Alles schläft, einer wacht!

Abitur mit Schwerpunkt BWL hat sie eine Ausbildung zur. Diplombetriebswirtin .... Vermutlich besser als ein angestellter Privatdetektiv, fuhr es mir durch den ...
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Katrin Rodeit

Alles schläft, einer wacht!

© Alexandra Sinz

V o n d e n T o t e n a u f e r s t a n d e n ? Wen hat Tobias Kohler auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt gesehen? Er behauptet, es sei seine Frau Silvia, doch die ist vor einem halben Jahr bei einem Tauchunfall im Bodensee ums Leben gekommen. Jule macht sich auf die Suche nach der Frau. Es handelt sich offenbar um die Reinigungskraft Verena Retsch, die aber wie vom Erdboden verschluckt ist. War Silvias Tod wirklich ein Unfall? Oder steckt doch mehr dahinter? Eine erste Spur führt sie nach Wiesensteig, wo eine Frau in ihrem Haus grausam ermordet wurde. Dass in dem Mordfall ausgerechnet Kriminalkommissar Mark Heilig ermittelt, macht es für Jule nicht einfacher. Denn nach ihrem letzten Fall ist sie sich ihrer Gefühle nicht sicher. Nach einigen überraschenden Entdeckungen wird der Fall schließlich zu einer tödlichen Jagd nach dem Mörder. Aber als Jule die Zusammenhänge erkennt, ist es beinahe zu spät. Katrin Rodeit wurde 1977 am Rande der Schwäbischen Alb in Ulm geboren und ist dort aufgewachsen. Nach dem Abitur mit Schwerpunkt BWL hat sie eine Ausbildung zur Diplombetriebswirtin Fachrichtung Bank (BA) gemacht. Bis 2008 arbeitete sie als Kundenberaterin bei Leasinggesellschaften. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie in der Nähe von Ulm und arbeitet ausschließlich als freie Autorin. »Alles schläft, einer wacht!« ist bereits der vierte Band um die sympathische Ulmer Privatdetektivin Jule Flemming. Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag: Mich sollst du fürchten (2015) Gefährlicher Rausch (2014) Mein wirst du sein (2013)

Katrin Rodeit

Alles schläft, einer wacht! Kriminalroman

Besuchen Sie uns im Internet: www.gmeiner-verlag.de © 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0 [email protected] Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2016 Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt Herstellung: Mirjam Hecht Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart unter Verwendung eines Fotos von: © cyooh / photocase.de Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN 978-3-8392-5093-8

Vorbemerkung

Die Geschichte sowie die handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Übereinstimmung mit realen Personen ist zufällig und nicht gewollt. Die erwähnten Schauplätze in Ulm gibt es wirklich. Lediglich der ›Jazz-Keller‹ ist meiner Fantasie entsprungen.

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Personenverzeichnis Jule Flemming (28): Vom Leben und der Liebe enttäuschte Privatdetektivin mit Anpassungsschwierigkeiten. Getrieben vom unbedingten Willen, den Mörder ihres Vaters zur Strecke zu bringen. Im Vorgängerband ›Mich sollst du fürchten‹ ist ihr das endlich gelungen.

Jules Familie Elisabeth Flemming (47): Jules Mutter. Freischaffende Künstlerin mit Hang zu Übernatürlichem. Fritz Flemming (vor 14 Jahren verstorben): Jules Vater. Entertainer und Hypnotiseur, Opfer eines Mörders, dessen Stimme Jule gehört hat. Sie sucht ihn noch immer. Sebastian Flemming (23): Jules kleiner Bruder. Zieht Schwierigkeiten magisch an, aus denen Jule ihn ein ums andere Mal herauspauken muss, ist aber ein begnadetes Computergenie.

Jules Jazz-Familie Gregor ›Lou‹ Falke (45): Hysterischer, übergewichtiger Besitzer des Jazz-Kellers, der mit seinen Smokings und Hüten wie eine zu klein geratene Kopie von Lou Bega daher kommt. Im Dauer-Liebes-Stress mit Freund Hannes. 6

Fanny Mahler (23): Bedienung im Jazz-Keller, die ihren Traum von der Ausbildung zur Kosmetikerin noch nicht begraben hat. Mit Jule verbindet sie mehr als nur das schlechte Verhältnis zu Cosima. Cosima Ziegler (32): Singender Vamp im Jazz-Keller, der ständig seine Wirkung auf andere probt und dabei nicht nur bei Jule aneckt. Hat ein kleines wohlgehütetes Geheimnis. Andreas (38): Schweigendes Geheimnis des Jazz-Kellers mit großer, ständig sabbernder rotbrauner Dänischen Dogge, die auf den zarten Namen ›Flocki‹ hört. Keiner weiß, wo er herkommt und was er macht, doch sein Blick verursacht Gänsehaut. Nur Jule kennt sein Geheimnis.

