Autoren ohne Grenzen Die besten Reiseberichte

eindrücken aus Afrika, Amerika, Asien, Australien und. Europa. Uns bleibt, den .... konnte sich nicht wirklich für die letzte Option erwärmen, deshalb versuchten ...
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Autoren ohne Grenzen

Die besten Reiseberichte (Band 2)

traveldiary.de Reiseliteratur-Verlag Hamburg

© 2009 traveldiary.de Reiseliteratur-Verlag Jens Freyler, Hamburg www.traveldiary.de ISBN 978-3-937274-57-7 Realisierung: www.autoren-ohne-grenzen.de Herstellung: Books on Demand GmbH Der Inhalt wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Bei Interesse an Zusatzinformationen, Lesungen o.ä. nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf

Vorwort

Auch in 2009 hat der traveldiary.de Reiseliteratur-Verlag gemeinsam mit Globetrotter Ausrüstung, der Deutschen Zentrale für Globetrotter e.V. (dzg), Books on Demand und Reisebasar.de die besten Reiseberichte des Jahres gesucht. Reiseberichte aus allen Ecken der Welt haben uns erreicht, unterschiedlichste Berichte über die verschiedensten Länder und über die diversesten Arten zu reisen. Dabei hat das hohe Niveau zahlreicher Beiträge in diesem Jahr den Juroren Jürgen Huber (Leiter des Buchbereiches von Globetrotter Hamburg), Norbert Liebeck (Redakteur des Reisemagazins „Der Trotter“) und mir selbst die Auswahl ebenso wenig leicht gemacht, wie den Hunderten von Onlinebewertern, die ebenfalls ihr Voting für die besten Reiseberichte 2009 abgegeben haben. Was daraus entstanden ist, ist ein Kaleidoskop an Reiseeindrücken aus Afrika, Amerika, Asien, Australien und Europa. Uns bleibt, den Autoren ohne Grenzen 2009 für ihre besten Reiseberichte zu danken, sie zu ihrem Erfolg zu beglückwünschen und Euch mit diesem Buch Inspirationen für Eure nächsten Reisen in die Hand zu geben… Jens Freyler traveldiary.de Reiseliteratur-Verlag

Inhalt

Beans in Oz Australien – Sabine Laimer

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Kyoto Japan – Martina Dénervaud

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Spiritualität und schwarze Popel Indien – Tonja de Almeida Madeira Clemente

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El Reventador Ecuador – Sandra Werning

44

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Kenia – Saskia Böhm

58

Es ist Indien! Nordindien – Corinna Melville

88

Gehmeditation im Land der Midges Schottland – Franz Güntner

96

Von allen guten Geistern verlassen Tibet – Yvonne Kienesberger

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Auf zwei Rädern durch Hanoi Vietnam – Albert Karsai

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Australien Beans in Oz Autorin: Sabine Laimer Ich bin ein Verfechter der international verständlichen Vornamen. Werdende Eltern sollten sich bei der Namensauswahl darüber im Klaren sein, dass ihr kleiner Wolfgang in 20 Jahren Probleme haben wird, sich in Sydney einen Kaffee zu bestellen, weil der Barista nach drei vergeblichen Rufen nach einem Woovegaeng den Latte zum Mitnehmen wieder wegschüttet. Weit entfernt von jeglichem Bezug zu Bohnen, entstand auf ähnliche Weise aus Sabine mein Pseudonym Beans, und dies ist die Geschichte von meiner Suche nach dem endless summer in Australien. Der Tag startet in Bondi Beach mit besagtem Latte (takeaway, with one) aus einem der Cafés auf der Hall Street, in denen die Baristi liebevoll Blumen in den Milchschaum malen. Schon um sieben Uhr früh sind sämtliche Sitzgelegenheiten auf dem Bürgersteig voll mit braungebrannten Morgensportlern, jungen Müttern mit Hund und Kinderwagen und ein paar lesenden Intellektuellen im Yogadress. Nur eine kleine Minderheit der Menschen hier ist um diese Zeit noch nicht schon den 5km Coastal Walk nach Bronte und zurück gelaufen, war surfen oder zumindest für einen kurzen Dip im Meer. Die australische Sonne brutzelt bereits hernieder und lässt Urlaubsgefühle aufkommen, aber auch die Mülltonnen zum Himmel stinken, so dass die berechtigte Frage aufkommt, ob die Australier den Zusammenhang zwischen Wärme und Verwesung noch nicht ergründet haben.

