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de im Norden der kanadischen Pro vinz Quebec beschrieben wurde. (Ward, 2002). Neben Knochenbrü chigkeit ist Rhizomelie ein auffälliger klinischer Befund.
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Genetik der Skelettdysplasien

Osteogenesis Imperfekta: Klinische, Genetische und Pathogenetische Aspekte Frank Rauch

Genetics Unit, Shriners Hospital for Children and McGill University, Montréal, Québec, Canada

Zusammenfassung Osteogenesis imperfekta (OI) ist eine erbliche Erkrankung mit erhöhter Kno chenbrüchigkeit, niedriger Knochen masse, sowie assoziierten Sympto men wie blaue Skleren, Dentinogene sis imperfekta und Überstreckbarkeit der Gelenke. Die traditionelle Klassifi zierung unterscheidet vier Phänoty pen (OI Typ I bis IV). In den vergange nen Jahren wurden zusätzlich drei Gruppen von OI Patienten identifiziert, deren Krankheitsbilder klinische und knochenhistologische Besonderheiten aufwiesen. Diese Entitäten wurden mit OI Typ V, VI und VII bezeichnet. Die Mehrheit der nach klinischen Kriterien diagnostizierten OI Patienten tragen eine Mutation in einem der beiden Gene, die für Alphaketten von Kolla gen Typ I kodieren (COL1A1 und COL1A2). Die OI Typen V bis VII sind allerdings nicht durch Kollagendefek te bedingt; die ursächlichen Gende fekte sind derzeit noch unbekannt.

Osteogenesis Imperfecta: Clinical, Genetic and Pathogenetic Aspects

Schlüsselwörter Kollagen Typ I, Osteoblasten, Osteo genesis Imperfekta

Key Words Collagen Type I, Osteoblasts, Osteogenesis Imperfecta

Summary OI is a hereditary disorder with in creased bone fragility, low bone mass and associated symptoms such as blue sclera, dentinogenesis imper fecta and joint hyperlaxity. The tradi tional classification distinguishes four phenotypes (OI I to IV). In recent years three additional groups of OI patients have been identified, who have characteristic clinical and bone histological features. These entities were named OI type V, VI and VII. The majority of patients with a clinical diagnosis of OI carry a mutation in one of the two genes that code for collagen type I alpha chains (COL1A1 and COL1A2). However, OI types V to VII are not due to collagen defects and the causative gene abnormality is unknown at present.

Osteogenesis imperfekta (OI) ist eine erbliche Erkrankung mit erhöhter Knochenbrüchigkeit und niedriger Knochenmasse. Der Schweregrad der Erkrankung ist sehr variabel und reicht von intrauterinen Frakturen mit perinatalem Tod bis zu sehr milden Formen ohne Frakturen. Typische extraskelettäre Krankheitserscheinun( gen sind häufig, aber nicht immer, zu finden. Diese sind blaue Skleren, Dentinogenesis imperfekta, Über( streckbarkeit von Gelenken, Über( dehnbarkeit der Haut, Schwerhörig( keit und Schaltknochen im Schädel( Röntgenbild. Die Mehrheit der nach klinischen Kriterien diagnostizierten OI Patienten tragen eine Mutation in einem der beiden Gene, die für Al( phaketten von Kollagen Typ I kodie( ren (COL1A1 und COL1A2).

Diagnose und Klassifizierung Klinische Diagnose einer OI Die klinische Diagnose einer OI ba( siert haupsächlich auf den oben auf( gezählten Symptomen. Traditioneller( weise wird blauen Skleren und Denti( nogenesis imperfekta viel diagnosti( sche Bedeutung beigemessen. Dabei sind aber einige Einschränkungen zu beachten. Dunkle oder bläuliche Skle( ren finden sich sehr häufig auch bei gesunden Säuglingen, so dass die( sem Befund in dieser Altersgruppe kaum diagnostischer Wert zukommt. Dentinogenesis imperfekta ist häufi( ger in Milchzähnen als im Erwachse( nengebiss. Auch wenn die Zähne bei Inspektion normal erscheinen, zeigen radiologische oder histologische medgen 16 (2004)

