Abteilung Klimaüberwachung
Sturmtief HERWART sorgt am 28./29. Oktober 2017 für Orkanböen über Deutschland Autorinnen: Susanne Haeseler, Christiana Lefebvre Stand: 30.10.2017
Einleitung Sturmtief HERWART, das am 28./29. Oktober mit Orkanböen insbesondere über dem Norden und Osten Deutschlands wütete, war bereits der dritte Herbststurm des Jahres (nach SEBASTIAN Mitte September und XAVIER Anfang Oktober). Auch in Nachbarländern, wie Dänemark, Polen, Tschechien und Slowakei traten Windböen bis Orkanstärke auf. An Nordund Ostsee wurde jeweils eine Sturmflut ausgelöst. Umgestürzte Bäume und Überflutungen führten zu zahlreichen Sachschäden und Verkehrsbehinderungen sowie Stromausfällen, sowohl in Deutschland als auch in Nachbarländern wie Polen und Tschechien. Mehrere Menschen wurden Opfer des Sturms.
Wetterlage In der zweiten Tageshälfte des 28. Oktobers 2017 entwickelte sich über Südnorwegen das Tief HERWART, das sich über das Skagerrak unter Verstärkung nach Nordostpolen verlagerte. Dessen Sturmfeld überquerte von der Nacht zum Sonntag bis zum Sonntagmittag (29. Oktober) den Norden und Osten Deutschlands (Abb. 1). Mit seiner Ostwärtsverlagerung gelangte nach der Nordsee auch die Ostsee unter eine nordwestliche Strömung, durch die an den Küsten eine Sturmflut ausgelöst wurde.
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Abb. 1: Bodenanalyse vom 29. Oktober 2017, 00 UTC, für das Gebiet Nordatlantik/Europa. [Quelle: DWD]
Windgeschwindigkeiten Abbildung 2 zeigt eine Karte der Windstärke der Spitzenböen, die am 29. Oktober 2017 gemeldet wurden. Vor allem in Nord- und Ostdeutschland traten schwere Sturmböen (Bft 10), orkanartige Sturmböen (Bft 11) und Orkanböen (Bft 12) auf.
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Abb. 2: Spitzenböen (nach Windstärke) in Deutschland, die am 29. Oktober 2017 gemeldet wurden. Vorläufige Auswertung. [Quelle: DWD]
Während das letzte Sturmtief XAVIER, welches am 5. Oktober 2017 direkt über Deutschland hinweg zog, Schleswig-Holstein und die Ostseeküste weitgehend verschonte, wirkte sich HERWART in ganz Nord- und Ostdeutschland aus. Bei beiden Sturmtiefs handelte es sich um sogenannte „Schnellläufer“, d.h. sie verlagerten sich sehr rasch. In der folgenden Tabelle sind einige Spitzenböen von HERWART vom 29. Oktober 2017 im Vergleich zu denen von XAVIER vom 5. Oktober 2017 angegeben. Die Stationen sind von Nord nach Süd sortiert. Von den Bergstationen (orange) sind nur die drei mit den höchsten Böen angegeben.
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Höchste Böen von ausgewählten Orten in Deutschland HERWART (29.10.17) Ort List auf Sylt Arkona Schönhagen (Ostseebad) Fehmarn Schleswig Barth Sankt Peter-Ording Rostock-Warnemünde UFS Deutsche Bucht Helgoland Elpersbüttel Cuxhaven Lübeck-Blankensee Norderney Schwerin Hamburg-Fuhlsbüttel Emden Hannover Berlin-Schönefeld Braunschweig Wittenberg Wernigerode Brocken Göttingen Leipzig/Halle Görlitz Dresden-Klotzsche Erfurt-Weimar Chemnitz Zinnwald-Georgenfeld Plauen Fichtelberg Hof Stötten München-Flughafen Zugspitze
km/h
XAVIER (5.10.17) km/h
142,2 92,2 97,2 132,5 93,2 89,3 134,6 118,1 124,2 119,9 119,5 120,6 89,3 117,0 100,4 101,9 119,5 100,1 125,3 97,6 125,3 90,0 173,2 90,4 106,2 111,6 106,2 98,6 114,1 116,3 90,0 176,4 101,2 101,5 94,0 150,8
91,8 65,9 61,9 72,7 61,2 47,5 87,1 73,4 95,8 93,6 87,1 99,7 87,8 116,6 92,5 101,2 100,1 113,8 118,1 103,0 93,2 89,6 176,8 83,9 95,8 97,9 95,0 86,8 83,9 92,2 58,3 134,6 66,2 82,8 76,0 113,4
Vielfach waren die durch HERWART ausgelösten Spitzenböen höher als die durch XAVIER.
