Artenschutz und Umwelthaftung bei Pflege - Arbeitsgruppe für ...

se im Rahmen zulässiger Eingriffe nach § 19. BNatSchG oder zulässiger Vorhaben im Sin- ..... geändert durch Art. 7 des Geset- zes vom 19. Juli 2007 (BGBl.
5MB Größe 6 Downloads 87 Ansichten
Artenschutz und Umwelthaftung bei Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen an Fließgewässern Ein Streiflicht zur Berücksichtigung der relevanten Rechtsnormen in der Praxis Von Jürgen Trautner

Zusammenfassung

Summary

Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen an Fließgewässern können geschützte Arten erheblich beeinträchtigen. Das wird anhand von Beispielen ausgeführt, auch bezüglich europäisch streng geschützter Arten der FFH-Richtlinie (92/43/EEC). Es ist notwendig, in diesem Rahmen sowohl die artenschutzrechtlichen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) wie auch diejenigen zur Umwelthaftung basierend auf dem Umweltschadensgesetz (USchadG) zu berücksichtigen. Dieses scheint derzeit nicht hinreichend bekannt oder wird nicht ernst genommen. Bei Pflege- oder Unterhaltungsmaßnahmen an Fließgewässern sollte zunächst zumindest eine Abschätzung, bei potenziellen Vorkommen geschützter hochgradig gefährdeter Arten jedoch eine genauere Bestandsanalyse und -bewertung vorgenommen werden, so dass beurteilt werden kann, (a) welche besonders sensiblen geschützten Arten (Artenschutz und Umwelthaftung) jeweils betroffen sind, (b) welche Möglichkeiten für Vermeidung/ Minderung bzw. für ein schonendes Management bestehen, (c) ob dennoch Verbotstatbestände berührt werden, (d) ob eine Ausnahme oder Befreiung erforderlich und unter den gegebenen Rahmenbedingungen möglich ist (Begründung der geplanten Maßnahmen, ggf. Fehlen von zufrieden stellenden anderen Lösungsansätzen, Erhaltungszustand der Populationen), (e) ob und – wenn ja – welche begleitenden Maßnahmen in diesem Kontext notwendig werden.

Species Protection and Environmental Liability in Watercourse Maintenance – Consideration of relevant legal norms

1 Einführung und rechtliche Rahmenbedingungen Nach dem aktuell gültigen Wasser-Rahmenrecht des Bundes (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) sowie nach den Wassergesetzen der Länder (z.B. Wassergesetz für Baden-Württemberg – WG) sind die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sichern (§ 1a Abs. 1 WHG). Auch § 31 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) verlangt von den Ländern, dass die oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Gewässerrandstreifen und Uferzonen als Lebensstätten und Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben und so weiterentwickelt werden, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können.

78

Measures in the context of watercourse mainten ance may seriously impair protected species. Some examples are given, including strictly protected species of the European Habitats Directive (92/43/EEC). It is necessary to pay attention to the regulations of the German Federal Nature Conservation Act (BNatSchG) on species protection as well as to those of the Environmental Damage Act (USchadG) on environmental liability. Currently this seems to be insufficiently known or is not taken seriously enough. Concerning measures planned in the framework of watercourse maintenance firstly at least a rough estimation of their effects is necessary. If highly endangered species could be affected a more detailed assessment should be done. Both the estimation and the assessment aim to clarify (a) which particularly sensitive and protected species are affected, (b) which possibilities for prevention or reduction of negative impacts respectively a careful management are given, (c) if nevertheless legal prohibitions are touched, (d) if a legal exemption is necessary and even possible under the specific circumstances (reasons for the planned measures, lack of satisfactory alternative solutions, conservation status of the populations), (e) if and which additional measures could be necessary in this context.

