auction - Dorotheum

21.10.2014 - es billige Kunsthandelsware, von der aufgrund ihrer geringen ... Künstler zuzuschreiben“. ... Alexander Wied ist Kunsthistoriker und war.
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AUCTION 10

S A T I R E AU F

DIE TORHEIT

Frans Verbeeck (Mechelen ca. 1510 – 1570) Der Narrenhandel (Satire auf die menschliche Torheit) Öl/Leinwand, 135 x 188 cm Schätzwert € 900.000 – 1.200.000 Auktion Alte Meister, 21.Oktober 2014

AUCTION 12

Die Oktoberauktion „Alte Meister“ präsentiert ein seltenes Ölbild – ein Hauptwerk vo n F ra n s Ve r b e e c k , d a s d i e N a r r e t e i d e r M e n s c h e n humorvoll aufs Korn nimmt. VON ALEXANDER WIED

Der Name Verbeeck dürfte bis jetzt nur Spezialisten

dort kurz an einem Altar, zu dem er den Auftrag

bekannt gewesen sein. Nun kommt ein imposantes

nicht erhalten sollte, und auch die Malerfamilie

Hauptwerk dieser Malerfamile zur Auktion – Ein

Verbeeck war in Mechelen tätig.

Anlass, sich näher mit dem Schaffen der Familie

Detail: Ein Korb voller Narren

Verbeeck auseinanderzusetzen. Die Verbeecks waren

Das außergewöhnliche Bild „Der Narrenhandel“

im 16. Jahrhundert in Mechelen tätig, nicht weit von

wurde bereits zwei Mal, 1980 und 2003, unter

Löwen und den großen Zentren Brabants, Brüssel

dem Namen Frans Verbeeck publiziert. Da meh-

und Antwerpen. In Mechelen war die Wasserfar-

rere Maler mit dem Namen Frans und auch Jan

benmalerei auf Leinwand zuhause; diese diente teils

Verbeeck in Mechelen gelebt haben, bedarf die-

als Ersatz für die teureren Tapisserien, zum Teil war

se Zuschreibung einer kurzen Erläuterung: Man

es billige Kunsthandelsware, von der aufgrund ihrer

muss sich eine vielköpfige Malerdynastie vorstel-

geringen Haltbarkeit wenig erhalten ist. Karel van

len, die in einem weit verzweigten Werkstattbe-

Mander schrieb in seinem „Schilder-Boeck“ (Haarlem

trieb Bilder produzierte. Diese könnten, so Paul

1604) in der Lebensbeschreibung des Hans Bol, dass

Vandenbroeck 1981, „aufgrund weitgehender kom-

in Mechelen 150 solcher Ateliers bestanden. Hans

positorischer, stilistischer und ikonografischer

Bol sowie Lucas und Marten van Valckenborch

Verwandtschaften […] der ,Gruppe Verbeeck‘

kamen aus Mechelen, Pieter Brueghel d. Ä arbeitete

zugeschrieben werden“. Daher „erscheint es vorläufig unsinnig, über ,Frans‘ oder ,Jan‘ Verbeeck zu reden und die hier genannten Werke einem dieser Künstler zuzuschreiben“. Nichtsdestoweniger wurde das Bild zuletzt im Ausstellungskatalog „De Zotte Schilders“ (2003) neuerlich als Werk Frans Verbeecks publiziert, dieses Mal mit dem Zusatz „de Oude“ – das heißt, dass man es einem älteren Frans Verbeeck zuwies.1 Die Ikonografie des Bildes ist äußerst komplex: In einer offenen, wiesenbegrünten Landschaft handeln unter einem großen Baum Kaufleute mit zahlreichen kleinen Männchen. Diese sind zum Teil durch ihre Kappen und Schellen als Narren zu erkennen. Diese Handelsszene kann nur als Allegorie zu verstehen sein: Sie verbildlicht wohl, dass menschliche Jan Op de Beeck, De Familie Verbeeck. Een raar schildersgeslacht uit Mechelen, in: De Zotte Schilders, Mecheln 2003, S. 45–54; S. 51–53. Im Katalog sind die Werke auf zwei Generationen aufgeteilt; man kam inklusive der Werkstattarbeiten auf insgesamt 33 Gemälde und 37 Zeichnungen. 2 102 x 158 cm, mit der Provenienz aus der Sammlung Hellberg, Stockholm 1938 1



