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MAGPlan Sauberes Grundwasser für Stuttgart

Abschlussbericht WP1 (Kurzfassung) Stefan Spitzberg BoSS Consult GmbH 10.02.2012

MAGPlan Sauberes Grundwasser für Stuttgart

Inhalt 1 

Veranlassung ............................................................................................................................2 



Durchgeführte Arbeitsschritte ...................................................................................................3 

2.1  2.2  2.2.1  2.2.2  2.2.3  2.2.4  2.2.5  2.3  2.3.1  2.3.2 

Errichtung von Grundwassermessstellen .................................................................................3  Hydrogeologisches Modell ........................................................................................................6  Geologische Schichtenfolge und Hydrostratigrafie ...................................................................6  Gipsauslaugung und Tektonik ..................................................................................................9  Grundwasserströmung ............................................................................................................11  Hydraulische Durchlässigkeiten ..............................................................................................13  Zusätzliche Geländeuntersuchungen .....................................................................................15  Numerisches Strömungsmodell ..............................................................................................19  Modellaufbau ...........................................................................................................................19  Strömungskalibrierung ............................................................................................................22 



Resumee .................................................................................................................................26 

Tabellen Tab. 1: Verwerfungen mit hydraulischer Stauwirkung ........................................................................... 10  Tab. 2: Bandbreite der hydraulischen Durchlässigkeiten ...................................................................... 13  Tab. 3: Hydrogeologische Einheiten und Zuordnung zu den Modellschichten ..................................... 20  Tab. 4: Gemessene und berechnete Quellschüttungen........................................................................ 25  Tab. 5: Berechnete Wasserbilanz für den Muschelkalk ........................................................................ 25 

Abbildungen Abb. 1: Stadtkarte mit MAGPlan-Projektgebiet (blau umrandet)............................................................. 3  Abb. 2: Stadtplan mit Bohrpunkten MAG 1 bis MAG 6 ........................................................................... 4  Abb. 3: Bohrkern aus MAG 2 mit erbohrter Schichtgrenze Gips-/Unterkeuper bei 56,4 m u. GOK. ...... 5  Abb. 4: Bohrgerät am Bohrpunkt MAG 1................................................................................................. 6  Abb.5: Abgedeckte Geologische Karte für das MAGPlan-Gebiet (hellgrün umrandet), ......................... 7  Abb. 6:Hydrogeologische Stockwerksgliederung .................................................................................... 8  Abb. 7: Prinzipskizze zur Gipsauslaugung bei unterschiedlicher Überdeckung des Gipskeupers, ........ 9  Abb. 8: Gipsauslaugung in den Grundgipsschichten im MAGPlan-Gebiet (hellblau umrandet) .......... 10  Abb. 9: Zaundiagramm zu Grundwasserströmung und Mineralwassergenese im Projektgebiet, ........ 11  Abb. 10: Grundwasserströmung im Umfeld der Karlshöhe im Unterkeuper ......................................... 12  Abb. 11: Durchlässigkeitsverteilung im Unterkeuper (Ausschnitt) ........................................................ 14  Abb. 12: Histogramme Oberer Muschelkalk (Trigonodusdolomit) ........................................................ 15  Abb. 13: Grundwasserströmung im Oberen Muschelkalk am 04.07.2011............................................ 16  Abb. 14: Absenkungstrichter am Ende des IPV in P172 (Angaben in cm) .......................................... 17  Abb. 15: Hydraulische Auswertungen in P172 (Hochgeschwindigkeitsdruckmessungen) ................... 18  Abb. 16: Hydraulische Auswertung eines Hydroseismogramms in der Messstelle BK17.1/4 ............. 18  Abb. 17: Horizontale Modellausdehnung in den unterschiedlichen hydrogeologischen Einheiten ....... 21  Abb. 18: Vergleich zwischen gemessenen und berechneten Grundwasserständen im Muschelkalk .. 23  Abb. 19: Berechnete Piezometerhöhenverteilung [m+NN] im oberen Teil des Muschelkalks .............. 24  1

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Veranlassung

Die Landeshauptstadt Stuttgart führt zusammen mit der Landesanstalt für Umwelt, Naturschutz und Messungen in Karlsruhe (LUBW) das Projekt MAGPlan „Bewirtschaftungsplan zur Sicherstellung eines guten chemischen Grundwasserzustandes durch Vermeidung von Schadstoffeinträgen aus Altlasten“ durch. Das Vorhaben wird im Zeitraum 2010 bis 2014 im Rahmen des EUProgramms LIFE+ 2008 Environment gefördert. Hintergrund des Projekts ist der langjährige und weitverbreitete Einsatz leichtflüchtiger Halogenkohlenwasserstoffe (LHKW) im Stadtgebiet von Stuttgart, der zu einer erheblichen Kontamination mehrerer Grundwasserstockwerke im Keuper geführt hat. Betroffen ist zudem auch der unterlagernde Karstaquifer Oberer Muschelkalk, dem die Bad Cannstatter und Berger Heilquellen mit einer Schüttung von 500 l/s entspringen. Die 26 km² große Projektfläche umfasst den Stuttgarter Talkessel mit der Innenstadt, der im direkten Zustrom auf die Mineral- und Heilquellen liegt (vgl. Abb. 1). Vor diesem Hintergrund wird ein Schwerpunkt der Untersuchungen auf die hydraulische Charakterisierung der beteiligten Grundwasserleiter im Nesenbachtal gelegt. Dies umfasst die Beschreibung der Hydrostratigrafie und Aquifergeometrie, der Grundwasserströmung, der hydraulischen Leit- und Speichereigenschaften sowie der vertikalen Interaktionen zwischen den einzelnen Grundwasserhorizonten. Dokumentiert werden die Befunde in Form eines Hydrogeologischen Konzeptmodells. Auf Basis dieses Hydrogeologischen Modells wird anschließend ein numerisches Grundwasserströmungsmodell entwickelt, das eine genaue quantitative Beschreibung der Grundwasserströmung und des Grundwasserumsatzes im Projektgebiet ermöglicht. Es bildet die Grundlage für ein nachfolgendes Stofftransportmodell, welches die Schadstoffausbreitungswege im Stuttgarter Talkessel aufdecken und Haupteintragsquellen identifizieren soll. Gegenstand des hier vorgestellten Arbeitspakets 1 (WP1) sind durchgeführte Bohrarbeiten für Grundwassermessstellen, das Hydrogeologische Modell sowie das numerische Grundwasserströmungsmodell mit Bearbeitungsstand 31.01.2012. Die mit der Bearbeitung befassten Institutionen sind:  Begleitung Bohrarbeiten:

Klinger und Partner GmbH

 Hydrogeologisches Modell:

Amt für Umweltschutz der Landeshauptstadt Stuttgart & BoSS Consult GmbH

 Grundwasserströmungsmodell: Prof. Kobus und Partner GmbH

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Abb. 1: Stadtkarte mit MAGPlan-Projektgebiet (blau umrandet) Quelle: Amt für Umweltschutz, Stuttgart

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Durchgeführte Arbeitsschritte

2.1

Errichtung von Grundwassermessstellen

Im ersten Arbeitsschritt wurden im Zeitraum Mai bis Juli 2011 im Projektgebiet sechs Grundwassermessstellen errichtet. Die Lage der Bohrpunkte MAG 1 bis MAG 6 geht aus Abb. 2 hervor. Die Bohrpunkte wurden gezielt in Bereichen positioniert, in denen es noch Kenntnisdefizite über die dortige Schadstoffbelastung im Grundwasser gab. Vier der sechs Bohrungen wurden in das südliche Stadtgebiet und das Umfeld der Karlshöhe gelegt (vgl. Abb. 2). 3

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Abb. 2: Stadtplan mit Bohrpunkten MAG 1 bis MAG 6 Quelle: Amt für Umweltschutz, Stuttgart

Alle sechs Bohrungen erschließen das Grundwasser des Linguladolomits im höheren Unterkeuper. Dieser Grundwasserhorizont hat sich bereits im Rahmen vergangener Grundwasseruntersuchungen im Stuttgarter Stadtgebiet häufig als präferenzieller Schadstoffausbreitungspfad im System Gips-/Unterkeuper erwiesen. In Abb. 3 ist beispielhaft der am Bohrpunkt MAG 2 erbohrte Bohrkern bis zur Grenze Gips-/Unterkeuper dargestellt. Die Grundgipsschichten waren an dieser Stelle noch weitgehend unausgelaugt und bilden dadurch eine Barriere gegen den Zutritt von Schadstoffen aus dem Gips- in den Unterkeuper. Die Abb. 4 zeigt das Bohrgerät am Bohrpunkt MAG 1 beim SWR. Bereits im offenen Bohrloch wurden während der Bohrarbeiten in höher gelegenen Grundwasserhorizonten Kurzpumpversuche und tiefenorientierte Beprobungen durchgeführt. 4

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Abb. 3: Bohrkern aus MAG 2 mit erbohrter Schichtgrenze Gips/Unterkeuper bei 56,4 m u. GOK. Quelle: Klinger und Partner GmbH

Nach Ausbau der Grundwassermessstellen erfolgten jeweils viertägige Aquifertests zur Ermittlung hydraulischer Kenndaten und zur Beprobung des Grundwassers. Auffällig waren dabei stark unterschiedliche Ergiebigkeiten im Linguladolomit zwischen minimal 0,025 l/s (MAG 4) und maximal 2,3 l/s (MAG 1), was u.a. auf die unterschiedliche Überdeckungsmächtigkeit und damit verbundene Verwitterung zurückzuführen ist (72 m bei MAG 4 und 28 m bei MAG 1). 5

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Abb. 4: Bohrgerät am Bohrpunkt MAG 1. Quelle: Klinger und Partner GmbH

2.2

Hydrogeologisches Modell

2.2.1 Geologische Schichtenfolge und Hydrostratigrafie Im MAGPlan-Projektgebiet wird die Geologie überwiegend durch die Schichtenfolge des Keupers bestimmt, der hier vom Oberkeuper (Rhät) über den Sandstein- und Gipskeuper bis zum Unterkeuper unter der quartären Überdeckung ansteht (vgl. abgedeckte geologische Karte in Abb. 5). Die jüngeren Schichten treten vorrangig entlang der Hochflächen und Talflanken auf, während die älteren Ablagerungen (Grundgipsschichten, Unterkeuper) infolge der erosiven Wirkung von Nesenbach und Neckar nur in den Talsenken des Stuttgarter Talkessels angeschnitten sind. Hier liegen dem anstehenden Festgestein fluviatile Kiese und Sande auf, während in den Hangbereichen vornehmlich Lößlehm und Fließerden das Festgestein überdecken.

