Baumpflege - Buch.de

arbeit und Umsetzung unserer Wünsche, besonders bei Herrn Werner. Baumeister ... boten, denn sie mussten in den langen Wintermonaten wie die Raubtiere.
6MB Größe 8 Downloads 372 Ansichten
Mit diesem Buch wird der aktuelle Stand des Wissens zu Bäumen in der Stadt – zu ihrer Pflege und zu ihren baumbiologischen Grundlagen – kompetent, anschaulich und anwendungsorientiert vermittelt.

Roloff (Hrsg.)

Baumpflege – immer wichtiger!

• Stadtbäume und Urbane Forstwirtschaft • Baumbiologische Grundlagen • Der Einfluss des Klimawandels auf die Baumbiologie und Konsequenzen für die Stadtbaumverwendung • Vitalitätsbeurteilung anhand der Kronenstruktur • Symptome der Körpersprache • Grundlagen eines fachgerechten Gehölzschnittes • Behandlung und Schnitt von ehemals gekappten Bäumen • Die Lebensgemeinschaft Baum – Epiphyten – Kletterpflanzen • Verkehrssicherungspflicht und Baumkontrolle • Grundlagen zur Beurteilung der baumstatischen Situation • Tharandter BaumDiagnose • Geräte und Verfahren zur eingehenden Baumuntersuchung • Fachgerechte Sicherung bruchgefährdeter Bäume und Baumteile • Die Zukunft der Stadtbäume Die 2. Auflage wurde völlig neu bearbeitet und ist daher wieder topaktuell.

www.ulmer.de

Baumpflege

Wichtige Themen sind:

Andreas Roloff (Hrsg.)

Baumpflege 2. Auflage



Andreas Roloff Baumpflege





Andreas Roloff (Hrsg.)

 Baumpflege Baumbiologische Grundlagen und Anwendung Autoren: Dr. Stephan Bonn Prof. Dr. Claus-Thomas Bues Prof. Dr. Doris Krabel Dr. Ulrich Pietzarka Prof. Dr. Andreas Roloff Prof. Dr. Steffen Rust Dr. Klaus Max Stetzka Dr. Henrik Weiß

101 Farbfotos   44 Zeichnungen   16 Tabellen

4

Inhalt Vorwort  8 1

Stadtbäume und Urbane ­Forstwirtschaft  10

1.1 1.2

Die Stadt, Lebensraum der Zukunft   10 Der Stadtmensch und seine Sehnsucht nach Natur  11 Urbane Forstwirtschaft  12 Urbanes Grün, Stadtbäume und Baumpflege  13

1.3 1.4

2 Baumbiologische ­Grund­lagen   16 2.1

2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4 2.4.1

Die Baumarchitektur und ihre ­Modifikation durch die Umwelt (Reiterationen)  16 ­ Baum und Strauch   16 Architekturmodelle  17 Reiterationen  19 Wurzelarchitektur  24 Wachstum und Verzweigung   27 Wachstumsrichtung  27 Knospenentwicklung und Wachstumsdauer  27 Lebensdauer der Meristeme   30 Kurz-, Lang- und Lineartriebe   31 Wachstumsförderung der Seitenzweige  32 Kambium, Rinde und Wundreaktion   34 Kambium  34 Periderm und Rinde   36 Wundreaktion  38 Holz, Jahrringe und Zuwachs als Indikator für Umwelteinflüsse  41 Holz: Aufbau, Entwicklung und Funktion als Grundlage der Zuwachsanalyse   42

2.4.2 Zeitpunkt der Probennahme und Bohrlochbehandlung  44 2.4.3 Fehlervermeidung bei der Jahrring­ analyse  44 2.4.4 Präparation der Proben   45 2.4.5 Jahrringbreitenmessung und Aus­ wertung  46 2.4.6 Anwendungen von Zuwachs­ analysen  48 2.4.7 Schlussfolgerung  50 2.5 Wurzel und Mykorrhiza   50 2.5.1 Wurzeln: Aufbau und Funktion   50 2.5.2 Mykorrhiza: Aufbau und Funktion   53 2.6 Photosynthese: Grundlagen und Anwendungs­aspekte  54 2.6.1 Grundlegendes zur Photosynthese und Atmung  54 2.6.2 Anwendungsaspekte und Anpassungs­ vorgänge  57 2.7 Wasserhaushalt der Bäume   59 2.7.1 Funktionen des Wassers im Baum   60 2.7.2 Wasseraufnahme  60 2.7.3 Wassertransport  61 2.7.4 Wasserabgabe  67 2.8 Stress bei Bäumen   68 2.8.1 Das biologische Stresskonzept   69 2.8.2 Stressfaktoren in der Stadt   70 2.8.3 Anpassungsstrategien  76