Detail: Liebesnarretei Die im Bild angebrachten Schrifttäfelchen beinhalten möglicherweise kurze Sentenzen aus solchen Rederijker-Texten, sind aber kaum mehr lesbar. Ein Beispiel: Über dem Reigentanz rechts im Hintergrund hängt ein Käfig mit einem Narren; er sitzt auf einem großen Ei, aus dem ein kleiner Narr schlüpft – ein Verweis auf das Sprichwort „men mag geen zot eieren laten uitbroeden“ („Man lasse keinen Narren Eier ausbrüten“), das heißt Narren brüten nur wieder Narren aus. Torheit immer im Umlauf und somit unausrottbar ist – eine Satire auf die Narrheit der Menschen.

Von den übrigen „Tüchlein“ der Verbeecks weichen auch das ungewöhnlich große Format des Gemäldes

Im Vordergrund sitzen Kaufleute an einem Tisch

und die Verwendung von Ölfarben im Unterschied

und wiegen kleine Narren, während ein Wander-

zu den sonst ausschließlich eingesetzten Tempera-

krämer und seine Frau aus Sack und Körben wei-

farben ab.

tere anbieten. Der Krämer ist wie mit einer Trense geschirrt und hat an der Stirn einen kleinen

Eine reduzierte und etwas verkleinerte Werkstatt-

Narren sitzen, der mit dem Hammer auf die

kopie2 kam am 16. Oktober 2007 (Kat. Nr. 38 mit

bekannte Steinoperation anspielt. Die operative

Farbabb.) im Dorotheum in Wien zur Auktion.

Entfernung eines Steins aus der Stirn war ein von

Sie reicht in der malerischen Qualität nicht an das

Hieronymus Bosch ausgehendes Bildthema, das

vorliegende Exemplar heran, das den Prototyp der

im 16. und 17. Jahrhundert in zahlreichen Varia-

Komposition darstellt und als ein Hauptwerk des

tionen verbreitet war. Die Botschaft ist einfach:

Hauptmeisters dieser Malerfamilie anzusehen ist.

Dummheit lässt sich operativ nicht entfernen, die Operation ist nutzlos, also ebenfalls närrisch.

Die Kunst der Verbeecks kann in ihrer stilistischen Eigenart und selbstständigen, reichen Ikonografie

Genauso närrisch ist ein links der Hauptszene zu

unabhängig neben das Werk der großen Meister

sehendes Pilgerpaar, das in Anbetung vor einem

Bosch und Brueghel gestellt werden. Im Gegensatz

alten Narrenpaar niederkniet. Die Närrin säugt und

zu jener der Bosch-Nachfolger Pieter Huys und Jan

füttert gleichzeitig einen kleinen Narren mit Brei.

Mandyn geht sie, wie Vandenbroeck betont, weder direkt auf Bosch noch auf Brueghel zurück.

Kritisch in den Blick gerät auch der Klerus: Das Liebespaar rechts am Bildrand ist als Mönch und

Die Verbeecks schufen eine Bildwelt sui generis, die

Nonne erkennbar. Sie sind dem Kloster entsprungen

in ihrer Seltsamkeit in der zeitgenössischen nieder-

und frönen der Liebesnarretei.

ländischen Malerei keine Parallele hat und uns mit ihren bisweilen bis ins Skurrile und Karikaturhafte

Anregung oder Anleitung zu vielen anspielungsrei-

gesteigerten Menschentypen aus der flämischen

chen, rebusartigen Details findet der Betrachter in

Folklore überrascht und erstaunt.

den satirischen Reimtexten der Rhetorikergilden, der „Rederijkers“ (vergleichbar etwa mit den heutigen

Das gut erhaltene Bild zeigt beispielhaft die hohe

Karneval- und Faschingsrednern), in denen Untu-

Qualität, die die meist ruinösen Wasserfarben-Bilder

genden und Torheiten aufs Korn genommen wurden.

der Verbeeck-Gruppe nur mehr erahnen lassen.

Alexander Wied ist Kunsthistoriker und war von 1992 bis 2008 als Kustos an der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums Wien tätig.