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Genetik der Skelettdysplasien

Abb 1 Knochendeformie# rungen bei schwerer OI A. Klinischer Aspekt B. Typische radiologische Befunde an den unteren Extremitäten: Dünne Kortikalis der langen Röhrenknochen, Pop( cornepiphysen, Protru( sio acetabuli C. Kompressionsfrakturen aller Lendenwirbelkörper

Untersuchungen häufig Auffälligkei( ten. Klinisch manifester Hörverlust ist in den ersten zwei Lebensjahrzehnten selten. Allerdings sind geringgradige audiometrische Auffälligkeiten bereits bei der Mehrheit von Kindern und Ju( gendlichen mit OI nachzuweisen. Es wurde daher empfohlen, nach dem 10. Lebensjahr bei OI Patienten alle drei Jahre audiometrische Untersu( chungen durchzuführen (Kuurila, 2000). Etwa die Hälfte der Patienten über 50 Jahre gibt Hörminderung an, und ein noch höherer Anteil erwach( sener OI Patienten haben eindeutig pathologische Befunde in der Audio( metrie (Kuurila, 2002; Paterson, 2001). In aller Regel ist die Diagnosestellung bei der OI einfach, wenn andere Fa( milienmitglieder betroffen sind, oder wenn mehrere typische Befunde vor( liegen. Diagnostische Unsicherheit er( gibt sich aber oft, wenn die Familien( anamnese leer ist, und wenn erhöhte Knochenbrüchigkeit nicht mit offen( sichtlichen extraossären Krankheits( manifestationen einhergeht. Diese Unsicherheit ist auch dadurch be( dingt, dass es keine klinischen Mini( malkriterien gibt, die als beweisend für eine OI gelten. Daher kommt es in nicht dem Vollbild der OI entspre( chenden Fällen häufig zu Diskrepan( zen zwischen verschiedenen Untersu( chern. In dieser Situation kann die Analyse der Kollagen Typ I Gene hilfreich sein. Mittels einer seit vielen Jahren eta( 24

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Abb 2 Lamellierungmuster im kindlichen Knochengewebe. Beim OI Typ I sind die Lamellen etwas dünner als bei Kontrollpersonen ohne Knochenerkrankung. Bei den OI Typen III und IV sind die Lamellen leicht unregelmäßig. Der OI Typ V weist ein Geflecht( muster auf, während der OI Typ VI durch ein „Fischschuppenmuster“ gekennzeichnet ist.

blierten Methode kann die von Haut( fibroblasten produzierte Menge und Struktur von Prokollagen Typ I Mole( külen untersucht werden. In einem al( ternativen Verfahren wird DNA aus Leukozyten extrahiert und die kodie( renden Regionen der COL1A1 und COL1A2 Gene auf Mutationen unter( sucht. Beide Ansätze sollen nahezu 90% aller Kollagen Typ I Mutationen entdecken (Marlowe, 2002). Ein posi( tiver Kollagen Typ I Befund bestätigt also die Diagnose OI. Ein negatives Ergebnis lässt aber die Möglichkeiten offen, dass eine Kollagen Typ I Muta( tion vorhanden ist aber nicht gefun( den wurde, oder dass eine Form der OI vorliegt, die nicht durch Kollagen Typ I Mutationen verursacht wird (sie( he unten). Eine negative Kollagen Typ I Analyse kann daher eine OI nicht ausschließen. Klassifikation Obwohl der klinische Schweregrad der OI ein kontinuierliches Spektrum darstellt, kann die Klassifizierung von Patienten in verschiedene Typen sinn( voll sein, um die Prognose abzu( schätzen oder die Ergebnisse thera( peutischer Eingriffe zu beurteilen. Die am häufigsten verwendete Klassifizie( rung wurde von Sillence et al 1979 veröffentlicht und unterscheidet vier (Phäno()Typen (Sillence, 1979). In den letzten Jahren wurden zusätz( lich drei Krankheitsbilder beschrie( ben, die unter klinischen Gesichts( punkten der OI zuzuordnen sind, aber zusätzlich charakteristische Be( sonderheiten aufweisen. Diese Krank( heitsbilder wurden in Anlehnung an