Neben entsprechenden allgemeinen Vorgaben und weiterer Konkretisierung z.B. in den Naturschutzgesetzen der Länder ist bei Maßnahmen an Fließgewässern der besondere Artenschutz zu berücksichtigen. § 42 Abs. 1 (BNatSchG) beinhaltet Zugriffsverbote für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten (s. hierzu u.a. TRAUTNER 2008). § 42 Abs. 5 stellt die lediglich national geschützten Arten von den Verbotstatbeständen frei, soweit diese im Rahmen zulässiger Eingriffe nach § 19 BNatSchG oder zulässiger Vorhaben im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG nach Baugesetzbuch (BauGB) eintreten. Als lediglich national geschützte Arten werden besonders oder streng geschützte Arten ohne europäische Vogelarten und ohne die Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie benannt – die europäischen Vogelarten sowie die Ar-

ten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie werden nachfolgend zusammenfassend als europarechtlich geschützte Arten bezeichnet. Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen an Fließgewässern werden in aller Regel aber nicht als Eingriffe bzw. Vorhaben im o.g. Sinne eingestuft und zugelassen. Ähnlich ist die Situation bei Maßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht für Baumbestände, wobei innerhalb des Waldes vermutlich ein großer Teil an Maßnahmen direkt der forstlichen Nutzung zugerechnet werden kann (zur übergreifenden Thematik der Verkehrssicherungspflicht bei Waldbäumen s. den umfangreichen Beitrag von AGENA 2007). Zugleich handelt es sich bei solchen Maßnahmen oftmals nicht oder nur zu einem (kleineren) Teil um eine land-, forstoder fischereiwirtschaftliche Bodennutzung, für die § 42 Abs. 4 BNatSchG anzuwenden wäre. Dieser beschränkt Verbotstatbestände im Rahmen der land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung zum einen auf die europarechtlich geschützten Arten und zum anderen auf den Fall, dass eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der betroffenen lokalen Population eintritt. Mithin sind bei einem Teil solcher Pflege- bzw. Unterhaltungsmaßnahmen, soweit es sich eben nicht um o.g. Bodennutzungen handelt, nicht nur die Verbote bezüglich europarechtlich geschützter Arten zu berücksichtigen, sondern dieselben Verbote auch für national geschützte Arten, zu denen z.B. Libellen und eine ganze Reihe holzbewohnender Käferarten zählen. Das 2007 in Kraft getretene Umweltschadensgesetz (USchadG) schließlich befasst sich mit der Vermeidung und Sanierung von Schäden an Wasser, Boden sowie bestimmten Arten und Lebensräumen (nur auf Schäden im Kontext von Arten wird nachfolgend eingegangen). Es kommt bei Umweltschäden zur Anwendung, die von einem beruflich handelnden Verantwortlichen verursacht werden. Durch den neu im BNatSchG eingefügten § 21a werden Schäden an relevanten Arten und natürlichen Lebensräumen auf Basis des USchadG definiert. Eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen ist demnach jeder Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser Lebensräume oder Arten hat. Ausgenommen sind nur zuvor ermittelte und genehmigte Beeinträchtigungen. Neben bestimmten beruflichen Hand-

Naturschutz und Landschaftsplanung 41, (3), 2009

lungen begründet das USchadG auch eine Haftung für Schädigungen von Arten und natürlichen Lebensräumen, sofern der Verantwortliche vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat (s. zu dieser Thematik u.a. PETERS et al. 2008).