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Abb.5: Abgedeckte Geologische Karte für das MAGPlan-Gebiet (hellgrün umrandet), Quelle: Amt für Umweltschutz, Stuttgart

Die vertikale Strukturierung im Projektgebiet orientiert sich an den hydrostratigrafischen Gegebenheiten (vgl. hydrogeologische Stockwerksgliederung in Abb. 6). Die relevanten Grundwasserhorizonte sind in Abb. 6 rot umrandet. Danach wird der oberste Grundwasserleiter durch quartäre Lockergesteine gebildet, die im Nesenbachtal und Neckartal verbreitet sind (Porengrundwasserleiter, z.B. Neckarkiese). Darunter folgen im Festgestein sieben weitere Grundwasserleiter, die als Kluftgrundwasserleiter anzusprechen sind und dem Gipskeuper (Mittlerer Gipshorizont, Dunkelrote Mergel, Bochinger Horizont, Grundgipsschichten, Grenzdolomit) sowie dem Unterkeuper und Oberen Muschelkalk zuzuordnen sind. Ein Teil der genannten Kluftaquifere besitzt darüber hinaus Karsteigenschaften, z.B. der Obere Muschelkalk oder die Grundgipsschichten bei aktiver Gipsauslaugung. 7

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Im MAGPlan-Projektgebiet relevante Grundwasserstockwerke Abb. 6:Hydrogeologische Stockwerksgliederung Quelle: Amt für Umweltschutz, Stuttgart 8

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2.2.2 Gipsauslaugung und Tektonik Eine wichtige Rolle für die Aquifergenese und die horizontale Strukturierung im Modellraum spielen die Gipsauslaugung sowie tektonische Strukturen. In Abb. 7 ist schematisch die Entstehung unterschiedlicher Grundwasserleitertypen im Gipskeuper in Abhängigkeit des erreichten Auslaugungsgrades dargestellt.

Abb. 7: Prinzipskizze zur Gipsauslaugung bei unterschiedlicher Überdeckung des Gipskeupers. Quelle: Amt für Umweltschutz, Stuttgart

Demnach treten nicht ausgelaugte Bereiche unter größerer Überdeckung in den Hangbereichen auf. Sie sind in der Regel nicht grundwasserführend. Vollständig ausgelaugt sind die Talniederungen mit mäßiger Grundwasserführung. Zwischen diesen beiden Zonen verläuft ein schmales Band, in dem der Gipskeuper teilausgelaugt ist und häufig sehr ergiebig ist. Die Abb. 8 zeigt die Verbreitung der verschiedenen Faziestypen beispielhaft für die Grundgipsschichten. Auch die Aquifergeometrien der übrigen Grundwasserleiter im Gipskeuper sowie des Grenzdolomits werden durch die Gipsauslaugung maßgeblich bestimmt. In den tieferen Grundwasserstockwerken des Unterkeupers und des Oberen Muschelkalks können tektonische Störungen einen bedeutenden hydraulischen Einfluss ausüben (vgl. Tab. 1 und Kap. 2.2.3).

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Abb. 8: Gipsauslaugung in den Grundgipsschichten im MAGPlan-Gebiet (hellblau umrandet), Quelle: Amt für Umweltschutz, Stuttgart Tab. 1: Verwerfungen mit hydraulischer Stauwirkung

mo: Oberer Muschelkalk gesamt und Obere Dolomite des Mittleren Muschelkalks, moδ: Trigonodusdolomit, ku: Unterkeuper, km1: Gipskeuper 10

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2.2.3 Grundwasserströmung Die acht betrachteten Grundwasserstockwerke lassen sich zu zwei Aquifereinheiten zusammenfassen:  Oberes Aquifersystem: Quartär, Mittlerer Gipshorizont, Dunkelrote Mergel, Bochinger Horizont, Grundgipsschichten, Grenzdolomit  Unteres Aquifersystem: Unterkeuper, Oberer Muschelkalk Das obere System wird vor allem durch die reliefabhängige Gipsauslaugung strukturiert und ist daher nur im Stuttgarter Talkessel und Cannstatter Becken hydraulisch wirksam. Im Quartär beschränkt sich die Grundwasserführung auf das Neckar- und engere Nesenbachtal. Die Grundwasserströmung orientiert sich im oberen Aquifersystem an der Geländetopografie und ist im Nesenbachtal generell nach Nordosten gerichtet (vgl. Abb. 1).

Abb. 9: Zaundiagramm zu Grundwasserströmung und Mineralwassergenese im Projektgebiet, Quelle: Amt für Umweltschutz, Stuttgart

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Mit zunehmender Tiefe verliert sich der Oberflächeneinfluss. Unterhalb der Grundgipsschichten und insbesondere unterhalb der Grünen Mergel (die den Grenzdolomit unterlagern) gewinnt das regional wirksame, untere Aquifersystem zunehmend an Einfluss. Bereits im Unterkeuper und vor allem im Oberen Muschelkalk stellt sich ein großräumiger Grundwasserzustrom von Westen und Süden her ein. Wie der Abb. 9 zu entnehmen ist, entstammt der Großteil des Mineralwassers einem südwestlichen Karstwasserzustrom im Oberen Muschelkalk, der entlang des Nesenbachtals verläuft. In Abb. 10 ist in einem Detailausschnitt die Grundwasserströmung im Unterkeuper für das Umfeld der Karlshöhe dargestellt. Die oftmals komplexen Verhältnisse werden am Beispiel der hier verlaufenden „Karlshöhe-Störung“ (vgl. Tab. 1) deutlich, die eine hydraulische Trennfunktion ausübt. Im Umfeld treten außerdem Potenzialsprünge von rund 10 m auf, was häufig ein Indiz für ausgeprägte Heterogenität und Durchlässigkeitskontraste ist. Der schmale zungenförmige Verlauf der 240erIsohypse könnte eine talparallele, höher transmissive Zone nachzeichnen, während die Lage der 250er-Isohypse unter der Karlshöhe wahrscheinlich durch die größere Überdeckung und damit verbundene geringere Durchlässigkeit bestimmt wird. Erschwert wird die Konstruktion der Grundwassergleichen in den tieferen Aquiferen durch die mit der Tiefe prinzipiell abnehmende Aufschlussdichte.