die Sillence(Klassifikation als OI Ty( pen V, VI und VII bezeichnet (Tabelle 1) (Glorieux, 2000; Glorieux, 2002; Ward, 2002). Das wichtigste Merkmal aller OI Typen ist Knochenbrüchigkeit, deren Schweregrad in der folgenden Reihenfolge zunimmt: Typ I < Typ IV, V, VI, VII < Typ III < Typ II. OI Typ II ist in aller Regel mit perina( taler Lethalität verbunden. Typische Befunde sind kurze und oft breit er( scheinende Röhrenknochen mit schweren Deformierungen. Die Rip( pen sind sehr schmall und können schon bei Geburt multiple Frakturen aufweisen. Der Thorax ist oft hypo( plastisch. Der Schädel ist sehr weich und zeigt im Röntgenbild nur wenig Mineralisation. Unter der Geburt kann es dadurch zu zerebralen Traumen kommen. Die Neugeborenen sind hy( poton und entwickeln meist kurz nach der Geburt ein respiratorisches Versa( gen, das innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen zum Tod führt. OI Typ III ist die schwerste mit dem Überleben zu vereinbarende Form, die bei etwa 1:60000 Lebendgeburten auftritt. Deformierungen sind be( sonders an den unteren Extremitäten stark ausgeprägt (Abbildungen 1A und B). Die Mehrzahl der Patienten bleiben daher zur Fortbewegung auf den Rollstuhl angewiesen. Diese Pa( tienten haben extremen Kleinwuchs (Erwachsenengröße oft unter 120 cm). Dies ist auch dadurch bedingt, dass die Wachstumsfugen aufgrund der geringen Stabilität des umgeben( denden Knochens zerbrechen kön( nen, was zur sogenannten Popcorne(

Typ

Schweregrad

Typische Befunde

Typische Mutationen

I

Mild, nicht(deformierend

Normale Körpergröße oder geringgradiger Kleinwuchs; blaue Skleren; keine DI

Vorzeitiges Stopkodon in COL1A1

II

Perinatal lethal

Multiple Frakturen der Rippen und langen Röhrenknochen bei Geburt; schwerste Deformierungen; niedrige Dichte der Schädelknochen; dunkle Skleren

Glyzinmutationen in COL1A1 oder COL1A2

III

Schwere Deformierungen

Extremer Kleinwuchs; Gesicht dreiecksförmig; schwere Skoliose; graue Skleren; DI

Glyzinmutationen in COL1A1 oder COL1A2

IV

Mittelschwere Deformierungen

Kleinwuchs; milde bis mittelgradige Skoliose; graue oder weiße Skleren; DI

Glyzinmutationen in COL1A1 oder COL1A2

V

Mittelschwere Deformierungen

Kleinwuchs; Luxation des Radiusköpfchens; kalzifizierte Membrana interossea des Unterarms; hyperplastischer Kallus; weiße Skleren; keine DI

unbekannt

VI

Mittelschwere bis schwere Deformierungen

Kleinwuchs; Skoliose; Akkumulation von Osteoid in Knochengewebe; Fischschuppenmuster; weiße Skleren; keine DI

unbekannt

VII

Mittelschwere Deformierungen

Milder Kleinwuchs; kurze Oberarme und Oberschenkel; Coxa vara; weiße Skleren; keine DI

unbekannt

Genetik der Skelettdysplasien

Tab 1 Erweiterte Sillence#Klassifikation der OI

Anmerkung: Die „typischen Mutationen“ können im Einzelfall abwesend oder nicht nachweisbar sein. DI: Dentinogenesis imperfecta

