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... zur Backsteinarchitektur. Herausgegeben von Ernst Badstübner und Dirk Schumann ... KARL BERNHARD KRUSE: Frühe Dachziegel aus Hildesheim. 134.
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Backsteinarchitektur in Mitteleuropa

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Studien zur Backsteinarchitektur Herausgegeben von Ernst Badstübner und Dirk Schumann

Band 3

Ernst Badstübner und Uwe Albrecht (Hg.)

BACKSTEINARCHITEKTUR IN MITTELEUROPA Neue Forschungen – Protokollband des Greifswalder Kolloquiums 1998

Lukas Verlag 3

Abbildung auf dem Umschlag: Greifswald, Wandausschnitt der Universitätsbibliothek, 1881 von M. Gropius und H. Schmieden

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Backsteinarchitektur in Mitteleuropa : neue Forschungen ; Protokollband des Greifswalder Kolloquiums 1998 / Ernst Badstübner und Uwe Albrecht (Hg.) – Erstausg., 1. Aufl.. – Berlin : Lukas-Verl., 2001 (Studien zur Backsteinarchitektur ; Bd. 3) ISBN 3–931836–26–6

© by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 2001 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstr. 57 D–10405 Berlin http://www.lukasverlag.com Umschlag und Satz: Verlag Druck und Bindung: LegoPrint, Lavis (Italien)

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Inhalt

Vorwort der Herausgeber URS BOECK: Fragen zum Wissens- und Forschungsstand in der Geschichte des Backsteinbaus

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Mittelalterliche Backsteinlandschaften

Ostseeküste, Weichselland und Baltikum STEVE LUDWIG: Das einschiffige Querhaus der St.-Georgen-Kirche zu Wismar. Die Herkunft einer spätgotischen Bauform

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BÉATRICE BUSJAN: Die figürlichen Formziegel der Wismarer Nikolaikirche

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SILKE KOSSMANN: Der Westbau der Stralsunder Marienkirche

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ELITA GROSMANE: Der Dom zu Riga. Ein Backsteinbau in Nordeuropa

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KNUT DRAKE: Der Meister des Domchores zu Turku

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STEFFANI BECKER-HOUNSLOW: Bemerkungen zur Entstehung und Entwicklung preußischer Sterngewölbe

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Norddeutsches und mitteldeutsches Binnenland CHRISTINE KRATZKE: Die Darguner Klosterkirche. Eine architektonische Ausnahmeerscheinung? 107 ANNETTE ROGGATZ: Die technischen und konstruktiven Bedingungen und Möglichkeiten des Backsteinmaßwerks. Dargestellt an St. Katharinen zu Brandenburg

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KARL BERNHARD KRUSE: Frühe Dachziegel aus Hildesheim

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REINHARD SCHMITT: Jerichow und Havelberg in der zweiten Hälfte des 12. und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts

142

HEINRICH MAGIRIUS: Backsteinarchitektur des 12. und 13. Jahrhunderts in Obersachsen und in der Lausitz 198 5

CLAUDIA TRUMMER: Die Nonnenklosterkirche zu Mühlberg an der Elbe und die Dorfkirchen aus Backstein in ihrer Umgebung 219 ULRIKE GENTZ: Backsteinbauten um 1400 in der Lausitz und in Niederbayern

238

DIRK SCHUMANN: Eingetiefte Räume an mittelalterlichen Pfarrkirchen. Eine übersehene Bauform im Backsteingebiet 252 Backstein als Baumaterial in der Neuzeit

HANSJÖRG RÜMELIN: Zur Geschichte der Ziegelproduktion in Lüneburg 273 PETR CHOTĚBOR: Die Terrakottabauglieder auf der Prager Burg

290

GOERD PESCHKEN: Der Anfang der Backstein-Neuromanik

297

BETINA M. KAUN: Lombardische Bautraditionen im Historismus. Das Leipziger Klinger’s Haus

302

MANFRED KLINKOTT: Die Gestaltung von Backsteinfassaden unter dem Einfluß der politischen Verhältnisse in Preußen vor und nach 1871 321 KLAUS HAESE: Neugotische Backsteinbauten der Kaiserlichen Reichspost in Norddeutschland 342 MALGORZATA PASZKOWSKA: Die Kontinuität der mittelalterlichen Motive am Beispiel der Stettiner Ziegelarchitektur des 19. Jahrhunderts 355 MATTHIAS SCHMIDT: Fritz Höger und das Verständnis des Backsteinbaus im Umfeld der Heimatschutzbewegung 369 Anhang