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Damit ich den 333 limited stops Bus in die City noch erwische, ist meistens ein kurzer Sprint mit heißem Kaffee über die rote Ampel nötig, da die Grünphase nur gefühlte zwei Sekunden dauert. Wenn man den 333 nämlich verpasst, muss man entweder eine willkürliche, aber definitiv lange Zeit auf den nächsten warten, oder mit dem 380er Bummelbus fahren, der tatsächlich alle 50 Meter hält. Habe ich es rechtzeitig zum Bus geschafft und wurde nicht vom grantigen Busfahrer mit dem indischen Turban des Ortes verwiesen, weil leckere Heißgetränke im Bus eigentlich nicht erlaubt sind, nehme ich neben einer der finance Damen Platz, die an ihrem schwarzen Kostümchen kombiniert mit weiß-neongrünen Turnschuhen und noch nassen Haaren leicht erkennbar sind. “The Fast and the Furious meets Pimp my Ride” ist das Motto auf Sydneys Straßen, und während ich auf der rasanten Fahrt trotz Schnabeldeckel am Becher damit kämpfe, meinen Kaffee nicht zu verschütten und nur dann ein Schlückchen wage, wenn der Bus gerade steht, schaffen es diese Damen tatsächlich, sich komplett zu schminken, ohne sich dabei die Mascarabürste ins Auge zu rammen. Ein letzter Blick auf die, von rauen Klippen umrahmten, türkisgrünen Wellen mit den blitzend weißen Schaumkronen in der Morgensonne, und der Bus rast die Bondi Road hoch Richtung Innenstadt. Jetzt beginnt meine Genusszeit am Morgen: Buch auf und 40 Minuten lang entspannt wach lesen. Aus den Augenwinkeln beobachte ich schmunzelnd einen der unzähligen Touristen, den man nicht nur an seiner winterlich-wanderlichen Safarikleidung erkennt, sondern auch daran, dass er unwissenderweise von [Bondi] statt [Bondai] spricht. Als ungeübter Fahrgast den richtigen Stopp zu finden entpuppt sich mangels Anzeigetafeln, 6

Haltestellendurchsagen oder blassem Schimmer dann meist als Glücksspiel, und es bedarf einiger langer korrigierender Fußmärsche bis man seinen Frieden mit Sydneys öffentlichen Bussen gemacht hat. Der 333 rumpelt die Oxford Street entlang, vorbei an dicht gedrängten viktorianischen Piratenhäuschen mit kunstvoll verschnörkelten Balkonen, englischen Backstein-Bausünden und schmucken Art Deco Fassaden. Nach dem Centennial Park wird das Straßenbild mehr und mehr von Shops und Pubs geprägt, mit ihren typischen, normiert rechteckigen Namensschildern, die an über den Bürgersteig ragenden Hängedächern angebracht sind. Berücksichtigt man die australische Sonneneinstrahlung, so sind diese schattenspendenden Dächer ein architektonisches Glanzstück und retten so manchen Shopaholic vor dem Hitzeschock. Schließlich kündigen verspiegelte Wolkenkratzer und der Sydney Tower den ersten Zwischenstopp an. Am Hyde Park angekommen, bedanke ich mich artig beim Fahrer und trete ein in die australasiatische Welt des Central Business District. Mir ist nicht ganz klar, warum sich Asiaten so geballt im Zentrum von Sydney wohl fühlen, aber im CBD übersteigt ihre Zahl die der Nicht-Asiaten um ca. 500%. Regelmäßig frage ich mich hier für den Bruchteil einer Sekunde, ob ich nicht vielleicht in den falschen Bus eingestiegen und versehentlich nach Tokio gefahren bin. In der unaussprechbaren Castlereigh Street halten die immer menschenleeren Busse Richtung Newtown, dem Künstler- und Studentenviertel. Der vorsorglich eingepackte Pullover kommt jetzt zum Einsatz, da im Innern dieser Buslinie grundsätzlich Gefriertruhentemperaturen herrschen. Meine Nachforschungen haben ergeben, dass dies nicht zum erhöhten Wohlbefinden der Fahrgäste führen soll, sondern zu einem verminderten Anlaufen der Schei7