piphyse führt (Abbildung 1B). Fast alle Patienten entwickeln bis zum 7. Lebensjahr eine Skoliose, die durch multiple Wirbelkörperfrakturen be( dingt ist (Abbildung 1C). Dies kann zu respiratorischen Problemen führen, der Haupttodesursache in dieser Pa( tientengruppe. Weitere durch die ex( treme Knochenbrüchigkeit ausgelöste Komplikationen sind Protrusio aceta( buli, die bis zur Rektumkompression führen kann, sowie die Basilarinvagi( nation. Diese beginnt zunächst mit allgemeinen Symptomen wie Abge( schlagenheit und Schwächegefühl, führt dann aber zu progredienten neu( rologischen Ausfällen. Patienten mit geringgradigen Kno( chendeformierungen und mäßiggradi( gem Kleinwuchs werden dem OI Typ IV zugeordnet. Der Schweregrad der Erkrankung liegt also in etwa zwi( schen der OI Typ I und der OI Typ III. Die Frakturinzidenz ist hoch und häu( fig entwickelt sich eine Skoliose. Trotzdem kann die Mehrheit der Pa( tienten mit intensiven Therapiemaß( nahmen freies Gehen erlernen. Der OI Typ IV der Sillence(Klassifikation um( fasst im Prinzip alle Patienten, die nicht eindeutig den ersten drei Typen zugeordnet werden können. Bei ei( nem relativ großen Anteil der Patien( ten lassen sich keine das Kollagen Typ I betreffende Mutatationen finden. Aus dieser heterogenen Gruppe wur( den kürzlich drei verschiedene Krank( heitsbilder isoliert, die aufgrund von klinischen und histologischen Be( sonderheiten als eigene Entitäten er( kannt wurden. In Fortführung der Sil(

lence(Nomenklatur wurden sie mit OI Typ V, VI und VII bezeichnet. OI Typ V ist durch mäßig bis stark er( höhte Knochenbrüchigkeit gekenn( zeichnet (Glorieux, 2000). Die Erkran( kung folgt einem autosomal dominan( tem Erbgang, aber Kollagen Typ I Mu( tationen sind bislang nicht gefunden worden. Die interossäre Membran zwischen Radius und Ulna kalzifiziert früh, was die Pronation/Supinations( bewegung beeinträchtigt und sekun( där zur Luxation des Radiusköpf( chens führen kann. In der histologi( schen Untersuchung erscheinen die Knochenlamellen ausgefranst oder netzartig (Abbildung 2). Von klinischer Bedeutung ist, dass Patienten mit OI Typ V zur Bildung von hyperplasti( schem Kallus neigen, der einem Osteo( sarkom ähneln kann. In unklaren Fäl( len können Magnetresonanz und Computertomographie bei der Unter( scheidung zwischen hyperplasti( schem Kallus und Osteosarkom hilf( reich sein. Im Krankengut des Shri( ners Hospital von Montreal (Kanada) wurde im Verlauf der letzten 15 Jahre in 16 von 364 OI Patienten (4.4%) eine OI Typ V diagnostiziert (unveröf( fentlichte Beobachtung). In Deutsch( land beobachteten Brenner et al. hyperplastischen Kallus bei 10 ihrer 209 OI Patienten (4.8%) (Brenner, 1993). OI Typ V scheint also 4 bis 5% der in Krankenhäusern behandelten OI Patienten zu betreffen. OI Typ VI ist eine Form der OI mit oft schwerem Verlauf (Glorieux, 2002). Dieser OI Typ wurde auf der Grundla( ge spezifischer histologischer Befun(