Abb. 10: Grundwasserströmung im Umfeld der Karlshöhe im Unterkeuper, Quelle: Amt für Umweltschutz, Stuttgart 12

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2.2.4 Hydraulische Durchlässigkeiten In einem ersten Schritt wurden sämtliche für das Projektgebiet vorhandenen Auswertungen von Pumpversuchen und hydraulischen Tests zusammengestellt, überprüft und erforderlichenfalls überschlägig neu ausgewertet. Insgesamt wurden so mehr als 1.600 Versuchsdaten zusammengetragen. Rund die Hälfte dieser Daten stammen aus dem Städtebauprojekt Stuttgart-21. Die Tab. 2 enthält eine aquiferbezogene Zusammenstellung der jeweils vorhandenen Werte und deren Bandbreite. Tab. 2: Bandbreite der hydraulischen Durchlässigkeiten

Generell liegen für die vier oberen Grundwasserleiter deutlich mehr Daten vor als für die tieferen Horizonte. Den geringsten Datenbestand weisen die Grundgipsschichten auf, da diese nur selten separat erschlossen sind. Meistens sind die basalen Grundgipsschichten mit dem Grenzdolomit in einer Filterstrecke vereint und wurden in diesen Fällen hydraulisch dem Grenzdolomit zugeordnet. Die Bandbreiten der Durchlässigkeit variieren beträchtlich um teilweise mehr als zehn Zehnerpotenzen. Dies hängt überwiegend mit der Position der jeweiligen Messstelle zusammen: Im Talkessel unter geringer Überdeckung treten in der Regel höhere Durchlässigkeiten auf, während die niedrigsten Werte in großen Tiefen und in gering bis nicht ausgelaugten Bereichen beobachtet werden. In einem zweiten Schritt wurde die räumliche Verteilung der Durchlässigkeit für jeden Aquifer im Projektgebiet kartografisch dargestellt. Für die überregional bedeutsamen Grundwasserleiter im Unterkeuper und Oberen Muschelkalk wurden zusätzliche Übersichtspläne angefertigt. Der Muschelkalk wurde mit Hinblick auf das spätere numerische Grundwassermodell in drei Teilschichten untergliedert:

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 Trigonodusdolomit  Nodosus- und Trochitenschichten über Haßmersheimer Schichten  Trochitenschichten unter Haßmersheimer Schichten und Obere Dolomite des Mittleren Muschelkalks Durch diese Unterteilung soll Durchlässigkeitskontrasten innerhalb des Muschelkalks Rechnung getragen werden. Im Trigonodusdolomit treten gegenüber den unterlagernden Kalksteinen in der Regel etwas höhere Durchlässigkeiten auf. Die Haßmersheimer Schichten bilden im unteren Abschnitt des Oberen Muschelkalks einen Stauhorizont. Das Sulfatgestein des Mittleren Muschelkalks stellt die Basis des hier betrachteten Aquifersystems dar. Die Abb. 11 zeigt exemplarisch einen Ausschnitt der Durchlässigkeitsverteilungskarte für den Unterkeuper.

Durchlässigkeit [m/s]

Abb. 11: Durchlässigkeitsverteilung im Unterkeuper (Ausschnitt). Quelle: BoSS Consult, Stuttgart

Die höchsten Durchlässigkeiten im Gips- und Unterkeuper treten im Allgemeinen entlang der Talachsen von Nesenbach und Neckar auf, während im Bereich der Hochlagen, vor allem bei unausgelaugtem Sulfatgestein, niedrige Durchlässigkeiten von weniger als 1E-06 m/s vorherrschen. Bemerkenswert ist, dass die einzelnen 14

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Durchlässigkeitszonen am nordwestlichen Talrand des Nesenbachs häufig in WestOst-Richtung zungenartig vor- und zurückspringen, worin in erster Linie hydraulische Einflüsse der hier verlaufenden Störungszonen zum Ausdruck kommen. Im Oberen Muschelkalk sind die hydraulischen Durchlässigkeiten, die aus den Messdaten der Entnahmebrunnen ermittelt wurden, meistens deutlich kleiner als die Durchlässigkeiten, die aus den Umgebungsreaktionen in Beobachtungsmessstellen abgeleitet wurden. Dieses karsttypische Phänomen wird auch aus den beiden in Abb. 12 enthaltenen Histogrammen für den Trigonodusdolomit deutlich. Danach liegt die mittlere Durchlässigkeit der aus den Pumpbrunnen ermittelten Werte, die die jeweiligen lokalen Verhältnisse um den Brunnen repräsentieren, mit rund 4E-04 m/s etwa um den Faktor 6 unter dem regionalen Mittel von rund 2E-03 m/s, das aus den Daten der Beobachtungsmessstellen bestimmt wurde.

Abb. 12: Histogramme Oberer Muschelkalk (Trigonodusdolomit) Quelle: BoSS Consult, Stuttgart

Den Karten mit den räumlichen Durchlässigkeitsverteilungen für den Oberen Muschelkalk wurden die regional ermittelten Werte aus den Beobachtungsreaktionen zugrunde gelegt, da diese den Karstaquifer auf der hier betrachteten Skala von mehreren Kilometern Länge besser repräsentieren. 2.2.5 Zusätzliche Geländeuntersuchungen In Ergänzung zu der Auswertung vorhandener Daten werden im Oberen Muschelkalk zusätzlich auch aktuelle Geländeuntersuchungen durchgeführt. Er spielt nämlich eine entscheidende Rolle als Zuliefer- und Speicherhorizont für das Stuttgarter Mineralwasser. Der Schlüssel zum Verständnis des Schadstoffeintrags und Transports zu den Mineralquellen liegt hauptsächlich in der hydraulischen Interaktion der höheren Grundwasserhorizonte im Gips- und Unterkeuper mit dem Oberen 15

