Am besten stinknormal - Grundl Leadership Akademie

28.03.2013 - für Personaler und Headhunter ist es bequem, weil sie Persönlichkeitstests einsetzen können, um das Führungs personal auszusuchen.
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| 28. März 2013

Management

Das Durchschnittliche gibt der Welt ihren Bestand, das Aussergewöhnliche ihren Wert.» Oscar Wilde (1854–1900), irischer Autor

Am besten stinknormal Führungskräfte Nach gängiger Managementlehre taugen nur Charismatiker zum Chef. Dabei sind es die Durchschnittstypen, die Erfolg haben.

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Ein Zürcher Markenberater fasst es so ­zusammen: «Sie werden unter den Chefs ­unserer börsennotierten Unternehmen so gut wie keinen finden, der hervorsticht.»

er hat mehr Erfolg in der Geschäftswelt: Der aggressive ­ ­Macher oder eher der zurück­ haltende Manager? Dieser alten Frage ist Drei Typen von Herrschern Die meisten Schweizer können mit der amerikanische Ökonom Adam Grant auf den Grund gegangen. Er verglich die ­ihren unauffälligen Eliten gut leben. Der Umsätze von 400 Vertrieblern in einem Management-Vordenker Fredmund Malik Softwareunternehmen, die er zuvor einem zum Beispiel warnt schon lange davor, Persönlichkeitstest unterzogen hatte. Zu­ sich dem Kult um den charismatischen nächst klingt sein Ergebnis wenig über­ Unternehmenslenker, wie er vor allem in raschend. Die Extrovertierten lagen mit 125 den USA gepflegt wird, anzuschliessen. Er Dollar pro Stunde Umsatz leicht vor den findet, dass charismatische Persönlichkei­ Introvertierten mit 120 Dollar. Doch damit ten an der Spitze grundsätzlich ein Risiko darstellen. «Echte Führer haben nie Cha­ ist der Wettbewerb nicht entschieden. Denn die mit Abstand erfolgreichsten risma.» Neu ist diese Einschätzung nicht, Verkäufer waren weder besonders laute noch besonders leise Menschen, sondern schliesslich hat der Soziologe Max Weber sogenannte Ambivertierte. Diese Durch­ schon vor über 100 Jahren drei Typen von Herrschern identifiziert. schnittstypen brachten es Zum einen den traditionel­ auf satte 155 Dollar Umsatz Die meisten len, also den König, dann und dominierten auch die Schweizer Gruppe der Spitzenverdiener, den rationalen, also die de­ in der 208 Dollar pro Stun- können mit ihren mokratisch gewählte Spit­ de erzielt wurden. Schlussfol­ zenkraft – und zuletzt den unauffälligen gerung von Wissenschafter Charismatiker. Letzterem Grant: Menschen mit extre­ Eliten gut leben. stellte Weber eine eher men Charaktereigenschaften schlechte Prognose aus. «Er­ sind in der Geschäftswelt im Nachteil. leuchtete» Führer würden zu oft schnell Hier feiern seiner Meinung nach vor allem wieder von der Bildfläche verschwinden die Normalos Erfolge. und ihr Umfeld im Chaos zurücklassen, Dieses Ergebnis ist ein Paukenschlag, warnte der Wissenschafter. Erfahrene schliesslich wird in zahllosen Manage­ Wirtschafts­veteranen wie der ehemalige mentbüchern von jeher die Vorstellung Henkel-­Manager Helmut Sihler stimmen zelebriert, dass nur Menschen, die