A Star Called Henry - Buch.de

The Commitments. Sein Bühnenstück Brown Bread wird uraufgeführt. .... Journalist Arthur Griffith (1872–1922), der das eigenständige kultu- relle Erbe Irlands ...
816KB Größe 2 Downloads 370 Ansichten
Königs Erläuterungen und Materialien Band 479

Erläuterungen zu

Roddy Doyle

A Star Called Henry von Hans-Georg Schede

Über den Autor der Erläuterung: Hans-Georg Schede, geboren 1968, studierte in Freiburg Germanistik sowie Anglistik und promovierte mit einer Werkmonographie über den Gegenwartsautor Gert Hofmann (1999). Er hat Unterrichtsmodelle zu Heinrich von Kleist, Gert Hofmann sowie Charlotte Kerner und zahlreiche Erläuterungsbände zu Werken des schulischen Lektürekanons verfasst (u. a. zu Goethe, Schiller, Kleist, Büchner, Thomas Mann, Uwe Timm und Charlotte Kerner). Weitere Bücher: eine Biographie über Die Brüder Grimm (2004, Neuausgabe 2009) und den Band Heinrich von Kleist in der Reihe „rowohlts monographien“ (2008). Hans-Georg Schede hat als Buchredakteur und Gymnasiallehrer gearbeitet und lebt mit seiner Familie in der Nähe von München.

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt oder gespeichert und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen.

3. Auflage 2009 ISBN: 978-3-8044-1850-9 © 2009 by Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Lektorat: Oliver Pfohlmann Titelabbildung: Roddy Doyle © Isolde Ohlbaum [Foto verfremdet] Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk

2

Ke_479_1850_Doyle_Called_Henry_3A.indd 2

23.10.2009 09:52:34

Inhalt Vorwort .........................................................................

5

1. Roddy Doyle: Leben und Werk .................................. 1.1 Biografie ......................................................................... 1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund ..................................... 1.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken .... 2. Textanalyse und -interpretation ................................. 2.1 Entstehung und Quellen ................................................. 2.2 Inhaltsangabe ................................................................. 2.3 Aufbau ........................................................................... 2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken ................... 2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen ....................... 2.6 Stil und Sprache . ............................................................ 2.6.1 Erzählperspektive und Erzählhaltung ............................. 2.6.2 „In medias res“: das zeitlich verschachtelte Erzählen ...... 2.6.3 Stiftung von Zusammenhang (kleine Motive) .................. 2.6.4 Übertreibungen und Krassheiten ................................... 2.6.5 Doppelgesichtigkeit der Erzählerfigur und „expressionistisches Erzählen“ ........................................ 2.7 Interpretationsansätze .................................................... 2.7.1 Henry der Held – Henry der Namenlose ....................... 2.7.2 Entmythisierung – Henry und der legendäre Held Cuchulain .............................................. 2.7.3 A Star Called Henry als Dekonstruktion nationalistischer Geschichtsverklärung . .........................

6 6 10 17



21 21 26 50 60 90 106 106 107 110 112 115 117 117 119 123

3.

Themen und Aufgaben ............................................... 128

4.

Rezeptionsgeschichte .................................................. 130

5.

Materialien .................................................................. 132



Literatur . ...................................................................... 134

