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BARBARA RIMPEL: Die Stadtkirche in Lieberose – die jüngste .... chöre mit einem Kranz polygonal auskragender Kapellen (wie der des Lübecker. Doms oder ...
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Hallenumgangschöre in Brandenburg

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Studien zur Backsteinarchitektur • Band 1

HALLENUMGANGSCHÖRE IN BRANDENBURG Ernst Badstübner und Dirk Schumann (Hg.)

Lukas Verlag 3

Abbildung auf dem Umschlag: St. Nikolai in Berlin-Spandau, Außenansicht von Osten, Aufmaß von Kokstein, 1883 (Archiv des Landesdenkmalamts Berlin)

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch die Stiftung Preußische Seehandlung, Berlin.

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Hallenumgangschöre in Brandenburg / Ernst Badstübner und Dirk Schumann (Hg.) – Erstausg., 1. Aufl. – Berlin : Lukas-Verl., 2000 (Studien zur Backsteinarchitektur ; Bd. 1) ISBN 3–931836–06–1

© by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 2000 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstr. 57 D–10405 Berlin http://www.lukasverlag.com Umschlag und Satz: Verlag Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf umweltverträglich hergestelltem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany ISBN 3–931836–06–1

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Inhalt Studien zur Backsteinarchitektur – zum Geleit

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ERNST BADSTÜBNER / DIRK SCHUMANN: Hallenumgangschöre in Brandenburg

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ARNT COBBERS: Zur Entwicklung des Hallenumgangschores MARCUS CANTE: Hallenumgangschöre im brandenburgischen Pfarrkirchenbau der Spätgotik ULRIKE GENTZ: Zum Verhältnis von Hallenumgangschören in Südund Norddeutschland WILTRUD BARTH: Die Nikolaikirche in Berlin-Spandau – ein früher brandenburgischer Hallenumgangschor WOLFRAM BLEIS: Sankt Marien und Andreas zu Rathenow – ein früher Hallenumgangschor? CHRISTIAN NÜLKEN: Frankfurt/Oder – der Hallenumgangschor der Marienkirche DIRK SCHUMANN: St. Nikolai in Frankfurt/Oder – ein bisher übersehener Hallenumgangschor des 14. Jahrhunderts ERNST BADSTÜBNER: Berlin und Königsberg in der Neumark – Stationen des Heinrich Brunsberg? ANDREAS CANTE: St. Gotthardt in Brandenburg-Altstadt – die Umbauung des Vorgängers und das »middelwerck desses chores« DIRK SCHUMANN: Beeskow – der Hallenumgangschor der Marienkirche DIRK SCHUMANN / BLANDINE WITTKOPP: Zur Datierung der Stadtpfarrkirche in Fürstenberg an der Oder BARBARA RIMPEL: Die Stadtkirche in Lieberose – die jüngste Hallenumgangschoranlage in Brandenburg Anhang Hallenumgangschöre der Mark Brandenburg (Karte) Brandenburgische und ausgewählte andere Kirchen mit Hallenumgangschören (Grundrisse) Literaturverzeichnis Ortsregister Die Autoren

18 67 142 157 205 221 258 276 307 352 371 383

407 408 433 453 458

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Eine neue Studienreihe – zum Geleit

