Absolute Beginners

12.07.2012 - Trading-Modell der Group M. Von seinen Kollegen bekommt er bereits. Rückmeldungen wie: „Gefühlt sind wir viel häufiger im TV zu sehen, ...
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Bediener: LIEDTKE

Datum/Zeit: 07-10-2012 15:42

HORIZONT 28/2012

Letzte Änderung: 07-10-2012 15:42

Produkt: HORX

Ausgabe: 028

Ressort: Praxis

Z: 1

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F: C K Y M

23 PRAXIS

12. Juli 2012

Absolute Beginners Maxus: Wie die Agentur für Kärcher ein weltweites Media-Hub aufbaut und zum verlängerten Marketingarm wird Von Elke Jacob

S

ie sind knallgelb und machen sogar dem Großstadtdreck auf den Säulen rund um den ehrwürdigen Petersplatz in Rom den Garaus. Die in Stein gemeißelten Porträts verblichener US-Präsidenten am Mount Rushmore wurden von ihnen ebenso geputzt wie die Pyramiden in Luxor. Hochdruckreiniger von Kärcher sind schon ganz schön rumgekommen: an 22 weltberühmten Bauwerken haben sie demonstriert, wie „ordentlich gekärchert“ wird. Denn dafür steht der Reinigungsgerätehersteller aus Schwaben, dem Land der Kehrwoche.

Sauber unter Hochdruck. Kärcher-Reiniger bringen alles Dreckige werbewirksam wieder auf Vordermann

Vertrieb in 190 Ländern Der Weltmarktführer unter den Hochdruckreinigern vertreibt sein Produktsortiment in über 190 Ländern und ist in Baumärkten und bei Fachhändlern von Rio de Janeiro bis Peking präsent. Doch die Regalplätze der Handelspartner sind weltweit heiß begehrt und Großkunden beeindruckt es wenig, dass Kärcher Qualität „Made in Germany“ verspricht. „Inzwischen ist zunehmend auch das Marketingkonzept wichtig, das dahintersteht, und nicht mehr das Produkt allein“, so Bernd Rützler. Für dieses Konzept ist er als Vice President Marketing, Brand Management und International bei Kärcher zuständig. Seit 2008 arbeitet Rützler für das schwäbische Unternehmen. Mit seinen 14 Jahren bei der ehemaligen Hamburger Werbeschmiede Lintas und Stationen bei JWT und FCB hat er die Kreation der KärcherWerbung noch ganz gut im Griff. Aber Media-Know-how, nein, das kann Rützler nicht bieten. Doch genau diese Expertise muss er haben, wenn Kärcher seine weltweite Expansionsstrategie mit über 100 Produktneuheiten allein im vergangenen Jahr erfolgreich fortsetzen will. Nach einem Pitch entschloss sich deshalb Rützler im vergangenen Herbst, das weltweite Mediabudget „im gut zweistelligen Millionenbereich“ an Maxus aus der Group M zu vergeben. Damit schlossen zwei „absolute beginners“ einen Vertrag miteinander, denn Kärcher hatte zuvor nur mit lokalen Mediaagenturen und noch nie mit einem internationalen Network gearbeitet. Für das Düsseldorfer Büro von Maxus wiederum ist das in Winnenden ansässige Unternehmen der erste Kunde, für den Maxus von Grund auf ein weltweites Betreuungsnetz aufbaut.

Kärcher Central Hub Die ersten Schritte sind bereits gemacht. Bei der Jahreskonferenz von Kärcher hat Rützler im vergangenen Herbst schon seinen Plan mit Maxus vorgestellt, obwohl der Vertrag noch nicht vollends in trockenen Tüchern war. An die Länderchefs wurden Listen mit ihren künftigen Ansprechpartnern bei der Agentur verteilt, an die sie seither ihre Briefings schicken. Sie werden bei Maxus in Düsseldorf gesammelt, wo ein „Kärcher Central Hub“ mit drei Mitarbeitern eingerichtet wurde, die sich ausschließlich um die Koordination dieses Kunden kümmern. Hub-Chef ist Marcus Vollét, der mit seinem Team die Briefings aus Italien oder Südkorea mit den dortigen Länderchefs diskutiert. „Dann macht unser Maxus-Office vor Ort die Planung und Strategie und stimmt sie mit den lokalen Kärcher-Chefs ab.“ Danach kommt das Ganze wieder zu