Jules Arbeit Werner Simon (51): Jules Arbeitgeber und Inhaber der ›Privatdetektei Simon‹. Er hat sie in größter Not aufgefangen und ihr eine Zukunft gegeben. Gutmütiger Brummbär, der gefährlicher wird, je leiser seine Stimme wird. Anna Jost (53): Einsame Herrscherin über das Chaos in der Detektei, die einen ständig pupsenden Dackel und einen Rocker mit Motorrad ihr Eigen nennt.

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Wer sonst noch etwas mit Jule zu tun hat Mark Heilig (30): Früher ein Weiberheld, jetzt Kriminalkommissar. Seinem Charme wäre Jule während ihrer gemeinsamen Ausbildung beinahe erlegen. Jochen Eigner (30): Jules Ex-Kollege von der Polizei, der schon damals wusste, dass mehr hinter ihrer unnahbaren Art stecken muss. Sieht dem Geplänkel zwischen Jule und Mark amüsiert zu. Conny Schmied (28): Jules beste Freundin, mit Mann, zwei Kindern und Haus. Conny sehnt sich manchmal nach Jules Freiheit, Jule wünscht sich insgeheim die Geborgenheit in Connys Familie. Leon Master (8): Jules kleiner Freund, der mit seiner Mutter Barbara in die Wohnung unter Jule eingezogen ist. Er fällt nicht nur durch seine Intelligenz auf, sondern auch dadurch, dass er beinahe unheimlich viel sieht und hört.

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Donnerstag

»Meine Frau ist tot, aber ich habe sie gesehen.« Er rutschte auf dem Stuhl hin und her und suchte meinen Blick. Sein Kaffee musste längst kalt geworden sein. »Das hört sich verrückt an, ich weiß. Aber Sie müssen mir glauben!« Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar, in seinem Blick ein stummes Flehen. Ich betrachtete mein Gegenüber genauer und versuchte, etwas in seinem Erscheinungsbild zu finden, das darauf hindeutete, dass er ein psychisches Problem hatte. Tobias Kohler hatte dunkelbraunes, fast schwarzes Haar, das modisch zur Seite gekämmt und kurz geschnitten war. Ebenmäßige Gesichtszüge, eine fein geschwungene Nase. Er trug einen gut sitzenden Anzug, Hemd und Krawatte. Nur sein Gesicht passte nicht in das Erscheinungsbild. Falten hatten sich eingegraben, die zu tief für sein Alter waren. Die Augen wirkten wässrig und sein Kinn zierten Bartstoppeln, die nicht zu seinem gepflegten Äußeren passten. Ich seufzte. Das fehlte noch, dass ich es mit einem Verrückten zu tun hatte. Ich hatte mit mir selbst genug zu tun und von Psychotherapeuten erst einmal die Nase voll. »Bitte, Sie müssen mir helfen!«, unterbrach er die Stille. Ich schenkte mir Kaffee nach, um Zeit zu gewinnen. »Okay, halten wir mal fest«, sagte ich und zückte meinen Stift. Wenn ich die Sache rational anging, merkte er vielleicht, dass das absurd war. »Ihre Frau ist tot.« Er nickte und ich zweifelte keinen Moment, als ich ihm 9

ins Gesicht sah. »Sie ist bei einem Tauchunfall im Bodensee ums Leben gekommen. Anfang April.« »Aber jetzt glauben Sie, dass Sie sie gesehen haben?« »Ich glaube es nicht, ich weiß es!« Er beugte sich zu mir herüber und legte die Handflächen auf den Tisch. »Hier in Ulm auf dem Weihnachtsmarkt.« Ich merkte, wie Mitleid in mir hochkroch. Die Verzweiflung, mit der er darauf pochte, zeigte mir, wie ernst es ihm war. Ich unterdrückte ein Seufzen. »Sie kommen aus Köln?« Wieder ein Nicken. »Meine Frau auch.« »Und Sie sind sich wirklich sicher?« Er sprang auf. »Natürlich bin ich sicher!« Wie ein Tiger im Käfig ging er einige Schritte auf und ab, bevor er stehen blieb und die Augen schloss. Dann setzte er sich wieder. »Entschuldigung, das nimmt mich alles ziemlich mit.« »Das glaube ich Ihnen«, murmelte ich und versuchte, ruhig zu bleiben. Ich wusste, wie es war, jahrelang einem Hirngespinst nachzujagen. Trotzdem fragte ich mich, ob er bei einem Psychiater nicht besser aufgehoben war als bei einer Privatdetektivin. »Fangen wir am Anfang an. Wie genau ist Ihre Frau ums Leben gekommen?« Wieder fuhr er sich mit der Hand durch das Haar und warf sich im Stuhl zurück. »Himmel, Frau Flemming, wenn ich das nur wüsste«, brach es aus ihm heraus. »Sie musste ja unbedingt diesen verdammten Tauchschein machen. Wir wollten Urlaub in der Karibik machen.« Als Leiter einer Bankfiliale verdiente man offenbar ganz gut. Vermutlich besser als ein angestellter Privatdetektiv, fuhr es mir durch den Kopf. Ich rief mich zur Ordnung. An den Gedanken, dass ich Geld hatte, hatte ich mich noch nicht 10

