 2007. 403 Personen oder rund 31 Prozent aller Bewohnenden gelten als eigentliche Pensionäre und benötigen keine bis wenig Unterstützung (BESA-Stufen 0 und 1). 891 Personen oder rund 69 Prozent sind mittel bis schwer pflegebedürftig. Im Vergleich zu 2002 hat die Pflegebedürftigkeit markant zugenommen: In den BESA-Stufen 1 bis 4 sind durchgehend höhere Werte zu verzeichnen, während der Anteil der Nicht-Pflegebedürftigen (BESA 0) um 7,4 Prozent abgenommen hat. Der eigens für die vorliegende Planung gebildete BESA-Index zeigt die durchschnittliche BESA-Einstufung in einer Institution. Der durchschnittliche BESA-Index aller Institutionen lag im Jahresmittel 2007 bei 2,26 Punkten und hat sich damit gegenüber 2002 (2,07) um fast zwei Zehntelpunkte erhöht. Im Durchschnitt ist also der Pflegebedarf der Heimbewohnenden in der Stadt St.Gallen zwischen 2002 und 2007 um 9 Prozent gestiegen. Dies bedeutet auch eine gestiegene Nachfrage nach Fachpersonal im Gesundheitswesen. In Erwartung der Fortsetzung dieser Entwicklung und ganz besonders angesichts der unausgewogenen Altersstruktur beim Heimpersonal54 zeichnet sich ab, dass die Rekrutierung von Fachpersonal im Gesundheitswesen zur grossen Herausforderung für die Heime werden wird.

53

BESA steht für «Bewohner/innen Einstufungs- und Abrechnungssystem». Bisher wurde mit der vierstufigen Einteilung gearbeitet, seit 1. Januar 2009 sind die Krankenversicherungs-Tagespauschalen im Kanton St.Gallen mit dem 12-stufigen BESA (Stufen 1a bis c, 2a bis c, 3a bis c, 4a bis c) oder neu mit dem ebenfalls 12-stufigen Einstufungssystem RAI/RUG abzurechnen. 54 Vgl. Jaccard Ruedin, Weaver, 2009.

39

Städtische Alters- und Pflegeheime 2007 Alters- und Pflegeheim Hof Riedern Alters- und Pflegeheim Lindenhof Alters- und Pflegeheim Notkerianum Altersheim Rotmonten Altersheim Singenberg Alterszentrum am Schäflisberg Betagtenheim Halden Altersheim Bürgerspital St.Gallen Pflegeheim Bürgerspital St.Gallen Evangelisches Pflegeheim Bruggen Evangelisches Pflegeheim Heiligkreuz GHG Marthaheim Betagtenheim Pflege- und Betagtenheim Josefshaus Kursana Residenz am Spisertor OBV Blinden- Alters- und Pflegeheim Pflegeheim St.Otmar Verein Altersheime Sömmerli Wohn- und Pflegehaus Wienerberg Wohnheim für Betagte Riederenholz Wohnheim Genossenschaft Raphael Total Bewohnende / BESA Stufe in % im Jahresmittel 2007 in % per Stichtag vom 30.06.2002 Durchschnittlicher BESA-Index 2007 Durchschnittlicher BESA-Index 2002

Anzahl Bewohnende pro BESA-Stufe 0 1 3 5 11 17 5 11 6

1 2 3 4 1 2 1 12 25 19 24 33 9 19 16 29 15 11 9 5 17 10 7 2 23 23 19 25 12 15 6 13 22 17 4 1 14 20 26 2 6 16 31 39 7 17 24 32 1 10 13 6 11 6 17 25 27 24 13 8 8 11 7 16 14 13 9 7 24 24 27 36 37 27 10 8 11 19 13 9 11 6 5 8 4 1 3 6 2 3 146 254 293 262 324 11,4 19,9 22,9 20,5 25,3 18,8 19,0 18,0 19,6 24,5

Anz. Bewohnende total 17 104 78 51 53 95 57 49 61 94 80 41 75 64 59 82 118 63 24 14

5.4

Geplante Angebote und Projekte inner- und ausserhalb der Stadt

5.4.1

Innerhalb der Stadt

BESAIndex55 3,29 2,57 2,71 1,65 1,25 2,38 1,96 1,39 3,16 3,05 3,01 2,39 2,97 1,52 2,02 2,87 1,30 1,84 1,54 2,36

2,26 2,07

Im Jahre 2008 wurde das Pflege- und Betagtenheim Josefshaus in der Kreuzbleiche von der Gemeinnützigen- und Hilfsgesellschaft der Stadt St.Gallen (GHG) übernommen, die bereits das Marthaheim an der Davidshalde betreibt. Das Marthaheim mit seinen 44 Plätzen ist sanierungsbedürftig. Die GHG erhofft sich Synergien und insbesondere die Möglichkeit, die Aktivitäten des Marthaheims auf dem Grundstück des Josefshauses weiterzubetreiben. Die beiden Heime weisen unter-

55

Tabelle 10: Anzahl Bewohnende in BESA-Stufen (SOMED) im Jahresmittel 2007

Der BESA-Index ist ein Mass für die Pflege und Betreuung, die ein durchschnittlicher Bewohner einer bestimmten Institution benötigt (Anzahl Bewohnende pro BESA-Stufe mal BESA-Stufe durch Anzahl Bewohnende total).

Marthaheim und Josefshaus

40

schiedliche Konzepte auf und richten sich an verschiedene Zielgruppen. Von einer Fusion der beiden Institutionen wurde daher abgesehen. Die Planungsarbeiten laufen. Zur Finanzierung des Vorhabens plant die GHG den Verkauf des Marthahauses. Tagesstruktur und Alterswohnungen für Betagte mit mediterranem Migrationshintergrund

Eine mögliche Neunutzung des Marthahaus an der Davidshalde zeichnet sich durch das Projekt «Casa Media» der Associazione Aiuto Anziani (A. A. A.) ab: Während das Erdgeschoss mit dem bisherigen Restaurant Davidshalde von der A. A. A. als Tagesstruktur für Betagte mit mediterranem Migrationshintergrund genutzt werden soll, könnten die bisherigen Pensionärszimmer in den oberen Geschossen zu kostengünstigen Alterswohnungen für dieselbe Zielgruppe umgebaut werden. Damit würde in der Stadt St.Gallen ein erstes spezifisches Angebot für Betagte mit Migrationshintergrund entstehen.

Betreutes Wohnen im Westen

Ein Angebot des Betreuten Wohnens soll im Westen der Stadt entstehen: Die Evangelische Kirchgemeinde Straubenzell beabsichtigt, auf dem Areal südlich der Kirche Bruggen eine Überbauung für Betreutes Wohnen zu realisieren. Es wird geprüft, ob der am jetzigen Standort an der Hungerbühlerstrasse unter Platznot leidende Betrieb der Spitex West neue Betriebsräumlichkeiten in der gleichen Liegenschaft beziehen kann.

Betreutes Wohnen im

Im Riethüsliquartier bemühen sich Quartierverein und Kirchgemeinden seit längerer Zeit um die Bereitstellung von Infrastrukturen, die älteren Menschen den Verbleib im angestammten Wohnquartier ermöglichen. In diesem Zusammenhang wurde dem Stadtrat im Mai 2009 eine Petition eingereicht. Zurzeit ist ein Projekt für die Erstellung einer Überbauung mit einem Angebot für Betreutes Wohnen in Planung, wobei für einen Teil der Räumlichkeiten quartiernahe Nutzungen vorgesehen sind.

Quartier Riethüsli

Verschiedene Sanierungs- und Umbauprojekte in bestehenden Heimen

In verschiedenen Heimen planen die jeweiligen Trägerschaften Sanierungs- und Umbauarbeiten. Dabei geht es primär um die Werterhaltung und Erneuerung der bestehenden Infrastrukturen und um deren Anpassung an die sich verändernden Bedürfnisse. So werden Mehrbettzimmer häufig zu Einzelzimmern umgebaut und mit eigenen sanitären Anlagen (Dusche/WC) ergänzt. Auch steigt der funktionale Raumbedarf aufgrund der zunehmend pflegebedürftigen Bewohnerschaft (Stationszimmer, Vorratsraum für Medizinalprodukte).

5.4.2 Geplante stationäre Angebote in der Region beeinflussen Bedarf an Heimplätzen

In der Region

Die Belegung in städtischen Heimen durch Personen aus anderen Gemeinden und Kantonen unterliegt gewissen Schwankungen. Daher stellt Tabelle 11 nur eine Momentaufnahme dar. Dennoch ist zu erwarten, dass zusätzliche stationäre Angebote in der näheren Umgebung der

41

Stadt St.Gallen künftig und insgesamt einen Einfluss auf den städtischen Bedarf an Heimplätzen haben. Eine Umfrage bei den umliegenden Gemeinden ergab, dass vielerorts ein Ausbau der stationären Angebote geplant ist (vgl. Tabelle 11). Mindestens 210 neue Heimplätze sollen in den nächsten fünf Jahren realisiert werden. Teils besteht grosser Nachholbedarf, teils kompensiert das zusätzliche Angebot die demografisch bedingte grössere Nachfrage. Es ist daher davon ausgehen, dass die Nachfrage nach städtischen Heimplätzen durch Auswärtige nicht wesentlich sinkt. Gemeinde

Anzahl belegte Plätze in städtischen Heimen per 31.12.2007

Erweiterung des derzeitigen Angebotes um Anzahl Plätze

Realisierungszeitraum

Wittenbach Mörschwil Gaiserwald Gossau

29 15 12 10

5 Jahre 5 Jahre 2 bis 5 Jahre unklar

Wil Rorschach

9 6

Andwil

3

Waldkirch Flawil

2 1

ca. 60 Plätze 50 40 mind. 40 Plätze 20 Plätze sowie 20 bis 30 Pflegewohnungen keine keine (Verbund mit Gossau) keine (Verbund mit Gossau) keine

5.5

umliegenden Gemeinden geplant

Tabelle 11: Erweiterungspläne der stationären Angebote in Gemeinden, Stand: März 2009

1 bis 5 Jahre

Lücken im bestehenden Versorgungssystem56

Eine schriftliche Befragung der städtischen Heime und der zuweisenden Stellen in den Spitälern (Sozialdienste, Übergangspflege) im Jahr 2007 sowie der Leistungserbringer der Hilfe und Pflege zu Hause in der Stadt St.Gallen im Jahr 2008 hatte zum Ziel, Aufschluss darüber zu erhalten, welche stationären und ambulanten Situationen von «Personen mit hohem und sehr komplexem Betreuungsbedarf» besonders herausfordernd sind und in der Folge erhöhte Anforderungen an die Infrastruktur sowie an die Qualifikation und Verfügbarkeit des Personals in den Heimen und in der ambulanten Versorgung stellen. Als Beobachtungszeitraum wurden die jeweils zurückliegenden zwei Jahre gewählt. Im Hinblick auf die Versorgungslage interessierte, ob und welcher Handlungsbedarf aus den Ergebnissen abzuleiten ist.