3

Der Einfluss des Klimawandels auf die Baumbiologie und ­Konsequenzen für die Stadtbaumverwendung  77

3.1

Baumreaktionen und Folgen des ­Klimawandels aus botanischer Sicht   77 Photosynthese und Atmung   78

3.2

Inhalt 3.3 3.4

3.5

Baumwasserhaushalt und Trocken­stressReaktionen  79 Länge der Vegetationsperiode, Spät­ frostgefährdung, Pathogen- und Kon­ kurrenz-Situation, Selektion und Anpassungsreaktionen  81 Konsequenzen  83

4

Vitalitätsbeurteilung anhand der Kronenstruktur  85

4.1

Begriffsbestimmungen und methodische ­Erläuterungen  85 Vitalitätsbeurteilung anhand von Kronenstrukturen  86 Kriterium Kronenstruktur versus ­„Blattverlust“  86 Entwicklung einer typischen Verzweigung  88 Wachstumsphasen-Modell  88 Trockenschäden versus chronische ­Schäden  89 Vitalitätsstufen-Schlüssel aufgrund von Verzweigungsstrukturen  90 Luftbildinterpretation  92 Konsequenzen  93 Schlussbemerkung  94

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.3 4.4

5

5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.4

Symptome der Körper­sprache – ein wichtiges Hilfsmittel der visuellen Baumkontrolle  95 Körpersprache  95 Anpassung und Optimierung bei ­Bäumen  95 Beispiele für Symptome der Körper­ sprache  96 Allgemeines  96 Symptome in der Krone und an Ästen  97 Symptome am Stamm   98 Symptome an den Wurzeln   103 Schlussbemerkung  104

6

Grundlagen eines ­fach­­gerechten Gehölz­ schnitts  105

6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6

Folgen einer Schnittmaßnahme   105 Wichtige Einflussfaktoren  107 Schnittführung  110 Schnittintensität  112 Schnittzeitpunkt  113 Schlussfolgerungen  116

7

Behandlung und Schnitt von ehemals gekappten ­Bäumen  117

7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2

Vorbemerkungen  117 Begriffe  118 Auswirkungen von Kappungen   122 Schnittwunden  122 Gestörte Kronenentwicklung durch ­Veränderung des Hormon­haus­ haltes  123 Unterversorgung von Stamm und ­Wurzel  123 Langfristige Einschränkung der ­Verkehrssicherheit  124 Verlust der Baumfunktion   125 Möglichkeiten zum Baumerhalt bei ­ehemals gekappten Linden   125 Baumpflege an vor kurzem gekappten Bäumen  126 Maßnahmen an vor längerer Zeit ­gekappten Bäumen  129

7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.4 7.4.1 7.4.2

8

Die Lebensgemeinschaft Baum – Epiphyten – Kletter­ pflanzen  130

8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3

Faktoren und Begriffe   130 Epiphyten  131 Flechten  131 Moose  133 Algen  134

5

6

Inhalt 8.2.4 Gefäßpflanzen  135 8.3 Kletterpflanzen  137 8.4 Handlungsempfehlungen  140

9 Verkehrssicherungspflicht und Baumkontrolle  141 9.1 9.2 9.3 9.3.1

Rechtliche Rahmenbedingungen  141 Biologische Aspekte  142 Technische Aspekte  143 Baumkontrolle und Baumkontrolleure  143 9.3.2 Häufigkeit der Baumkontrolle   145 9.3.3 Ablauf der Baumkontrolle   145 9.4 Baumuntersuchung  148

10

Grundlagen zur Beurteilung der baumstatischen Situa­ tion  149

10.1 Gefahren durch Bäume   149 10.2 Bruch- und Wurfversagen   150 10.3 Versagensursachen  153 10.3.1 Versagen wegen Schäden im Wurzel­ system  154 10.3.2 Versagen wegen Mängeln in der Baum­ gestalt  156 10.3.3 Festigkeitsverlust durch holzzerstörende Pilze  159 10.3.4 Versagen wegen mangelnder Rest­ wandstärke  159 10.4 Schlussfolgerung  161