gewöhnt. Vielleicht lag es daran, dass es mir nicht gehörte. Ich räusperte mich. Kohler löste die Faust, die kurze Zeit über dem Tisch geschwebt hatte. Er atmete tief durch, ehe er ruhiger fortfuhr. »Silvia hatte sich in den Kopf gesetzt, im Urlaub zu tauchen. Hätte ich nur nie zugestimmt!« Für einen Moment fürchtete ich, dass er in Tränen ausbrechen würde, aber er fing sich. »Sie hat den Tauchschein in Köln gemacht. Zehn Übungsstunden in Theorie und Praxis, dann hat sie noch zwei oder drei Tauchgänge in einem Baggersee absolviert, bevor sie den Schein gemacht hat. Um nicht aus der Übung zu kommen bis zum Urlaub, sind wir für ein paar Tage an den Bodensee gefahren. Meine Frau war als Kind oft mit ihren Eltern dort und kennt sich recht gut aus.« Ein bisschen kannte ich mich auch aus. Der Bodensee war nicht weit weg von Ulm und ich wusste, dass er kein einfaches Tauchrevier war. Immer wieder hörte man von Unglücksfällen, bei denen Taucher ums Leben kamen. »Wo waren Sie denn?« »In Wallhausen. Sie wollte in der Katharinenschlucht tauchen.« »Und was ist dort passiert?« Jetzt lief doch eine Träne über seine Wange. Er schluchzte auf und kramte nach einem Taschentuch. »Entschuldigung.« »Sie müssen sich für nichts entschuldigen.« Ich legte so viel Wärme in meine Stimme, wie ich konnte. Spontan beschloss ich, ihm zu helfen. Wie auch immer ich das anstellen wollte. Es war verrückt, weil ich an den Tatsachen nichts ändern konnte. »Möchten Sie lieber eine Pause machen?« Er schüttelte den Kopf und schnäuzte sich. Erstaunlich gefasst sprach er weiter: »Sie hatte unter Wasser vermut11

lich eine Panikattacke. Und anstatt einfach dem Tauchlehrer Bescheid zu geben und aufzutauchen, ist sie immer tiefer getaucht.« »Und der Tauchlehrer ist ihr nicht gefolgt?« »Er konnte nicht. Er hatte etwas anderes in seiner Atemflasche. Er konnte damit nicht so tief tauchen.« Ich runzelte die Stirn. »Er hat sie gesehen, wie sie immer tiefer getaucht ist. Dann muss sie eine Art Tiefenrausch bekommen haben, zumindest vermutet das die Polizei. Sie ist nicht mehr aufgetaucht. Sie war weg. Einfach verschwunden. Im Bodensee.« »Wie tief ist es an der Stelle?« »Bis zu vierzig Meter.« »Hat man nicht nach ihr gesucht?« Sein Kopf zuckte hoch. »Natürlich! Wir haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, als der Tauchlehrer wieder oben war. Suchmannschaften waren den ganzen Tag unterwegs. Sie haben die Umgebung rund um die Unfallstelle abgesucht. Auch die Strömung haben sie mit einberechnet und das Gebiet in den nächsten Tagen erweitert. Aber sie haben sie nicht gefunden. Nur ihre Taucherbrille wurde später gefunden. Das Band war gerissen.« Einen Menschen zu verlieren, war immer schrecklich. Aber es mitzuerleben, war furchtbar. Ich hatte mitansehen müssen, wie mein Vater ermordet worden war. Ich schluckte und versuchte, mich von meinen eigenen Emotionen zu befreien. Ich beschloss, den Unfall vorerst nicht mehr anzurühren. Sicher gab es offizielle Berichte, die ich einsehen konnte. Den Rest musste ich mir irgendwie aneignen. Was das Thema Tauchen anbelangte, beschränkte sich mein Wissen auf Fische gucken unter Wasser. Ich hatte keine Ahnung von Atemgemischen und Tiefenrausch. 12