56

210 stationäre Plätze in

Vorarbeiten einer Unterarbeitsgruppe der AG Stationäre Altershilfe für die Bedarfsplanung 2010 – 2025: «Personen mit hohem und sehr komplexem Betreuungsbedarf».

Wie ist die Situation von Personen mit hohem und komplexem Betreuungsbedarf?

42

Nicht optimal abgedeckt: Dienstleistungen für Menschen mit gerontopsychiatrischen Diagnosen und mit Sucherkrankungen

Zentrale Forderung: Überwindung der Abgrenzung zwischen stationär und ambulant

Zwei ungenügend koordinierte Versorgungssysteme für die gleiche Zielgruppe

Bedarf an Entlastungs- und Überbrückungsangeboten ist nicht gedeckt

Aus Sicht der Fachleute konnte festgestellt werden, dass für die überwiegende Mehrheit der jüngeren und älteren Betreuungs- und Pflegebedürftigen grundsätzlich adäquate ambulante und stationäre Angebote zur Verfügung stehen. Die Umfrageergebnisse wiesen aber auch darauf hin, dass es an den Rändern der Dienstleistungssysteme «Heim» und «Hilfe und Pflege zu Hause» eine beachtliche Anzahl Betreuungsbedürftige gibt, deren Versorgung mit den vorhandenen Angeboten nicht optimal abgedeckt werden kann. Die grössten und in der Betreuung herausforderndsten beiden Gruppen sind die Menschen mit gerontopsychiatrischen Diagnosen bzw. mit Suchterkrankungen. Aus den gewonnenen Erkenntnissen wurde als zentrale Forderung abgeleitet, dass die Abgrenzung zwischen stationären und ambulanten Angeboten der Langzeitpflege, also der Heime einerseits und der Hilfe und Pflege zu Hause anderseits, zu überwinden sei. Die getrennte Betrachtung beider Bereiche, welcher nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Finanzierung (Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, obligatorische Krankenversicherung, private Zusatzversicherungen, soweit vorhanden) Vorschub geleistet wird, führt zu Abstimmungsproblemen, zu Konkurrenzdenken und zu einer ineffizienten Nutzung der vorhandenen Ressourcen. Sie belastet die betroffenen Patientinnen und Patienten und deren Angehörige, aber auch das Gemeinwesen. Sowohl die ambulanten als auch die stationären Angebote richten sich an die gleiche Zielgruppe, nämlich pflege- und betreuungsbedürftige Menschen und deren Angehörige. An ihren Bedürfnissen ist die Versorgung auszurichten. Der bisher vorherrschende institutionelle Fokus ist zu Gunsten eines Versorgungssystems zu überwinden, das sich an den originären Bedürfnissen der Zielgruppe ausrichtet. Dementsprechend gilt es, aus den verschiedenen Angeboten die auf die individuelle Situation passende Kombination von Diensten zu eruieren und abzurufen. Inwieweit es dazu ein übergeordnetes Case Management braucht, ist zu prüfen. Unbestritten ist hingegen der Bedarf an zusätzlichen Überbrückungsund Entlastungsangeboten. Diese stärken das informelle Betreuungssystem und tragen dazu bei, eine individuell oft unerwünschte und zuweilen auch volkswirtschaftlich nicht sinnvolle Heimplatzierung hinauszuzögern, zu vermeiden oder lediglich als temporäre Entlastung zu nutzen. Rasche und pragmatische Lösungen werden in diesem Bereich zurzeit vor allem von der ungelösten Finanzierungsfrage behindert. Nachstehend eine Zusammenstellung der Wünsche und Erwartungen der befragten lokalen Fachpersonen: - Verbesserung der Kooperation zwischen den Leistungserbringern. Synergien sollen erkannt und gezielt genutzt werden.

43

- Schaffung zusätzlicher Angebote zur Entlastung pflegender Angehöriger. Dazu gehören Tages- und Nachtstätten, Angebote für stationäre Kurzaufenthalte und ein flächendeckender Nacht- oder mindestens ein Pikettdienst im ambulanten Bereich. - Klärung der Finanzierung: Entlastungsangebote für Angehörige werden nur genutzt, wenn die Finanzierungsfrage geklärt ist. Für zahlreiche Betroffene sind die wenigen vorhandenen Angebote nicht erschwinglich. - Bereitstellung von abrufbarem Expertenwissen für professionelle Betreuende, z.B. in Form einer Helpline für Heime und Organisationen der Hilfe und Pflege zu Hause, damit Pflegebedürftige auch bei komplexem Betreuungsbedarf angemessen betreut werden können. - Bereitstellung von sozialarbeiterischem Fachwissen in Form von fallbezogenen Einzelberatungen, Interventionen und Case Management für Heime und Organisationen der Hilfe und Pflege zu Hause, wenn der Problemschwerpunkt auf sozialen Aspekten liegt (z.B. DrehtürPatienten, belastende Sozialbeziehungen, Konfliktsituationen, Überforderung von Angehörigen). - Schaffung von Einheiten des «Geschützten Wohnens» für «Personen mit hohem und sehr komplexem Betreuungsbedarf aufgrund einer gerontopsychiatrischen Diagnose und/oder einer Suchterkrankung». - Förderung des Betreuten Wohnens nach definiertem Standard als ergänzendes Konzept zu den traditionellen stationären Wohnformen. - Auf überregionaler Ebene: Schaffung einer spezialisierten Pflegeeinrichtung für die Zielgruppe jüngerer, an Demenz erkrankter Menschen. - Entwicklung vorausblickender Strategien und Massnahmen angesichts der bevorstehenden Neuerungen bei der Finanzierung von Spitalaufenthalten, der Übergangs- und der Langzeitpflege (Pflegefinanzierung, Fallpauschalen): Spitalaustritte erfolgen künftig früher, die fachlichen und zeitlichen Anforderungen an die nachsorgenden Stellen steigen. Daher Installation einer Arbeitsgruppe, die den Bedarf, den Weg und die Strukturen für ein Dienstleistungsnetzwerk «Betreuungs- oder pflegebedürftig leben in St.Gallen – morgen» systematisch und lösungsorientiert bearbeitet. Diese Nennungen sind in die empfohlenen Massnahmen (vgl. Kapitel 7) eingeflossen.

45

6

Bedarf

6.1

Vergleich Bevölkerungsstatistik und Nutzung ambulanter Angebote

Die Statistik der Hilfe und Pflege zu Hause in der Stadt St.Gallen zeigt, dass drei Viertel der Kundinnen und Kunden im Pensionsalter sind. Gerade einmal ein Prozent der Bevölkerung unter 65 Jahren beansprucht Leistungen der Hilfe und Pflege zu Hause, während es bei der Altersgruppe 65 bis 79 knapp zehn Prozent sind und bei den über 80-Jährigen schliesslich fast 24 Prozent. Die Betagten und insbesondere die Hochaltrigen sind demnach die zentrale Anspruchsgruppe der Hilfe und Pflege zu Hause.

Bevölkerung pro Altersklasse Kundinnen und Kunden der Hilfe und Pflege zu Hause pro Altersklassen Anteil Kundinnen und Kunden der Hilfe und Pflege zu Hause in der jeweiligen Altersklasse

6.2

bis 65 J. 57'977

65 bis 79 J. 8'544

über 80 J. 4'190

Total 70'711

601

825

997

2’423

1,04 %

9,66 %

23,79 %

3,43 %

Drei Viertel sind über 65 Jahre alt

Tabelle 12: Anteil Kundinnen und Kunden der Hilfe und Pflege zu Hause pro Altersklasse in % (Basis 31.12.07 resp. 2008)

Vergleich Bevölkerungsstatistik und aktuelle Heimbelegung

Vergleicht man Anzahl der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner in den definierten Altersgruppen per 31.12.2007 mit den entsprechenden Bevölkerungszahlen, wird ersichtlich, dass anteilsmässig besonders hochaltrige Personen in den Heimen betreut werden. Das bestätigt die Aussage, dass die Hochaltrigkeit ein erhöhtes Risiko birgt, in ein Heim eintreten «zu müssen», denn mehr als die Hälfte der über 90-Jährigen wohnen im Heim. Insgesamt leben rund 25 Prozent der über 80-Jährigen in Betagtenheimen, der Anteil der unter 80-Jährigen ist mit rund 2,5 Prozent verschwindend klein.

