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Diversity Management. Eine neue Managementkultur der Vielfalt - für ein neues Image der Bibliotheken. Berlin 2008. Simon Verlag für Bibliothekswissen ..... 15. Diversity Management innerhalb der Belegschaft für die Organisation.16 Dies wird erreicht, wenn Rahmenbedingungen vorliegen, damit „alle Beschäftigten, unab ...
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Wolfgang Kaiser Diversity Management Eine neue Managementkultur der Vielfalt für ein neues Image der Bibliotheken Mit Beiträgen von Karin Weiss, Hans Jablonski und Mark Terkessidis

Berlin 2008 Simon Verlag für Bibliothekswissen

ISBN 978-3-940862-02-0 Bibliografische Informationen der deutschen Bibliothek. Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie Copyright © 2008 Simon Verlag für Bibliothekswissen, Berlin Alle deutsche Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Maria Baranova Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. No part of this book may be used or reproduced in any manner whatsoever without written permission except in the case of brief quotations embodied in critical articles or reviews. Gesamtherstellung: Simon Verlag für Bibliothekswissen Riehlstrasse. 13 10057 Berlin Deutschland www.simon-bibliothekswissen.de Druck und buchbinderische Verarbeitung Buchbinderei Art-Druck, Szczecin

Inhaltsverzeichnis Zur Einführung................................................................................8 Vorwort..............................................................................................9 1. Einleitung.................................................................................... 11 1.1 Einführung in die Thematik .............................................................12 2. Diversity Management................................................................ 13 2.1 Problematik der Begriffsdefinitionen .............................................13 2.1.1 Begriffsbestimmung ............................................................... 14 2.1.2 Historischer Entstehungshintergrund .................................15 2.1.3 Die Dimensionen von Diversity ...........................................17 2.2 Paradigmen von DiM ........................................................................18 2.2.1 Diskriminierungs- und Fairnessparadigma ...........................18 2.2.2 Zugangs- und Legitimierungsparadigma ..............................19 2.2.3 Lern- und Effektivitätsparadigma ..........................................20 2.3 Diversity Management vs. Interkulturelles Management ............20 2.4 Begriffsumfang des Diversity-Konzepts in dieser Arbeit ...........21 3. Sozialwissenschaftliche und sozialpsychologische Grundlagen.................................................................................22 3.1 Vorurteil, Stereotyp und Diskriminierung .....................................22 3.1.1 Beeinflussungsmechanismen bei der Entstehung von Vorurteilen und Stereotypen ..........................................23 3.1.2 Vorurteile und Stereotype gegenüber Bibliothekaren .........24 3.1.3 Vorurteile und Stereotype der Bibliothekare gegenüber Nutzern .........................................................................26 3.2 Identifizierung spezieller Nutzergruppen und einer heterogenen Mitarbeiterstruktur für die Bibliothek ....................28 3.2.1 Begriffsdefinition Minderheit .................................................28 3.2.2 Menschen mit Migrationserfahrung als DiversityGruppe für die Bibliothek ......................................................28 5

3.2.3 Diversity-Gruppen und Diskriminierungsmerkmale ..........32 3.3 Sozialer Wandel und Individualisierung im Zusammenhang mit Diversität .....................................................................................33 4. Kommunikation und Kultur in der Bibliothek ..........................34 5. Aufgaben und Eigenschaften des Diversity-Bibliothekars als Teil einer neuen Organisationskultur...................................36 5.1 Managing Diversity für Bibliotheken ............................................. 42 5.1.1 Geschichtlicher Hintergrund ..................................................42 5.2 Die Umsetzung von Diversity-Maßnahmen für die Bibliothek .....................................................................................44 5.3 Soziodemographische Zielgruppenorientierung für eine Vielfalt von Nutzern und Mitarbeitern .................................46 5.4 Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualifikation in einer multikulturellen Gesellschaft .................................................48 6. Diversity Marketing und Personaleinsatz für unterrepräsentierte Gruppen......................................................53 6.1 Ethnische Minderheiten ...................................................................54 6.1.1 Ethnische Minderheiten als Zielgruppe für das Diversity-Marketing .................................................................54 6.1.2 Diversity Rekrutierung ethnischen Minderheiten ...............58 6.2 Homosexuelle ....................................................................................61 6.2.1 Praxisbeispiel aus den Stadtbibliotheken in Brighton und Hove ..................................................................64 6.3 Behinderte ...........................................................................................66 6.4 Senioren/Ältere Menschen ..............................................................71 6.4.1 Alters-Diversity als eine Folge der demographischen Veränderungen in der Gesellschaft .......................................71 6.4.2 Diversity-Marketing für eine größer werdende und sich diversifizierende Zielgruppe Senioren/Ältere .............73