2 Problemlage Dass diese Situation so zutrifft und dass für die Durchführung von Pflege- bzw. Unterhaltungsmaßnahmen ggf. eine vorherige naturschutzrechtliche Ausnahme nach § 43 BNatSchG oder in bestimmten Fällen ggf. eine Befreiung nach § 62 BNatSchG erteilt werden muss, scheint – betrachtet man die derzeitige Praxis der Gewässerpflege und unterhaltung – offenbar noch kaum bekannt oder wird nicht ernst genommen. Würden im Rahmen von Pflege- oder Unterhaltungsmaßnahmen außerhalb der land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung Fortpflanzungs- oder Ruhestätten europäischer Vogelarten oder von Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie beschädigt oder zerstört, so ist hierfür auch keine „Umgehung“ des Verbotstatbestandes durch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (funktionserhaltende Maßnahmen) im Sinne des § 42 Abs. 5 BNatSchG möglich, da diese nur für die im ersten Abschnitt des vorliegenden Beitrages angesprochenen zulässigen Eingriffe und Vorhaben konzipiert sind. Im Rahmen der land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung ist jedenfalls sicherzustellen, dass sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer europarechtlich geschützten Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert (s. § 42 Abs. 4 BNatSchG). Auch dass für die verantwortlich Handelnden ggf. eine Haftung im Kontext des Umweltschadensgesetzes resultiert, z.B. vor dem Hintergrund fahrlässigen Handelns, ist noch wenig bekannt.

3 Beispiel: Gehölze an Fließgewässern

1

2

Bei Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen an Fließgewässern bzw. gewässernahen Maßnahmen zur Verkehrssicherung (s.o.) werden relativ häufig Bäume beschnitten, saniert oder entfernt. Hiervon sind auch ältere Baumbestände betroffen (s. Abb. 1). Dass gerade ältere und totholzreiche Bäume an Fließgewässern Fortpflanzungs- und

Abb. 1: Große Bäume mit Alt- und Totholzstrukturen sowie Baumhöhlen werden im Rahmen von Pflege- oder Sicherungsmaßnahmen teils selektiv aus Fließgewässer begleitenden Gehölzbeständen entfernt. Foto: J. Trautner Abb. 2: Größere Baumhöhle in direkt am Fließgewässer stehendem Baum als wichtige Habitatstruktur. Foto: J. Trautner Abb. 3: Sohlräumung in einem von der Bachmuschel (Unio crassus) besiedelten Bachabschnitt. Foto: J. Grom

Naturschutz und Landschaftsplanung 41, (3), 2009

3

79

4

5

Ruhestätten geschützter Arten aufweisen können, ist seit langem bekannt. Dies bezieht z. B. auch Hybridpappeln ein, die zwar immer wieder zu Unrecht abqualifiziert wurden, deren grundsätzliche Funktionen als Habitat- oder Habitatbestandteil sich aber nicht oder zumindest nur unwesentlich von autochthonen Weichholzarten unterscheidet (z.B. BARSIG 2004, HERMANN & TRAUTNER 1997; s. auch zur Funktion als Horstbaum des Rotmilans NICOLAI et al. 2009 im vorliegenden Heft). Gerade die noch verbreiteten Bestände alter Hybridpappeln in Auen bieten hier Strukturen, die ansonsten im Mangel sind. Aktuell hat FOLZ (2008) am Beispiel von Hybridpappel-Beständen in einem Vogelschutzgebiet am Rhein deren wesentliche Bedeutung als Brut- und Nahrungshabitat aufgezeigt. * Nahezu alle Schwarzmilan-Horste wurden in Hybridpappeln registriert, der überwiegende Teil beobachteter Nahrungsaufnahmen des Mittelspechtes stammte ebenfalls von Hybridpappeln. Zwar unterfiele der bloße Wegfall von Nahrungsflächen im Fall des Mittelspechtes nicht oder zumindest nicht ohne weiteres dem Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 und auf die Frage erheblicher Störungen soll hier nicht eingegangen werden. Die Entfernung von Horstbäumen und von Brutbäumen anderer Vogelarten (z.B. Kleinspecht, Pirol) unterliegt aber sehr wohl dem Verbot des § 42 Abs. 1 Nr. 3, und zwar bekanntermaßen auch dann, wenn die betreffenden Vogelarten als Zugvogelarten zum Zeitpunkt der Fällung nicht im Gebiet anwesend sind, aber mit einer erneuten Nutzung gerechnet werden muss (s. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2006 zur Ortsumgehung Stralsund, BVerwG 9 A 28.05, Rdnr. 33, S. 16). Hiervon ist im Falle geeigneter Altbäume wie im Beispiel von FOLZ (2008) jedenfalls auszugehen. Die o. g. intensive Nutzung durch den Mittelspecht weist im Übrigen bereits darauf hin, welches Nahrungsreservoir an Insekten diese Bäume bereitstellen. Zu typischen Besiedlern von Pappeltotholz in entsprechenAbb. 4: Frisch gefräster Graben.