Vor allem Personen über 90 Jahre leben im Heim

46

Tabelle 13: Anteil der Heimbewohnenden an der Gesamtbevölkerung, nach Altersklassen (31.12.07, SOMED)

Per 31.12.2007 Bevölkerung Anzahl Heimbewohnende Anteil der Heimbewohnenden an der Bevölkerung (PBQH)

6.3

ca. + 70 Plätze bis 2010 ca. + 150 Plätze bis 2015 ca. + 240 Plätze bis 2020 ca. + 310 Plätze bis 2025 (Basis: 1’280 Plätze Ende 2007)

< 65 65-79 J. 80-84 J. 85-89 J. > 90 J. Total > 80 J. 57'977 8'544 2'109 1'391 690 70'711 4'190 44

203

276

0,1 %

2,4 %

13,1 %

381

376

27,4 % 54,5 %

1'280

1'033

1,8 % 24,7 %

Heimplatzbedarf bei demografisch linearer Fortschreibung

Ausgehend von den aktuellen Pflegebedürftigkeitsquoten in den Heimen (PBQH) und vom Total der Heimbewohnenden von 1’280 per Ende 2007 ergibt eine demografisch lineare Fortschreibung des Heimplatzbedarfs bis 2025 eine Erhöhung des Bedarfs in Fünfjahresschritten um 69, 78, 89 resp. 76 Plätze (Tabelle 14). Die höchste Zunahme löst die Altersklasse der über 90-Jährigen aus. Der Bedarf gemäss dem aktuellen kantonalen Bedarfsrichtwert von 30,2 Prozent (brutto) liegt für alle Jahre unter dem linearen Bedarf. Die lineare Fortschreibung führt allerdings zu tendenziell überhöhten Bedarfswerten, da sie den Veränderungen in den gesundheitlichen Voraussetzungen und den Wünschen der künftigen Betroffenen bezüglich Lebens- und Wohnformen im Alter nicht Rechnung trägt. linearer Bedarf

Tabelle 14: Bedarf bei demografisch linearer Fortschreibung

57

aktuelle PBQH 2010

Bevölkerung Bedarf

2015

Bevölkerung Bedarf

2020

Bevölkerung Bedarf

2025

Bevölkerung Bedarf

57

< 65 J. 65-79 J. 80–84 J. 85-89 J. > 90 J. 0,08 %

2,38 % 13,09 % 27,39 % 54,49 %

57’772

8’638

2’054

1’566

732

46

206

269

429

399

57’494

8’917

1’988

1’383

972

46

212

260

379

530

57’070

9’311

1’959

1’317

1’158

46

222

256

361

631

56'280

9'671

2'329

1'288

1'209

45

230

305

353

659

PBQH = Pflegebedürftigkeitsquote Heime.

Bedarf Bedarfstotal richtwert

1’349

1’314

1’427

1’312

1’516

1’339

1'592

1’457

47

6.4

Heimplatzbedarf bei moderater Fortschreibung

Da aufgrund verbesserter Gesundheitsversorgung, weniger gesundheitsbelastender Berufsbiografien und medizinischer Fortschritte (siehe Kapitel 3.6) eine demografisch lineare Entwicklung des Heimplatzbedarfs und der Pflegebedürftigkeit eher unwahrscheinlich ist, wird in der Tabelle 15 eine moderate Entwicklung des Heimplatzbedarfs prognostiziert. Dabei wurde der Bedarf bei demografisch linearer Fortschreibung (Kapitel 6.3) mit den reduzierten Pflegebedürftigkeitsquoten gemäss Höpflinger und Hugentobler (siehe Kapitel 3.6, Tabelle 3)58 kombiniert. Der Bedarf an Heimplätzen bei moderater Entwicklung der Pflegebedürftigkeit erhöht sich von 2008 bis 2010 um ca. 50 Plätze und danach alle fünf Jahre um 30 bis 50 Plätze, was gegenüber der linearen Fortschreibung zu einem wesentlich tieferen Heimplatzbedarf führt. Die Berechnungen auf der Basis einer moderaten Entwicklung der Pflegebedürftigkeit in den einzelnen Altersgruppen zeigen, dass der Bedarf an Heimplätzen bei den unter 80-Jährigen relativ stabil bleibt. Bei den 80bis 90-Jährigen ist er leicht rückläufig ist und bei den über 90-Jährigen – gleich wie bei der linearen Fortschreibung – steigt er stark an. Es ist somit zu erwarten, dass die Altersklasse der ab 90-Jährigen die wachsende Gruppe darstellt, die ab 2015 das Bild in den Heimen dominieren wird. Der Bedarf gemäss kantonalem Bedarfsrichtwert liegt für alle Zeitpunkte - ausser für 2025 - tiefer als der Bedarf gemäss den Berechnungen mit einer moderaten Pflegebedürftigkeit. Grund hierfür ist die geringere vorzeitige Mortalität von behinderten oder pflegebedürftigen Menschen in der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen, die dank medizinischer Fortschritte das AHV-Alter erreichen und die im kantonalen Bedarfsrichtwert nicht berücksichtigt sind. moderater Bedarf < 65 J. 65-79 J. 80-84 J. 85-89 J. > 90 J. PBQH59 2010 Bevölkerung Bedarf PBQH 2015 Bevölkerung Bedarf

58

0,08 %

Bedarfsrichtwert

2,36 % 12,91 % 27,12 % 53,95 %

57'772

8'638

2'054

1'566

732

46

204

265

425

395

0,08 %

Bedarf total

1’334

1’314

1’374

1’312

2,30 % 12,39 % 26,44 % 52,60 %

57'494

8'917

1'988

1'383

972

46

205

246

366

511

Für das Jahr 2025 wurden die gleichen Pflegebedürftigkeitsquoten wie für 2020 verwendet, da die Schätzungen von Höpflinger und Hugentobler nur bis ins Jahr 2020 reichen. 59 PBQH = Pflegebedürftigkeitsquote Heime.

ca. + 50 Plätze bis 2010 ca. + 90 Plätze bis 2015 ca. + 140 Plätze bis 2020 ca. + 170 Plätze bis 2025 (Basis: 1’280 Plätze Ende 2007)

Tabelle 15: Bedarf bei demografisch moderater Fortschreibung

48

moderater Bedarf < 65 J. 65-79 J. 80-84 J. 85-89 J. > 90 J. PBQH 2020 Bevölkerung

0,08 %

PBQH 2025 Bevölkerung

9'311

1'959

1'317

1'158

46

209

209

340

594

0,08 %

Vergleich lineare und moderate Bedarfsentwicklung

9'671

2'329

1'288

1'209

45

211

266

324

605

1’339

1'450

1’457

Einschätzung des Bedarfs

Ein Vergleich der Ergebnisse des linearen und des moderaten Szenarios, ausgehend von der Heimbelegung per Ende 2007, zeigt, dass sich die beiden Entwicklungspfade stark unterscheiden (vgl. Tabelle 16). Legt man den zukünftigen linearen resp. moderaten Bedarf auf die Heimkapazität von 1'342 Plätzen per Ende 2007 um, zeichnet sich beim linearen Szenario im Jahr 2015 ein Mangel von 85 Plätzen ab, während das moderate Szenario nur einen zusätzlichen Kapazitätsbedarf von 32 Plätzen ergibt.

Tabelle 16: Differenz zwischen linearem / moderatem Bedarf und der Heimbelegung / Heimplätze per Ende 2007

1’421

2,18 % 11,41 % 25,14 % 50,01 %

56'280

Bedarf

6.5

2,24 % 11,89 % 25,78 % 51,29 %

57'070

Bedarf

Bedarfsrichtwert

Bedarf total

Jahr Effektiver Bedarf Differenz*

Startlinearer Bedarf moderater Bedarf punkt Ende 2010 2015 2020 2025 2010 2015 2020 2025 2007 1'280 1'349 1'427 1'516 1'592 1'334 1'374 1'421 1'450 0

-69

-147

-236

-312

-54

-94

-141

-170

+62

-7

-85

-174

-250

+8

-32

-79

-108

Differenz zur vorhandene Heimkapazität* Basis 1'342 Plätze Ende 07

*positive Zahl: Plätzeüberschuss; negative Zahl: Plätzemangel Ab 2015 Bedarf an Neuprojekten indiziert

Bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen zeichnet sich gemäss moderatem Szenario also ein Mangel an Heimplätzen und ein Bedarf an Neuprojekten spätestens ab 2015 ab. Nimmt man den kantonalen Bedarfswert von 30,2 Prozent zum Massstab, zeigt sich Handlungsbedarf erst für die Zeit ab 2025. Dann werden voraussichtlich 4’343 Stadtbewohnerinnen und -bewohner 80-jährig oder älter sein und für diese Gruppe sollen insgesamt 1’457 Heimplätze bereitgestellt werden (siehe Tabelle 13). Das sind 115 Plätze mehr als die Ende 2007 vorhandene Kapazität.

49

Sowohl das moderate als auch das lineare Szenario zeigen einen starken Anstieg der Zahl der über 90-Jährigen. Spätestens ab 2015 bildet diese Altersgruppe die Mehrheit in den Heimen. Da im höheren Alter die Pflegebedürftigkeit oft auf das Zusammenwirken verschiedener alters- und krankheitsbedingter Faktoren zurückzuführen ist, muss von einem Anstieg der Zahl der Personen, welche komplexe Pflege und Betreuung benötigen, ausgegangen werden.

In Zukunft: Starker Anstieg von

Zudem wird mit einer ihrem Bevölkerungsanteil entsprechenden Zunahme der Zahl älterer Menschen mit Migrationshintergrund gerechnet (vgl. Kapitel 4.3). Dieser Entwicklung soll mit angepassten Angeboten Rechnung getragen werden, was den Auf- und Ausbau interkultureller Kompetenzen in den Heimen voraussetzt. Zunächst stehen Migrantinnen und Migranten mit mediterranen Wurzeln im Vordergrund, später ist mit einer Zunahme von Personen aus dem Balkan zu rechnen. Im Jahr 2010 werden in der Stadt St.Gallen in der Altersgruppe 65 bis 74 Jahre rund 350 Personen mit mediterranem Migrationshintergrund leben.