ben. Ziemlich sinnlos, wenn man bedenkt, dass Scheiben nur dann anlaufen würden, wenn auch tatsächlich atmende Menschen im Bus wären. Mit etwas Glück schafft man es ohne Erkältung zur King Street, deren bunte und schiefe Architektur einer Westernstadt in nichts nachsteht. Zwischen second hand Buchläden reiht sich ein Thai Restaurant an das andere, und Studenten und Freaks aller Form und Farbe gehen ihrem Tagesgeschäft nach. Hinter einem Graffiti an der Wand verbirgt sich hier das Ziel meiner allmorgendlichen Reise, ein Job in der Postproduktion des Kinofilms – wer hätte es gedacht – „Australia“. Fast ein halbes Jahr zuvor, im deutschen Sommer, hatten sich mein Freund Jörg und ich nach aufkeimender beruflicher Frustration dazu entschieden, unserer Wahlheimatstadt München für einige Zeit den Rücken zu kehren und etwas Neues zu wagen. Der Schwabe in Jörg konnte sich anfangs nicht so recht mit dem Gedanken an ein Leben in Australien anfreunden. Was weiß man als Deutscher schon von dem orangen Kontinent weit weit weg, außer dass er neben Kängurus und Koalas auch die giftigsten Tiere der Welt beheimatet, ein Ozonloch für die Nationalkrankheit Hautkrebs verantwortlich ist und sich die Klospülung links rum dreht? Ein tausend Seiten starker Lonely Planet ließ jedoch den Verdacht aufkommen, dass da weit mehr sein könnte, und wir waren bereit, es herauszufinden. Nach der Jobzusage aus Sydney reduzierten wir unser Leben kurzerhand auf je 20kg und traten unsere 32-stündige Reise in die Zukunft an. Die Fluggesellschaft Qantas hatte in den letzten Wochen vor unserem Abflug nicht gerade positive Schlagzeilen gemacht, deshalb wurde unser Mut mit ihr zu fliegen mit 8

einer Sitzreihe für uns allein belohnt. Nach fünf Filmen, zwei Sonnenauf- und Untergängen und einmal kurz Pipi in Singapur setzten wir sanft und ohne Notlandung oder Loch im Rumpf in Sydney auf, von ein bisschen Tee jonglieren in Turbulenzen über Indien einmal abgesehen. Freunde aus München, die schon seit einigen Monaten in Sydney lebten und das Empfangskomitee gaben, schleiften uns gleich unter dem Vorwand, dem bevorstehenden Jetlag damit ein Schnäppchen zu schlagen, an den ultimativen Hot Spot des australischen Tourismus – zum Sydney Opera House. Jeder kennt dieses beeindruckende, von über einer Million cremeweißen Keramikfliesen bedeckte Gebilde, wie es umgeben vom azurblauen Wasser des Hafens auf einer Landzunge thront und strahlt, im Hintergrund der kolossale Stahlbogen der Harbour Bridge. So kontrovers die Architektur der Oper anfangs schien, lässt ihr Anblick vom Fuße der weitläufigen Außentreppen den Atem stocken und selbst die Herzen von Opernbanausen wie uns höher schlagen. Nicht ganz so glamourös und frierend begossen wir nun unsere Ankunft am anderen Ende der Erde auf den Stufen dieses monumentalen Bauwerks mit einer Flasche Importbier und fühlten uns eigentlich richtig gut in der weiten Welt. Wir waren nicht nur neun Zeitzonen in die Zukunft gereist, sondern hatten auch gleich den Herbst übersprungen und waren im australischen Winter gelandet, der zwar keine Minusgrade wie in Deutschland erreicht, einem aber irgendwie viel kälter vorkommt. Die Wohnungen sind nicht auf niedrige Temperaturen ausgelegt, es gibt meist weder Heizung noch Isolierung, dafür Fenster mit sichtbarem Spalt zwischen Glas und Rahmen, und das Wort „Doppelverglasung“ kommt im australischen Wortschatz gar nicht 9