Die Backsteinarchitektur mit ihrem leuchtend roten Baumaterial, dem gebrannten Ziegel, prägt entscheidend den Charakter der norddeutschen Kulturund Kunstlandschaft. Aber nicht allein im Küstenraum um die Ostsee wurde im Mittelalter mit dem Backstein gebaut, sondern auch in Mittel- und Süddeutschland, in Sachsen, Schlesien und Bayern, ebenso in den Niederlanden. In Italien, in Frankreich oder im Rheinland war der Ziegelbau seit den Zeiten römischer Herrschaft gebräuchlich. Im 11. und 12. Jahrhundert brachte es die Backsteinarchitektur in den oberitalienischen Landschaften zur Blüte und wurde für die nordeuropäischen Regionen vorbildlich. In diesen Gebieten, die den Steinbau größtenteils noch gar nicht kannten, nahm sie eine Entwicklung, die die Küstenregionen und das Binnenland zu ausgesprochenen »Backsteinlandschaften« werden ließ. Jeder kennt die Pracht der Giebel an Ratund Bürgerhäusern, an den Kirchen und Tortürmen norddeutscher Städte. Erscheinen diese Bauwerke zunächst einfach und streng, so erschließt sich bei genauerem Hinsehen doch die reiche Formenwelt des Details. Der Eindruck sachlichen Bauens, dessen Rationalität und Exaktheit Architekten und Kunsthistoriker seit dem frühen 19. Jahrhundert fasziniert, ist nicht zuletzt auf das normierte Maß der seriell gefertigten Backsteine zurückzuführen. War die mittelalterliche Backsteinarchitektur im 19. Jahrhundert Gegenstand historischer Rezeption im zeitgenössischen Bauen, so wurde das Baumaterial im 20. Jahrhundert zum Programm im Œuvre der Architekten vom Expressionismus bis zur Postmoderne. Auch die architekturgeschichtliche Forschung widmete sich anfänglich nur der mittelalterlichen Backsteinbaukunst mit dem Versuch einer Bestandsaufnahme. Bei jüngeren Arbeiten rücken die Rezeptionsbauten des Historismus oder die Klinkerbauten des Expressionismus ins Blickfeld kunsthistorischen Interesses. Eine vergleichende und zusammenfassende Beschäftigung mit der Backsteinbaukunst ist dagegen eher selten, meist wird sie allgemeinen architekturgeschichtlichen Darstellungen subsumiert. Dieser Mangel an thematisch vergleichenden Untersuchungen wiegt heute um so schwerer, als sich vor allem durch Bauarchäologie und Bauforschung eine Vielzahl neuer Erkenntnisse angesammelt hat. Sie sind nicht nur für die Baugeschichte und -technik einzelner Bauwerke, sondern gleichermaßen für die Geschichte bestimmter Bautypen und damit häufig auch für kunstlandschaftliche Zusammenhänge von Bedeutung. 6

Geleitwort

Es ist ein Anliegen der »Studien zur Backsteinarchitektur«, die Veröffentlichung aktueller Forschungsergebnisse zu ermöglichen, die einerseits die Untersuchung am konkreten Material einzelner Bauten, andererseits die Auseinandersetzung mit der übergreifenden kunsthistorischen Einordnung zur Voraussetzung haben. Daß die Anschauungen von Kunsthistorikern und Bauforschern nicht immer übereinstimmen, hat seine Ursache nicht zuletzt in methodischen Unterschieden, die zu abweichenden Bewertungen führen können. Doch gerade darin erkennen wir die produktiven Möglichkeiten einer Forschung, die einer notwendigen interdisziplinären Herangehensweise Rechnung trägt und Nahsicht und Weitblick als wichtige Elemente wissenschaftlicher Arbeit miteinander verbindet. Die gefundenen Antworten werden folgerichtig neue Fragen mit sich bringen. In diesem Sinne verstehen sich die »Studien zur Backsteinarchitektur« als Diskussionsforum, wo sich die Beiträge der Autoren durchaus nicht immer mit den Ansichten der Herausgeber decken. Der hiermit vorliegende erste Band der neuen Reihe hat programmatisch einen thematischen Schwerpunkt: eine besondere Form gotischer Kirchenbaukunst, den Hallenumgangschor. Durch die Konzentration auf eine Region des norddeutschen Binnenlandes, auf die Mark Brandenburg, konnte eine hohe Verdichtung verschiedener, größtenteils völlig neuer bau- und kunsthistorischer Forschungsergebnisse geleistet werden. Die folgenden Bände werden unterschiedlichen Fragestellungen mit dieser gleichen Zielsetzung nachgehen, jedoch den geographischen und zeitlichen Rahmen weiter fassen.* Wir danken allen, die mit meist langwieriger und geduldiger Arbeit zum Erscheinen dieses ersten Bandes beigetragen haben, sowie der Stiftung Preußische Seehandlung, die den Druck ermöglicht hat. Berlin im Dezember 1999

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Ernst Badstübner und Dirk Schumann

Anmerkung des Verlags: Bereits 1997 erschien als gleichsam vorgezogener Auftakt der Studienreihe deren Band 2: die von Dirk Schumann verfaßte Arbeit »Herrschaft und Architektur. Otto IV. und der Westgiebel von Chorin«. Über weitere Bände, die sich derzeit im Stadium konkreter Vorbereitung befinden, wird auf den letzten Seiten des vorliegenden Buches informiert.

