Auf der Suche nach der heilen Welt

06.02.2016 - zent die gute Geldanlage als beson- ders wichtig in unsicheren Zeiten, fiel dieser Wert 2015 auf 18 Prozent. Warum in die. Ferne schweifen?
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22 TOURISMUS

SAM STAG, 6. F EBRUAR 2016

Warum in die Ferne schweifen? BILD: SN/HEINZ BAYER

Auf der Suche nach der heilen Welt Neun von zehn Österreichern wollen heuer verreisen. Das Fernweh aber erfüllt sich in der Realität zunehmend nahe der Heimat. Das hat gute Gründe.

Traditionell nutzen Familien den Jahresbeginn, um ihre Sommerurlaubspläne in konkretere Formen zu gießen. Doch heuer ist alles anders. Die Reiselust hält sich bei vielen in Grenzen. Terrorangst, Flüchtlingsströme, Wirtschaftsflaute und Zika-Virus haben die Welt kleiner werden lassen. Kreiste man früher bei der Suche nach dem Reiseziel risikofreudig mit dem Finger um den Globus, fällt vielen die Wahl mittlerweile gar nicht mehr so leicht. „Uns gehen die Destinationen aus“, beklagte jüngst selbst ein Reisebüromanager. Offiziell bietet man Alternativen an, werden etwa Bulgarien und Portugal forciert. Stabil entwickeln sich bisher die Sommerdestinationen Italien und Kroatien, wobei hier jedoch frühe Buchungen im Reisebüro eine untergeordnete Rolle spielen. Geht es nach der bisherigen Buchungsstatistik der zur Verkehrsbüro Group zählenden Ruefa, wird es für den Badetourismus heuer ein Spanien-Jahr. Schon im Jänner lagen die Buchungen für Spanien um SALZBURG.

fast fünf Prozent höher als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Bei Griechenland sank die Zahl der Buchungen dagegen um mehr als drei Prozent. Das Minus konzentriert sich auf die Inseln nahe der türkischen Küste, wie Kos, Samos und Lesbos. Noch drastischer ist die Entwicklung bei der Türkei selbst. Dort haben sich die Buchungen im Jänner halbiert.

BILLD: SN/HEINZ BAYER

FRED FETTNER

„Einfach nur weg ist kein Thema mehr.“ Helene Karmasin, Meinungsforscherin

Dem Marktforschungsinstitut Gallup zufolge, das für Ruefa die Reiseabsichten bei den Nahzielen untersuchte, sind Italien, Kroatien und Deutschland derzeit nicht nur in absoluten Zahlen die Renner, sie verzeichnen auch deutlich steigendes Interesse. In der Ferne gilt das ungebrochen für die USA. Doch sprach man im Vorjahr noch davon, dass für knapp die Hälfte ein Fern-

KURZ GEMELDET

reiseziel infrage komme, ist es Anfang 2016 nur noch ein Viertel. Überwiegend zieht es Singles und kinderlose Doppelverdiener in die Ferne. Österreich als Ferienziel peilen knapp 70 Prozent an. Nur jüngere Singles schreckt die Aussicht auf sommerliche Ferientage in Österreich eher ab. Die Buchungszahlen und Reiseabsichten zeigen auch, wie sehr das Sicherheitsdenken durchschlägt. Die Türkei, Ägypten und Tunesien verlieren aktuell markant. Nur im Fall der Türkei könnte sich dies kurzfristig über die Preisschiene noch ändern. „Einfach weg ist kein Thema mehr. Es muss die Sehnsucht nach der heilen Welt erfüllt werden“, sagt Meinungsforscherin Helene Karmasin. Die Angst vor den Gefahren der Natur sei inzwischen wesentlich geringer ausgeprägt als jene, die von Menschen(-massen) ausgehen könnte. Das Fernweh gilt verträumten Inseln und Safaris, immer öfter auch der nordischen Einsamkeit. „Mit der Suche nach Geborgenheit und Sicherheit geht das immer stärkere Gefühl nach Heimat einher“, betont Karmasin.

Einerseits vom Sicherheitsbedürfnis zu profitieren oder andererseits offensiv mit dem Sicherheitsargument nach außen zu gehen, das sind für die Tourismusbranche in Österreich zwei paar Schuhe. „Mit Sicherheit Werbung zu machen ist schwierig, aber die Wirkung eines sicheren Images, so wie es Österreich hat, ist bekannt“, sagt die Tourismusobfrau in der Wirtschaftskammer Österreich, Petra NockerSchwarzenbacher. Allerdings: Eine allgemeine Verunsicherung dämpfe die Reiselust. „Wenn’s in der Welt überall kracht, hat keiner Freude, auf Urlaub zu gehen.“ Ähnlich sieht es die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), Michaela Reitterer. Unbestritten wirke sich das höhere Sicherheitsbedürfnis indirekt und unbewusst positiv auf ÖsterreichUrlaube aus, sagt sie. Faktoren wie Angebotsqualität oder Wetter aber würden häufiger den Ausschlag für eine Reiseentscheidung geben. Gemäß Gallup beeinflusst das Sicherheitsdenken am stärksten die Destinationswahl, in einer zweiten Ebene spielen die Reiseversicherung