3

4

Vorwort

Vorwort Roddy Doyles A Star Called Henry ist ein Roman über die gewaltsame Geburt der irischen Republik im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts und zugleich die Entwicklungsgeschichte eines jungen Menschen, der von einem unbändigen Selbstbehauptungswillen getrieben ist und der sich dennoch, wie er erst spät erkennt, zum Werkzeug fremder Zwecke machen lässt. In teilweise grellen Farben malt der Roman das Sittengemälde einer Gesellschaft, in der allein Skrupellosigkeit zum Erfolg führt und in der sich die von vornherein Unterprivilegierten in aller Regel auch am Ende als die Verlierer erweisen. Angesichts solcher Verhältnisse scheitert Henry, weil sein Ehrgeiz nicht darauf zielt, Macht zu erwerben, sondern anerkannt und geliebt zu werden. Dadurch macht er sich von anderen abhängig. Sein gutes Aussehen, sein jungenhaft-ungestümer Drang, sich zu beweisen, sowie sein Hunger nach emotionaler Zuwendung machen ihn für Frauen unwiderstehlich; von den Männern jedoch wird er ausgenutzt. Am Ende steht er mit leeren, aber blutbefleckten Händen da. Doyles handlungs- und figurenreichen Roman gleich bei der ersten Lektüre zu überblicken, ist kaum möglich. Deshalb bietet dieser Band eingehende Erläuterungen zum historischen Hintergrund der Handlung (vgl. besonders die Kapitel 1.2, 2.1 und 2.5), zum Inhalt und zur Erzählanordnung des Romans (2.2 und 2.3) sowie zu den handelnden Figuren (2.4). Darüber hinaus werden Stil und Sprache beleuchtet (2.6) und zusätzliche Interpretationsansätze geboten (2.7). Inwiefern A Star Called Henry für Roddy Doyles literarisches Schaffen insgesamt charakteristisch ist, zeigen die Kapitel 1.1 und 1.3. Textgrundlage für diese Erläuterung ist die bei Vintage, Random House, London, 2005 erschienene Taschenbuchausgabe des Romans. Roddy Doyle zählt zu den erfolgreichsten irischen Schriftstellern der Gegenwart; viele seiner Bücher sind verfilmt worden. In seinen Geschichten vereint sich ein mit Händen zu greifender Realismus mit einer übermütigen und abenteuerlichen Lust am fantastischen Fabulieren. Seine Bücher sind immer aufregend und meistens provozierend. Es lohnt, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Vorwort

5

1.1 Biografie

1. Roddy Doyle: Leben und Werk 1.1 Biografie Roddy Doyle, der sein ganzes Leben in Dublin verbracht hat, hat 2002 ein Buch über seine Eltern veröffentlicht: Rory und Ita. Abgesehen davon achtet er jedoch sehr darauf, so wenig wie möglich zu einer öffentlichen Person zu werden. Entsprechend sind nur die wesentlichen Angaben zu seinem Werdegang greifbar. Jahr

Ereignis

1958– 1993

Am 8. Mai kommt Roddy Doyle in Dublin zur 0–35 Welt und wächst in Kilbarrack im Norden der Stadt auf. Sein Vater Rory ist Schriftsetzer und Ausbilder im Druckereigewerbe. Seine Mutter Ita hat als Sekretärin in einem Krankenhaus gearbeitet. Der Vater weckt schon früh Roddys Interesse am Lesen. Roddy Doyle besucht die St. Fintan’s Christian Brothers School in Sutton. Anschließend studiert er am University College in Dublin. Er wird Lehrer für Englisch und Geographie und unterrichtet diese beiden Fächer an der Greendale Community School in Kilbarrack. Während dieser Zeit etabliert er sich nebenher als Autor. 1993 gibt er den Lehrerberuf auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne, Rory und Jack. Roddy Doyle veröffentlicht seinen ersten Roman 29 The Commitments. Sein Bühnenstück Brown Bread wird uraufgeführt. Ein zweites Drama, War, wird fertig und urauf- 31 geführt.

1987

1989

6

Alter

1. Roddy Doyle: Leben und Werk

1.1 Biografie Jahr

Ereignis

1990

Der zweite Roman der Barrytown Trilogy, The Snap­ per, erscheint. Die Barrytown Trilogy findet mit dem Roman The Van ihren Abschluss. Das Buch wird in die Shortlist des renommierten Booker Prize für das Jahr 1991 aufgenommen. Alan Parker verfilmt The Commitments; das Drehbuch schreibt Roddy Doyle gemeinsam mit Dick Clement und Ian La Frenais. Der Film wird von der British Academy of Film and TV Arts mehrfach ausgezeichnet. Die Barrytown Trilogy erscheint im Zusammenhang. Roddy Doyle veröffentlicht seinen vierten Roman, Paddy Clarke Ha Ha Ha, und erhält für das Buch den Booker Prize. The Snapper wird von Stephen Frears nach dem Drehbuch von Roddy Doyle verfilmt. Die BBC produziert und sendet eine vierteilige Fernsehserie mit dem Titel Family, für die Roddy Doyle das Drehbuch verfasst hat. Family wird auch in Irland ausgestrahlt und ruft Proteste von Politikern, Priestern und der Lehrergewerkschaft hervor, die Roddy Doyle als Netzbeschmutzer angreifen, der Irland zu negativ darstelle, die Institution der Ehe unterminie­re und suggeriere, dass Lehrer ihre Schüler schlügen. Der fünfte Roman, The Woman Who Walked into Doors, erscheint. Die Idee zu dem Buch basiert auf der letzten Folge von Family, die aus der Sicht der Mutter erzählt ist.

