Bürgerlicher Widerstand

09.06.2012 - das viel geräumigere Haus an der Peter-. Merian-Strasse 30. ... an den Standorten. Peter Merian-Strasse, Lindenhofstrasse .... zahlt werden.
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B   asel.Stadt. Einbrüche geben Rätsel auf Täter drangen am Schlipf in Gartenhäuser ein

 | Samstag, 9. Juni 2012 | Seite 31

Bürgerlicher Widerstand

Bankdatenaustausch ist umstritten, Lohndaten gehen an Behörden Von David Weber

Nicht bestohlen. Jean-Antoine Reinau vor seinem Gartenhaus.  Foto Anna Furrer

Von Martin Regenass Riehen. Idyllisch präsentiert sich das Weinbaugebiet am Schlipf mit seinen Plantagen und Gartenhäuschen. Doch die Idylle in Riehens Norden trügt. Zwischen Auffahrt und Pfingsten haben Einbrecher das Gebiet heimgesucht. «Über ein Dutzend Meldungen von Einbrüchen sind bei mir eingegangen», sagt Jean-Antoine Reinau, Präsident der Vereinigung Pro Schlipf mit 56 Mitgliedern. Die genaue Zahl der Einbrüche gibt die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt nicht bekannt. Sprecher René Gsell bestätigt aber eine Häufung. Reinau sagt, dass bei den Einbrüchen in den Häuschen erstaunlicherweise wenig Gegenstände gestohlen worden seien. Er zählt auf: «Eine Zither, eine Drehorgel, Bilder eines Basler Künstlers oder Silberbesteck aus einer Erbschaft.» Auch Reinaus Gartenhaus ist nicht verschont geblieben. Die Spuren des Gewaltakts sind noch sichtbar. Zwar hat Reinau eine neue Türe samt Scharnieren eigenhändig montiert, die kräftigen Eindrücke im Holzrahmen – wahrscheinlich von einem Brecheisen – werden hingegen noch lange an die Tat erinnern. «Der Einbruch hinterlässt bei mir ein Gefühl von Wut und Ohnmacht. Man ist einem solchen Ereignis hilflos ausgeliefert», sagt der Rentner. Er rätselt über das Motiv der Täter, denn gestohlen haben sie ihm nichts. Eine grosse Unordnung habe sich Reinau präsentiert, als ihn ein Nachbar einen Tag nach dem Delikt aus der Stadt herbeirief und zwei Polizisten am Tatort die Informationen aufnahmen. Gaby Kurz, die für die Gemeinde Riehen den Rebberg bewirtschaftet und im Rebhaus neben Reinaus Parzelle arbeitet, nennt die Einbrecher einfach frech und dreist. «Es ist schon erstaunlich, dass diese Leute hierherkamen, ­Türen und Fenster aufmurksten, aber

praktisch nichts mitgehen liessen.» Für Reinau ist ein denkbares Motiv, dass die Einbrecher an den Gartenhäusern geübt haben. Quasi Einbruchslehrlinge. Gekocht und übernachtet Klaus Mannhart, Sprecher der Basler Polizei, erteilt dieser These eine Absage: «Wenn jemand einbrechen will, dann geht er nicht erst üben. Wir haben bei diesen Einbrüchen ein anderes Muster festgestellt als bei normalen Wohnungseinbrüchen.» Möglicherweise handle es sich bei den Einbrechern um Leute, welche die Häuschen als Nachtlager benutzt hätten, vielleicht um abzuchecken, was es zu holen gebe. Reinau ist ein solcher Fall bekannt. «In einem Gartenhaus haben die Einbrecher gekocht, übernachtet und gar ihre Notdurft verrichtet. Die hinterlies­ sen eine riesige Schweinerei», sagt der 71-Jährige. Staatsanwaltschaftssprecher Gsell vermutet, dass die Täter aus Deutschland oder der Schweiz kommen und über die grüne Grenze nach Deutschland flüchten: «Die Anfahrtswege zum Schlipf liegen relativ offen. Die Flucht bei drohender Gefahr ist relativ einfach.» Andreas Nagy, Pressesprecher der Polizeidirektion Lörrach, glaubt nicht, dass es sich bei den Tätern um eine organisierte Gruppierung handelt. «In solchen Fällen sind es oft Einzeltäter. Beispielsweise Obdachlose, die sich auf Reise befinden. Solche Fälle sind mir aus der Vergangenheit bekannt.» In den letzten Tagen ist die Idylle auf dem Schlipf Idylle geblieben. Keine weiteren Einbrüche haben sich ereignet. Laut Mannhart stehe das Gebiet seit den Vorfällen unter spezieller Beobachtung. Er rät den Besitzern, keine Wertgegenstände in den Häuschen liegen zu lassen. Auch Reinau hat das Gefühl, dass es wieder ruhiger wird. «Vereinzelte Einbrüche hat es hier oben immer wieder gegeben. Aber das war definitiv eine Serie.»