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Muschelkalk. Für den Oberen Muschelkalk gibt es jedoch wegen seiner Tiefenlage und dem Verkarstungscharakter nur vergleichsweise wenige auf die Fläche übertragbare Befunde. Um die bestehende Datenlage sowie das System- und Prozessverständnis zu verbessern, wurden daher gezielte Untersuchungen im Oberen Muschelkalk sowohl auf der regionalen als auch lokalen Ebene eingeleitet. In der mit LHKW belasteten Messstelle P172 wurde im Juli 2011 exemplarisch ein zweiwöchiger Immissionspumpversuch (IPV) mit einer Entnahme von 5 l/s durchgeführt, um den regionalen Aufbau der Schadstofffahne näher zu untersuchen, den hydraulischen Einfluss einer unmittelbar benachbarten Störungszone sowie eventuell vorhandene Anisotropien und hydraulische Ränder. In Abb. 13 ist die lokale Grundwasserströmung vor IPV-Beginn dargestellt. Die hier das Nesenbachtal querende Störungszone bewirkt einen Potenzialabbau von ca. 2 m und wirkt als hydraulische Barriere. Dennoch konvergieren die Gleichen im Zustrom von P172, die offenbar in einem durchlässigen Korridor liegt. In Abb. 14 ist der Absenkungstrichter bei IPV-Ende aufgetragen, der die generelle Barrierewirkung der Störungszone bestätigt. Südlich der Störung haben alle Messstellen spontan im Dezimeterbereich reagiert, nördlich davon nicht bzw. nur stark verzögert im Zentimeterbereich.

Abb. 13: Grundwasserströmung im Oberen Muschelkalk am 04.07.2011 Quelle: BoSS Consult, Stuttgart

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In Abb. 13 ist der in P172 bis IPV-Ende erzielte Entnahmebereich eingezeichnet (grün umrandet). Danach wurde eine Abstrombreite von rund 190 m erfasst. Die LHKW-Gehalte blieben während des gesamten Versuchs mit 10 - 12 µg/l durchgehend konstant, was für eine relativ breite und homogen aufgebaute LHKWFahne spricht. Parallel gemessene Gehalte an Schwefelhexafluorid (SF6) ergaben nur eine geringe Altersverschiebung im geförderten Grundwasser von anfangs 25 Jahre mittlerer Verweilzeit auf 28 Jahre bei Versuchsende.

Abb. 14: Absenkungstrichter am Ende des IPV in P172 (Angaben in cm). Quelle: BoSS Consult, Stuttgart

Außer dem IPV in der P172 wurden auch einige unkonventionelle und innovative Messtechniken in die Wege geleitet. Zum einen gelangte eine spezielle Hochgeschwindigkeitsdruckmesssonde mit einer Messfrequenz von 100 Werten pro Sekunde zum Einsatz, um die früheste Fließphase im Karstaquifer und anthropogen ausgelöste Druckimpulse für eine erweiterte hydraulische Analyse zu detektieren. In Abb. 15 ist beispielhaft für die P172 die hydraulische Auswertung des unterkritisch gedämpften Einschwingvorgangs nach IPV-Ende (links) einer durch den U-BahnBetrieb infolge Auflastkompression ausgelösten Oszillation des gespannten Grundwasserspiegels (rechts) gegenübergestellt. Zum anderen erfolgt der stationäre Einsatz eines Datenloggers mit kontinuierlicher hochfrequenter (konstant 1 sec) Druckaufzeichnung über 2 Jahre in der Messstelle BK17.1/4, um unkontrollierte Natursignale (z.B. Erdbeben) zu erfassen. Die Abb. 16 zeigt exemplarisch die hydraulische Auswertung des Türkei-Erdbebens vom 23.10.2011. Dazu wurde im aufgezeichneten Hydroseismogramm eine Sequenz 17

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ausgewählt, in der die erzwungene in eine freie gedämpfte Schwingung des Druckspiegels übergegangen ist (vgl. Rechteck in Abb. 16). Beide Ansätze zeichnen sich als erfolgversprechende Methoden ab, um ohne aktives Pumpen und die oftmals damit verbundene Notwendigkeit schadstoffbelastetes Förderwasser zu reinigen, das lokale Umfeld der untersuchten Brunnen hydraulisch zu charakterisieren. Im weiteren Projektablauf muss jedoch noch eine methodische Verifizierung der hier vorgestellten Ansätze erfolgen.

K = 1,8E-03 m/s

Abb. 15: Hydraulische Auswertungen in P172 Hochgeschwindigkeitsdruckmessungen), Quelle: BoSS Consult, Stuttgart

K = 6,5E-03 m/s

Abb. 16: Hydraulische Auswertung eines Hydroseismogramms in der 18 Messstelle BK17.1/4, Quelle: BoSS Consult, Stuttgart