Foto: J. Grom

Abb. 5: Bachmuschel-Bank im Sohlsubstrat eines Baches. Als Art der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie mit bundesweit ungünstigem Erhaltungszustand ist die Bachmuschel im Zuge der Gewässerunterhaltung besonders relevant. Foto: J. Grom Abb. 6: Männchen der Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) – national streng geschützt und als Art des Anhangs II der FFH-Richtlinie im Kontext der Umwelthaftung relevant. Foto: J. Mayer

6

* Dass es sich bei den in jener Arbeit dargestellten Vorkommen zugleich um solche in einem Vogelschutzgebiet handelt, kann dahingestellt werden. Die artenschutzrechtlichen Verbote sowie die Regelungen zur Umwelthaftung (s.u.) sind nicht auf diese Schutzgebiete beschränkt. Gleichfalls wird hier nicht darauf eingegangen, ob es sich bei den dort kritisierten Fällungen von Hybridpappeln um Maßnahmen der Gewässerunterhaltung oder um solche der Sicherungspflicht z.B. an Wegen gehandelt hat.

80

Naturschutz und Landschaftsplanung 41, (3), 2009

dem Zersetzungsstadium (z.B. in Mulmhöhlen) zählen beispielsweise geschützte Rosenkäferarten (Cetoniidae) sowie der gleichfalls geschützte Zwerghirschkäfer oder Balkenschröter (Dorcus parallelepipedus). Wenngleich es sich bei letzterem um eine verbreitete und ungefährdete Art handelt, ist dennoch artenschutzrechtlich relevant, ob Habitate der Art beschädigt oder zerstört werden, z.B. auch im Zusammenhang mit dem auf eine Fällung vielfach folgenden Abtransport bzw. der weiteren Verwendung des Substrates. Allerdings können in Altbäumen an Fließgewässern auch fachlich weitaus beachtenswertere Artenvorkommen bestehen, bei denen es sich zugleich um geschützte Arten handelt. Beispiele sind Vorkommen des europarechtlich streng geschützten Eremiten (Osmoderma eremita) in Kopfweiden an Ufern, des national streng geschützten Körnerbocks (Megopis scabricornis) in ufernahen Pappeln und Weiden sowie des besonders geschützten Großen Erlen-Prachtkäfers (Dicerca alni) in Fließgewässer begleitenden Erlenbeständen in Baden-Württemberg, die im Rahmen des Artenschutzprogramms erhoben wurden (BENSE 2005, 2006). Auch Quartiere streng geschützter Fledermausarten können in Baumbeständen an Fließgewässern vorhanden sein (z.B. Rauhautfledermaus, s. Beispiel bei GEBHARD 1996: 169). Zu wichtigen Strukturen u.a. für Fledermäuse und bestimmte Holzkäferarten zählen Baumhöhlen (Abb. 2). Neben der Berührung von Verbotstatbeständen ist nicht auszuschließen, dass der lokale Erhaltungszustand oder der Erhaltungszustand auf einer übergeordneten räumlichen Ebene wesentlich (und nachhaltig) beeinträchtigt wird, insbesondere soweit es sich um gefährdete Arten handelt. Vor diesem Hintergrund wäre ggf. zu prüfen, ob eine Pflege- oder Unterhaltungsmaßnahme ohne im speziellen Fall ergänzende Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen für bestimmte betroffene Arten im Rahmen einer Ausnahme nach § 43 überhaupt zugelassen werden könnte. So könnte es z.B. auch erforderlich sein, eine stärkere räumliche und zeitliche Staffelung der Unterhaltung vorzunehmen oder ergänzende Stützungsmaßnahmen für die betroffene Population einzuleiten. Als Interimsmaßnahmen für bestimmte Arten kämen in diesem Kontext z.B. auch Nistkästen für Höhlenbrüter in Frage, ohne diesen Maßnahmentyp zu hoch gewichten zu wollen. Im Kontext der Verkehrssicherung muss ggf. auch geprüft werden, ob eine Verlegung oder Sperrung des betroffenen Weges in Betracht kommen könnte.