Geleitwort

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Brandenburg an der Havel, St. Katharinen, Südostteil des Umgangschores

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D. Möller

Hallenumgangschöre in der Mark Brandenburg Einführung Ernst Badstübner / Dirk Schumann

Was könnte der Grund sein, einer besonderen, aber allgemein verbreiteten baulichen Erscheinung an mittelalterlichen Pfarrkirchen in den Städten der Mark Brandenburg ein Buch zu widmen? Verdienen Baudenkmäler dieser Region, die bisher keineswegs als kunstlandschaftlicher Innovationsraum bekannt ist, eine solche Aufmerksamkeit? Oder handelt es sich hier nur um ein Vorurteil? Immerhin finden sich Kirchen mit Hallenumgangschören oder, so läßt sich diese bauliche Form auch beschreiben, Hallenkirchen mit Chorumgängen in den meisten Städten der Mittelmark und der Niederlausitz. Das ist auffällig. Die im 13. Jahrhundert gegründeten märkischen Städte haben in der Mitte des 14. Jahrhunderts damit begonnen, die kaum ein Jahrhundert alten Gründungsbauten ihrer Pfarrkirchen mit dieser offensichtlich zeitgemäßeren Bauform auszustatten, um nicht zu sagen auszuzeichnen. Und wenn es sich auch bei den Hallenumgangschören in Brandenburg um eine Rezeptionsform, um eine Entlehnung dieser Form von Kirchenarchitektur aus einer anderen Region handelt, läßt sich doch spätestens mit der weiteren Verbreitung in der Mark Brandenburg eine eigene Entwicklung der Bauform beobachten. Was ist das Besondere an dieser städtischen Pfarrkirchenarchitektur? Hinter der einfachen, kompakt und geschlossen wirkenden Baugestalt mit mächtigem, die Stadt überragendem Dach verbirgt sich eine komplizierte Raumgliederung im Ostteil des Kirchengebäudes: das von Stützen – mehrkantigen oder runden Pfeilern – umgrenzte Sanktuarium und ein um dieses herumgeführter Umgang mit Gewölben in gleicher Höhe. Der so gebildete östliche Teil des Innenraums der Kirche, der mit dem kunst- und architekturgeschichtlichen Begriff »Hallenumgangschor« bezeichnet wird, bildete den Rahmen für unterschiedliche liturgische Bereiche und Handlungen. Das Sanktuarium, der Raum des Hauptaltars, diente meist auch als Platz für den »chorus psallentium« der Geistlichen. Die Bezeichnung »chorus« für die zum liturgischen Gesang versammelte Klerikergemeinschaft hatte sich im Laufe des Mittelalters auf den Raum, wo der Hochaltar stand, und schließlich auf den gesamten östlichen Bauteil einer Kirchenanlage übertragen. Doch noch das ganze Spätmittelalter hindurch wurden Chor und Umgang als Bereiche mit Einführung

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Berlin-Spandau, St. Nikolai, Blick in den Chor

D. Schumann

getrennten Funktionen verstanden: Die mittelalterliche Quellenangabe »hinder dem Chore gelegin«1 bezeichnete einen Ort im Chorumgang östlich des Hauptaltares. Der Terminus »Hallenumgangschor« leitet sich aus der Verallgemeinerung vorhandener Beispiele ab. Das Seitenschiff einer Halle wird vom Chor aufgenommen und ihre Verlängerung um das polygonal gebrochene Ende des Mittelschiffs herumgeführt, so daß ein Umgang von der gleichen Höhe entsteht. Eine ebenfalls polygonal gebrochene Wand schließt diese Hallenanlage nach außen ab. Der durch Arkaden zum Umgang geöffnete Binnenchor bleibt (wie das gesamte Mittelschiff der Hallenkirche) als der eigentliche liturgische Chor ohne direkte Beleuchtung. Das entscheidende Merkmal der märkischen Hallenumgangschöre aber ist, daß der bauliche und räumliche Zusammenhang zwischen dem Binnenchor und dem Umgang variiert wurde. Es ergeben sich zwei getrennte Raumvolumina: ein Hauptraum und ein ihn umschließender »Raummantel«. Entsprechend getrennt sind die gliedernden Systeme innen und außen: Die Stellung der Strebepfeiler und der Fensteraußenwand verschiebt sich gegenüber dem Intervall der inneren Stützen. Das radiale Gerüst aus Strebepfeilern und -bögen klassischer Gotik ist verlassen. Hallenumgangs1 CDB, A, XXIII (1862), S. 166. Vgl. den Beitrag von Andreas Cante in diesem Band.