Ortsregister

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Die Herausgeber / die Autoren

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Vorwort der Herausgeber Caspar David Friedrich und das Kloster Eldena, diese beiden Namen umreißen die Forschungsschwerpunkte des Kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Greifswald seit seinem Bestehen. Seit 1940 nennt es sich nach dem in Greifswald geborenen, wohl bekanntesten Maler der deutschen Romantik. Friedrichs Gemälde »Abtei im Eichwald« von 1810 (Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie) hat die Klosterruine in das Blickfeld einer an der Geschichte und ihren Denkmälern emotional interessierten Öffentlichkeit gestellt, und wir haben Grund zu der Annahme, daß die Ruine nicht zuletzt dank Caspar David Friedrichs bis heute erhalten geblieben ist. Keine Frage, daß sich die Greifswalder Kunsthistoriker von Anfang an der Bau- und Kunstgeschichte des Klosters Eldena annahmen; sie ist eine Aufgabenstellung bis auf den heutigen Tag. Und so entwickelte sich neben der Caspar-DavidFriedrich-Forschung der Forschungsschwerpunkt zur Backsteinbaukunst im nordmitteleuropäischen Raum. Mit Karl Heinz Clasen und Nikolaus Zaske erreichten diese Bestrebungen und Aktivitäten in Greifswald ihren Höhepunkt. Nikolaus Zaske war es dann auch, der die Greifswalder Backsteinkolloquien ins Leben rief – das erste fand 1978 statt, zwei weitere folgten 1983 und 1987. Die Ergebnisse, damals als Universitätsschriften publiziert, zählen heute zu Standards in der Backsteinforschung. Nach längerer Unterbrechung hat das Caspar-David-Friedrich-Institut, diesmal gemeinsam mit dem Kunsthistorischen Institut der Universität Kiel, 1998 wieder zu einem Backsteinkolloquium eingeladen, in erster Linie, um die Tradition aufzunehmen und möglichst auch fortzusetzen. Die Beitragsanmeldungen haben gezeigt, daß die zahl- und weitreichenden Forschungsaktivitäten zur Backsteinarchitektur nach einem Forum zur Präsentation suchten. In zweiter Linie aber galt es, einer veränderten Wissenschafts- und Forschungssituation Rechnung zu tragen. Die Kunstgeschichte hat einen neuen, anderen Blick auf ihre Denkmäler entwickelt. Dem kultur- und sozialgeschichtlichen Kontext wird ein weitaus größerer Raum gegeben als früher. Der neuzeitliche Aspekt, der Historismus, das 19. und 20. Jahrhundert, sind nun als relevant erkannt und anerkannt. Über kunstgeographische Grenzen schaut man weiter als zuvor. Und schließlich – vielleicht das Wichtigste in unserem Zusammenhang –: eine neue Disziplin, die Bauforschung, führt mit archäologischen und naturwissenschaftlichen Methoden zu Ergebnissen, die bisweilen völlig neue Voraussetzungen für bau- und kunstgeschichtliche Aus8