de definiert, da eine große Menge un( mineralisiertes Osteoid mit einem sehr auffälligen Lamellierungsmuster (‘Fischschuppenmuster’) beobachtet wird (Abbildung 2). Diese histologi( schen Befunde weisen auf einen Mi( neralisationsdefekt hin, obwohl nor( male Serumkonzentrationen von Kal( zium und Phosphor vorliegen. Radio( logische Rachitiszeichen fehlen, was dafür spricht, dass die Mineralisie( rung von Wachstumsfugen normal verläuft. Der Vererbungsmodus ist noch nicht geklärt und Kollagen Typ I Mutationsanalysen sind negativ (Glo( rieux, 2002). OI Typ VI fand sich sich in 8 von 195 OI Patienten (4%) des Shriners Hospital, deren Knochenge( webe innerhalb der letzten 15 Jahre untersucht wurde (unveröffentlichte Beobachtung). OI Typ VII ist eine rezessive Erkran( kung, die bislang nur in einer Gemein( de im Norden der kanadischen Pro( vinz Quebec beschrieben wurde (Ward, 2002). Neben Knochenbrü( chigkeit ist Rhizomelie ein auffälliger klinischer Befund. Coxa vara kann schon im Säuglingsalter auftreten. Das für diese Erkrankung ursächliche Gen wurde auf Chromosom 3p22( 24.1 lokalisiert und liegt demnach außerhalb der Kollagen Typ I Loci (Ward, 2002). Differentialdiagnose der OI Die Differentialdiagnose der OI um( fasst eine Reihe von Skeletterkran( kungen (Tabelle 2). Die klinische Ähn( lichkeit des Bruck Syndroms und des Osteoporose(Pseudoglioma Syn( droms mit der OI wird schon dadurch medgen 16 (2004)

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Genetik der Skelettdysplasien

Tab 2 Skeletterkrankungen mit Ähnlichkeit zur OI Erkrankung

Schwere der Knochenbrüchigkeit/ Deformierungen

Typische Merkmale

Vererbung

Genetischer Defekt

Bruck Syndrom

++ bis +++

Angeborene Gelenkkontrakturen

AR

Telopeptid( Lysylhydroxylase Mangel

Osteoporose(Pseudoglioma Syndrom

++

Angeborene Blindheit

AR

LRP5

Panostotische fibröse Dysplasie

+++

Zystische oder „Milchglas(“ Läsionen in allen Knochen

Keine (somatische Mutation)

GNAS1

Idiopathische Hyperphosphatasie

+++

Erhöhte alkalische Phosphatase; breite Diaphysen; dicke Schädelknochen

AR

TNFRSF11B

Hypophosphatasie

+ bis +++

Niedrige alkalische Phosphatase

AR, AD

TNSALP

Cole(Carpenter Syndrom

+++

Kraniosynostose; Exophthalmus

Unbekannt

Unbekannt

Idiopathische juvenile Osteoporose

+ bis +++

Nur Skelettsystem betroffen

Nicht erblich

Unbekannt

AD: Autosomal dominant AR: Autosomal rezessiv +: mild; ++: mittelgradig; +++: schwer

Abb 3 Schematische Darstellung der Auswirkungen von Mutationen im Kollagen Typ I. Nullmutationen im COL1A1 Gen ver( mindern die Kollagenproduktion um die Hälfte und führen zum OI Typ I. Punktmutationen in einem Glyzin ver( ändern die Struktur der Kollagentriple( helix, so dass die Aggregation zu Fi( brillen erschwert wird. Solche Mutatio( nen führen zur OI Typ III oder IV.

hervorgehoben, dass diese Erkran( kungen auch als ‘OI mit kongenitalen Kontrakturen’ und als ‘okuläre Form der OI’ bezeichnet worden sind. Die panostotische fibröse Dysplasie ist eine Extremform der polyostoti( schen fibrösen Dysplasie, bei der alle Knochen betroffen sind. Die idiopathi( sche autosomal rezessive Hyper( phosphatasie, auch als juvenile Pa( get(Krankheit bezeichnet, ist durch deutlich beschleunigten Knochenum( satz gekennzeichnet. Von der OI unterscheidet sich diese Erkrankung durch die extrem hohe Serumaktivität der alkalischen Phosphatase. Die Hy( pophosphatasie hat sehr unterschied( liche klinische Erscheinungsformen, die von Todgeburt mit Fehlen minera( lisierten Knochens bis zu vereinzelten pathologischen Frakturen im späten Erwachsenenalter reichen. Das Cole( Carpenter Syndrome ist nur in einigen wenigen Patienten beschrieben wor( den, so dass der Vererbungsmodus noch nicht geklärt ist. Die idiopathi( sche juvenile Osteoporose ist eine vorübergehende, erworbene Form der Osteoporose im Kindes( und Jugend( 26