4 Beispiel: Sohlräumung In besonderem Maße ist auch bei Bach- und Grabenräumungen (Abb. 3, 4) der Artenschutz zu berücksichtigen. Stark betroffene Arten könnten hier z.B. Libellen (alle Arten national, mehrere europarechtlich geschützt) oder die Bachmuschel (Unio crassus, Abb. 5) sein, insbesondere dann, wenn keine hinreichend genaue Kenntnis über die Bestände solcher Arten in den einzelnen Gewässern

Naturschutz und Landschaftsplanung 41, (3), 2009

Abb. 7: Zunächst ohne Kenntnis über eine lokale Population der Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) in kommunaler Zuständigkeit zur Räumung vorgesehener Bachabschnitt (2008). Foto: J. Mayer

vorliegt und keine Maßnahmen getroffen werden, um ihre Bestände bei zwingend notwendigen Räumungen hinreichend zu schonen. Bei der Bachmuschel z.B. könnte ein Maßnahmenkonzept im Rahmen der Gewässerunterhaltung beinhalten, dass gut erkennbare Alttiere vor einer Räumung geborgen oder zumindest aus ggf. ausgehobenem Substrat durch entsprechend fachkundige Personen an geeignete Stellen unmittelbar in das Gewässer zurückgesetzt werden, soweit eine Räumung überhaupt vertretbar ist. Neben der Problematik des Artenschutzes ist für bestimmte europäische Vogelarten (soweit es sich nicht um weit verbreitete mit Bestandsgrößen handelt, die eine qualitativ/quantitative Beeinträchtigung im Sinne eines Umweltschadens praktisch nie erwarten lassen) und die Arten der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie auch auf die Regelungen des neuen Umweltschadensgesetzes (USchadG) mit Bestimmungen zur Umwelthaftung und ggf. resultierender Sanierungspflicht hinzuweisen (s. dazu auch PETERS et al. 2008). Es ist ohne weiteres denkbar, dass Pflegeoder Unterhaltungsmaßnahmen, die keine oder keine hinreichende Rücksicht auf Bestände solchermaßen geschützter Arten nehmen, zu Beeinträchtigungen in einem qualitativ und quantitativ so hohen Ausmaß führen, dass dies als Umweltschaden gewertet werden muss. Dies kann selbst die vollständige Vernichtung lokaler Bestände von Arten einschließen, für die ggf. auch keine Eigenregeneration mehr erfolgen kann. Beispiele sind isolierte, auf bestimmte Fließgewässerstrecken beschränkte Vorkommen der oben bereits genannten Bachmuschel oder der Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale, Abb. 6, 7). Es sind keineswegs nur natürliche oder naturnahe Gewässer, die entsprechende

Vorkommen aufweisen können (z.B. RÖCK 2006, 2008).