Vorwort

sagen schaffen. Auch für die Backsteinforschung heißt das: Überprüfung festgeschriebener Baugeschichten mit ihren Datierungen, erneute Untersuchung von bisher angenommenen Bauabläufen, das Hinterfragen von bisher behaupteten Wegen der Formen- und Materialwanderung, die differenziertere Feststellung von Produktions- und Bautechnologien, um nur einige der Problemstellungen zu nennen, die neu und erneut zu diskutieren sind. Mit dem Ziegel, so lautet ein auf bestimmte Bedingungen durchaus zutreffender Lehrsatz, wird dort gebaut, wo anderes Steinmaterial nicht zur Verfügung steht. So entstand im Orient und in Mittelasien die erste monumentale Ziegelarchitektur. Der Ziegel, die Kenntnis seiner Herstellung und Verwendung vorausgesetzt, wurde aber auch dann verwendet, wenn es um schnelleres und billigeres Bauen ging. Die frühchristlichen Kirchen Roms und Ravennas stehen als Ziegelbauten in einer Umgebung hausteinverkleideter Repräsentationsarchitektur der Imperatoren. Sparsamkeit und Rationalität oder gewollte Schlichtheit in frühen Christentum? Die recht großen und weiträumigen Kirchen der Bettelorden des 13. Jahrhunderts in der Toskana sind Backsteinbauten, und möglicherweise handelt es sich dort auch bei der Wahl des Baumaterials um eine Rezeption frühchristlicher Muster, bewußt in Abgrenzung zu den haustein- oder marmorinkrustierten Prachtbauten des städtischen Klerus (Siena als Beispiel). Beeindruckend und selten als solche gewürdigt ist die Backsteinarchitektur Südfrankreichs. In Toulouse wurde die riesige Pilgerkirche Saint-Sernin aus Ziegeln mit Strukturgliedern und Eckverbänden aus Haustein gebaut. Und die Kathedrale von Albi fasziniert nicht nur durch ihre eigenwillige Gestalt, sondern auch durch die rote Farbe ihres Baumaterials. In Spanien wird bis in das 17. Jahrhundert neben der Pflege des Hausteinbaues eine baukünstlerische gestaltende Ziegelbauweise tradiert, die im Byzantinischen und im Islamischen ihre Wurzeln hat. In Oberitalien entwickelte sich schon im 11. und 12. Jahrhundert eine Backsteinarchitektur, der Otto Stiehl, einer der Großen in der älteren Backsteinforschung, zugestand, mit den Möglichkeiten des gebrannten Steins aus Ton zu baukünstlerischer Gestaltung gefunden zu haben. Erst von diesem Zeitpunkt an, so Otto Stiehl, könne man von einer Backstein-Bau-Kunst sprechen. Diese oberitalienische Backsteinbauweise hat offenbar nach Nordeuropa ausgestrahlt. In Norddeutschland, insonderheit im Gebiet der Ostkolonisation, und in Dänemark entstehen nach der Mitte des 12.Jahrhunderts die ersten Backsteinbauten, und der Ziegel ist hier auf keinen Fall ein Surrogat. In Dänemark werden gegen Ende des 12. Jahrhunderts wie später auch im norddeutschen Binnenland ältere Hausteinbauten sogar abgerissen und durch Vorwort

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Backsteinbauten ersetzt, woraus auf eine besondere Wertschätzung des künstlichen und seriell vorgefertigten Baumaterials geschlossen werden kann. Aus dieser seriellen Produktion ergeben sich die Eigenschaften und die baukünstlerischen Möglichkeiten des Backsteins, die in ihrer Qualität, wie sie sich im Mittelalter herausgebildet hat, von den Architekten des 19. und 20. Jahrhunderts erkannt und wiederaufgenommen worden ist. Historismus und Moderne haben gleichermaßen das Bauen mit dem Backstein rezeptiv kultiviert und kreativ weiterentwickelt. Welch ein Spektrum für eine gezielte Forschung! Die Beiträge des Greifswalder Backsteinkolloquiums von 1998, die wir hier als dritten Band der Studien zur Backsteinarchitektur im Berliner Lukas Verlag vorlegen, konnten und sollten keineswegs ein solches Spektrum ausfüllen, das hier nur andeutend und nicht etwa vollständig beschrieben ist Unsere Aufsätze umfassen einen Zeitrahmen vom 11. bis zum 20. Jahrhundert. Geordnet sind sie zum einen kunstgeographisch, zum anderen chronologisch. Vorangestellt sind die grundsätzlichen Ausführungen von Urs Boeck zum Wissenschafts- und Forschungsstand. Was das Mittelalter anbetrifft, stehen »Backsteinlandschaften« im Vordergrund, und zwar zunächst der traditionell als solche bekannte Ostseeraum von Wismar (Steve Ludwig, Béatrice Busjan) und Stralsund (Silke Kossmann) bis in das Weichselland (Steffani Becker-Hounslow) und das Baltikum, nach Riga (Elita Grosmane) und Tartu (Knut Drake), sowie das norddeutsche Binnenland von Dargun (Christine Kratzke) über Prenzlau (Dirk Schumann), Brandenburg (Annette Roggatz), Jerichow und Havelberg (Reinhard Schmitt) bis nach Hildesheim (Karl Bernhard Kruse). Es folgt das weniger als Backsteinlandschaft bekannte Mitteldeutschland, Obersachsen und die Lausitz (Heinrich Magirius) und speziell Mühlberg a.d. Elbe (Claudia Trummer). Den Abschluß dieses kunstgeographisch gegliederten ersten Teils bildet ein Beitrag, der auch niederbayrische Backsteinbauten behandelt (Ulrike Gentz). Hans Joachim Kunst möchte seinen Beitrag über den Bremer Dom und die »Ostseekathedralen« innerhalb eines breiter angelegten Buches über die nordwestdeutsche Kirchenarchitektur zwischen 1200 und 1330 im Laufe des Jahres 2001 erscheinen lassen. Der zweite, die Neuzeit betreffende Teil der Veröffentlichung ist chronologisch geordnet. Er beginnt mit einem Beitrag über die Ziegelproduktion in Lüneburg (Hans Jörg Rümelin). Die Renaissance ist mit Prag vertreten (Petr Chotěbor), der Historismus mit Schinkels Neuromanik (Goerd Peschken) sowie mit Berliner (Manfred Klinkott), Leipziger (Betina Kaun), und Stettiner Bauten (Malgorzata Paszkowska), gefolgt von der Bautätigkeit der Deutschen Reichspost nach 1870 im norddeutschen Backsteingebiet (Klaus Haese). Am 10