für unerwartete Vorfälle und die ausführliche Beratung im Reisebüro eine Rolle. Keine Indizien deuten auf völligen Reiseverzicht hin. Wie im Vorjahr planen neun von zehn Österreichern einen Urlaub. Fast 90 Prozent gaben an, 2015 auch wirklich verreist zu sein. Wobei hier Schrebergarten, Verwandtschaftsbesuche und kurze Städtetrips enthalten sein können. Helga Freund, Vorstandsdirektorin der Verkehrsbüro Group: „Urlaub ist den Österreichern eine heilige Kuh, ein Höhepunkt des Jahres, der auch in schwierigen Zeiten Abstand vom Alltag bringt.“ Interessant: Die Urlaubsbudgets steigen leicht, obwohl die persönliche wirtschaftliche Situation gegenüber dem Vorjahr klar pessimistischer eingeschätzt wird. Wo das Geld dafür herkommt? Mehr als 60 Prozent greifen auf Erspartes zurück. Eine WKO-Befragung untermauert den für den Tourismus hilfreichen Hang zum Konsum: Erachteten 2012 noch 30 Prozent die gute Geldanlage als besonders wichtig in unsicheren Zeiten, fiel dieser Wert 2015 auf 18 Prozent.

Umschulen und motivieren

In der Türkei sinken die Touristenzahlen

Hoteliers auf Mallorca wollen Urlauber schonen

Hotellerie und Gastronomie werben für ihre Arbeitsplätze.

ISTANBUL.Terroranschläge

PALMA DE MALLORCA.

Viele Hoteliers auf Mallorca wollen die geplante Touristensteuer laut einem Medienbericht in diesem Jahr noch nicht an die Urlauber weitergeben. Wie die Zeitung „Ultima Hora“ berichtete, will die große Mehrheit der Hotelbesitzer die Abgabe zunächst selbst bezahlen. Die Regionalregierung der Balearen will die Steuer zu Beginn der Hauptsaison auf Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera einführen. Die Taxe soll – abhängig von Art der Unterkunft und Reisezeit – zwischen 0,25 und zwei Euro pro Nacht und pro Person betragen. Das Regionalparlament hat die Regelung aber noch nicht fixiert.SN, dpa

WIEN. Die österreichische Hotellerie sieht die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch als Chance – nämlich für die eigene Branche, die viele Jobs anzubieten hat. Einer Umfrage der Österreichischen Hoteliervereinigung zufolge (ÖHV) suchen derzeit mehr als drei Viertel der 1300 Top-Hotels im Land Mitarbeiter. Umgekehrt haben 490.000 Menschen in Österreich derzeit keinen Arbeitsplatz. Ein gesunder Maßnahmenmix aus Umschulung und Motivation helfe hier allen Beteiligten, sagt ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer. „De-

und die schwere Krise in den Beziehungen zu Russland lassen die Zahl der Touristen in der Türkei sinken. Im vergangenen Jahr besuchten rund 36,2 Millionen Ausländer die Türkei, das waren 1,6 Prozent weniger als 2014, wie türkische Medien unter Berufung auf das Tourismusministerium meldeten. Entgegen dem allgemeinen Trend stieg die Zahl der deutschen Urlauber von 5,25 auf 5,81 Mill. – damit blieben die Deutschen die bei Weitem stärkste Besuchergruppe vor Russen und Briten. Nach dem Anschlag von Istanbul am 12. Jänner aber rechnet die Türkei heuer mit weiteren Rückgängen. SN, AFP

nen, die in das Sozialsystem einzahlen, und denen, die davon leben müssen.“ Mehr als ein Viertel der 66.600 offenen Stellen im Vorjahr kamen aus dem Bereich Dienstleistung und Verkauf. Davon seien 10.300 zu vergebende Jobs von Betrieben der Gastronomie und Hotellerie gemeldet worden, betont Reitterer. Österreichs Dienstleister würden 70 Prozent der Wertschöpfung erwirtschaften, und allen Prognosen zufolge werde Dienstleistung in Zukunft noch wichtiger. „Der neue Slogan müsste heißen: ‚Mädchen und Burschen in die Dienstleis-

tung‘“, betont die ÖHV-Präsidentin. Die ÖHV selbst startet im kommenden Herbst unter der Dachmarke „Mach Karriere im Hotel“ eine Arbeitsmarktoffensive. Über drei Jahre hinweg sollen alle Kanäle und Möglichkeiten genutzt werden, um den Nachwuchs direkt zu erreichen. Vom YouTube-Video bis zur Hashtag-Kampagne auf Twitter wird nichts ausgelassen. Dazu lädt am 9. Oktober die heimische Top-Hotellerie zum ersten Tag der offenen Hoteltür ein. Schüler und Eltern erhalten dabei direkt im Hotel Einblick über die Job- und Karrieremöglichkeiten im Tourismus.