5 Konsequenzen Was bedeutet diese Analyse für die Praxis? Die Zuständigkeit für Unterhaltungsmaßnahmen an Fließgewässern liegt im Fall Ü der Bundeswasserstraßen beim Bund, Ü sonstiger Fließgewässer I. Ordnung bei den jeweiligen Bundesländern, Ü von sonstigen Fließgewässern bei den Gebietskörperschaften bzw. Zweckverbänden. Diese sollten zumindest eine Abschätzung, bei potenziellen Vorkommen geschützter hochgradig gefährdeter Arten jedoch eine genauere Bestandsanalyse und bewertung in dem Sinne vornehmen, dass beurteilt werden kann (in gleicher Weise sollten die für Verkehrssicherung bei Baumbeständen zuständigen Personen bzw. Stellen in ihren Fällen vorgehen), Ü welche besonders sensiblen geschützten Arten (Artenschutz und Umwelthaftung) jeweils betroffen sind, Ü welche Möglichkeiten für Vermeidung/ Minderung bestehen (bzw. für ein schonendes Management), Ü ob dennoch Verbotstatbestände berührt werden, Ü ob eine Ausnahme oder Befreiung erforderlich und unter den gegebenen Rahmenbedingungen möglich ist (Begründung des Vorhabens, ggf. Fehlen von zufrieden stellenden anderen Lösungsansätzen, Erhaltungszustand der Populationen), Ü ob und, wenn ja, welche begleitenden Maßnahmen in diesem Kontext notwendig werden. Auch vorliegende Gewässerentwicklungsund -pflegepläne wären daraufhin zu über-

81

prüfen, ob sie den Anforderungen entsprechen, die aus den artenschutzrechtlichen Bestimmungen resultieren. Pflege, Unterhaltung bzw. Sicherung zur Gefahrenabwehr sind ohne Zweifel unerlässliche Bestandteile des Managements von Fließgewässern. Zudem ist hervorzuheben, dass bestimmte Pflegemaßnahmen auch für den langfristigen Erhalt naturschutzfachlich wertvoller Artvorkommen entscheidend sein können, gerade wenn es darum geht, offene, besonnte Gewässerstrecken zu sichern, für die keine entsprechenden eigendynamischem Prozesse (mehr) vorliegen. Artenschutzrechtliche wie -fachliche Konflikte können durch vorausschauendes Handeln in Kenntnis der Sachlage im Allgemeinen wesentlich gemindert oder vermieden werden. Von Seiten des Verfassers wird dennoch eingeschätzt, dass für einen größeren Teil von Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen – zumindest diejenigen, welche mit Baumfällund -sanierungsarbeiten oder Sohlräumungen verbunden sind – eine artenschutzrechtliche Ausnahme oder Befreiung erforderlich sein wird. Pflege- oder Unterhaltungsmaßnahmen, die zugleich Umweltschäden nach sich ziehen können, dürften in wesentlich geringerem Umfang zu erwarten sein, aber auch noch keine extrem seltenen „Ausnahmefälle“ darstellen. Die zuständigen Stellen sind gut beraten, die o.g. Punkte zu klären und zu berücksichtigen.

Dank Einigen Kollegen möchte ich für die Diskussion wichtiger Fragen und hilfreiche Informationen herzlich danken, ohne sie hier im Einzelnen aufzuführen. Auch für die Bereitstellung von Fotografien danke ich herzlich, die Bildautoren sind bei den jeweiligen Abbildungen genannt.

Literatur AGENA, C.-A. (2007): Verkehrssicherungspflicht bei Waldbäumen. Zugleich eine Anmerkung zu den in diesem Heft abgedruckten Urteilen (S. 774). Natur und Recht 29, (11), 707-719. BARSIG, M. (2004). Literaturrecherche – vergleichende Untersuchungen zur ökologischen Wertigkeit von Hybrid- und Schwarzpappeln. Im Auftrag der Bundesanstalt für Gewässerkunde Ref. U3: 31 S.; TU Berlin. Internet: http://www2.tu-berlin.de/zek/ kubus/publikationen/Pappelvgl_Endfassung.pdf. BauGB, Baugesetzbuch vom 23. September 2004 (BGBl. I, S. 2414), zuletzt geändert durch Art. 14 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2586). BENSE, U. (2005/2006): Artenschutzprogramm für besonders gefährdete Käferarten in Baden-Württemberg. Jahresberichte im Auftrag der LUBW Karlsruhe: 22 S./11 S. + Anhang und Erhebungsbögen. BNatSchG, Bundesnaturschutzgesetz vom 25. März 2002 (BGBl. I, S. 1193), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 8. April 2008 (BGBl. I, S. 686). BVerwG, Bundesverwaltungsgericht: Urteil vom 21. Juni 2006 – 9 A 28.05. FOLZ, H.-G. (2008): Bericht aus dem Vogelschutzge-