Vorwort

Ende stehen die expressionistischen Backsteinbauten Fritz Högers (Matthias Schmidt). – Die auf dem Kolloquium zu Fragen der Technologie gehaltenen Referate von Christine Maurer, Sophie Wolf, Daniela Pittaluga und Simona Valeriani werden im Band 4 der Studien zur Backsteinarchitektur »Backsteintechnologien im Mittelalter und in der Neuzeit«, der demnächst erscheinen soll, veröffentlicht. So ist trotz aller Beschränkung, der ein wissenschaftliches Kolloquium zu unterliegen pflegt, doch ein ungefähres Bild dessen entstanden, was in der Backsteinforschung derzeit geleistet wird – es war beabsichtigt, vor allem jüngeren Wissenschaftlern Gelegenheit zu geben, ihre Forschungsergebnisse vorzustellen – und was in Zukunft zu leisten ist. Forschungen zur Backsteinbaukunst erfolgen europaweit, Aktivitäten gibt es allerorten. Diese Aktivitäten zu einer Kooperation zusammenzuführen, sie auch für Wirtschaft und Industrie interessant zu machen, weil sie für die Baupraxis der Gegenwart einschließlich der Denkmalpflege entscheidende Bedeutung haben, das ist eine forschungspolitische Aufgabe. Es ist unser Wunsch, daß das Greifswalder Kolloquium und die Veröffentlichung seiner Beiträge dazu einen Anstoß geben können. Das Zustandekommen der Publikation verdanken wir dem Verleger, Herrn Dr. Frank Böttcher, der Universität Greifswald, die mit einem Zuschuß zu den Druckkosten geholfen hat, sowie einem privaten Spender. Uwe Albrecht und Ernst Badstübner im Juni 2001

Vorwort

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Fragen zum Wissens- und Forschungsstand in der Geschichte des Backsteinbaus Urs Boeck