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Ernst Badstübner / Dirk Schumann

chöre mit einem Kranz polygonal auskragender Kapellen (wie der des Lübecker Doms oder der Bützower Kollegiatskirche St. Maria und Johannes) gehören einer anderen architekturgeschichtlichen Entwicklung an und können der in unserer Kunstlandschaft untersuchten Architekturform nicht zugerechnet werden. Polygonal gebrochene Hallenchöre, deren Scheidbögen in gerader Flucht gegen die Ostwand laufen – das sind die späteren, hier beispielsweise in der Lausitz verbreiteten Anlagen –, nehmen in ihrer äußeren Erscheinung die Gestalt eines Hallenumgangschores an. Deren oftmals eingerückter Hauptaltar und eine auf eine Umgehung des Sanktuariums ausgerichtete Abschrankung lassen im funktionalen Sinne einen Umgang entstehen. Aber im architektonischen Sinne wird bei dieser Bauform wie auch bei gerade geschlossenen Hallenchören, die im Inneren zur Umgehung des Hochaltars eingerichtet sind, baulich kein Umgang ausgebildet. Dennoch ist der dafür gewählte Begriff »reduzierter Hallenumgangschor« in der Kunst- und Architekturgeschichte üblich und wird auch in unserer Publikation angewendet. Schon um die Jahrhundertwende erkannte Georg Dehio die Bedeutung der Choranlage der Zisterzienserkirche im niederösterreichischen Zwettl für die Entwicklung des Hallenumgangschores.2 In diesem 1343 begonnenen Chor wurde erstmals die traditionell basilikale Umgangschoranlage älterer Zisterzienserklosterkirchen mit der Hallenkonzeption verbunden. Es entstand ein Hallenumgangschor mit der Besonderheit, daß sich die niedrigeren, zwischen die Strebepfeiler gespannten Kapellenräume (als zisterziensisches Motiv) wie ein Kranz um den Umgang ziehen. Schon das Zwettler Mutterkloster Heiligenkreuz weist einen 1295 geweihten, dreischiffigen Hallenchor auf, hier allerdings ohne einen Umgang zu besitzen. Trotzdem lag es nahe, die Zisterzienser mit der Entwicklung der Architekturform des Hallenumgangschores in Verbindung zu bringen.3 Die zwischen quadratische Gewölbe eingeschobenen Gewölbedreistrahlen ermöglichen schon in Zwettl die Vermittlung zwischen dem 9/14-Schluß des Umgangs und dem 5/8-Schluß des Binnenpolygons. Das führte zu einer geringeren Anzahl von Umgangsstützen, zu einer größeren Arkadenbreite und damit zu einer Weitung des Raumeindrucks. Dieser Lösung mit unterschiedlicher Zahl von Polygonseiten zwischen Binnen- und Außenpolygon und deren Vermittlung über Dreistrahlgewölbe 2 DEHIO 1899, S. 385–389. – DEHIO/BEZOLD 1901, Bd. 2, S. 333–335. 3 DEHIO/BEZOLD 1901, Bd. 2, S. 333–335.

Einführung

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Zwettl, Stiftskirche, Chor von Südosten