Checkpoint erfolgreich gestartet Neue Anlaufstelle für schwule und bisexuelle Männer Von Rolf Zenklusen Basel. Für Männer, die Sex mit Män-

nern (MSM) haben, hat die Aids-Hilfe beider Basel an der Clarastrasse 4 in Basel ein neues Gesundheitszentrum eingerichtet. Als Modell für den sogenannten Checkpoint dienen die Checkpoints in Zürich und Genf, mit denen eng zusammengearbeitet wird. Das Besondere an der niederschwelligen Einrichtung sei die Spezialisierung, erklärte Dirk Letsch, Leiter Bereich MSM bei der AidsHilfe beider Basel (AHbB). «Das Personal kommt selber aus der Zielgruppe oder hat Erfahrung im Umgang mit ihr.» Angeboten werden HIV- und Syphilistests, aber auch andere medizinische Dienstleistungen und Beratungen. «Die ärztlichen Leistungen können über die Krankenkasse abgerechnet oder bar bezahlt werden. Eine vollständige Anonymität ist möglich», sagte Letsch gestern an einer Medienorientierung. Die Beratung befähige die Männer, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren, auf ihre Gesundheit zu achten und im Falle von Risikosituationen die richtigen Massnahmen zu ergreifen. Offen ist der Checkpoint jeden Dienstag und Freitag von 17 bis 21 Uhr, eine Anmeldung ist nicht nötig.

Dank einem Beitrag des Bundesamts für Gesundheit könne nun auch in Basel ein Checkpoint betrieben werden, sagte Daniel Stolz, Geschäftsleiter der AHbB. Die Prävention bei MSM sei wichtig, denn die Hälfte der HIV-Ansteckungen falle in diesen Bereich. MSM umfasse nicht nur schwule und bisexuelle Männer, sondern auch solche, die sich als heterosexuell definieren, aber trotzdem ab und zu Sex mit einem Mann haben. Für die medizinischen Leistungen am Checkpoint ist der Infektionsspezialist Claude Scheidegger, Co-Leiter des Zentrums für Suchtmedizin, zuständig. Nach neuesten Zahlen zeichne sich eine Stabilisierung oder ein leichter Rückgang bei den HIV-Neuansteckungen ab, sagte Scheidegger. Geschlechtskrankheiten würden jedoch zunehmen – vor allem Tripper und Syphilis, aber auch virale Hepatitis. «Das macht uns Sorgen», sagte Scheidegger. Der Checkpoint ist seit Anfang Mai in Betrieb und für fünf bis zehn Klienten pro Abend eingerichtet. Dank Werbung in der Szene hätten sich schon viele Männer beraten und behandeln lassen, sagte Dirk Letsch. «Wir sehen, dass sexuell übertragbare Infektionen immer noch mit einem Tabu behaftet sind.» www.checkpoint-bs.ch