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alter, die typischerweise kurz vor der Pubertät beginnt und keine Sympto( me außerhalb des Skelettsystems verursacht. Zwar ist die Erkrankung nach 3 bis 5 Jahren üblicherweise selbstlimitierend, doch können Wir( beldeformierungen und funktionelle Einschränkungen persistieren. Unterscheidung zwischen leichteren Formen der OI und Kindesmisshandlung Kindesmisshandlung ist eine häufige Ursache für Frakturen, die vor allem im ersten Lebensjahr auftritt. Die Unterscheidung zwischen leichteren Formen der OI und Kindesmisshand( lung kann schwierig sein, besonders wenn die Familienanamnese für OI leer ist. Knochendichteuntersuchun( gen mittels Dual Energy X(Ray Ab( sorptiometry oder Computertomogra( phie sollen nach Meinung einiger Au( toren in der Differentialdiagnose hilf( reich sein. Der Nutzen solcher Unter( suchungen ist aber schon allein des( halb begrenzt, weil kaum Informatio( nen vorliegen, welche Knochendich( tewerte bei Säuglingen und Kleinkin( dern mit milder OI zu erwarten sind.

In dieser Situation kann eine Kollagen Typ I Mutationsanalyse sehr nützlich sein, vorausgesetzt das Ergebnis ist eindeutig positiv und somit bewei( send für eine OI (Marlowe, 2002). Um( gekehrt ist ein negativer Befund na( türlich kein Beweis für Kindesmiss( handlung. In vielen Fällen beruht die Unterscheidung zwischen Kindes( misshandlung und milder OI weiterhin auf sorgfältiger klinischer Untersu( chung und Beurteilung von Röntgen( bildern. Pathogenese von OI#Formen, verursacht durch Kollagen Typ I Dieser Abschnitt beschränkt sich auf die Diskussion von OI(Formen, die durch Kollagen Typ I Mutationen ver( ursacht werden, da über die Pathoge( nese der anderen OI(Formen kaum Informationen vorliegen. Ein Kollagen Typ I Molekül besteht aus drei Poly( peptidketten (zwei alpha 1 und eine alpha 2 Kette, kodiert im COL1A1( und COL1A2(Gen), die eine Triplehelix bil( den. Damit sich die drei Ketten kor( rekt zusammenfügen können, muss in jeder Kette jede dritte Aminosäurepo( sition mit einem Glyzin besetzt sein. Hunderte von OI verursachende Mu( tationen in COL1A1 und COL1A2 sind beschrieben. Diese können schema( tisch in zwei Gruppen eingeteilt wer( den (Byers, 2000). Die erste Gruppe besteht aus sogenannten Nullmuta( tionen, die ein vorzeitiges Stopkodon im COL1A1(Gen erzeugen. Diese füh( ren fast immer zu einer OI Typ I. Die Transkriptionsprodukte solcherart mutierter Gene sind üblicherweise un( stabil und werden hydrolysiert. Daher produzieren Fibroblasten betroffener