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2.3

Numerisches Strömungsmodell

Mit dem Grundwasserströmungsmodell wird die Grundlage geschaffen, um den Transport von leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffen (LHKW) im Untersuchungsraum von MAGPlan zu simulieren. Das Grundwasserströmungsmodell dient dazu, die Strömungsverhältnisse dreidimensional zu berechnen und damit eine konsistente Interpretation der Grundwassersituation für die in einem späteren Schritt folgende Transportsimulation bereitzustellen. Der Modellaufbau erfolgte entsprechend dem hydrogeologischen Systemmodell (vgl. Kap. 2.2) und beinhaltet alle Informationen zum geologisch-hydrogeologischen Aufbau und zu den Strömungsverhältnissen, die durch zahlreiche Grundwassermessstellen und teilweise lange Zeitreihen der Grundwasserstände und Quellschüttungen belegt sind. Im Anschluss an den Modellaufbau wurde das Grundwassermodell einem Kalibrierungsprozess unterzogen, in dem durch Variation der Durchlässigkeiten und Leakagekoeffizienten eine bestmögliche Übereinstimmung zwischen gemessenen und berechneten Piezometerhöhen und Quellschüttungen erzielt wurde. 2.3.1 Modellaufbau Vertikale Gliederung und Aufbau Das Grundwassermodell umfasst die im Stuttgarter Nesenbachtal relevanten hydrogeologischen Einheiten im Gipskeuper, Unterkeuper und Oberen Muschelkalk sowie den quartären Grundwasserleiter der Talfüllung. Im Detail werden die in Tab. 3 zusammengestellten Grundwasserleiter und Trennhorizonte berücksichtigt. Da das numerische Konzept einen schichtweisen Modellaufbau fordert, wurde den unterschiedlichen hydrogeologischen Einheiten mindestens eine Modellschicht zugeordnet. Das Quartär wurde in zwei Modellschichten unterteilt, um eine hydraulische Trennung zwischen den an der Basis vorhandenen höher durchlässigen Wanderschuttlagen und den darüber liegenden meist geringer durchlässigen Bereichen (Fließerde, Auelehm) zu ermöglichen. Für die vergleichsweise mächtigen Grundgipsschichten wurden ebenfalls zwei Modellschichten verwendet, um einerseits den hauptsächlich vertikal ablaufenden Schadstofftransport in den Bereichen mit vollständiger Gipsauslaugung zu berücksichtigen und andererseits eine vertikale Differenzierung in den teilausgelaugten Bereichen zu ermöglichen. Das Schichtpaket des Oberen Muschelkalks wurde in vier Modellschichten unterteilt, um die hydraulischen Eigenschaften des Trigonodusdolomits von den übrigen Schichten des Oberen Muschelkalks mit den Haßmersheimer Schichten unterscheiden zu können. Da die Schichten des Gipskeupers nur in den Bereichen mit Gipsauslaugung hydraulisch aktiv sind, wurden nur diese im Modell als Grundwasserleiter implementiert, während die nicht ausgelaugten Bereiche im Modell inaktiv blieben.

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Tab. 3: Hydrogeologische Einheiten und Zuordnung zu den Modellschichten Hydrogeologische Einheit Quartär Mittlerer Gipshorizont mit Bleiglanzbank Dunkelrote Mergel Bochinger Horizont Grundgipsschichten Grenzdolomit Grüne Mergel mittlerer Unterkeuper Estherienschichten Trigonodusdolomit unterer Teil des Oberen Muschelkalks bis zu den Haßmersheimer Schichten Haßmersheimer Schichten Oberer Muschelkalk unterhalb der Haßmersheimer Schichten und Obere Dolomite des Mittleren Muschelkalks

Stratigraphie Q

hydraulische Funktion GWL

Mächtigkeit [m] variabel

Modellschicht

km1

GWL

37

3 und 4

km1 km1 km1 ku ku ku ku mo

GWL GWL GWL/GWG GWL GWG GWL GWG GWL

16 5 variabel 2 4 10 6 10

5 und 6 7 8 und 9 10 11 12 13 14

mo

GWL

60

15

mo

GWG

8

16

mo/mm

GWL

20

17

1 und 2

Q: Quartär, km1: Gipskeuper, ku: Unterkeuper, mo/mm: Oberer/Mittlerer Muschelkalk , GWL: Grundwasserleiter, GWG: Grundwassergeringleiter

Die räumliche Lage der Modellschichten („Schichtlagerung“) orientiert sich an der Schichtgrenze zwischen Gips- und Unterkeuper sowie der je nach Auslaugungsgrad variablen Mächtigkeit der Grundgipsschichten. Im zentralen Nesenbachtal sind die Grundgipsschichten durch die vollständige Gipsauslaugung in einen Grundwassergeringleiter übergeführt worden, der eine wichtige Trennfunktion übernimmt. In den Hangbereichen findet eine aktuelle Gipsauslaugung statt, so dass hier erhöhte Durchlässigkeiten vorliegen und die Schichtmächtigkeiten bis hin zum unausgelaugten Bereich zunehmen. Die übrigen Festgesteinsgrundwasserleiter wurden mit konstanter Schichtmächtigkeit angesetzt. Unter der Quartärbasis ergibt sich ein differenzierter Schichtverlauf der einzelnen hydrogeologischen Einheiten, die bereichsweise im zentralen Nesenbachtal aufgrund der Erosion fehlen. Horizontale Diskretisierung Für die Nachbildung der Grundwasserströmung kommt das vom United States Geological Survey entwickelte Programm MODFLOW zum Einsatz, das auf dem Finite-Differenzen-Verfahren basiert. In horizontaler Richtung wird das Modellgebiet in ein zeilen- und spaltenorientiertes Modellnetz unterteilt. Im zentralen Teil des Nesenbachtales wird eine ModellDiskretisierung von 10 m x 10 m verwendet, um den Transport der LHKW-Fahnen nachbilden zu können. In den Randbereichen werden Modellzellen mit Zelllängen von 50 m verwendet. Aus dieser Diskretisierung ergeben sich insgesamt 6.450.764 aktive Modellzellen, die innerhalb des Modellgebiets liegen. 20

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Modellgrenzen und Randbedingungen In horizontaler Richtung wurde das Modell entsprechend den natürlichen Randbedingungen abgegrenzt. Der Muschelkalkaquifer weist zusammen mit dem Unterkeuper gemäß Abb. 17 die größte Ausdehnung auf und umfasst das Nesenbachtal, den westlichen Hauptzustrom, den südlichen Zustrom entlang des Neckartales und den Quellaufstiegsbereich in Bad Cannstatt und Berg. Im Südwesten wird das Modellgebiet von der Fildergrabenrandverwerfung begrenzt, die als undurchlässig angenommen wird. Dadurch erfolgt eine Unterteilung des Zustroms aus dem überregionalen Muschelkalkaquifer in das Modellgebiet in eine westliche Zustromkomponente aus den Neubildungsgebieten und eine südliche Zustromkomponente aus dem Albvorland.