Basel. Dieser Satz bringt die Basler Bürgerlichen in Wallung: Der Regierungsrat befürworte die automatische Weiterleitung der Vermögensdaten an die Steuerverwaltung. Geäussert hat ihn die Finanzdirektorin Eva Herzog (SP) in der Antwort auf eine Interpellation von FDP-Regierungskandidat Baschi Dürr (BaZ vom Donnerstag). Die Basler Exekutive ist die erste Kantonsregierung, die sich offiziell dafür ausspricht. Nicht nur Dürr ist von dieser Idee wenig begeistert (BaZ von gestern). Auch für CVP-Präsident Markus Lehmann ist «diese politische Aussage völlig fehl am Platz». Bei aller Sympathie für Transparenz, sagt Lehmann, das würde zu weit gehen. Er befürchtet, dass als nächster Schritt die Vermögensdaten öffentlich zugänglich gemacht würden. Für FDP-Präsident Daniel Stolz wäre das automatische Weiterleiten der Vermögensdaten ein «Ausdruck von Misstrauen des Staates gegenüber den Bürgern». Man werde unter Verdacht gestellt und müsste seine Unschuld beweisen. Zudem könne überall, wo Informationen ausgetauscht würden, auch Missbrauch betrieben werden. SVP-Präsident und Nationalrat Sebastian Frehner findet die Haltung der Regierung «unerhört». Diese staatliche Kontrolle sei nicht nötig. «Wir haben in

der Schweiz ein anderes Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Bürgern als beispielsweise in Deutschland.» «Bewusste Unterstellung» Finanzdirektorin Herzog ärgert sich über die heftige Reaktion der Bürgerlichen und stellt klar: «Es gibt keine Pläne der Basler Regierung für die automatische Übermittlung von Vermögens­ daten.» Dass Dürr das nun so darzustellen versuche, sei eine bewusste Unterstellung im Zeichen seines Regierungswahlkampfs. Es handle sich auch nicht um einen automatischen Informationsaustausch, wie er es formuliere, sondern um ein Meldewesen wie im Falle der Lohndaten. Auch hier vermische Dürr bewusst Begriffe, um zu provozieren. Ein solches Meldewesen könnte aus­serdem kein Kanton alleine einführen, Grundlage wären Gesetzesrevisionen auf Bundesebene. Trotzdem – grundsätzlich befürwortet die Regierung die automatische Weiterleitung der Vermögensdaten an die Steuerbehörden. Herzog begründet: «Für ehrliche Bürger würde das überhaupt nichts ändern.» Bereits heute müssten die Steuerpflichtigen die Bankauszüge der Steuerverwaltung schicken. Sie fragt sich, warum sich Dürr und die anderen Bürgerlichen nun so aufregen und so vehement schon gegen solche Überlegungen antreten: «Haben

sie etwas zu verbergen?» Die Steuerhinterziehung würde so erschwert. Das betont auch SP-Grossrätin Tanja Soland, die die Idee als prüfenswert bezeichnet. «Transparenz in diesem Bereich würde das Verhältnis der Bürger untereinander verbessern, weil jeder weiss, dass der andere auch alles versteuert.» Herzog versteht zudem nicht, warum man die Vermögensdaten anders handhaben soll als die Lohndaten. Stillschwiegend zugestimmt Tatsächlich sind die Arbeitgeber in Basel-Stadt seit 2006 verpflichtet, den Lohn der Angestellten den Behörden zu melden. Auch das kritisieren die bürgerlichen Politiker. Das überrascht. Denn der Gros­se Rat hat am 20. Januar 2005 dieser Änderung des Steuergesetzes zugestimmt, stillschweigend, wie aus den Ratsprotokollen hervorgeht. Das heisst, es gab keinerlei Widerstand. Warum laufen die Bürgerlichen nun bei den Vermögensdaten Sturm, winkten aber die Weiterleitung der Lohnausweise durch? «Die Sensibilisierung ist nicht immer die gleiche», sucht Stolz nach Erklärungen. Man könnte auch sagen, dass die Bürgerlichen damals den Widerstand entweder einfach verschlafen haben. Oder aber: Sie hielten sich zurück, weil das Geschäft von Herzogs bürgerlichem Vorgänger Ueli Vischer (LDP) ausgearbeitet worden ist.