Die zweite große Gruppe von mit OI assoziierten Mutationen sind Punkt( mutationen in COL1A1 oder COL1A2, die ein Glyzin betreffen (Byers, 2000). Zellen mit einer solchen Mutation bil( den sowohl normales als auch mu( tiertes Kollagen Typ I (Abbildung 3). Der resultierende Phänotyp ist sehr variabel, und wird davon beeinflusst, welche der beiden Alphaketten be( troffen ist, welche Position in der Tri( plehelix durch die Mutation verändert wird und welche Aminosäure anstelle von Glyzin eingebaut wird. Die Geno( typ(Phänotyp Korrelationen sind der( zeit zu ungenau, um den Phänotyp ei( ner bestimmten Glyzinmutation mit Bestimmtheit vorauszusagen. In den meisten molekularen Studien wurden Hautfibroblasten verwendet, um die Kollagenproduktion zu unter( suchen. Dies geschieht aus prakti( schen Erwägungen, da diese Zellen leicht verfügbar sind. Allerdings be( trifft die OI hauptsächlich den Kno( chen, nicht die Haut. Nur wenig ist darüber bekannt, welche Auswirkun( gen Kollagenmutationen auf Osteo( blasten haben. Einige Autoren fanden aber Unterschiede zwischen Osteo( blasten und Fibroblasten in der post( translationalen Modifizierung von mu( tierten Kollagenmolekülen (Mundlos, 1996). Für die große Mehrheit von Mutationen ist unklar, wie Osteobla( sten mutierte Genprodukte verarbei( ten, wieviel mutiertes Protein von der Zelle sezerniert wird, und ob mutier( tes Protein in die organische Kno( chenmatrix eingebaut wird. In Osteoblasten mit einer Kollagen Typ I Mutation ist auch das Expres( sionmuster anderer Matrixproteine, wie Proteoglykane, Hyaluronan, De( corin, Fibronectin und Thrombospon( din. Diese Störung der organischen Matrix zieht auch die Mineralphase in Mitleidenschaft. Zum Beispiel weist die oim(Maus – ein Model schwerer

OI – kleinere und weniger einheitlich ausgerichtete Mineralkristalle als nor( male Mäuse auf (Grabner, 2001). Es ist nicht überraschend, dass diese Störungen der organischen und mine( ralischen Knochenkomponenten zu veränderten biomechanischen Eigen( schaften führen. Kollagen von oim( Mäusen hat eine herabgesetzte Zug( festigkeit. Mineralisiertes OI Knochen( material ist härter als normaler Kno( chen (Grabner, 2001), bricht aber bei Deformierung leichter und ermüdet schneller. Die Summe dieser Störun( gen erklärt teilweise die erhöhte Kno( chenbrüchigkeit von OI(Knochen. Als weiterer Faktor kommt hinzu, dass die OI mit erniedrigter Knochenmas( se einhergeht. Sowohl die Kortikalis( dicke als auch die Menge an trabeku( lärem Knochen ist vermindert. Ausblick Obwohl seit über 20 Jahren feststeht, dass die OI in der Mehrheit der Fälle durch Kollagenmutationen verursacht wird, ist bislang weitgehend unklar, wie dieser genetische Defekt zum be( obachteten Phänotyp führt. Während sich die Grundlagenforschung in der Vergangenheit hauptsächlich auf die intrazellulären Auswirkungen der Mu( tationen konzentriert hat, wird die Er( klärung des Phänotyps nur gelingen, wenn Regelkreise auf übergeordneten Ebenen biologischer Organisation (Gewebe, ganzes Organ) mit ins Kal( kül gezogen werden. Was die „neuen“ OI Typen V bis VII betrifft, so gilt es zunächst, mittels Linkage Analyse und Sequenzierung von Kandidaten( genen die ursächlichen Gendefekte zu charakterisieren.

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Genetik der Skelettdysplasien

Individuen nur normale Kollagen Typ I Ketten, wobei die produzierte Kolla( genmenge jedoch herabgesetzt ist (Abbildung 3). Nullmutationen im COL1A2 Gen werden bei OI(Patienten nicht beobachtet, was darauf schlie( ßen lässt, dass diese ohne sympto( matische Auswirkungen bleiben.

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Danksagung Diese Arbeit wurde unterstützt von den Shri( ners of North America.

Korrespondenzadresse Frank Rauch Genetics Unit Shriners Hospital for Children 1529 Cedar Avenue Montréal, Québec Canada H3G 1A6 Tel. +1(514(842(5964 Fax +1(514(842(5581 [email protected]

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