ihm zurück, es folgt ein Qualitäts- und Plausibilitäts-Check und womöglich die eine oder andere Rückfrage. Warum zum Beispiel in Japan TV geschaltet werden soll oder ob Search mehr Sinn machen würde? „Wenn das alles geklärt ist, gebe ich Herrn Rützler eine Empfehlung, die aus unserer Maxus-Sicht abgesegnet ist“, erklärt Vollét. Ab einer bestimmten Budgethöhe muss Rützler den Einkauf der empfohlenen Werbeplätze persönlich freigeben. Bei der Agentur wurde im Kärcher-Hub ein interner E-Mail-Account eingerichtet, auf dem alle Informationen aus den Ländern eingehen und analysiert werden. In wöchentlichen Status-Updates werden sie an Rützler weitergeschickt. „Wir haben quasi eine prozessuale und technische Infrastruktur für Kärcher geschaffen und verstehen uns als verlängerte Marketingabteilung von Herrn Rützler“, sagt Maxus-Boss Christian Leipacher. Kontrollverlust befürchtet Rützler durch diese Arbeitsteilung nicht. Wie vie-

le kleinere und mittelständische Werbekunden kann und will er die Abfragen über die Mediaschaltungen in den einzelnen Ländern nicht selbst nachhalten. „In meinem Team haben wir keinen globalen Media-Koordinator, deshalb wurde alles an Maxus outgesourct“, betont Rützler. Am Ende des Tages will er nur wissen, wie die Marke Kärcher weltweit auftritt. Das Unternehmen setzt zwar überall auf seinen englischen Claim „Kärcher makes the difference“. Den einen globalen TV-Spot gibt es aber ebenso wenig wie eine einheitliche weltweite Strategie für Media oder die Kreation. „Das funktioniert bei uns nicht. Was wir brauchen, ist eine globale Markenstrategie“, betont Rützler.

Bewegtbild als Leitmedium Mit seinem Team in Winnenden gibt er den Länderchefs den Rahmen vor, um die Marke Kärcher auf Kurs zu halten. In puncto Media erledigen das laut Leipacher die Maxus-Büros in 70 bis 80 Prozent der Kärcher-Märkte. Wo Maxus noch keine eigene Niederlassung hat, erledigt das eine Schwesteragentur aus der Group M. In der Kreation wird es schon schwieriger für Rützler und sein Team, das in Brasilien oder Asien lokale Agenturen hinzuziehen muss. Eine Bündelung des Kreationsetats bei einem internationalen Agenturnetzwerk steht derzeit aber nicht zur Diskussion. Aus seiner Zeit als

Schwäbisches Familienunternehmen Kärcher wurde 1935 von dem Ingenieur Alfred Kärcher in Stuttgart-Bad Cannstatt gegründet, der mit dem Unternehmen 1939 nach Winnenden in der Nähe der Landeshauptstadt umzog. Der Weltmarktführer für Hochdruckreiniger beschäftigt heute in 57 Ländern und 91 Gesellschaften mehr als 9000 Mitarbeiter. Seine Reinigungsgeräte produziert das Familienunternehmen in Deutschland, Italien, Rumänien, den USA, Brasilien, Mexiko und China. Den weltweiten Kundendienst gewährleisten 50000 Servicestellen. In

den Entwicklungszentren arbeiten mehr als 600 Ingenieure und Techniker. Im Jahr 2011 erzielte der Reinigungsspezialist mit 1,7 Milliarden Euro den höchsten Umsatz und mit 8,25 Millionen verkauften Geräten die höchste Stückzahl in seiner 77-jährigen Geschichte. Seit vergangenem Herbst baut Kärcher mit Maxus ein internationales Medianetzwerk auf. In der Kreation arbeitet das Unternehmen mit den Stuttgarter Werbeagenturen Jung von Matt und Panama sowie diversen lokalen Agenturen weltweit.