Eine Pionierin der Förderung Die Jufa setzt sich für Menschen mit einer Behinderung ein Von Lea Berndt Basel. «Jugend und Familie» (Jufa) gibt

es seit 75 Jahren – und in der breiten Öffentlichkeit kennt sie kaum jemand. Die heilpädagogische Institution setzt sich für Menschen mit Entwicklungsbeeinträchtigung ein. «Zur Zeit unserer Gründung galten Menschen mit geistiger ­Behinderung noch als unheilbar und wurden in geschlossenen Psychiatrien verwahrt», sagt René Brunner, Mitglied der Jufa-Geschäftsleitung. Eine untragbare Situation für Heinrich Kestenholz, der 1937 beschloss, eine Förderungsund Begegnungsstätte für behinderte Jugendliche und deren Familien zu gründen: «‹Jugend und Familie› – daher auch der Name Jufa», sagt Brunner. Bereits in den 20er-Jahren hatte sich Kestenholz für die menschenwürdige Behandlung geistig Behinderter eingesetzt und unter anderem die Basler Webstube gegründet. Die Jufa sollte den Fokus nun gezielt auf die fachgerechte Bildung, Beschäftigung und Betreuung jüngerer Menschen mit kognitiven Störungen richten. Zu Beginn bot der Verein primär punktuelle Betreuung in Form von Ausflügen und Nachmittagsprogrammen. Europaweit erste Tagesschule Doch bereits zwei Jahre nach ihrer Gründung stiess mit Helene Burckhardt ein Grossratsmitglied zur Jufa, das mit viel Engagement die Übernahme der Schulgelder durch den Kanton erreichte. Und so konnte noch im selben Jahr der Schulbetrieb in einem kleinen Haus am Kohlenberg aufgenommen werden. Eine Pioniertat: Europaweit war es die erste solche Tagesschule. Über die Jahre wuchs der Verein kontinuierlich und 1958 zog die Schule in das viel geräumigere Haus an der PeterMerian-Strasse 30. Dort und an drei weiteren Standorten werden auch heute noch über 50  Kinder und Jugendliche ganztags betreut und unterrichtet. «Schnell wurde aber festgestellt, dass es mit der Betreuung der Jugendlichen nicht getan ist», erinnert sich Brunner. Nach der Schulzeit hätten die wenigsten eine Anstellung gefunden: «Es entstand die Idee einer Beschäftigungsstätte für Schulentlassene.» Heute gibt es 30 Vollund Teilzeitstellen in unterschiedlichen Bereichen wie Hauswirtschaft oder der Velowerkstatt. Einer weiteren Herausforderung stellte sich die Jufa in den 90er-Jahren: «Durch den medizinischen Fortschritt wurden Menschen mit Behinderung immer älter und die familiäre Betreuung konnte oft nicht mehr gewähr-

Weberei. Die Jufa stellt unter anderem 30 Voll- und Teilzeitstellen zur Verfügung.

leistet werden», sagt Brunner. Mit den Wohnheimen «Im Hochland» und «Helene Burckhardt Haus» versuchte man, auch diesem Bedürfnis zu begegnen. 130 Angestellte und viele Freiwillige «Das Lösen von Problemen ist quasi unser Alltag», erklärt Brunner, dem die Einzelschicksale oftmals nahegehen. Gerade wenn auch der letzte Angehörige eines Menschen mit Behinderung stirbt oder zum Pflegefall werde, bemühe sich die Jufa sehr, auch wenn sie gerade keinen Platz frei habe. «In Kooperation mit anderen Institutionen und unseren freiwilligen Helfern versuchen wir, Lösungen zu finden», sagt Brunner.

Neben 130 Angestellten sind auch die unzähligen engagierten Freiwilligen unerlässlich für den Verein. Für die Zukunft stehen bereits ­weitere Projekte an: «Wir denken über seniorengerechte Wohnformen für Menschen mit Behinderung nach», sagt Brunner. Ebenso sei eine Tagesstätte für Erwachsene mit cerebraler Lähmung in Planung. «Wir verfolgen generell immer noch dasselbe Ziel wie vor 75 Jahren: Einstehen für Menschen mit einer Behinderung.» Jufa-Fescht an den Standorten Peter Merian-Strasse, Lindenhofstrasse und beim Rosenfeldpark: heute Samstag von 9–17 Uhr. www.jufa.ch