1991

1992 1993

1994

1995

1996

1. Roddy Doyle: Leben und Werk

Alter 32 33

34 35

36

37

38

7

1.1 Biografie Jahr

Ereignis

1997

Auch der dritte Roman der Barrytown Trilogy, The Van, wird fürs Kino verfilmt. Stephen Frears führt erneut Regie, das Drehbuch stammt wiederum von Roddy Doyle. A Star Called Henry erscheint als erster Roman einer geplanten Ro­manfolge mit dem Gesamttitel The Last Roundup. Roddy Doyle veröffentlicht sein erstes Kinderbuch, Not Just for Christmas, und ist als Co-Autor an der Serie Finbar’s Hotel beteiligt. Als zweites Kinderbuch erscheint The Giggler Treatment. When Brendan Met Trudy wird aufgeführt, eine Beziehungskomödie zwischen einem gehemmten Lehrer und einer forschen Diebin. Ein weiteres Kinderbuch erscheint: Rover Saves Christmas; zudem ein Roman, den Roddy Doyle gemeinsam mit anderen Autoren, darunter Frank McCourt, geschrieben hat (Yeats is Dead! A Novel by Fifteen Irish Writers). Das Theaterstück Guess Who’s Coming to the Din­ner wird im Rahmen des Dublin Thea­tre Festivals uraufgeführt. Roddy Doyle veröffentlicht Rory and Ita. The Woman Who Walked into Doors wird in Roddy Doyles eigener Adaption als Theaterstück uraufgeführt. Als zweiter Band von The Last Roundup kommt Oh, Play that Thing heraus. Das vierte Kinderbuch, The Meanwhile Adventures, erscheint.

1999

2000

2001

2002 2003

2004

8

Alter 39

41

42

43

44 45

46

1. Roddy Doyle: Leben und Werk

1.1 Biografie Jahr

2006 2007

Ereignis Roddy Doyle sorgt für Aufsehen, als er im Vorfeld der aufwändigen Feiern, die zum hundertjährigen Jubiläum von Bloomsday (dem Tag im Jahre 1904, an dem die Handlung von Ulysses spielt) in Dublin geplant sind, über seinen Widerwillen gegen James Joyce spricht, den er als Autor für weit überschätzt hält. Roddy Doyle veröffentlicht Paula Spencer, seinen achten Roman, und die „Novella“ Mad Weekend. Ein fünftes Kinderbuch, Wilderness, und ein weiterer gemeinsam mit anderen Autoren geschriebener Roman, Click, kommen heraus. Zusammen mit Bisi Adigun schreibt Roddy Doyle für das Dublin Theatre Festival 2007 eine neue Fassung von The Playboy of the Western World. Zudem veröffentlicht Doyle unter dem Titel The Deportees and Other Stories eine Sammlung von Erzählungen.