11 11.1

Tharandter BaumDiag­ nose  162

Stufen der Tharandter BaumDiagnose  162 11.1.1 Sichtkontrolle (Defektsymptome und Vitalität, Diagnoseumfang)  162 11.1.2 Einsatz von zerstörungsarmen Diagnosegeräten  166

11.1.3 Statische Analyse der Messergebnisse  167 11.1.4 Ergebnisprüfung in kritischen ­Fällen  168 11.2 Fazit  170

12

Geräte und Verfahren zur ­ein­­gehenden Baumunter­ suchung  171

12.1

Untersuchung der Verkehrssicherheit  171 12.2 Verfahren zur Untersuchung der Bruch­ sicherheit  172 12.2.1 Schall- und Ultraschallgeräte   172 12.2.2 Fractometer  174 12.2.3 Elektrische Leitfähigkeit  175 12.2.4 Elektrische Widerstandstomografie  176 12.2.5 Bohrende Verfahren  176 12.3 Verfahren zur Untersuchung der Stand­ sicherheit  180 12.3.1 Verfahren zur Untersuchung des Wurzelraumes  180 12.3.2 Dynamische Baumanalyse  180 12.3.3 Zugversuche: Untersuchung der Standund Bruchsicherheit  180 12.4 Schlussfolgerungen  181 12.4.1 Aufwand  182 12.4.2 Schädigung des Baumes   182 12.4.3 Verwendung des Messergebnisses   183

13

Fachgerechte Sicherung ­bruchgefährdeter Bäume und Baumteile  184

13.1 Vorbemerkung  184 13.2 Historische Sicherungen  185 13.3 Kronensicherung und Kronenschnitt  185 13.4 Material und Systeme   186 13.5 Statische Baum- und Kronensiche­ rungen  189

Inhalt 13.5.1 Baumstützen und Bodenanker   190 13.5.2 Stabilisierung von aufgerissenen ­Stämmen und Ästen   191 13.5.3 Kronenverankerungen  193 13.6 Dynamische Bruchsicherungen  193 13.6.1 Einbau  193 13.6.2 Dimensionierung  194 13.6.3 Verbindungen  196 13.7 Trag-/Haltesicherungen  196 13.8 Kontrolle  196

14

Die Zukunft der Stadt­ bäume  198

Service  201 Literaturverzeichnis  201 Bildquellen  216 Liste der Autoren   216 Sachregister  217 Impressum  219

7

8

Vorwort Nach der sehr erfolgreichen Akzeptanz und weit verbreiteten Verwendung der ersten Auflage dieses Buches (2008/2010) durch viele verschiedenste Nutzer ist nun die vollkommen überarbeitete zweite Auflage fertig gestellt. Hierfür wurden sämtliche Kapitel aktualisiert und insbesondere neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis eingearbeitet. Dies war vor allem bei den Methoden notwendig und wichtig, da sich erfreulich viel in diesem Bereich weiterentwickelt. Ein Kapitel (3), den Klimawandel betref­ fend, ist ganz neu aufgenommen worden, um den gegenwärtigen Erforder­ nissen besser gerecht zu werden. Somit ist das Buch mit Beteiligung vieler Experten wieder auf dem neu­ esten Stand und wird – so hoffen die Autoren – weiter maßgeblich dazu beitragen, dass Bäume biologisch fundiert kontrolliert und gepflegt wer­ den, somit eine höhere Lebenserwartung erreichen und ihre Funktionen optimal erfüllen können. Wir danken für die wertvollen Hinweise der Kollegen aus Wissenschaft und Praxis zur Verbesserung der Inhalte. Beim Verlag bedanken wir uns für die wieder sehr gute Zusammen­ arbeit und Umsetzung unserer Wünsche, besonders bei Herrn Werner ­Baumeister und Frau Martina Gronau. Andreas Roloff  (Herausgeber)