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Archiv Badstübner

Ernst Badstübner / Dirk Schumann

folgen schließlich – aufgrund einer bisher nicht eindeutig geklärten Vermittlung – auch die ersten Hallenumgangschöre in der Mark Brandenburg. Hans-Joachim Kunst publizierte 1969 die Ergebnisse seiner Dissertation »Die Entstehung des Hallenumgangschores«, mit der er die Diskussion um die formgeschichtlichen Wurzeln dieses Architekturtyps wiederaufnahm und den wohl bis spätestens 1311 vollendeten Chor des Verdener Doms als Ausgangspunkt für die Architektur des Hallenumgangschores vorstellte.4 In Verden ist aber die Anzahl der Brechungen des Binnenpolygons und des Außenpolygons gleich. Die sphärischen Kreuzgewölbe des Verdener Umgangs sind den Umgängen hochgotischer Kathedralen entlehnt. Dieser Typ bleibt in Brandenburg ohne Nachfolge, mit einer altmärkischen Ausnahme, dem Neubau der Stadtpfarrkirche St. Marien in Stendal im 15. Jahrhundert. 1960 hatte Nikolaus Zaske in seiner Habilitationsschrift den norddeutschen Hallenumgangschor als eine eigenständige Entwicklung aus der Reduzierung kathedraler Kapellenkränze dargestellt, eine Entwicklung, die sich schließlich auch auf die Mark Brandenburg ausgewirkt habe.5 1962 konstatierte Günter Schade auf der Grundlage formgeschichtlicher Untersuchungen wie schon zuvor Georg Dehio eine Abhängigkeit der vorhandenen brandenburgischen Hallenumgangschöre von süddeutschen Vorbildern.6 Inzwischen hat sich die Detailkenntnis der entsprechenden Bauten durch archäologische Untersuchungen und bauhistorische Dokumentationen erweitert.7 Mit der dendrochronologischen Datierung des Dachstuhls der Spandauer Nikolaikirche in die Jahre 1368/698 liegt erstmals ein sicherer Anhaltspunkt für die Vollendung eines brandenburgischen Hallenumgangschores vor. Neue bauhistorische und archäologische Befunde könnten die Rathenower Marien- und Andreaskirche in eine zeitliche Nähe zur Spandauer Nikolaikirche setzen.9 Wenn sich schließlich auch noch die bisher angenommene Voll4 KUNST 1969a, S. 1–104. 5 Doch ging Zaske dabei in dem wichtigsten Bindeglied seiner Entwicklungslinie zwischen Nord- und Mitteldeutschland, der Kirche des ehemaligen Prämonstratenserstiftes in Gramzow, offensichtlich von falschen Voraussetzungen aus. J.A. Schmoll gen. Eisenwerth widersprach der schon von Friedrich Adler vorgenommenen Rekonstruktion eines Hallenumgangschores für diese Kirche. – SCHMOLL 1961, S. 42ff. 6 SCHADE 1962. 7 So wurden an verschiedenen Hallenumgangschören Brandenburgs bauhistorische und archäologische Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse in dieser Publikation z.T. erstmals publiziert werden. 8 Vgl. Wiltrud Barth in dieser Publikation. – BARTH/RÜSCH 1994. 9 Vgl. Wolfram Bleis in dieser Publikation.

Einführung

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Berlin-Spandau, St. Nikolai, Chorgrundriß

Berlin-Mitte, St. Nikolai, Chorgrundriß

endung des Chores der Marienkirche in Frankfurt/Oder aufgrund der Weihe des dortigen Kreuzaltares im Jahre 1367 sicher machen ließe10, steht die gehäufte Fertigstellung von Brandenburger Hallenumgangschören in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den bisher angenommenen niederösterreichischen und süddeutschen Vorbildern.11 Die Brandenburger Chöre wären dann nur wenig später als ihre »Vorbilder« begonnen, bisweilen aber früher vollendet worden. Mit dem Baubeginn des Umgangschores St. Nikolai in Berlin vor 1379 folgt eine zweite Bauwelle dieser Architekturform in der Mark Brandenburg.12 Jetzt hält auch der niedrigere, zwischen die Strebepfeiler des Umgangschores gelegte Kapellenkranz Einzug, der aber in dieser Form bis auf die Stadtkirche in Königsberg/Neumark, auf St. Marien in Stendal und St. Gotthardt in Brandenburg keine weitere Nachfolge gefunden hat. Doch wie ist ein solch enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Vorbild und dessen Rezeption zu denken? Sicher ist mit der Anfertigung von Rissen für die süddeutschen Beispiele zu rechnen. Möglicherweise lagen schon vor dem dortigen Baubeginn übertragbare Vorstellungen zur konkreten Baugestalt eines Hallenumgangschores vor. Bisher fehlen aber sichere Beweise für das Vorhandensein von Architekturvorlagen oder Rissen innerhalb des Backsteingebietes. Es drängt sich schließlich auch die Frage auf, wodurch solch ein zeitlich unmittelbarer Formenbezug motiviert gewesen sein kann. 10 Vgl. Christian Nülken in dieser Publikation. 11 Vgl. Arnt Cobbers in dieser Publikation. 12 Vgl. Ernst Badstübner in dieser Publikation.

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Ernst Badstübner / Dirk Schumann