Abb. 17: Horizontale Modellausdehnung in den unterschiedlichen hydrogeologischen Einheiten. Quelle: Kobus und Partner, Stuttgart

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Der Unterkeuper hat im Süden und Südwesten die gleiche Ausdehnung wie der Muschelkalkaquifer. Im Nordwesten wird der Unterkeuper durch eine Wasserscheide begrenzt. Die Modellschichten des Gipskeupers orientieren sich an den vorhandenen Gipsauslaugungszonen. Vollständig vergipste Bereiche liegen außerhalb des Modellgebiets. Der quartäre Grundwasserleiter des Nesenbach- und Neckartales wird entsprechend seiner Verbreitung erfasst, wobei im Nesenbachtal lediglich einzelne Quartärrinnen wasserführend sind. Im Quartär fließen auch die aus dem Muschelkalk aufsteigenden Mineralquellen, soweit diese nicht als Brunnen gefasst sind, aus. Weiterhin wurden bekannte Grundwasserentnahmen im Stadtgebiet berücksichtigt sowie der Neckar als Leakage-Randbedingung entlang des Neckartals simuliert. Die lokale Grundwasserneubildung entstammt einer hydrologischen Modellierung, aus der sich auch die Randzuflüsse über die Talhänge im Nesenbachtal ergeben. Diese fließen den Schichten des Gipskeupers im Bereich der Auslaugungsfront zu. Die artesisch austretenden Heil- und Mineralquellen wurden als sogenannte DrainageRandbedingung im Modell implementiert. Die diffusen Mineralwasseraustritte im Neckar wurden als lokale Anomalien mit Aufstiegen direkt aus dem Muschelkalk berücksichtigt. Außerdem führen lokal erhöhte vertikale Durchlässigkeiten im Unterkeuper und Gipskeuper zu Aufstiegen von Mineralwasser in das Quartär des Neckartales. 2.3.2 Strömungskalibrierung Im Zusammenhang mit der Erstellung des hydrogeologischen Modells wurden alle vorhandenen Pumpversuche in den hydrogeologischen Einheiten ausgewertet und ein differenziertes Bild der horizontalen Durchlässigkeitsverhältnisse in den Grundwasserleitern entwickelt. Diese Durchlässigkeitsverteilungen werden auf das Modell übertragen und wurden im Rahmen der Modellkalibrierung innerhalb der aus dem hydrogeologischen Systemmodell bekannten Bandbreiten variiert und so die horizontale Durchlässigkeitsstruktur weiter verfeinert. Da die hydrogeologischen Einheiten des Festgesteinsaquifersystems aus unterschiedlichen geologischen Teilschichten bestehen, die nicht im Einzelnen im Grundwassermodell aufgelöst werden können, ist die vertikale Durchlässigkeit der hydrogeologischen Einheiten im Grundwassermodell unabhängig von der horizontalen zu sehen. Aus diesem Grund kam der vertikalen Durchlässigkeit eine wichtige Bedeutung bei der Strömungskalibrierung zu. Im Untersuchungsraum liegen zahlreiche Störungszonen und Verwerfungen vor, die insbesondere für den vertikalen Austausch zwischen den Grundwasserleitern eine wichtige Rolle spielen. Bereichsweise lässt sich deren hydraulische Wirkung anhand der Grundwasserstände identifizieren (vgl. Abb. 13). In den anderen Bereichen wurde unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus Tab. 1 eine hydraulische Charakterisierung bezüglich Stockwerksverbindung oder hydraulischer Trennung in horizontaler oder vertikaler Richtung im Rahmen der Modellkalibrierung vorgenommen. Da aber insbesondere die vertikalen Stockwerksverbindungen einen 22

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entscheidenden Einfluss auf den Transport von Wasserinhaltsstoffen haben können, müssen diese auch in der weitergehenden Transportbetrachtung für LHKW überprüft und ggf. angepasst werden. Die Strömungskalibrierung wurde für stationäre Verhältnisse gemäß der Stichtagsmessung vom 28. und 29.10.2010 durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt haben Piezometerhöhenverhältnisse vorgelegen, die etwas über dem langjährigen Mittelwasser liegen. Dies wurde insbesondere bei der Festlegung von Festpotenzialhöhen am Modellrand des Muschelkalkaquifers mitberücksichtigt, die aus Messwerten benachbarter Messstellen abgeleitet wurden. Piezometerhöhen Als Vergleichsgröße wurden die gemessenen Grundwasserstandsinformationen von 864 Messstellen verwendet. Durch die Variation der horizontalen und vertikalen Durchlässigkeiten wurde eine bestmögliche Anpassung der berechneten Grundwasserstände an die gemessenen erzielt. Der Vergleich zwischen gemessenen und berechneten Piezometerhöhen für den Muschelkalkaquifer ist in der Abb. 18 dargestellt.

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255

250

berechnet [m]

245

240

235

230

225

220 220

225

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240 gemessen [m]

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Abb. 18: Vergleich zwischen gemessenen und berechneten Grundwasserständen im Muschelkalk. Quelle: Kobus und Partner, Stuttgart 23

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Die mit dem Modell berechnete Piezometerhöhenverteilung im oberen Teil des Muschelkalkaquifers zeigt die Abb. 19. Es erfolgt ein zweigeteilter Zustrom aus westlicher und südlicher Richtung, der sich innerhalb des Nesenbachtales vereint und dort talparallel auf die Heil- und Mineralquellen zuläuft.