Dresden / Tharandt



9

10

1 Stadtbäume und Urbane ­Forstwirtschaft (Claus-Thomas Bues)

Zentralafrika gilt als Wiege der Menschheit und ist Heimat berühmter ­Fossilien wie „Ardi“ und „Lucy“ und Fundstätten wie der Olduvai-Schlucht. Es waren die wildreichen Baumsavannen, die den ersten Menschen Le­­ bens­raum und ausreichend Nahrung boten (Abb. 1.1). Frühe Angehörige der Gruppe homo erectus waren vermutlich die ersten Huminiden, die den afrikanischen Kontinent verließen und zuerst Asien, später Europa, besie­ delten. Auch hier waren es Gebiete mit einem Wechsel von bewaldeten und freien Flächen, die den ersten Europäern ein karges Auskommen boten, denn sie mussten in den langen Wintermonaten wie die Raubtiere vom Fleisch leben. Eine Weiterentwicklung des homo erectus, der homo sapiens, lernte, die Jagd besser zu planen und sich in kleinen Gruppen zu organisieren. Es entwickelte sich ein vielschichtiges soziales Geflecht.

1.1 Die Stadt, Lebensraum der Zukunft Die Sozialisierung und Kultivierung des Menschen geht seit dieser prähis­ torischen Zeit unaufhörlich voran. Besonderer Ausdruck dieser Entwick­ lung ist die fortschreitende Urbanisierung. Einst war die Stadt das Symbol einer ganzen Welt. Heute ist die ganze Welt im Begriff, Stadt zu werden: Schon heute lebt die Hälfte der Erdbevölkerung in urbanen Regionen. Im Jahr 2030 werden es wahrscheinlich zwei Drittel sein, prognostizierte das Abb. 1.1  Die afrikanischen Savannen gelten als Wiege der Menschheit und prägen unser Naturbild noch heute, wie die Savannen-Hypothese belegt (Krüger Park, Rep. Südafrika).

Der Stadtmensch und seine Sehnsucht nach Natur Washingtoner World Recources Institute in einer gemeinsamen Studie mit der Weltbank und den Vereinten Nationen (Burgsdorff 1998). Auf der Suche nach vermeintlich besseren Lebensbedingungen zogen die Menschen schon immer in die Städte. Städte haben viele Vorteile. Sie sind kulturelle, wirtschaftliche und soziale Zentren, bieten Lebendigkeit, Diversität und eine breite Vielfalt an Aktivitäten. Aber dieses Miteinander bringt spezielle Probleme mit sich. Der Platz wird knapp und die Natur zwangsläufig zurückgedrängt. Luftverschmutzung, Lärm, Hektik und die stetige Aufzehrung von natürlichen Lebensräumen sind die Folgen. Parks, Grünanlagen und Plätze, Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen, Steh- und Fließgewässer sowie natürliche Hausgärten und Anpflanzungen im Stra­ ßenraum gehören jedoch unverzichtbar zum besiedelten Raum dazu. Sie strukturieren den Ballungsraum, sind trennendes und verbindendes Ele­ ment. Sie schaffen freie Räume für Erholung, Bewegung und Begegnung der Menschen.

1.2 Der Stadtmensch und seine Sehnsucht nach Natur Die Sehnsucht des Stadtmenschen nach Natur hat sich seit etwa zwei Milli­ onen Jahren kaum geändert. Seine Psyche wurzelt noch immer zutiefst im Erlebnisbereich von Natureindrücken. Dies kommt zum Beispiel bei den Empfindungen der Menschen bei der Betrachtung der Farbe „Grün„ zum Ausdruck. Wiesen, Wald, blühende Natur, Vegetation, grüne Landschaft, aber auch schattige Dunkelheit des Waldes, das sind nach StefanescuGoanga (zit. in Riedel 1983, S. 101) die häufigsten Assoziationen, die sich einstellen, wenn wir „Grün“ nennen. Die harmonisierende, ausgleichende Wirkung des Grüns wurde schon von Goethe beschrieben: „Man kann nicht weiter und man will nicht weiter“ (zit. in Riedel 1983, S. 101). „Es gibt nichts wohltuenderes als die Farbe Grün“, empfindet auch Köstlin, „weil sie in das Auge einfließt mit einer milden Fülle, die nicht etwa bloß ruhig läßt, sondern positiv beruhigt.“ (zit. in Riedel 1983, S. 101). Die Sehnsucht des Menschen nach Natur ist vielschichtig. Eine Reihe von Soziologen und Psychologen untersuchten dieses Verhältnis und fan­ den heraus, dass es von angeborenen, phylogenetisch tief verwurzelten psychischen Faktoren ebenso geprägt ist, wie von erlernten, kulturellen und religiös vermittelten Haltungen. Landschaften mit grüner Vegetation wirken auf die Menschen beruhigend und Stress abbauend. Grün hat einen restaurativen Einfluss und stimuliert das parasympathische Nervensystem des Menschen, das einen beruhigenden und den Stoffwechsel fördernden Einfluss auf den Organismus ausübt und somit seiner Erholung und Rege­ neration dient. Der Erholungswert, den Stadtgrün offenkundig besitzt, resultiert nach Meinung einiger Evolutionspsychologen daher, dass diejenigen unserer prähistorischen Vorfahren, die sich in der natürlichen Landschaft entspan­ nen konnten, von der natürlichen Selektion bevorzugt wurden. Eine der ersten Theorien zur Erklärung bestimmter Präferenzen für Naturräume ist die „Prospect-refuge-Theorie“ von Appleton (1996). Sie geht davon aus, dass Menschen gerne Plätze aufsuchen, von denen sie einen geschützten Ausblick auf den umgebenden Raum haben, aber gleichzeitig „geborgen“