In Zukunft: Höherer Anteil

Generell kann, gemessen an der demografischen Entwicklung, von einer moderaten Reduktion der Pflegebedürftigkeit ausgegangen werden und dementsprechend vom einem moderaten zusätzlichen Bedarf an Heimplätzen. Wie sich der Bedarf tatsächlich entwickeln wird, ist neben der Bevölkerungsentwicklung u.a. von der gesundheitlichen Situation der älteren Menschen, von Wohn- und Betreuungspräferenzen Älterer, von gesellschaftlichen Veränderungen (Familienstrukturen, Lebensformen, intergenerationelle Beziehungen), vom Angebot an ambulanten Einrichtungen und Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige und von veränderten Rahmenbedingungen (Umstellung der Spitalfinanzierung auf diagnosebezogene Fallpauschalen, Pflegefinanzierung) abhängig.

Verschiebung zu stationär oder

Da sich ambulante und stationäre Angebote gegenseitig beeinflussen, können sich der lineare wie auch der moderate Bedarf an Heimplätzen je nach Tendenz flacher oder steiler entwickeln (vgl. Abbildung 8). Es ist möglich, dass es zu einer Verschiebung zu stationären Einrichtungen kommt und sich der Platzbedarf dadurch stärker erhöht als angenommen. Dies beispielsweise, wenn aufgrund der geplanten Umstellung der Spitalfinanzierung mit diagnosebezogenen Fallpauschalen pflegebedürftige Menschen wegen fehlender ambulanter Angebote früher in ein Heim eintreten müssen, weil die Versorgung zu Hause nicht gewährleistet ist. Eine Verschiebung in Richtung ambulanter Einrichtungen ist denkbar, wenn ein umfassendes und qualitativ hoch stehendes System ambulanter Dienstleistungen und Entlastungsangebote für pflegende Angehörige besteht und die Neigung zum autonomen Wohnen im Alter weiter zunimmt.

Wechselwirkungen zwischen

über 90-Jährigen

älterer Menschen mit Migrationshintergrund

ambulant ist durch andere Faktoren möglich

stationärem und ambulantem Angebot sind nur bedingt vorhersehbar

50

Abbildung 8: Gegenüberstellung künftiger Bedarf nach linearer Fortschreibung bzw. moderatem Szenario und dem kantonalen Bedarfsrichtwert

Zunahme von Pflegebedürftigen kann durch ambulante Angebote abgefedert werden

Die Verteilung stationär/ambulant hat einen starken Einfluss auf den Bedarf an Pflegeheimplätzen. Eine Zunahme der Anzahl Pflegebedürftiger führt nicht zwingend zu einem Anstieg des Bedarfs nach Pflegeheimplätzen. Der Ausbau der ambulanten Dienstleistungen, die Schaffung von Entlastungsangeboten für pflegende Angehörige, ein breiteres Angebot des Betreuten Wohnens, die Förderung von Freiwilligenarbeit sowie eine vielfältig gestaltete Prävention können, zumindest bei leichter bis mittlerer Pflege- und Hilfsbedürftigkeit, kostengünstigere Alternativen zum Heim darstellen und dem wachsendem Bedürfnis älterer Menschen nach autonomem Wohnen entgegenkommen.

51

7

Beurteilung und Empfehlungen

Die aktuelle Ausstattung der Stadt St.Gallen mit stationären Angeboten für hilfs- und pflegebedürftige alte Menschen ist zurzeit quantitativ und qualitativ ausreichend: Es steht ein breites Spektrum an Wohnmöglichkeiten in 20 Alters- und Pflegeheimen bereit; dringend Pflegebedürftige finden ohne lange Wartezeiten einen Heimplatz, auch wenn es vielleicht nicht auf Anhieb das gewünschte Einzelzimmer im favorisierten Heim ist. Dies dürfte bis etwa ins Jahr 2015 noch so bleiben.

Versorgung mit stationären

Interessant am Ist-Zustand im Vergleich mit anderen Kantonen ist der hohe Anteil an Pensionärinnen und Pensionären. Dieser ist zwar seit einiger Zeit rückläufig, doch zurzeit sind noch rund 400 Menschen in städtischen Heimen untergebracht, die nicht oder nur leicht hilfs- und pflegebedürftig sind (BESA-Stufen 0 und 1). Ein Teil dieser Menschen könnte mit externer Unterstützung auch selbständig wohnen. Insbesondere angesichts der hohen Verfügbarkeit und Professionalität der Hilfe und Pflege zu Hause im urbanen Raum und der im schweizerischen Vergleich sehr hohen Inanspruchnahme von Haushilfeleistungen ist dies erstaunlich und weist darauf hin, dass neben gesundheitlichen Gründen auch kulturelle Aspekte bei der individuellen Entscheidung für eine bestimmte Wohnform im Alter wirksam sind. Das Wohnen in einem modernen Heim mit einer individuell gestaltbaren Angebotspalette kann gegenüber einem isolierten Wohnen in der eigenen Wohnung durchaus als erstrebenswert empfunden werden, auch wenn noch keine bedeutende Pflegebedürftigkeit gemäss BESA-Stufen vorliegt.

Hoher Anteil an

Was die künftige Entwicklung des Bedarfs betrifft, werden die Veränderungen der Alterszusammensetzung in der Bevölkerung spürbar werden: Ausgehend von einer etwas hinausgeschobenen Pflegebedürftigkeit (moderate Entwicklung) werden, bei vergleichbarer Inanspruchnahme wie heute, im Jahr 2015 94, im Jahr 2020 141 und im Jahr 2025 voraussichtlich 170 stationäre Plätze fehlen.

Orientierung sowohl an der

Eine lineare Fortschreibung des Bedarfs vom heutigen Niveau aus erscheint aus verschiedenen Gründen nicht angemessen. Zum einen stellt ein Teil der oben erwähnten 400 Pensionärsplätze eine gewisse Reserve für Pflegeplätze dar, die bei Knappheit bevorzugt an pflegebedürftige Menschen vergeben werden können. Zu berücksichtigen sind aber auch die Präferenzen der künftigen Betagten, die sich aufgrund anderer erlebter Lebensumstände und Werthaltungen durchaus von denjenigen der entsprechenden Generation heute unterscheiden dürften. Wie frühere empirische Untersuchungen in der Stadt St.Gallen zeigten, wird beispielsweise das «Betreute Wohnen» dem Wohnen im Heim von Perso-

Lineare Fortschreibung des

Angeboten zurzeit gut und bis 2015 ausreichend

Heimbewohnenden ohne oder mit geringem Hilfe- und Pflegebedarf

demografischen Entwicklung als auch an der Pflegebedürftigkeit

Status quo im Heimbereich führt zu Überkapazitäten

52

nen mit mittleren Einschränkungen deutlich vorgezogen, was sich in den kommenden Jahren in einer abnehmenden Heimneigung zeigen könnte.60 Betreutes Wohnen kann weitgehend über den Markt bereitgestellt werden, wenn eine hohe Verfügbarkeit und Qualität der Hilfe und Pflege zu Hause sichergestellt ist

Ungenaue Prognose der Verhaltensdimensionen durch Flexibilität auffangen: ambulanter Bereich gewinnt an Bedeutung

Bedarfsdeckung hälftig durch zusätzliche Plätze, hälftig durch Ausbau der ambulanten und teilstationären Angebote

Das Betreute Wohnen ist eine realistische Alternative zum Heim, so lange der Pflegebedarf mässig und ausreichend informelle Unterstützung (durch Partner/in, Familienangehörige, Nachbarn) vorhanden ist. Es stellt eine Vorstufe zum Heim dar, die aber, zumindest für Angehörige der Mittelschicht, auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt durch private Bauträger und Genossenschaften weitgehend abgedeckt werden kann, unter Beizug der bewährten ambulanten Dienste der Hilfe und Pflege zu Hause. Die Rolle der Stadt liegt hier einerseits in der Sicherstellung einer hohen Verfügbarkeit und Qualität der Hilfe und Pflege zu Hause, anderseits in der primär ideellen und praktischen Unterstützung privater Trägerschaften bei der Realisierung von Angeboten des Betreuten Wohnens, jedoch weniger in der Mitfinanzierung entsprechender Vorhaben. Ein Ausbau der stationären Kapazitäten ist daher mittelfristig angezeigt, doch wäre es verfehlt, das Heil einzig in der Bereitstellung weiterer Heimplätze zu suchen. Aufgrund der verhaltensbedingten Einflussfaktoren, die anders als die demografische Entwicklung nur relativ ungenau vorauszusagen sind, erscheint es sinnvoll, die sich öffnende Bedarfslücke nicht ausschliesslich über den Infrastrukturbereich sicherzustellen, sondern mehr Raum für eine flexible Anpassung an Bedarfsveränderungen zu schaffen. Dies unterstreicht die wachsende Bedeutung der ambulanten Dienste, bei denen sich auch aufgrund der Veränderungen in der Spitalfinanzierung (Einführung des Fallpauschalensystems auf 2012) die Notwendigkeit einer Angebotsausweitung hin zu einem 24-StundenBetrieb abzeichnet. Die Flexibilität dort ist höher, weil die Reaktionszeit für die Veränderung des Personalbestandes um ein Vielfaches kürzer ist als der Vorlauf, den es für Bauprojekte braucht. Eine sinnvolle Zielsetzung könnte sein, den sich abzeichnenden zusätzlichen Pflegebedarf unter Nutzung des Substitutionspotenzials zwischen stationär und ambulant hälftig durch Ausbau der stationären Kapazitäten, hälftig durch den Ausbau der ambulanten Angebote und ergänzender Angebote zur Entlastung pflegender Angehöriger zu decken. Der Ausbau ambulanter Dienste bedingt jedoch parallel zur Bedarfsplanung im stationären Bereich die Schaffung entsprechender Planungsgrundlagen für die ambulante Versorgung. Die Inanspruchnahme von ambulanten oder stationären Angeboten kann allerdings nur teilweise planerisch gesteuert werden.