Abb. 19: Berechnete Piezometerhöhenverteilung [m+NN] im oberen Teil des Muschelkalks. Quelle: Kobus und Partner, Stuttgart

Quellschüttungen Neben den Grundwasserständen, die meist einer Stichtagsmessung entstammen, wurden die gemessenen Schüttungen an den Heil- und Mineralquellen bei der Kalibrierung mit den berechneten Schüttungswerten verglichen. Der Abfluss an den Heil- und Mineralquellen wird durch den Potenzialunterschied zwischen Grundwasserstand und Drainagehöhe sowie den Leakagefaktor an den Quellen 24

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bestimmt. Der Leakagefaktor wurde im Rahmen der Kalibrierung ermittelt. Die berechneten und gemessenen Quellschüttungen sind in Tab. 4 zusammengestellt. Tab. 4: Gemessene und berechnete Quellschüttungen Name

Zeitpunkt

Auquelle Brunnen im Maurischen Garten Leuzequelle Inselquelle Berger Westquelle Berg, Südquelle 2 Berg, Urquelle Berg, Mittelquelle Berg, Nordquelle Berg, Ostquelle Summe Berger Quellen Wilhelmsbrunnen 1 Mombachquelle Kellerbrunnen neu

28.10.2009 28.10.2009 28.10.2009 28.10.2009 28.10.2009 28.10.2009 28.10.2009 29.10.2009 28.10.2009 29.10.2009 29.10.2009 11.11.2009 seit 2010 seit 2011

Messwert Schüttung [l/s] 22,48 14,03 34,97 37,38 4,18 1,50 27,30 9,30 6,67 4,55 53,50* 8,17 41,00 7,30

Berechnete Schüttung [l/s] 23,80 14,36 35,40 38,69 4,85 1,59 28,17 10,38 7,61 4,96 57,57 8,81 41,38 7,29

* eigenständiger Messwert

Wasserbilanz des Muschelkalkaquifers Mit Hilfe des Modells lässt sich auch die Wasserbilanz für den Muschelkalk erstellen. Diese ist in Tab. 5 zusammengestellt. Der hauptsächliche Grundwasserzustrom im Muschelkalk in das Modellgebiet erfolgt über den westlichen Modellrand. Er beträgt 750 l/s. Die hauptsächlichen Abstromkomponenten des Muschelkalks sind die Heilund Mineralquellen und der Aufstieg in den Neckar über die bekannten Anomalien. Tab. 5: Berechnete Wasserbilanz für den Muschelkalk Bilanzkomponente

Zufluss [l/s]

Abfluss [l/s]

Westlicher Zustrom Südlicher Zustrom (Mittel- und Hochscholle) Grundwasserneubildung auf den Muschelkalk und summarischer Austausch mit dem Hangenden Abstrom im Muschelkalk Mineralquellen Neckar mit Anomalien

750 146

13

438 228 309

Gesamt

975

975

25

66

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Resumee

Zur hydraulischen Charakterisierung des im Stuttgarter Nesenbachtal entwickelten Aquifersystems werden sowohl klassische Methoden angewandt (Datenauswertung, Bohrungen, Pumpversuche, Stichtagsmessungen) als auch innovative Wege beschritten (Hochgeschwindigkeitsdruckmessungen, anthropogene Spurentracer). Die Befunde werden in einem Hydrogeologischen Modell, das laufend aktualisiert wird, dokumentiert und fließen in ein numerisches Grundwasserströmungsmodell ein. Dieses verknüpft alle Informationen in Raum und Zeit mit dem Ziel, die hydraulischen Interaktionen zwischen den beteiligten Grundwasserhorizonten nachzubilden, um die Schadstoffausbreitungswege und relevanten Transportmechanismen aufzudecken. Der Komplexitätsgrad des betrachteten Aquifersystems (Kluft- und Karstcharakter, hydraulisch relevante Tektonik), die Größe des Projektgebietes und die Tatsache, dass im tiefsten und gleichzeitig bedeutendsten Grundwasserleiter die wenigsten Aufschlusspunkte vorhanden sind, bedeuten eine Herausforderung für die modelltechnische Umsetzung. Die Übertragung lokaler Erkenntnisse auf die regionale Ebene ist daher insbesondere im Karstgrundwasserleiter des Oberen Muschelkalks mit Unsicherheiten behaftet. Gleichzeitig werden auch sehr kleinräumig konkrete Aussagen zur Schadstoffherkunft und -verlagerung benötigt. Daher ist es wichtig, dass Hydrogeologisches Modell, Strömungsmodell und Transportmodell in einem gegenseitigen dynamischen Optimierungsprozess stehen, um Unstimmigkeiten und Defizite erkennen und bereinigen zu können. Insgesamt war angesichts der Fülle an vorhandenen Daten ein erheblicher Aufwand für deren Erhebung und Aufbereitung erforderlich. Durch die grafische Darstellung der geologischen und hydrogeologischen Informationen im Projektgebiet wurde aber erstmals ein geschlossenes räumliches Bild für den gesamten Stuttgarter Talkessel erzeugt. Die zusätzlich durchgeführten Bohrungen und Pumpversuche schlossen zwar lokale Kenntnisdefizite, warfen aber auch neue Fragen auf, zum Beispiel hinsichtlich der Bedeutung und Auswirkung kleinräumig ausgeprägter hydraulischer Heterogenitäten auf Grundwasserströmung und Schadstofftransport. Somit setzt der Kluft- und Karstcharakter des betrachteten Aquifersystems im Nesenbachtal der Erforschung des Prozessverständnisses natürliche Grenzen. Daher ist es wichtig integrale Verfahren einzusetzen, die ein größeres Volumen repräsentativ abbilden. Vor diesem Hintergrund wäre beispielsweise ein kombinierter Markierungsversuch im System „Unterkeuper - Oberer Muschelkalk“ wünschenswert, um dort die Fließ- und Schadstoffausbreitungswege an Schlüsselpunkten im Projektgebiet konkret nachzuvollziehen.

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