1. Roddy Doyle: Leben und Werk

Alter

48 49

9

1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund1 Vorgeschichte des Konflikts In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts formierten sich in Irland neue Kräfte, um die jahrhundertelange Vorherrschaft Englands über Irland abzuschütteln. Diese Kräfte waren in den drei überwiegend katholischen Provinzen Leinster, Munster und Connaught beheimatet. In der nördlichen Provinz Ulster hingegen, in der die Protestanten die Bevölkerungsmehrheit stellten, hoffte man auf die Fortdauer der Anlehnung an England. Das hatte historische Gründe. Als König Heinrich VIII. von England (1491–1547) in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts den katholischen Glauben abgelegt und eine eigene protestantische Staatskirche – die anglikanische Kirche – eingeführt hatte (als Reaktion auf die Weigerung des Papstes, ihm die Scheidung von seiner ersten Frau Katharina von Aragon zu erlauben), kam es im traditionell streng kadie konfessionelle Spaltung tholischen Irland zu heftigen GegenreIrlands aktionen. Heinrichs Nachfolger auf dem Thron schickten in der zweiten Hälfte des 16.  Jahrhunderts englische (protestantische) Siedler nach Irland, um den Widerstand zu brechen. Die protestantischen Neubürger gewannen vor allem in der Provinz Ulster beherrschenden Einfluss. In dieser Siedlungspolitik liegt die Wurzel der konfessionellen und dann auch politischen Teilung Irlands. Ende des 19.  Jahrhunderts, das in Irland überwiegend eine Zeit großer materieller Not gewesen war (in der großen Hungersnot der 1840er Jahre war fast die Hälfte der Bevölkerung verhungert; viele Iren wanderten in die USA aus), erreichte – wie in vielen Ländern Europas – auch in Irland der Nationalismus einen Höhepunkt. Je stärker sich die Nation dabei als eine katholische definierte, um so heftiger wurde der protestantisch dominierte Norden ausgegrenzt und weiter in die Arme Englands getrieben. 1

10

Vgl. zu diesem Kapitel die Darstellung in: Maurer.

1. Roddy Doyle: Leben und Werk

1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Einer der Führer der neuen Nationalbewegung war der Drucker und Journalist Arthur Griffith (1872–1922), der das eigenständige kulturelle Erbe Irlands wiederzubeleben versuchte und daneben für eine neue Politik gegenüber England warb. Die irischen Abgeordneten im Londoner Parlament in Westminster sollten ihre Sitze aufgeben. Stattdessen sollte in Dublin ein neues irisches Parlament zusammentreten. Zudem sollte Irland ein eigener, lebensfähiger Wirtschaftsraum werden. Um diesen politischen Zielen Nachdruck verleihen zu können, gründete Griffith 1905 eine neue Partei, die sich den gälischen Namen Sinn Féin gab, was „Wir selbst“ bedeutet. Als zweite Kraft neben Sinn Féin etablierte sich die Irish Socialist Republican Party, die bereits 1896 von James Connolly (1868–1916) als Partei der irischen Arbeiterbewegung gegründet worden war. Auch in England gab es schon seit längerem Bestrebungen, dem Wunsch der überwiegenden Mehrheit der irischen Nation nach Selbstständigkeit zu entsprechen. Der englische Premierminister Wil­ liam Ewart Gladstone (1809–1898) war jedoch bereits 1886 und 1893 mit entsprechenden Gesetzesvorlagen im Parlament gescheitert. Die dritte „Home Rule“-Vorlage von 1912 die britische Irlandpolitik sah vor, dass die Iren die Verantwortung für ihre inneren Angelegenheiten erhalten sollten, während die Außenpolitik nach wie vor beim britischen Empire bleiben würde. Das wurde in Irland mehrheitlich begrüßt. Nur die „Unionisten“ im prote­ stantischen Norden fürchteten eine solche Entwicklung. Das innenpolitische Klima in Irland verschärfte sich. Seit 1911 bauten beide Seiten Privatarmeen auf. 1913 kam es zur offiziellen Gründung der Ulster Volunteer Force auf der einen und der Irish Citizen Army auf der anderen Seite. Finanzielle Unterstützung für die Nationalisten kam von den im 19. Jahrhundert nach Amerika ausgewanderten Iren. Der Osteraufstand 1916 Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, im September 1914, unterschrieb der englische König das Gesetz zur „Home Rule“, das jedoch erst nach Beendigung des Krieges in Kraft treten sollte. Die 1. Roddy Doyle: Leben und Werk