82

biet „Rheinauen Bingen-Ingelheim“. Zur Nutzung alter Hybridpappeln durch geschützte Vogelarten am Beispiel von Schwarzmilan (Milvus migrans) und Mittelspecht (Dendrocopus medius). Fauna Flora Rheinland-Pfalz 11, (2), 569-580. GEBHARD, J. (1996): Fledermäuse in gefällten Bäumen: Erstmals auch das Mausohr (Myotis myotis). Nyctalus (N.F.) 6, (2), 167-170. HERMANN, G., TRAUTNER, J. (1997): Beurteilung von Schwarz- und Hybridpappeln für die Tierwelt im Neckartal. Naturschutzfachliche Bedeutung, Ersetzbarkeit und Hinweise für ein zu konzipierendes Leitbild. Im Auftrag des Grünflächenamtes Heilbronn sowie des Garten- und Friedhofsamtes Stuttgart, 15 S., Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung, Filderstadt. NICOLAI, B., GÜNTHER, E., HELLMANN, M. (2009): Artenschutz beim Rotmilan – zur aktuellen Situation in seinem Welt-Verbreitungszentrum Deutschland/Sachsen-Anhalt; Grundlagen, Probleme, Aussichten. Naturschutz und Landschaftsplanung 41, (3). PETERS, W., BRUNS, E., LAMBRECHT, H., TRAUTNER, J., WOLF, R., KLAPHAKE, A., HARTJE, V., KÖPPEL, J. (2008): Erfassung, Bewertung und Sanierung von Biodiversitätsschäden nach der EG-Umwelthaftungs-Richtlinie. Naturschutz und Biologische Vielfalt 52, 309 S. RÖCK, S. (2006): Flutkanäle der Oberrheinebene als künstliche Gewässer. Der Renchflutkanal – ein künstliches Gewässer mit hoher ökologischer Wertigkeit. KA – Abwasser, Abfall 53, (9), 883885. – (2008): Naturqualität und Bewertung künstlicher Gewässer am Beispiel zweier Flutkanäle der Oberrheinebene. Culterra 53, 180 S. TRAUTNER, J. (2008): Artenschutz im novellierten BNatSchG – Übersicht für die Planung, Begriffe und fachliche Annäherung. Naturschutz in Recht und Praxis – online 6, 1-20. Internet: http://www. naturschutzrecht.net/Online-Zeitschrift/Nrpo_ 08Heft1.pdf. USchadG, Umweltschadensgesetz vom 10. Mai 2007 (BGBl. I, S. 666), geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 19. Juli 2007 (BGBl. I, S. 1462). WG, Wassergesetz für Baden-Württemberg (WG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 2005 (GBl., S. 219, ber. S. 404), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Oktober 2005 (GBl., S. 668). WHG, Wasserhaushaltsgesetz – Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 19. August 2002 (BGBl. L, S. 3245), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 25. Juni 2005 (BGBl. I, S. 1746). Anschrift des Verfassers: Jürgen Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung, JohannStrauß-Straße 22, D-70794 Filderstadt, E-Mail [email protected], Internet www.tieroekologie.de.