auf die dem zu. «Die ‹Gnadengabe› Charisma, eine oder andere Art aus der Rolle fallen, landläufig als wichtigstes Führungsattri­ zum Häuptling taugen. Mal muss es Cha­ but bezeichnet, ist soziologisch gesehen risma sein, mal emotionale Intelligenz keine positive Eigenschaft.» oder gute Intuition, ohne die es nicht geht. Dass graue Mäuse häufig erfolgreicher Nur eines darf der Chef in den Augen der wirtschaften als Star-Vorstände, zeigt auch Persönlichkeitsgurus nicht sein – normal. ein Blick in das aktuelle «Schweizer CEODabei könnte hier das wahre Erfolgs­ Ranking». Für diese Studie, erstellt vom geheimnis liegen. Unternehmen campaignfit, wurden im letzten halben Jahr 1900 Deutschschwei­ Normaler Beruf zer zu ihrer Meinung über das Führungs­ Für Boris Grundl sind solche Erkennt­ personal hierzulande befragt. Die Mei­ nisse keine Überraschung. «Führung ist nungsforscher ermittelten unter anderem, keine angeborene Fähigkeit», stellt der wie bekannt der jeweilige Unternehmens­ Managementtrainer mit eigener Akade­ führer ist. Die Lauten, in den Medien stän­ mie im süddeutschen Trossingen klar. dig präsenten Manager waren keineswegs «Die Suche nach dem perfekten Chef, dem die besten. Ganz oben auf der Bekannt­ Charismatiker oder genialen Leader führt zu nichts.» Manager sei ein normaler Be­ ruf, den man erlernen könne, so Grundl. Er selbst übrigens hat bewiesen, dass der Weg nach oben auch unter widrigsten Ausgangsbedingungen möglich ist. Ob­ Christian Scholz ist Inhaber des Lehr­ wohl er seit einem Unfall zu 90 Prozent ge­ stuhls für Betriebswirtschaftslehre, ins­ lähmt ist, hat er sich binnen weniger Jahre besondere Organisation, Personal- und zum Marketing- und Vertriebsdirektor in Informationsmanagement an der Uni­ einem europäischen Grosskonzern hoch­ versität des Saarlandes, Deutschland. gearbeitet. Er berät Firmen wie Daimler, SAP und Novartis. «Es gibt in vielen Warum hält sich die Idee vom ange­ ­Köpfen noch diesen Wunsch nach einem borenen Führungstalent so hartnäckig? Übermenschen, einem Guru, der alles Christian Scholz: Weil sie vielen Men­ ­regelt», sagt Grundl. Doch in der heutigen schen das Leben leicht macht. Für Zeit hätten solche Bilder nichts zu suchen. Chefs ist es bequem zu wissen, dass sie Gerade hierzulande dürfte die Bot­ ­Führungskompetenz besitzen, also schaft vom Normalo-Chef auf besonders ­quasi auserwählt sind und sich nicht um fruchtbaren Boden fallen, schliesslich ist Fachthemen kümmern müssen. Und das Schweizer Führungspersonal von jeher für Personaler und Headhunter ist es nicht für seine Auffälligkeit bekannt. Men­ ­bequem, weil sie Persönlichkeitstests schen wie Victorinox-Chef Carl Elsener ­einsetzen können, um das Führungs­ oder Notenbanker Thomas Jordan würde personal auszusuchen. Dabei sind diese sicher niemand als charismatisch be­ Verfahren wissenschaftlich keineswegs zeichnen, und Bundespräsidentin Wid­ valide, und oft ist gar nicht klar, wie die mer-Schlumpf bekundet im Interview Sollwerte überhaupt aussehen. ­sogar selbst: «Ich bin gerne langweilig.»