I. Im folgenden geht es nicht um Überblick und Analyse. Vielmehr soll versucht werden, aufgrund von dreißig Jahren Erfahrung als Denkmalpfleger praktische Aspekte dieses Aufgabenfeldes in diesen akademisch geprägten Rahmen einzubringen. Viele dieser Überlegungen sind nicht neu und nicht unbekannt. Dennoch verdienen sie ein kurzes Verweilen. In der zweiten Jahrhunderthälfte erleben wir den Übergang von einer Denkmalpflege des Bewahrens und Gestaltens zu einer Denkmalpflege als angewandte Wissenschaft. Das Bewußtsein, den Patienten nicht ohne Anamnese und Diagnose aufs chirurgische Streckbett bringen zu dürfen, hat sich durchgesetzt. Es wird nicht mehr nur geschnitten, sondern auch therapiert. Ja, die Prophylaxe gewinnt je länger je mehr Anhänger. All diese Ansätze stellen das Kulturdenkmal ins Zentrum. Es gibt den Maßstab für seine Behandlung, bestimmt das Vorgehen. Damit gewinnen aber auch alle einschlägigen Zweige der Forschung gesteigerte Bedeutung. Und: Sie werden in einem noch vor fünfzig Jahren nicht gekannten Ausmaß gefordert. Als Konsequenz erweist sich eine Vernetzung als notwendig. Sie hat in vielen Forschungsprogrammen, vom Bundesministerium für Forschung und Technologie oder der Bundesstiftung Umwelt beispielsweise gefördert, in Sonderforschungsbereichen wie etwa an der Universität Karlsruhe betrieben, während der letzten fünfzehn Jahre Eingang gefunden. Abgeschlossen ist sie noch nicht entfernt. Diese Vernetzung und ihre Organisation sind in mehrfacher Hinsicht eine Erfordernis der Ökonomie: Der geistigen Ökonomie, um die intellektuellen Kapazitäten nicht durch parallelen Einsatz zu vergeuden, der praktischen Ökonomie, um die Ressourcen auf die jeweils vordringlichsten Probleme zu lenken. Sie unterliegt zusätzlich Zwängen zeitlicher Enge. Maßnahmen der Denkmalpflege sind in Terminierung und Ablauf nur zu häufig außengelenkt. Forschung, insbesondere universitäre, folgt inhärenten Regeln und den Anforderungen der Lehre. Arbeitet die eine Seite lokal an ihren Objekten, muß sich die andere mit Fug und Recht global verstehen. Ist die eine, soweit sie staatlich getragen wird, dem in Umzäunungen denkenden Kulturföderalismus der Bundesrepublik unterworfen, ist die andere nur zu gerne international orientiert. Mehr als früher sind 12

Urs Boeck

beide Seiten aufeinander angewiesen. Es geht dabei nicht um eine Äußerlichkeit; dafür wäre vielleicht schon das Internet gut. Es geht auch nicht um die Utopie eines seinen Namen ausfüllenden Zentralinstituts für Kunstgeschichte. Erreicht werden muß eine Abkehr von der Vereinzelung im Bewußtsein all derer, die – um bei unserem engeren Thema zu bleiben – sich mit dem Thema Backsteinbau als ernsthafte Beiträger befassen. Hier sehe ich in dieser und anderen Tagungen die besten Ansätze. Bei meinen folgenden Überlegungen konzentriere ich mich mit Absicht auf den Backsteinbau des Mittelalters. Die Beschäftigung mit ihm hat eine alte Tradition, sie zu hinterfragen lohnt daher besonders. Auf die Anfänge, für die Namen wie August Essenwein, Ferdinand von Quast und Friedrich Adler stehen können, folgte eine weitere Durchdringung der Materie, die Otto Stiehl, Max Hasak, Richard Haupt, und speziell in Niedersachsen Franz Krüger vornehmlich bestritten haben. Eine gute Generation später liegen die Arbeiten von Friedrich Wachsmuth, Sigrid Thurm, Friedrich Fischer, Alfred Kamphausen, Georg Scheja und Josef Adolf Schmoll gen. Eisenwerth. Aus der Fülle der Arbeiten nach 1945 seien für Niedersachsen als neue Ansätze Beiträge von Eberhard G. Neumann und Jürgen Michler genannt. Die Leistung mit weiter Ausstrahlung erbrachte sicher die Mittelalterarchäologie in Lübeck unter Günther Fehring. Ihre Anregungen wirken in Niedersachsen mit Karl Bernhard Kruse und Horst Masuch weiter. Zu ihnen ist neuerdings Hansjörg Rümelin gestoßen. Die zusammenfassenden Darstellungen von Nikolaus Zaske und Franz Josef Böker sind uns allen geläufig. Und in Greifswald muß an die hier ausgerichteten Kolloquien nicht eigens erinnert werden, an der Universität, deren Initiative uns auch diesmal zum Gespräch zusammenführt. Ausgangspunkt für alle Baugeschichte ist die genaue Kenntnis der Originale. Im Umgang mit ihnen haben sich Forschung und Denkmalpflege, jede Seite nach ihren Aufgaben und Möglichkeiten zu bewähren. Sie werden mir nachsehen, wenn ich dem Stand der Dokumentation und der Analyse im einzelnen nicht nachgehe, ja auch auf die Inventarisation mich nicht einlasse. Ich will es mir auch ersparen, auf die praktische Arbeit der Denkmalpflege am Objekt einzugehen. Nur am Rande eine kleine, aber methodisch vielleicht nicht unwichtige Beobachtung: 1964 hatte die Charta von Venedig die Kenntlichmachung von Eingriffen gefordert. Bis heute ist die unproblematische Verwendung gemarkter Backsteine bei Reparaturen zur einfachen Offenlegung nicht eingeführt; ja gelegentlich wird durch die Wiederverwendung an anderer Stelle gewonnenen mittelalterlichen Materials sogar die Verschleierung gefördert. Damit soll die überwiegend gründliche und verantwortungsvolle Arbeit Fragen zum Wissens- und Forschungsstand