Werbemanager weiß Rützler, „welchen Wasserkopf ich dann mitfinanzieren muss“. Ganz ausschließen will er diesen Schritt in einigen Jahren freilich nicht, denn der Kommunikationsetat soll kontinuierlich erhöht werden. In dem Familienunternehmen mit schwäbischen Wurzeln wird laut Rützler zwar sehr genau beobachtet, ob sich die Werbe-Millionen lohnen. Aber inzwischen habe sich sehr deutlich gezeigt, dass sich vor allem der Einsatz von Bewegtbild als Leitmedium für Kärcher auszahlt. „TV ist alles andere als tot“, sagt Rützler, auch wenn ihn das mehr kostet. Wo ein Werbespot ausgestrahlt wird, ob im TV, im Internet oder auf Download-Plattformen, ist für ihn zweitrangig. Hier verlässt er sich auf die Empfehlungen, die ihm Vollét für die einzelnen Länder gibt, und der sagt: „Wir geben für TV kein Korsett vor und nutzen hier ganz bewusst das lokale Know-how unserer Networkkollegen.“ Parallel zum Tagesgeschäft ist Maxus gerade dabei, einheitliche Markt- und Wettbewerbsanalysen für Kärcher aufzubauen, die dann laut Vollét „noch besser dabei helfen sollen, die Budgets zu allokieren“. Rützler will seinerseits im nächsten Schritt die über 100 eigenständigen Handelspartner in den Ländern, wo Kärcher keine eigene Niederlassung hat, ins gemeinsame Media-Boot von Maxus holen. Sie müssen die Leistungen des Medianetworks dann zwar selbst bezahlen, aber ihre lokalen Agenturen mussten sie bislang ja auch honorieren. Rützler ist guten Mutes, dass er seine Partner von Maxus überzeugen kann, denn die Resonanz der Kärcher-Chefs in den anderen Ländern sei überaus positiv. Ob und in welchem Maß sich der Vertrag mit Maxus in den Absatzzahlen niederschlägt, vermag er aber erst am Ende des Jahres zu sagen.

Trading-Modell der Group M Von seinen Kollegen bekommt er bereits Rückmeldungen wie: „Gefühlt sind wir viel häufiger im TV zu sehen, obwohl das Budget gleich geblieben ist.“ Damit tritt ein, worauf Rützler bei Maxus gesetzt hat: Trotz seines vergleichsweise niedrigen

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Budgets kann er von der Marktmacht der Group M profitieren, zu der Maxus gehört. Die Einkaufskonditionen, die der Weltmarktführer zu bieten hat, seien für ihn aber nicht das entscheidende Kriterium gewesen, den Etat an Maxus zu vergeben. Die Strategie und die Chemie, die mit Maxus wirklich stimme, seien noch wichtiger gewesen. Und so wie er das sagt, glaubt man ihm das. Zugleich macht er aber keinen Hehl daraus, dass er das Trading-Modell der Group M nicht nur „ganz gut“ findet, sondern auch gerne in Anspruch nimmt. „Alleine könnte ich diese Konditionen mit meinem Budget niemals erzielen“, weiß Rützler. Er kann auch nicht erkennen, dass ihm mit diesen Trading-Paketen nur „ein Haufen Ramsch“ untergejubelt würde und sieht keine Gefahr von schiefen Mediaplänen. „Richtig schiefe Pläne habe ich gesehen, als unsere Ländergesellschaften noch selbst eingekauft haben und keinen global abgestimmten Media-Support nutzen konnten“, berichtet der Kärcher-Manager. Dass Maxus und Group M mit den Trading-Paketen, die sie auf eigene Rechnung einkaufen und zu höheren Preisen an Kunden wie Kärcher weiterverkaufen, gehörig Profit machen, stört Rützler nicht: „Alles ist ein Geben und Nehmen, aber wir bekommen dafür eine gute Leistung. Das ist mir wichtig und deshalb können wir damit leben.“ Damit gießt er zwar erneut Öl in die Debatte um das Trading von Mediaagenturen, die in diesem Punkt scharf kritisiert werden. Aber das Beispiel Kärcher zeigt, dass mittelständische Unternehmen die Mediaagenturen als eigenständige Wirtschaftsstufe akzeptieren, weil sie davon profitieren. Die Zeche zahlen ja auch nicht die Kunden, sondern die Medien.