vor. Durchaus nachvollziehbar, wenn es nur einen Monat im Jahr wirklich kühl wird - dachte ich blauäugige Österreicherin, bis ich erkennen musste, dass es fast weitere drei Monate dauerte, bis es wieder erträglich warm wurde. Die kalten Easterlies aus der Antarktis verursachten konstant Gänsehaut und waren wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass ich mir gleich nach unserer Ankunft eine heftige Erkältung einhandelte, in Kombination mit einer Woche Jetlag-bedingter Essstörungen und Übelkeit. Hinzu kam ein neuer Job (in der Firma hinter der Graffiti Wand), tausend neue Namen, wie wo was welcher Bus wohin, und natürlich alles auf Englisch und mit Linksverkehr. So hatte ich mir den endless summer nicht unbedingt vorgestellt. Ich hielt mich mit Grippetabletten aus Papa’s Reiseapotheke und wheat grass vitamin shots über Wasser, die genauso aussehen wie sie schmecken, nämlich wie zu Saft gepresstes Gras, denn wir hatten noch eine große Hürde vor uns: Wohnungssuche. Die funktioniert im großen teuren Sydney folgendermaßen: Hat man sich einen der vielen Stadtteile ausgekuckt, durchsucht man die Angebote der zahllosen Real Estate Agents vor Ort. Diese schreiben Freitag abends Besichtigungstermine aus, die alle am Tag darauf in einem Zeitfenster von vier Stunden stattfinden. In den Eastern Suburbs und speziell in Bondi Beach, das von Neuankömmlingen wie uns besonders heiß begehrt wird, ist die Nachfrage oft bis zu zehn mal höher als das Angebot, und so rennen dann jedes Wochenende kunterbunte Grüppchen verzweifelter Wohnungssuchender im zehn Minuten Takt von einer unerschwinglichen Bruchbude zur nächsten. Wenn man eine Wohnung unbedingt haben will (oder nach zweimonatiger Suche endlich wieder ein freies Wochenende braucht), bringt man gleich ein ausgefülltes Bewerbungsformular, 10

die Kaution, zwei Referenzen, Kopien von Pass, Arbeitsvertrag, Kontoauszug, Geburtsurkunde und Krankengeschichte mit und besticht oder schläft mit dem Agent. Jörg konnte sich nicht wirklich für die letzte Option erwärmen, deshalb versuchten wir es mit Papierkram und am Ende verhalf uns ein nach German efficiency akribisch gut sortierter Stapel Bewerbungsunterlagen zu einem wunderschönen Studio Apartment mit dichten Fenstern und Klimaanlage! Außerdem war unser neues Heim nur drei Fußminuten vom berühmtesten Strand Australiens entfernt und meiner Profisurfer-Karriere konnte nichts mehr im Wege stehen. Im Vergleich zu den anderen überteuerten, aber dafür lichtfreien Sanierungsfällen, die in der Nachbarschaft als „exklusives Strand Habitat“ angepriesen wurden, war unsere neue Wohnung ein kleines Paradies. Eines Abends überraschte uns jedoch trotz penibel deutscher Sauberkeit eine German Cockroach im Badezimmer. Ab diesem Zeitpunkt waren die kleinen Scheißer leider unsere ständig wiederkehrenden Mitbewohner und Fast Kill Insektenspray unser verlässlicher Freund und Helfer. Als bekennende Arachnophobikerin entwickelte sich das Thema Spinnen für mich hingegen nur sehr langsam, und in den ersten zehn Wochen in Sydney bekam ich keinen einzigen nennenswerten Achtbeiner zu Gesicht. Ich war von schlauen Sydney(out)sidern vorgewarnt worden, mich in den Parks nicht auf die Bänke zu setzen, weil dort angeblich die tödlichen Redback Spiders hausen würden. Im Gras liegen wäre sowieso ausgeschlossen, da dort die noch tödlichere Sydney Funnelweb Spider in ihrem Loch auf Frischfleisch warte. Außer einigen undefinierbaren Felltieren in den Bäumen und darüber kreisenden Horden von Fledermäusen, die hie und da ein paar Feigenkörner im 11