60

Vgl. Wattinger, Rohner, Lässer, Wildhaber, 2004, S. 58.

53

Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass ernst zu nehmende Prognosen einen erheblichen Mangel an Gesundheitspersonal in den kommenden Jahren voraussagen. Handlungsbedarf besteht also an einem weiteren Ort, der mit der Infrastruktur wenig zu tun hat. Hier sind, zusammen mit allen Partnern im Gesundheitswesen, die sich mit der gleichen Problematik konfrontiert sehen, Massnahmen zu treffen, die einerseits in mehr ausgebildeten Berufsleuten resultieren und anderseits die Attraktivität der Gesundheitsberufe und die Arbeitszufriedenheit in den Institutionen steigern, so dass die wertvollen Fachkräfte der Branche treu bleiben.

Gemeinsam dem drohenden

Kein Ersatz für ausgebildetes Fachpersonal, aber eine wichtige Ergänzung sind diejenigen Menschen, die informell oder in formellem Rahmen Freiwilligenarbeit leisten. Gerade angesichts der demografischen Verschiebungen und der gestiegenen gesunden Lebenserwartung wird es künftig eine beträchtliche Anzahl Personen geben, die, aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, immer noch sehr aktiv und unternehmungslustig sind. Ihnen sollten Angebote gemacht und Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie sie sich zu Gunsten anderer Menschen und der Gesellschaft einsetzen können, nicht zuletzt im Bereich der Altersarbeit. Freiwilliges Engagement, so weit es gut organisiert und begleitet ist, kann für die Einzelne oder den Einzelnen zur grossen Bereicherung und zu einer sinnstiftenden Aufgabe werden. Die Institutionen können hier auf die fachliche Unterstützung der Freiwilligenorganisation Benevol zurückgreifen, die von der Stadt St.Gallen unterstützt wird.

Förderung und Wertschätzung

Wichtig sind ausserdem das Angebot und die Finanzierung von Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige. Dieser bisher eher stiefmütterlich behandelte Bereich ist auch für die Bevölkerung unübersichtlich und verzettelt. Ein wichtiger Beitrag kann hier durch Koordination und Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden. Zudem ist eine vertiefte Bedarfsanalyse notwendig, um einen allfälligen Ausbau bedarfsgerecht und so niederschwellig wie möglich zu realisieren. Obwohl unscheinbar birgt dieser Bereich ein grosses Potenzial, denn Unterstützung für pflegende Angehörige durch Beratung und ein zahlbares, bedarfsgerechtes Entlastungsangebot dämpft die Nachfrage nach stationären Kapazitäten an der Quelle und verhindert auch gesundheitliche Folgeschäden bei den betreuenden Familienmitgliedern.

Information, Koordination und

Die Situationsanalyse bei den Heimen und den Leistungserbringern der Hilfe und Pflege zu Hause hat gezeigt, in welchen Bereichen bereits jetzt oder in absehbarer Zukunft qualitative Angebotslücken vorhanden sind, so etwa für jüngere, an Demenz erkrankte Menschen, für Menschen mit Suchterkrankungen (vgl. Kap. 5.5). Grundsätzlich ist die inhaltliche Ausrichtung des Angebots eine strategische Aufgabe der jeweiligen Trägerschaften. Die Leistungserbringer selbst verfügen aufgrund

Inhaltliche Ausrichtung des

Pflegenotstand entgegenwirken

der Bereitschaft zum freiwilligen Engagement

Förderung bei den Entlastungsangeboten

Angebots ist Sache der Heime

54

ihrer operativen Tätigkeit über die besseren Marktinformationen als die Stadt als übergeordnete Planungsinstanz. Als unabhängige Unternehmen liegt es an ihnen, Marktlücken kreativ mit neuen Angeboten zu füllen und sich so gegenüber ihren Mitbewerbern zu profilieren und zu positionieren. Die Stadt sieht ihre Rolle auch hier primär in der ideellen Unterstützung und der Koordination. Denkbar ist auch die Vermittlung fachlicher Unterstützung. Sollten sich, aus welchem Grund auch immer, aus Versorgungssicht gravierende Angebotslücken in einzelnen Bereichen zeigen, kann die Stadt in dieser Sache auch aktiv auf die Heime zugehen. Neutrales Case Management unterstützt den optimalen Mitteleinsatz

Förderung der interinstitutionellen Austauschs und der Zusammenarbeit

Empfehlungen aus der Bedarfsplanung

Koordination, Beratung und Öffentlichkeitsarbeit sind Elemente, welche den wirkungsvollen und zielgerichteten Mitteleinsatz im Bereich der Altershilfe unterstützen. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, ein Case-Management-Angebot zu installieren, das Betroffene und Angehörige darin unterstützt, in dieser Lebensphase die situativ beste Lösung zu finden. Im Sinne des Versorgungsauftrags der Stadt gegenüber der Bevölkerung erscheint es wichtig, dass dabei die Bedürfnisse des Klienten bzw. der Klientin im Mittelpunkt stehen und dass die Neutralität gegenüber den verschiedenen Leistungserbringern gewährleistet ist. Die Nutzung vorhandener Ressourcen lässt sich auch verbessern, indem Informations- und Erfahrungsaustausch sowie die interinstitutionelle Zusammenarbeit zwischen den Heimen und den ambulanten Diensten der Hilfe und Pflege zu Hause gefördert und intensiviert wird. Auch eine stärkere Pflege der Beziehungen zu weiteren Partnern in der der Behandlungskette (Hausärzte, Akutspitäler, Geriatrische Klinik, Rehabilitationskliniken) ist wünschenswert. Die Gestaltung des Austauschs zwischen den einzelnen Leistungserbringern ist primär deren eigene Aufgabe und muss von den Betroffenen initiiert und getragen werden. Die Stadt kann hier jedoch ihre guten Dienste anbieten und die Bemühungen der Akteure durch Koordination und Moderation unterstützen. Aus den bei Erarbeitung der Bedarfsplanung 2010-25 gewonnenen Erkenntnisse konnten die in der folgenden Liste zusammengestellten Massnahmen abgeleitet werden, die vom Ausschuss und der Arbeitsgruppe Stationäre Altershilfe der Konferenz für Alters- und Behindertenfragen sowie vom federführenden Amt für Gesellschaftsfragen zur Umsetzung empfohlen werden. Die Massnahmen sind thematisch gegliedert, ausserdem wurden sie zur Operationalisierung mit Zuständigkeiten und Zieldaten oder zeitlichen Hinweisen versehen.

55

Massnahmenempfehlungen aus der Bedarfsplanung für Stationäre Alterseinrichtungen 2010 bis 2025 Nr.

Bereich

Massnahme

Wer, (bis) wann

1

Versorgungsplanung stationär

Ideelle, fachliche und logistische Unterstützung von TrägerStadtrat, Verwaltung schaften, die Angebote des Betreuten Wohnens oder ver(AGF, LA, HBA) gleichbarer alternativer Wohnformen in der Stadt St.Gallen ab 2010 realisieren wollen. Bei Gewährung von Starthilfebeiträgen für Projekte des Betreuten Wohnens ist die Einhaltung der von der KABF vorgelegten Standards zur Auflage zu machen.

2

Versorgungsplanung stationär

Deckung der Hälfte des zusätzlichen Bedarfs an Pflegekapazität durch die Realisierung weiterer 40 – 50 Pflegeheimplätze bis 2015 (vgl. Massnahme 10), primär durch bereits etablierte Trägerschaften von Heimen in der Stadt St.Gallen unter fachlicher und baulicher Begleitung / Unterstützung durch die städtische Verwaltung (subventionsberechtigte Investitionen).

3

Versorgungsplanung stationär

Beurteilung von Baubeitragsgesuchen stationärer Alterseinrich- Verwaltung (AGF), Stadttungen unter Berücksichtigung der Umsetzung der im vorlierat, Stadtparlament genden Bericht formulierten Erwartungen an die Heime und ab 2010 ihrer Trägerschaften, insbesondere bezüglich der Umwandlung reiner Pensionärsplätze in Pflegeheimplätze.

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Versorgungsplanung stationär

Prüfung regionaler oder überregionaler Zusammenarbeit bei der Schaffung spezifischer stationärer Angebote für bestimmte Zielgruppen, die in konventionellen Alters- und Pflegeheimen nicht adäquat betreut und gepflegt werden können.

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stationäre Alterseinrichtungen, operative Ebene (Altersheime, Pflegeheime)

Bei angespannter Nachfrage Bevorzugung von Eintrittswilligen Heime aus der Stadt St.Gallen, unter Berücksichtigung allfällig vorab 2010 bei Bedarf handener vertraglicher Zusicherung von Heimplätzen an Einwohnerinnen und Einwohnern bestimmter Gemeinden.

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stationäre Alterseinrichtungen, strategische und operative Ebene (Altersheime)

Schrittweise Positionierung des Heimangebots in Richtung Pflegeheim (Verkleinerung des Anteils Bewohnender ohne resp. mit geringem Pflegebedarf) mit dem Ziel, einen Teil der rund 400 Plätze, die zurzeit von Menschen ohne oder mit geringem Pflegebedarf belegt sind, mittelfristig für die Deckung des demografisch bedingt ansteigenden Pflegebedarfs zu nutzen.

Heime mit hohem Anteil Pensionäre BESA 0 und 1 ab 2010

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Versorgungsplanung ambulant

Einrichtung und Bestellung eines städtischen Fachgremiums, das sich Fragen der ambulanten Gesundheitsversorgung annimmt (Pflege zu Hause, Gesundheitsförderung und Prävention, Palliativpflege zu Hause).