11

12

Stadtbäume und Urbane ­Forstwirtschaft Abb. 1.2  Nach Erkenntnissen der Evolutionspsychologie erfüllen Parklandschaften in idealer Weise das Bedürfnis der Stadtmenschen nach Natureindrücken (Jardin Public Bordeaux, Frankreich).

sind (sehen, ohne gesehen zu werden). Im urbanen Raum sitzen Menschen daher gerne unter Dächern, Pergolen oder ausladenden Baumkronen. Ebenfalls einen evolutionsbiologischen bzw. evolutionspsychologischen Ansatz verfolgt die sogenannte „Savannen-Hypothese“ von Orians (1980). Sie definiert die Baum-Savanne als idealen Lebensraum für den prähistori­ schen Menschen: Gut zu übersehen bietet sie dennoch Sichtschutz durch Sträucher und Baumgruppen, um Wild zu jagen. Die Bäume dienten bei Bedarf auch der Zuflucht. In der Savanne gibt es Feldfrüchte und Wurzeln sowie Gewässer, in deren Nähe jagdbares Wild zu finden ist. Die Präferenz für Parklandschaften von Menschen – besonders von Kindern – wird damit erklärt (Abb. 1.2). Die von Stadtmenschen als besonders attraktiv beurteilten Parkland­ schaften erfüllen auch die vom Forscherehepaar Kaplan formulierten Krite­ rien des „Verstehenkönnens“, der „Vertrautheit“ und „Orientiertheit“ einer­ seits und der „Neugierde“ und dem Bedürfnis nach Abenteuer andererseits. Baumgruppen, Büsche und kurvige Wege im Park erfüllen diese Grundbe­ dürfnisse in optimaler Weise (Kaplan u. Kaplan 1989). Erklärt wird dies durch die Savannen-Hypothese.

1.3 Urbane Forstwirtschaft Mit zunehmender Mobilität der Stadtbevölkerung steigt auch die Forde­ rung nach Erholung im Wald. Stadtnahe Waldflächen werden mit dem Schwerpunkt auf der Erholungsfunktion bewirtschaftet, die der Holzerzeu­ gung wird zunehmend zurückgedrängt. Die Entfernung dieser „Parkwäl­ der“ zu den Wohngebieten ist ausschlaggebend für die Beliebtheit ihrer Benutzung. Ihre Bewirtschaftung liegt gewöhnlich in den Händen örtlicher Behörden. Der Begriff der sogenannten „urbanen Forstwirtschaft“ (urban forestry) wurde vor etwa drei Jahrzehnten geprägt. Zunächst offenbarte sich ein Auseinanderklaffen im Verständnis der Behandlungsmethoden:

Urbanes Grün, Stadtbäume und Baumpflege Hier die Pflege einzelner Bäume im Stadtbereich, dort die waldbaulichen Verfahren, die notwendig sind, den Wald nachhaltig zu bewirtschaften. Die städtische Forstwirtschaft, die sich zuerst in Kanada entwickelte (Hall 1993, S. 48), wurde umschrieben als eine Methode, „die sich nicht allein mit Bäumen im Stadtbereich befaßt, sondern vielmehr mit der Baumbe­ wirtschaftung auf der gesamten Fläche, die von der Stadtbevölkerung beeinflußt und genutzt wird“. Das bedeutet, dass auch ein Wald oder eine Anpflanzung, die zur Erzeugung von Holz bewirtschaftet wird, innerhalb der vorstehenden Auslegung der Aufgaben des städtischen Waldes liegen kann. Aus dem Wunsch des Stadtmenschen nach Besuch von Erholungswäl­ dern (Neugierde und Abenteuer) und dem gleichzeitigen Verlangen nach Sicherheit (Vertrautheit) erwachsen ganz spezielle Vorstellungen nach dem „gepflegten Wilden“, dem sogenannten „Maffay-Effekt“ (Bues und Triebel 2004). Diese ausgeprägte Sehnsucht nach Pseudowildnis (Wald als Restnatur) verlangt jedoch eine besonders umsichtige Kontrolle der Baumbestände, da ein Nutzungsverzicht im fortschreitenden Alter der Bestände (schöne alte Bäume) zu ihrer Destabilisierung (Bruch-/Wurfge­ fahr) führen kann.

1.4 Urbanes Grün, Stadtbäume und Baumpflege Die grundsätzliche Bedeutung von Bäumen in der Stadt als Partner von Architektur und Mensch findet seinen Niederschlag in der Stadtgestalt, der Identität von Stadtquartieren und ist damit wesentliche Bestimmungs­ größe der Lebensqualität nicht nur im Freiraum (Abb. 1.3). Bäume sind nicht nur wesentliche Komponenten der Stadthygiene sondern auch des Stadtklimas. Je mehr Städte an Ausdehnung, Dichte und Höhe zunehmen, desto mehr wird das normale Klima, auf das der Mensch seit langer Zeit eingestellt ist, zur Sonderform des Stadtklimas, dessen Charakteristika Abb. 1.3  Jede Form des „Grüns“ ist in der Stadt willkommen und schützenswert (MünchenNeuhausen).

13

14

Stadtbäume und Urbane Forstwirtschaft Abb. 1.4  Noch geht ­dieser Baum als Sieger im Kampf gegen den Asphalt hervor (Tiflis, Georgien).

sichtbar werden in der Luftverschmutzung, Überwärmung, Abnahme der relativen Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit. Stadtgrün ist ein wichtiger Faktor bei der Wärmeregulierung und Luftreinheit der Stadt. Das  spezielle Stadtklima hat wiederum Einfluss auf Stimmung, Befindlich­ keit und Verhalten der Menschen. Die Ursachen hierfür sind jedoch noch nicht eindeutig geklärt. Stadtgrün und insbesondere Bäume können die für den Stadtmenschen negativ zu beurteilenden Umweltfaktoren mildern. Das können Bäume jedoch nur leisten, wenn sie ihre Lebensmöglichkeiten auch voll entfalten können. Die Besonderheiten des Stadtklimas sprechen jedoch dagegen. Ein Gedicht von Werner Thallemer (Anonymus 1978) mit dem Titel „Baum im Asphalt“ beschreibt sehr eindringlich die schwierigen Lebens­ bedingungen, denen unsere Stadtbäume ausgesetzt sind (Abb. 1.4). Stadt­ bäume sind im Grunde genommen Waldbäume, die der Mensch aus ihrer natürlichen Umgebung heraus in die von ihm selbst erschaffene und natur­ ferne Stadtumgebung verpflanzt hat: „Grüß jeden Baum, der dir am Saum der Straße begegnet. Er ist ein Held. Sein Bruder im Feld ist reich und gesegnet. Im Straßengedärm der Großstadt quirlt Lärm aus tausend Motoren. Der Baum schaut zu. Er ist wie du zum Sterben geboren. Der Wind, sein Gespiel, erzählt ihm so viel von Auen und Seen. Schwer atmet sein Laub in Giftdunst und Staub. Wie lang wird er stehen ? Der Großstadtbaum schweigt. Kein Vogellied steigt in Goldton-Kaskaden. Was macht ihn noch froh ? Ich denke mir, so im Regen zu baden. Grüß jeden Baum, der dir am Saum der Straße begegnet. Er ist ein Held. Sein Bruder im Feld ist reich und gesegnet.“