TERMINE Lärmschutz Am 16. und 17. März 2009 findet eine wissenschaftliche Fachtagung mit dem Thema „Aktuelle Fachund Rechtsfragen des Lärmschutzes – Bauleitplanung, Fachplanung und Zulassung von Bauvorhaben“ des Fachgebietes Städtebau und Siedlungswesen in Berlin statt. Informationen: Anja Oberpichler, Fachgebiet: Städtebau und Siedlungswesen, Institut für Stadtund Regionalplanung, Technische Universität Berlin, Hardenbergstraße 40a, 10623 Berlin, Telefon (030) 314-2 80 77, Fax -28146, E-Mail a.oberpichler@isr. tu-berlin.de, Internet www.isr.tu-berlin.de/web/fg_ orlp/.

Flächenmanagement Das Forum Baulandmanagement lädt am 12. März 2009 zu einer Fachtagung in Essen zum Thema „Flächenmanagement in Nordrhein-Westfalen: Erfahrungen und Perspektiven“ ein. Informationen: ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung, Deutsche Straße 5, 44339 Dortmund, E-Mail [email protected].

Weidetag Mit dem „1. Bad Wurzacher Weidetag“ machen die Akteure des Beweidungsprojekts am Wurzacher Ried gemeinsam mit der Metzgerei Wegmann auf die Verknüpfung von Naturschutz und Regionalvermarktung am 17. Mai 2009 in Bad Wurzach aufmerksam. Informationen: Naturschutzzentrum Bad Wurzach, Rosengarten 1, 88410 Bad Wurzach, E-Mail [email protected].

Akademie Schleswig-Holstein 09.05.2009: Der Riesewohld – Dithmarschens Kulturwald 09. bis 17.05.2009: Vielfalt erleben – Aktionswoche „Naturerlebnis der heimischen Tier- und Pflanzenwelt“ 12.05.2009: Prozessmanagement in regionalen Bündnissen und Arbeitsgruppen 19.05.2009: Exkursion zu restaurierten historischen Alleen 27.05.2009: Historische Kulturlandschaften erkennen, erhalten, entwickeln 29.05. bis 06.06.2009: Nationalpark Kurische Nehrung – Kaliningrader Gebiet Informationen: Akademie für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein, Hamburger Chaussee 25, 24220 Flintbek, Telefon (0 43 47) 70 47 80, Fax 70 47 90, E-Mail [email protected], Internet www.afnu.schleswig-holstein.de.

Wurzacher Ried 27. und 28.03.2009: Amphibienschutz an Straßen 08. und 09.05. 2009: Jugendbegleiter für Natur und Umwelt 19. bis 21. 06.2009: Naturschutzrecht – Naturschutzmanagement Informationen: Naturschutzzentrum Bad Wurzach, Rosengarten 1, 88410 Bad Wurzach, E-Mail [email protected].

Akademie Bayern 04. bis 08.05.2009: Heil- und Gewürzkräuter (Laufen) 06. und 07.05.2009: Photovoltaikanlagen in der Landschaft (Laufen) 11. und 12.05.2009: Die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (Passau) 13. und 14.05.2009: Biologische Vielfalt: Amphibien (Laufen) 14. und 15.05.2009: Ansprache und Förderung naturschutzfachlich bedeutsamer Grünlandtypen (Laufen) 18. bis 20.05.2009: Natura 2000 – Praxis des FFHMonitorings in Bayern (Laufen) 18. bis 22.05.2009: Boden als Lebensgrundlage und künstlerische Herausforderung (Laufen) 19. und 20.05.2009: Alte Nutztierrassen – anders angepasst, bodenständig, faszinierend schön (Laufen) 26. bis 29.05.2009: Biologische Vielfalt: Gräser (Laufen) Informationen: Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL), Postfach 1261, 83406 Laufen/Salzach, Telefon (0 86 82) 89 63-0, Fax -17, E-Mail [email protected] und Anmeldung @anl.de, Internet www.anl.de.

Naturschutz und Landschaftsplanung 41, (3), 2009