Stadtrat, Verwaltung (AGF) 2010

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Versorgungsplanung ambulant

Einführung einer periodischen Bedarfsplanung für den Bereich Verwaltung (AGF), städtider ambulanten Gesundheitsversorgung, analog zur Bedarfs- sches Fachgremium planung im stationären Langzeitbereich. bis 2015

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Versorgungsplanung ambulant

Ausbau der Hilfe und Pflege zu Hause zwecks Deckung der Hälfte des zusätzlichen Bedarfs an Pflegekapazität (anstelle von 40 – 50 Heimplätzen) bis 2015 (vgl. Massnahme 3).

Leistungserbringer, Verwaltung (AGF) bis 2015

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Versorgungsplanung ambulant

Gezielter quantitativer Ausbau der Hilfe und Pflege zu Hause, so etwa durch erweiterte Betriebszeiten der Spitex (24Stunden-Verfügbarkeit) sowie nachfragegerechter Versorgung mit erschwinglichen Haushilfeleistungen, mit dem Ziel, stationäre Aufenthalte (Spital, Heim) zu verkürzen, hinauszuschieben oder unnötig zu machen.

Stadtparlament, Verwaltung (AGF), städtisches Fachgremium, Leistungserbringer 2012 ff.

Trägerschaften bestehender Heime, Verwaltung (AGF, HBA), 2010 bis 2015

Verwaltung (AGF), KABF, Kant. Amt für Soziales, Kant. Gesundheitsdepartement, Curaviva 2012 bis 2015

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Massnahmenempfehlungen aus der Bedarfsplanung für Stationäre Alterseinrichtungen 2010 bis 2025 Nr

Bereich

Massnahme

Wer, (bis) wann

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Versorgungsplanung ambulant

Prüfung des Bedarfs nach einem funktionalen Ausbau der Hilfe und Pflege zu Hause, so etwa für die Schnittstelle Spital – Spitex, für bestimmte Zielgruppen oder Bedürfnislagen (z.B. Palliativpflege zu Hause), mit dem Ziel, stationäre Aufenthalte (Spital, Heim) zu verkürzen, hinauszuschieben oder unnötig zu machen.

Verwaltung (AGF), Leistungserbringer, im Gesundheitswesen, städtisches Fachgremium 2012 ff.

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Freiwilligenarbeit, Entlas- Angebots- und Bedarfsanalyse, Identifikation von Handlungsbetung und Unterstützung darf und Ableitung entsprechender Massnahmen, mit dem Ziel, pflegender Angehöriger pflegende Angehörige und informelle Freiwilligenarbeit in der Betreuung und Begleitung Chronischkranker, Betagter, Behinderter und von Palliativpatienten, die zu Hause wohnen, zu unterstützen und zu entlasten.

Verwaltung (AGF), städtisches Fachgremium, gemeinnützige Organisationen, Benevol bis 2015

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Beratung, Case Management

Prüfung eines Ausbaus bestehender Angebote bzw der Schaffung einer neutralen Beratungsstelle für den Gesundheits- und Altersbereich, welche einerseits Informations- und Beratungsaufgaben zu Gunsten der Bevölkerung übernimmt, anderseits bei Bedarf auch professionelle Case-Management-Leistungen erbringen kann. Der Fokus dabei liegt auf der Vermittlung optimaler Lösungen.

Verwaltung (AGF), unter Beizug der entsprechenden städtischen Fachgremien (KABF, …) bis 2015

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Information

Bündelung und publikumsgerechte Aufarbeitung, Präsentation Verwaltung (AGF), und Pflege der Informationen über Unterstützungs-, Hilfe-, Pfle- Leistungserbringer ge- und Wohnangeboten für pflegebedürftige Menschen aller bis 2015 Altersgruppen, für Betagte sowie für deren Angehörige, mit dem Ziel, dass sich die Bevölkerung an einer Stelle umfassend über Angebote, Leistungen, Finanzierungsmöglichkeiten etc. informieren kann.

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Gesundheitsförderung und Prävention

Prüfung von Programmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz von Senioren, durch Information, Sensibilisierung, Anleitung sowie individuelle präventive und gesundheitsfördernde Massnahmen, um krankheitsbedingte Spitalaufenthalte und Heimeintritte zu verhindern, verkürzen oder hinauszuschieben.

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Gesundheitsberufe, Fortführung der Unterstützung der Leistungserbringer in der Ausbildung von Berufs- Pflege zu Hause (Spitex) bei der Ausbildung von Berufsnachnachwuchs in der Spitex wuchs (FaGe, Pflegefachpersonen HF), Unterstützung bei der organisationsübergreifenden Zusammenarbeit in Ausbildungsfragen, mit dem Ziel, die sich abzeichnende Personalknappheit in den kommenden 20 Jahren zu bekämpfen.

Stadtparlament, Verwaltung (AGF), städtisches Fachgremium, Spitex ab 2012 (bis dahin gesichert)

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Gesundheitsberufe, Ausbildung von Berufsnachwuchs in den Heimen

Ideelle und organisatorische Unterstützung der Heime beim Angebot von Ausbildungsplätzen im Gesundheitswesen (FaGe, Pflegefachpersonen HF), insbesondere bei der organisationsübergreifenden Zusammenarbeit in Ausbildungsfragen, mit dem Ziel, die sich abzeichnende Personalknappheit in den kommenden 20 Jahren zu bekämpfen. Prüfung weiterer Unterstützungsmöglichkeiten.

Heime, städtische Verwaltung (AGF), KABF, Kant. Amt für Berufsbildung, Kant. Gesundheitsdepartement, OdA GS ab 2010

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Gesundheitsberufe, Retention von Fachpersonal in den Heimen und der Spitex

Situationsanalyse, Zufriedenheitsmessungen und Massnahmen, die zur Verbesserung der Arbeitssituation und zur längeren Verweildauer des Gesundheitspersonals in der Branche beitragen können, mit dem Ziel, die sich abzeichnende Personalknappheit in den kommenden 20 Jahren zu bekämpfen.

Leistungserbringer, Kant. Gesundheitsdepartement, OdA GS, städtische Verwaltung (AGF), städtisches Fachgremium ab 2010

Verwaltung (AGF), ambulante Leistungserbringer bis 2015

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Literatur Bundesamt für Migration BFM, 2006, Informationsbulletin Integration, April 2006. Bundesamt für Statistik BFS, 2008a, Freiwilligenarbeit in der Schweiz. Bundesamt für Statistik BFS, 2008b, Medienmitteilung vom 01.12.2008, Wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung, Nr. 03500812-10. Bundesamt für Statistik BFS, 2007, Medienmitteilung vom 10.12.2007, Gesundheit, Nr. 0350-0714-50. Bundesamt für Statistik BFS, 2005, Alter und Generationen, Volkszählung 2000. Bundesamt für Statistik BFS, 2004, Sozialberichterstattung Schweiz: Bericht zur Freiwilligenarbeit in der Schweiz. Dörig, J., 1997, Zu Hause pflegende Angehörige, Diplomarbeit SAG, Zürich. Gemeinde Wittenbach, 2009, Alterskonzept 2009. Hauss, G., Ziegler, B., 2010, Zur Geschichte der Fürsorge in St.Gallen, in: Hauss, G., Ziegler, B. (Hrsg.), 2010, Helfen Erziehen Verwalten, Beiträge zur Geschichte der Sozialen Arbeit in St.Gallen, Schriftenreihe der Stadt St.Gallen, Seismo Verlag, S. 10ff. Höpflinger, F., Hugentobler, V., 2005, Familiale, ambulante und stationäre Pflege im Alter, Verlag Hans Huber. Höpflinger, F., Hugentobler, V., 2003, Pflegebedürftigkeit in der Schweiz, Verlag Hans Huber. Höpflinger, F., Stuckelberger, A., 2000, Demografische Alterung und individuelles Altern, Seismo Verlag. Jaccard Ruedin, H., Weaver, F., 2009, Ageing Workforce in an Ageing Society. Wie viele Health Professionals braucht das Schweizer Gesundheitssystem bis 2030? Careum Working Paper 1, Zürich. Kanton Aargau, 2009, Pflegeheimkonzeption Kanton Aargau. Wattinger, R., Rohner, M., Lässer, D., Wildhaber, J., 2004, Analyse: Neue Wohnformen in der Stadt St.Gallen – Eine Bedürfnisabklärung für die nächsten 10 Jahre. Projektarbeit an der FHS Hochschule für Technik, Wirtschaft und Soziale Arbeit St.Gallen. Wehrli-Schindler, B. 1997, Wohnen im Alter, Zwischen Zuhause und Heim, Seismo Verlag. Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und –direktoren GDK, 2009, Empfehlungen zur Umsetzung der Neuordnung der Pflegefinanzierung, verabschiedet durch den Vorstand der GDK am 22.10.2009, 47.61, Bern.

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Quellen Rechtliche Grundlagen Sozialhilfegesetz des Kantons St.Gallen vom 27. September 1998 (sGS 381.1, abgekürzt SHG). Gesundheitsgesetz des Kantons St.Gallen vom 28. Juni 1979 (sGS 311.1, abgekürzt GesG). Leitbilder und Richtlinien Altersleitbild für den Kanton St.Gallen. Bericht zuhanden des Regierungsrates des Kantons St.Gallen, Brains Berater im Gesundheitswesen, Zürich, 20. Juni 1996. Alters- und Generationenpolitik der Stadt St.Gallen, Grundlagenpapier der Konferenz für Alters- und Behindertenfragen, Amt für Gesellschaftsfragen, 2010. Anpassung der Planungsvorgaben zur Bedarfsplanung. Schriftliche Antwort der Regierung vom 9. Februar 2007 auf die Interpellation Gysi-Wil vom 26. September 2006 (Kantonsrat St.Gallen, Geschäft 51.06.68). Planungsgrundlagen Der Bedarf an Alters- und Pflegeheimplätzen in der Stadt St.Gallen, Planungsbericht 2010 bzw. 2015 der Konferenz für Alters- und Behindertenfragen, Fachstelle Gesellschaftsfragen, 2005. Statistik über die ständige Wohnbevölkerung der Stadt St.Gallen, Einwohneramt der Stadt St.Gallen, Aufbereitung durch Fachstelle für Statistik Kanton St.Gallen. Statistik über die ständige ausländische Wohnbevölkerung der Stadt St.Gallen per Dezember 2007, Einwohneramt der Stadt St.Gallen, Aufbereitung durch Fachstelle für Statistik Kanton St.Gallen. Zusammenstellung über die auswärts in Betagtenheimen wohnenden Personen der über 65-Jährigen, Einwohneramt Stadt St.Gallen, 2009. SOMED: Statistik der sozialmedizinischen Institutionen 2007 der Altersund Pflegeheime der Stadt St.Gallen, Aufbereitung und Sonderauswertung durch Statistik Luzern LUSTAT. RABEST: Bevölkerungsperspektiven für die Stadt St.Gallen, Aufbereitung durch Institut für Raumentwicklung (IRAP), Hochschule für Technik Rapperswil, Dezember 2008.