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von Kollegen nicht diskreditiert, aber doch auf vergebene Chancen vergleichbarer Art aufmerksam gemacht werden. II. Nun zum eigentlichen Thema! Den einfachsten Weg der Annäherung an ausgesprochene Problemfelder in der Geschichtsschreibung der Backsteinarchitektur bietet wohl ein kurzer Blick auf ein solches Bauunternehmen im Mittelalter. Die Zielvorstellungen der Bauherrschaft dürften sich im Rahmen des insgesamt für mittelalterliche Architektur bekannten bewegen. Doch was ist hier außerhalb des theologischen Umfelds seit den Arbeiten von Josef Sauer, Richard Krautheimer, Hans Sedlmayr, Günter Bandmann und anderen über Hypothesen hinaus als gesichert anzusehen? Auch wenn es Klaus Jan Philipp gelang, im Einzelfall die formulierten Absichten der Bauherrschaft nachzuweisen1, und wenn Folkhard Cremer am Beispiel der Wallfahrtskirche Wilsnack eine Kritik und Absicherung der von Hans Joachim Kunst und anderen namhaften Vertretern der Baugeschichte entwickelten Interpretation von Bauwerken als politischen Bedeutungsträgern leistete2, bleibt weiter viel zu tun. Auf eher schon gesichertem Boden stehen wir hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen. Aber selbst für den Sakralbau ist beispielsweise zur Frage der kirchlichen Abbruchgenehmigung keine befriedigende Auskunft zu erlangen. Zur Finanzierung ist viel Material zugänglich und aufgearbeitet; noch mehr harrt der Auswertung. Dies gilt für das gesamte Feld des Bauwesens, wie es beispielsweise Marian Kutzner für das Schlesien des 14. Jahrhunderts knapp umrissen hat.3 Aber weiter! Beim Planer beginnen bereits die Schwierigkeiten. Rein theoretisch ist seine Ausbildung im Spätmittelalter andeutungsweise greifbar, als wir zumindest über die Ausbildung von Maurern und Steinmetzen und die weiterführende Qualifikation zum Polier und Werkmeister Andeutungen besitzen. Wieweit gelten diese Regelungen überhaupt, und dann auch 1

K.J. Philipp: »Ein Huys in Manieren van eynre Kirchen«. Werkmeister, Parliere, Steinlieferanten und die Bauorganisation in den Niederlanden vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch, 50(1989), S. 69–113. 2 F. Cremer: Die St. Nikolaus- und Heiligblut-Kirche zu Wilsnack (1383–1552). Eine Einordnung ihrer Bauformen in die Kirchenarchitektur zwischen Verden und Chorin, Doberan und Meißen im Spiegel bischöflicher und landesherrlicher Auseinandersetzungen (= Beiträge zur Kunstwissenschaft, Bd. 63), München 1996. 3 M. Kutzner: Wie wurden schlesische Pfarrkirchen im 14. Jahrhundert erbaut? Ein Beitrag zur Erforschung der Finanzierung und Arbeitsweise in städtischen Sakralbauten im Spätmittelalter, in: Denkmalkunde und Denkmalpflege, Wissen und Wirken, Festschrift für Heinrich Magirius zum 60. Geburtstag am 1. Februar 1994, Dresden 1995, S. 177–195.

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