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Sturmflut Der höchste Pegelstand an der Westküste Schleswig-Holsteins wurde nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Büsum mit 2,06 m ü. MHW (über dem mittleren Hochwasser) gemessen. An der niedersächsischen Küste erreichte der Pegel mit 2,60 m ü. MHW seinen höchsten Stand in Bremerhaven. Der Pegel in Hamburg St.-Pauli stieg am Morgen des 29. Oktobers 2017 sogar auf 3,34 m ü. MHW (Pegelonline), was in den Bereich einer schweren Sturmflut fällt (BSH). An der südlichen Ostsee lagen die maximalen Pegelstände bei Werten um 1,20 m über dem mittleren Wasserstand.
Klimatologische Einordnung Sturm- und Orkantiefs bilden sich bevorzugt im Herbst und Winter, da dann der Temperaturunterschied zwischen den subtropischen und polaren Gebieten erhöht ist. Im letzten Monatsdrittel des Oktobers stellt sich im Mittel die atmosphärische Zirkulation um. Statt Hochdrucklagen treten dann häufiger zyklonale Wetterlagen auf, die auch Sturmereignisse mit hohen Windgeschwindigkeiten mit sich bringen. Schadenträchtige Oktoberstürme treten somit vorwiegend gegen Monatsende auf. Der letzte stärkere Oktobersturm, der wie HERWART gegen Ende des Monats auftrat, war CHRISTIAN am 28. Oktober 2013. Damals traten vielfach noch wesentlich höhere Windgeschwindigkeiten auf als bei HERWART. Dennoch zählen die Spitzenböen, die HERWART auslöste, zu den höchsten Windgeschwindigkeiten für Oktober. Eine Zusammenstellung von bisherigen Studien über die Sturmhäufigkeit über dem Nordatlantik und Nordwesteuropa von Feser et al. (2015) zeigt, dass die meisten Studien zum Schluss kommen, dass es über der Nordsee bisher keine Zunahme der Sturmhäufigkeit gibt, während über Mitteleuropa die Sturmhäufigkeit abnimmt. Für die Ostsee lässt sich aufgrund sehr unterschiedlicher Ergebnisse keine eindeutige Aussage treffen. Für die zukünftige Entwicklung wurden die Ergebnisse verschiedener Klimaprojektionen ausgewertet, die für den Nordseeraum zwischen 1997 und 2013 veröffentlicht wurden. Danach zeigen die meisten Studien eine Zunahme der Sturmhäufigkeit und eine Zunahme der Sturmintensität. Keine eindeutigen Aussagen ergeben sich für Mitteleuropa und den Ostseeraum.
Quellen und weitere Informationen Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH): Persönliche Mitteilung. Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH): Sturmfluten. http://www.bsh.de/de/Meeresdaten/Vorhersagen/Sturmfluten/index.jsp Deutscher Wetterdienst (DWD), Climate Data Center (CDC) http://www.dwd.de/cdc Deutscher Wetterdienst (DWD): Orkantief CHRISTIAN am 28. Oktober 2013. https://www.dwd.de/DE/leistungen/besondereereignisse/stuerme/20131028_orkantief_chris tian.pdf?__blob=publicationFile&v=4 Deutscher Wetterdienst (DWD): Sturmtief XAVIER zieht am 5. Oktober 2017 mit Orkanböen über Deutschland. https://www.dwd.de/DE/leistungen/besondereereignisse/stuerme/20171009_sturmtief_xavi er_deutschland.pdf
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F. Feser; M. Barcikowska; O. Krueger; F. Schenk; R. Weisse; L. Xia (2015): Storminess over the North Atlantic and northwestern Europe – A review. Q. J. R. Meteorol. Soc. 141, 350-382, January 2015 B. DOI:10.1002/qj.2364 http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/qj.2364/abstract Pegelonline http://www.pegelonline.wsv.de/gast/start
Hinweis: Die im Bericht aufgeführten Daten geben den Stand der Niederschrift wieder.
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