brigitta garcia lopez

Constantin Gillies

heitsskala rangieren zum Beispiel Brady Dougan (Credit Suisse) und Sergio Ermotti (UBS) – beides Chefs, die zuletzt zweistel­ lige Einbrüche beim Gewinn vermelden mussten. Wesentlich besser stehen dagegen viele der Unauffälligen am unteren Ende der Bekanntheitsskala da. Michel M. Liès von der Swiss Re zum Beispiel erfreute die Ak­ tionäre zuletzt mit einem Gewinnsprung von 60 Prozent, sein Kollege Gilles Andrier vom Duftkonzern Givaudan konnte sogar mit 63 Prozent aufwarten. Einzig beim bekanntesten Schweizer Konzernchef, ­ Nick Hayek jr., stimmt auch das Ergebnis. Ein interessantes Detail: Die Umfrage­ teilnehmer sollten auch Eigenschaften wie den Führungsstil oder die Leistung

der Führungskräfte bewerten, aus denen dann eine Markenstärke errechnet wurde. Das Ergebnis überraschte selbst die Stu­ dienautoren. «Eine starke CEO-Marke hat wenig mit der Bekanntheit des jeweiligen Chefs zu tun. Es gibt da nur eine sehr ­geringe Korrelation», sagt Tobias Heil­ mann, Geschäftsführer von campaignfit in Stetten SH. Das scheint ganz klar für die Theorie zu sprechen, dass der beste Chef tatsäch­ lich ein unauffälliger Jedermann ist. Aller­ dings gibt es eine Einschränkung, wie wissenschaftliche Untersuchungen bele­ gen. «Studien zeigen, dass bei einem Chef mit extravertierter Persönlichkeit die ­Erfolgswahrscheinlichkeit steigt», erklärt Heike Bruch von der Universität St.Gal­

«Führungskompetenz ist erlernbar» Und das muss sie auch nicht sein, denn Führungskompetenz ist erlernbar.

Christian Scholz Universität des Saarlandes, Deutschland

Chef sein wird einem also nicht in die Wiege ­gelegt? Scholz: Natürlich gibt es Menschen, die ein gewisses Talent haben. Aber wir haben es mit einer Normalvertei­ lung zu tun. An den Rändern liegen ­einige Talentierte, aber die Mehrheit ist eben nicht besonders charismatisch.

In welchen Punkten sollten Unternehmen umdenken? Scholz: Zunächst einmal sollten Bud­ gets, die für Headhunter und Eignungs­ diagnostik ausgegeben werden, in die Personalentwicklung fliessen. Dann muss das Gerede über «Fachkarrieren» beendet werden. Damit wird den Men­ schen unnötig ein Stempel aufgedrückt. Er sagt: Eine Person verfügt nur über Fachkompetenz, wird aber nie eine ­Führungsrolle übernehmen können. Das ist Unsinn. Grundsätzlich sollten ­allen ­Mitarbeitenden alle Karrierewege offenstehen. Interview: Costantin Gillies

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len. Dieser Zusammenhang sei nicht all­ zu stark ausgeprägt, aber nicht wegzudis­ kutieren, so die Professorin. Als Beispiel nennt sie eine US-Studie aus dem Jahr 2004, die den Zusammenhang zwischen Chef-Persönlichkeit und Führungserfolg untersucht hat. Insgesamt konnten die Forscher nur eine geringe Korrelation ausmachen, lediglich bei der Extrover­ tiertheit liess sich ein positiver Einfluss nachweisen. Insgesamt jedoch hält Professorin Bruch die Persönlichkeitsmerkmale einer Führungsperson für weniger wichtig als die allgemeine Bereitschaft, überhaupt leitende Aufgaben zu übernehmen. «Je­ mand muss führen wollen und Menschen mögen», so Bruch. Die nötigen Führungs­ techniken könne dann jeder erlernen. «Führung ist eine Aufgabe, die man ge­ nauso professionell und systematisch ­angehen sollte wie Fachaufgaben. Dafür gibt es Handwerkzeug, und dieses muss man sich aneignen.»

Extreme Profile schädlich Kann also wirklich jeder Chef werden? Nicht so schnell, sagen auch Personalbe­ rater, die täglich Top-Positionen besetzen müssen. «Es gibt schon ein paar Eigen­ schaften, ohne die es nicht geht», sagt Christoph Thoma von Kienbaum Consul­ tants in Zürich. Wer eine Organisation führen wolle, müsse zum Beispiel hervor­ ragende analytische Fähigkeiten mitbrin­ gen, so der Experte für Personalauswahl. Ausserdem gehe es nicht ohne strategi­ sches Denken, eine strukturierte Arbeits­ weise und die Fähigkeit, den Wandel zu gestalten. Eigenschaften wie Extra- oder Introvertiertheit dagegen spielten in der Praxis keine Rolle, findet auch Thoma. Mehr noch: «Extreme Profile in beide Richtungen sind eher schädlich. Solche Leute scheitern häufig», sagt er.