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Ergebnisse aus einer schriftlichen Befragung der Gemeindepräsidien der umliegenden Gemeinden, Amt für Gesellschaftsfragen, 2009. Auswertung Datenerhebung bezüglich Wartelisten der Betagtenheime in der Stadt St.Gallen (Stichtage 30. Sept. 2008, 31. Dez. 2008, 30. April 2009 und 31. August 2009). Periodische Bedarfsplanung zur Stationären Betagtenbetreuung, Vorarbeiten zur Bedarfsplanung. Bericht der Arbeitsgruppe Stationäre Altershilfe der Konferenz für Alters- und Behindertenfragen der Stadt St.Gallen, Januar 2009. Politik im Zeichen des demografischen Wandels. Bericht der Regierung vom 10. März 2009, Kantonsrat St.Gallen, Geschäft 40.09.02.

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Tabellen Tabelle 1: Soll-Ist-Vergleich des Versorgungsgrades per Ende 2007 .... 10 Tabelle 2: belegte Heimplätze nach Herkunft bzw. Umzug in auswärtige Heime per 31.12.2007 .................................................................. 11 Tabelle 3: Szenario einer moderaten Reduktion der Pflegebedürftigkeitsquoten 2000-2020 ......................................... 15 Tabelle 4: Voraussichtliche Entwicklung der Anzahl Personen 65+ (IRAP) ..................................................................................................... 23 Tabelle 5: Personen mit Migrationshintergrund in Altersklassen und Geburtsland (Quelle: Eidg. Volkszählung 2000, Aufbereitung: Fachstelle für Statistik Kanton St.Gallen)....................................... 25 Tabelle 6: Vergleich CH – Kanton SG – Stadt St.Gallen bezüglich beanspruchte Leistungsstunden der Hilfe und Pflege zu Hause ... 31 Tabelle 7: Belegung der Alters- und Pflegeheime in der Stadt St.Gallen (SOMED) per 31.12.2007 bzw. 2002 ............................................ 35 Tabelle 8: Zusammenzug Wartelistenerhebungen seit September 2008 ..................................................................................................... 36 Tabelle 9: Aktueller Bedarf an Heimplätzen im Vergleich mit den Vorjahren ...................................................................................... 37 Tabelle 10: Anzahl Bewohnende in BESA-Stufen (SOMED) im Jahresmittel 2007 ......................................................................... 39 Tabelle 11: Erweiterungspläne der stationären Angebote in Gemeinden, Stand: März 2009.......................................................................... 41 Tabelle 12: Anteil Kundinnen und Kunden der Hilfe und Pflege zu Hause pro Altersklasse in % (Basis 31.12.07 resp. 2008) ........................ 45 Tabelle 13: Anteil der Heimbewohnenden an der Gesamtbevölkerung, nach Altersklassen (31.12.07, SOMED) ........................................ 46 Tabelle 14: Bedarf bei demografisch linearer Fortschreibung............... 46 Tabelle 15: Bedarf bei demografisch moderater Fortschreibung .......... 47 Tabelle 16: Differenz zwischen linearem / moderatem Bedarf und der Heimbelegung / Heimplätze per Ende 2007.................................. 48

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Abbildungen Abbildung 1: Städtische Bevölkerungsentwicklung: Vergleich alte (BFS AT-00-2002) und neue Prognose (IRAP, basierend auf Registerdaten des Jahres 2007) .................................................... III Abbildung 2: Gegenüberstellung künftiger Bedarf nach linearer Fortschreibung bzw. moderatem Szenario und dem kantonalen Bedarfsrichtwert ............................................................................. V Abbildung 3: Anteile der Bewohnenden in sozialmedizinischen Institutionen, bzw. der Spitexnutzenden in % der über 80-Jährigen, nach Kantonen, 2000 (Quelle: BFS 2005)...................................... 17 Abbildung 4: Anteile definierter Altersgruppen an der gesamten Stadtbevölkerung (Fachstelle für Statistik des Kantons St.Gallen). 21 Abbildung 5: Städtische Bevölkerungsentwicklung: Vergleich alte (BFS AT-00-2002) und neue Prognose (IRAP, basierend auf Registerdaten des Jahres 2007) ................................................... 22 Abbildung 6: Entwicklung der Anzahl der Betagten in Altersgruppen (IRAP) ........................................................................................... 23 Abbildung 7: Voraussichtliche Entwicklung der Anzahl Personen 65+ (IRAP) ........................................................................................... 24 Abbildung 8: Gegenüberstellung künftiger Bedarf nach linearer Fortschreibung bzw. moderatem Szenario und dem kantonalen Bedarfsrichtwert ........................................................................... 50

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Abkürzungen AGF Amt für Gesellschaftsfragen, Stadt St.Gallen AH Altersheim APH Alters- und Pflegeheim BESA BewohnerInnen-Einstufungs- und Abrechnungssystem für Alters- und Pflegeheime BFS Bundesamt für Statistik BFM Bundesamt für Migration DRG Diagnosis Related Groups FAGE Fachperson Gesundheit GDK Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren HBA Hochbauamt, Stadt St.Gallen IDEM im Dienste eines Mitmenschen IRAP Institut für Raumentwicklung, Hochschule für Technik Rapperswil KABF Konferenz für Alters- und Behindertenfragen KLV Krankenpflege-Leistungsverordnung (SR 832.112.31) KVG Bundesgesetz über die Krankenversicherung (SR 832.10) LA Liegenschaftsamt, Stadt St.Gallen LUSTAT Amt für Statistik des Kantons Luzern NFA Neuregelung Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen OdA GS Organisation der Arbeitswelt für Gesundheits- und Sozialberufe (St.Gallen, Appenzell, Fürstentum Liechtenstein) PBQ Pflegebedürftigkeitsquote PBQH Pflegebedürftigkeitsquote Heime PH Pflegeheim RABEST Untersuchung der Veränderung von Raum- und Bevölkerungsstrukturen (ein Projekt der IRAP) SOMED Statistik der sozialmedizinischen Institutionen

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Glossar

ambulant «Ambulant» bezeichnet alles, was nicht an einen Ort gebunden ist und steht im Gegensatz zu «stationär». Darunter fällt auch die Hilfe und Pflege zu Hause (früher: Spitex). Als ambulante Behandlung gelten gemäss KVG alle Behandlungen, die weder teilstationär noch stationär durchgeführt werden. Ambulante Dienstleistungsangebote verbinden kostengünstige Leistungen mit dem Wunsch vieler Menschen, Hilfe und Unterstützung im gewohnten Lebensumfeld und ausserhalb von stationären Alterseinrichtungen zu erhalten (siehe auch «stationär», «teilstationär» und «Hilfe, Pflege zu Hause»). Angehörigengruppen Angehörigengruppen sind Selbsthilfegruppen von und für pflegende Angehörige. Sie stellen eine Informations- und Lernquelle über die Betreuung und Pflege von Angehörigen dar und ermöglichen den Erfahrungsaustausch mit Gleichbetroffenen auszutauschen. Assessment Assessment bedeutet «Messen», «Einschätzen» oder «Bewerten» von unterschiedlichen Aspekten (z.B. Entwicklungen, Handlungen). Im pflegerischen Kontext geht es um die Zuordnung und Einschätzung eines Patientenzustandes nach festgelegten Bewertungskriterien, die entsprechende Pflegemassnahmen nach sich ziehen. Bedarfsrichtwert Richtwert für die Vorhaltung von Infrastruktur im stationären Betagtenbereich, den der Kanton den Gemeinden für die Bedarfsplanung vorgibt. Aktuell beträgt das Soll 29 Betten pro 100 Einwohner/innen über 80 Jahre bei einer durchschnittlichen Auslastung von 96 Prozent (Nettowert 29 Prozent) respektive 30,2 Betten pro 100 Einwohner/innen über 80 Jahre bei voller Auslastung (Bruttowert 30,2 Prozent). BESA BESA bedeutet «Bewohner/innen-Einstufungs- und AbrechnungsSystem» und wird im Bereich der Geriatrie und Langzeitpflege verwendet. Durch ein standardisiertes Verfahren wird der Grad der Pflegebedürftigkeit ermittelt, der die Basis für die Leistungsabrechung liefert. Die BESA-Einstufung reicht von 0 (nicht pflegebedürftig) bis 4 (schwer pflegebedürftig). Seit 1. Januar 2009 wird eine 12-stufige BESA-Einteilung oder das 12-stufige RAI/RUG System zur Beurteilung der Pflege und Betreuungsbedürftigkeit in den Heimen im Kanton St.Gallen verwendet. BESA-Index Der BESA-Index ist ein einfaches, selbst entwickeltes Mass für den durchschnittlichen BESA-Wert einer Institution (siehe auch «BESA»).