11

1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund irischen Abgeordneten in Westminster waren am Ziel, büßten aber im selben Moment paradoxerweise ihren politischen Einfluss ein. Sie hatten ihre Mission erfüllt, ohne dass Irlands faktische Unabhängigkeit in unmittelbar greifbare Nähe gerückt war. Die bewaffneten Milizen im Land drängten auf eine schnellere Entscheidung. Zudem schien es aus Sicht der Nationalisten geboten, die historische Chance zu nutzen, England aus eigenen Kräften loszuwerden, solange die Kräfte des britischen Empire durch den großen Krieg (an dem auf Seiten Englands auch 200.000 irische Freiwillige teilnahmen, von denen 60.000 ihr Leben verloren) gebunden waren. An die Spitze der Befürworter eines Aufstands trat Patrick Pearse (1879–1916), der seit 1915 Vorsitzender der Gaelic League war, einer 1893 von irischen Gelehrten zur Pflege des einheimischen kulturellen Erbes ins Leben gerufenen Vereinigung, die sich binnen weniger Jahre zu einer wahren Volksbewegung entwickelte. Pearse war Jurist, aber mehr noch Schriftsteller, Volkspädagoge und Prophet eines neuen Irland. In seinen Schriften verknüpfte er katholische Heilsvorstellungen mit der Forderung, sich uneigennützig für die gemeinsame nationale Sache einzusetzen und wenn nötig auch zu opfern. Schließlich kam es zu einer losen Koalition der verschiedenen natio­ nalistischen Kräfte: der Katholiken, der Sozialisten um die Arbeiterführer James Connolly und James Larkin (1874–1947), der Fenier und der Anhänger der Gaelic League. Konkrete Planungen für den Aufstand begannen; finanzielle Mittel kamen aus Amerika, Waffen aus Deutschland. Als symbolträchtiger Tag der Revolte wurde der Ostersonntag 1916 ausersehen: Die Auferstehung der irischen Nation sollte sich am Tag der Auferstehung des Erlösers vollziehen. Aufgrund unzulänglicher Organisation und logistischer Pannen – das Schiff mit dem größten Transport von Waffen und Munition traf zu früh ein, machte sich verdächtig und wurBesetzung des de von den Engländern aufgebracht, woGeneral Post Office raufhin der Kapitän die gesamte Ladung versenkte – passierte jedoch am Ostersonntag nichts. Erst am Ostermontag kam es zur Besetzung des General Post Office in Dublin und weiterer strategisch bedeutsamer Einrichtungen. Etwa 1600 Auf-

12

1. Roddy Doyle: Leben und Werk

1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund ständische waren an den Aktionen beteiligt. Ihre Chancen, sich zu behaupten, waren bei realistischer Betrachtung von Anfang an so gut wie aussichtslos, auch wenn den Engländern mitten im Krieg nur begrenzte Kräfte zur Niederschlagung der Revolte zur Verfügung standen. Noch am Ostermontag verlas Patrick Pearse die Proklamation der Irischen Republik, in der das Selbstbestimmungsrecht des irischen Volkes betont und religiöse und bürgerliche Freiheit sowie gleiche Rechte und Chancen für alle Bürger garantiert wurden. Die neue Republik erhob den Anspruch, das ganze Land zu vertreten – aus Sicht der Unionisten eine Anmaßung, die vermutlich zu einem Bürgerkrieg geführt hätte, wäre der Aufstand erfolgreich verlaufen. Doch die Revolte scheiterte. Zwar gelang es den Aufständischen, manche der von ihnen besetzten Gebäude fast eine Woche lang zu halten,  doch schließlich waren sie gezwungen, zu kapitulieren. Nach Beendigung der Kampfhandlungen zählte man 450 Tote und 2614 Verletzte, die Mehrheit von ihnen Zivilisten. 3500 Menschen wurden verhaftet und verschwanden zum weitaus größten Teil ohne vorhergehende Gerichtsverfahren in englischen Gefängnissen. 170 Aufständische wurden von englischen Kriegsgerichten verurteilt, 90 von ihnen zum Tode. 15 dieser 90 Verurteilten wurden zwischen dem 3. und dem 12. Mai hingerichtet. Der Weg in den Bürgerkrieg Aus der Perspektive der Engländer war der Osteraufstand ein heimtückischer Versuch, dem Empire in der Stunde seiner Bedrohung und Bewährung den Dolch in den Rücken zu stoßen. Gegenmaßnahmen von äußerster Härte schienen gerechtfertigt und geboten. Damit hatten die militanten irischen Nationalisten zwar die bewaffnete Auseinandersetzung vorerst verloren, dafür aber den bis dahin durchaus noch nicht entschiedenen Kampf um die Köpfe, um die politische Haltung der breiten Bevölkerung Irlands, gewonnen. Die englische Besatzungsmacht trat nun als das Unterdrückungssystem in Erscheinung, als das es die irischen Nationalisten schon immer 1. Roddy Doyle: Leben und Werk

13