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Betreutes Wohnen Betreutes Wohnen ist eine Wohnform, die es den Bewohnenden ermöglicht in einer für mobilitätsbehinderte und/oder ältere Person konzipierte Zwei- bis Vierzimmerwohnung selbständig zu leben. Es besteht ein zentral organisiertes Hilfeangebot (wie z.B. Haushaltshilfe, Mahlzeitendienst, Fahrdienst, Pflege usw.), das nach Bedarf genutzt werden kann und separat in Rechnung gestellt wird. Case Management Case Management (deutsch: Fallmanagement) bezeichnet ein sozialarbeiterisches Ablaufschema organisierter bedarfsgerechter Hilfeleistung, in dem der Versorgungsbedarf eines Klienten sowohl über einen definierten Zeitraum als auch quer zu bestehenden Grenzen von Einrichtungen, Dienstleistungen und Zuständigkeiten geplant, implementiert, koordiniert, überwacht und evaluiert wird. Demenz Unter dem Begriff «Demenz» wird im Allgemeinen der Verlust erworbener Fähigkeiten durch organische Hirnkrankheiten verstanden. Die Beeinträchtigungen umfassen hauptsächlich das Gedächtnis, das Denkvermögen sowie die Urteilsfähigkeit. Demenz ist in höherem Alter die häufigste Ursache von Pflegebedürftigkeit. Demografie Die Demografie beschreibt, analysiert und erklärt die Bevölkerungsstrukturen, die Bevölkerungsbewegungen sowie die Bevölkerungsverteilung und deren Veränderungen. DRG, Diagnosis Related Group DRG (deutsch: diagnosebezogene Fallgruppe) bezeichnet ein ökonomisch-medizinisches Klassifikationssystem, bei dem Patientinnen und Patienten anhand ihrer Diagnosen und der durchgeführten Behandlungen in Fallgruppen klassifiziert werden, die nach dem für die Behandlung erforderlichen ökonomischen Aufwand unterteilt und bewertet sind (siehe auch «Fallpauschale nach DRG»). Fallpauschale nach DRG Die Fallpauschale ist eine Form der Vergütung von Leistungen im Spitalbereich. Im Gegensatz zu zeitraumbezogenen Vergütungsformen (wie tagesgleiche Pflegesätze) oder einer Vergütung einzelner Leistungen (Einzelleistungsvergütung) erfolgt bei Fallpauschalen die Vergütung von medizinischen Leistungen pro Behandlungsfall. Es wird beispielsweise definiert wie hoch eine Blinddarmoperation vergütet wird (siehe auch «DRG»). Geriatrie Geriatrie ist die Lehre von den Krankheiten des alternden Menschen und ist ebenfalls unter dem Wort «Altersheilkunde» bekannt.

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Gerontologie Gerontologie, auch Alters- und Alternswissenschaft, ist die Wissenschaft vom Altern. Sie untersucht die mit dem Älterwerden und Altsein verbundenen Phänomene, Probleme und Ressourcen interdisziplinär und bezieht ihre Quellen aus verschiedenen Natur-, Human-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Gerontopsychiatrie Die Gerontopsychiatrie beschäftigt sich mit älteren Menschen und ihren psychischen Erkrankungen sowie mit speziellen psychischen Erkrankungen, die typischerweise erst im Alter auftreten. Das sind insbesondere Demenzen und Depressionen. Heimplatzbedarf bei demografisch linearer Fortschreibung Bezeichnet den Heimplatzbedarf, wenn davon ausgegangen wird, dass die Pflegebedürftigkeit parallel zur demografischen Entwicklung voranschreitet. Das heisst, es wird angenommen, dass sich die Pflegebedürftigkeit in Zukunft nicht reduzieren wird. Faktoren wie verbesserte gesundheitliche Lage Älterer, weniger gesundheitsbelastende Berufsbiografien und verbesserte medizinische Versorgung werden nicht in die Schätzung miteinbezogen (siehe auch «Heimplatzbedarf bei moderater Fortschreibung»). Heimplatzbedarf bei moderater Fortschreibung Bezeichnet den Heimplatzbedarf, wenn davon ausgegangen wird, dass die Pflegebedürftigkeit nicht parallel zur demografischen Entwicklung voranschreitet, sondern moderater ausfällt. Es wird angenommen, dass sich die Pflegebedürftigkeit aufgrund verschiedener Faktoren (verbesserte gesundheitliche Lage Älterer, weniger gesundheitsbelastende Berufsbiografien und verbesserte medizinische Versorgung) reduziert (siehe auch «Heimplatzbedarf bei demografisch linearer Fortschreibung»). Hilfe und Pflege zu Hause Mit Hilfe und Pflege zu Hause (früher: Spitex) sind Dienstleistungen gemeint, die Menschen aller Altersgruppen durch sozialbetreuerische und pflegerische Dienstleistungen das Wohnen und Leben zu Hause ermöglichen. hochbetagt, hochaltrig Hochbetagt und hochaltrig werden synonym verwendet und beziehen sich grundsätzlich auf den Lebensabschnitt der Altersgruppe der 80Jährigen und Älteren. Je nach Datenquelle wird die Abgrenzung zum vorhergehenden Lebensabschitt auch bei 85 Jahren gemacht. Insofern jeweils der Kontext der beigezogenen statistischen Daten zu berücksichtigen

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informelle Hilfe Unter informeller Hilfe wird eine Hilfeleistung von Verwandten, Bekannten oder Freiwilligen verstanden. Dies kann beispielsweise die Betreuung und/oder Pflege von älteren Menschen umfassen. Informell bedeutet in diesem Zusammenhang, dass kein Vertrag zwischen dem Hilfeempfänger und Hilfegebenden über die Betreuung und/oder Pflege besteht und keine finanziellen Mittel als Entgelt geleistet werden. kohortenbedingte Veränderungen Damit sind typische Veränderungen im Leben von Menschen gemeint, die gewissen Jahrgängen oder Gruppen von Jahrgängen angehören. Memory-Klinik Ein auf Hirnleistungsstörungen spezialisiertes medizinisches Zentrum. Bietet neben Abklärung und Beratung auch Therapien an. Mortalität Mortalität ist ein Begriff aus der Demografie und bezeichnet die Sterblichkeit oder die Sterberate in der Bevölkerung. Multimorbidität Dieser Begriff bedeutet das Zusammenwirken verschiedener altersund krankheitsbedingter Faktoren (Mehrfacherkrankungen). Neuregelung Pflegefinanzierung Am 1. Januar 2011 tritt die neue Pflegefinanzierung in Kraft. Sie regelt die Finanzierung der Pflegeleistungen, die ambulant oder in einem Pflegeheim erbracht werden sowie deren Aufteilung zwischen der Krankenversicherung, den Versicherten und den Kantonen. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung leistet künftig einen fixen, nach Zeitaufwand abgestuften Beitrag an die ärztlich verordneten Pflegeleistungen, wobei die Kompetenz zur Festsetzung dieser Beiträge neu beim Bund (EDI) liegt. Ebenso werden die Leistungen der Akut- und Übergangspflege geregelt, die im Anschluss an einen Spitalaufenthalt während maximal 14 Tagen übernommen werden. Palliative Care Palliative Care verbessert die Lebensqualität mit unheilbaren, lebensbedrohlichen und chronisch fortschreitenden Krankheiten. Sie umfasst medizinische Behandlungen, pflegerische Interventionen sowie psychische, soziale und spirituelle Unterstützung in der letzten Lebensphase. Pflegebedürftigkeitsquote (PBQ) Damit ist der prozentuale Anteil der pflegebedürftigen Menschen in einer Bevölkerung gemeint. Für den Anteil der pflegebedürftigen Menschen, die in Heimen gepflegt werden, wird im vorliegenden Bericht die Abkürzung «PBQH» verwendet.

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SOMED-Statistik SOMED ist die Abkürzung für «sozialmedizinische Institutionen», zu welchen auch Alters- und Pflegeheime zählen. Die SOMED-Statistik wird jedes Jahr im Auftrag des Bundes durch die kantonalen Stellen erhoben und erfasst zum Beispiel die Anzahl Pflegeplätze, die die Anzahl abgerechneter Pflegetage oder Angaben zur Pflegebedürftigkeit der Heimbewohnenden. stationär Stationär bezeichnet «fest verortet», «stillstehen», «bleibend». Im pflegerischen Kontext sind damit betreuerische und pflegende Dienstleistungen innerhalb von Einrichtungen wie Alters- und Pflegeheime oder Spitäler gemeint (siehe auch «teilstationär», «ambulant»). teilstationär Teilstationär ist ein Begriff aus dem Gesundheitswesen und bezieht sich auf die Dauer des Angebotes. Damit sind Angebote gemeint, die weder als stationär noch als ambulant bezeichnet werden können, z.B. Tagesheime und Nachtstätten, die aber von stationären oder ambulanten Einrichtungen angeboten werden können (siehe auch «stationär», «ambulant»). Unterstützungs- und Entlastungsangebote Damit sind Angebote gemeint, die pflegende Angehörige temporär unterstützen und entlasten können. Dazu zählen teilstationäre Angebote wie Tagesheime, Nachtstätten, temporäre Heimaufenthalte («Ferienbetten») sowie Beratungs- und Selbsthilfeangebote. Tagesheime und Nachtstätten können ebenfalls von ambulanten Leistungsanbietern bereit gestellt werden (siehe auch Begriff «teilstationär»). Übergangspflege Übergangspflege meint die befristete Betreuung von Patientinnen und Patienten im Anschluss an eine Behandlung im Akutspital. Diese benötigen keine Akutversorgung mehr, können jedoch noch nicht nach Hause entlassen werden. Ziel der Übergangspflege die Selbstversorgung und damit die Förderung der Autonomie der Patientinnen, so dass eine Langzeitpflegebedürftigkeit verhindert oder zeitlich hinausgeschoben werden kann. Die Übergangspflege wird zwei Wochen gewährt und kann entweder stationär oder ambulant erfolgen: im Spital, in einem Alters- und Pflegeheim oder durch die Hilfe und Pflege zu Hause.

Notizen