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7. DiM-Ansätze aus dem Ausland..................................................76 7.1 Beispiele aus den USA ..................................................................... 76 7.1.1 Diversity-Politik an amerikanischen Hochschulbibliotheken ...........................................................76 7.1.2 Ocean County Library (USA/ New Jersey) .........................77 7.1.2.1 Ausgangssituation und Vorgehensweise bei der Implementierung von Diversity Maßnahmen .........78 7.1.2.2 Das Diversity-Kochbuch .............................................80 7.2 Die Gleichberechtigungs- und Diversity Strategie des Stadtrates der Grafschaft Lincolnshire ..........................................81 7.3 Vielfalt in der Gellerup Library in Aarhus ................................... 83 8. Management von Diversity-Maßnahmen...................................86 8.1 Diversity-Marketing an LIS-Hochschulen ..................................... 88 8.1.1 Förderung von Diversity-Kompetenzen im Studium .........92 8.1.2 Anregungen für die Rekrutierung von Diversity-Mitarbeitern .............................................................95 8.1.3 Diversity als Inklusions- und Teilhabeinstrument ...............97 9. Fazit........................................................................................... 100 Nachwort...................................................................................... 103 Abkürzungsverzeichnis................................................................ 107 Literaturverzeichnis...................................................................... 108 Internetquellen ............................................................................ 117 Abbildungsverzeichnis.................................................................. 127 Anhang .........................................................................................128

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Zur Einführung

Zuwanderung und Integration sind in Deutschland wichtige Themen geworden. Nachdem Zuwanderung lange Zeit als vorübergehendes Phänomen gesehen wurde, ist nun die Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern in der Mittelpunkt des Interesses gerückt. Damit wurde die Frage nach der interkulturellen Öffnung der Gesellschaft gestellt und wie die Bedürfnisse und Ressourcen von Zuwanderinnen und Zuwanderern in unserer Gesellschaft wahrgenommen und realisiert werden. Die Frage nach der Öffnung unserer Gesellschaft ist aber grundsätzlich. Sie zielt auf die Realisierung von Vielfalt. Die demographischen Veränderungen ebenso wie Globalisierung und Internationalisierung machen deutlich, dass alle Menschen in unserer Gesellschaft, unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Herkunft, ihrem Äußeren, ihrem Glauben oder ihren körperlichen Fähigkeiten, ihrem Alter oder ihrer sexuellen Orientierung, gleichberechtigte, kreative und produktive Mitglieder unserer Gesellschaft sind. Ihren Bedürfnissen und Ressourcen muß man gerecht werden und die Vielfalt in unserer Gesellschaft schätzen, um gemeinsam die Zukunft gestalten zu können. Die vorliegende Arbeit überträgt diesen Gedanken auf das Bibliothekswesen und beschäftigt sich mit der Frage, wie der Gedanke von Vielfalt bzw. Diversity in Bibliotheken umgesetzt werden kann, zum Vorteil der Bibliotheksnutzer, wie für die Bibliotheken, die sich so neue Zielgruppen und neue Rollen erschließen können. Prof. Dr. Karin Weiss, Potsdam

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Vorwort

Demografische Zahlen zeigen, das die Gesellschaft in Deutschland in Zukunft internationaler, älter, weiblicher und insgesamt zahlenmäßig kleiner wird. Dies ist ein Grund für das Thema Diversity in Deutschland. Die Zukunft in ganz Europa wird also in jeder Hinsicht vielfältiger, und diese Chance muß geschätzt, genutzt und anerkannt werden. Aber nicht nur die demografischen Veränderungen zeigen die Notwendigkeit, sich Diversity zuzuwenden, sondern auch Globalisierung und Internationalisierung. Die Zusammenarbeit und das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster Kulturen und Glaubensrichtungen wird zunehmend enger und alltäglicher. Zahlreiche Initiativen, Projekte und Aktivitäten verdeutlichen, dass die Zeichen der Zeit in allen Bereichen erkannt wurden und es zunehmend vorbildliche Beispiele für Vielfalt und dessen Wertschätzung gibt. Im Bereich der Wirtschaft sei hier auf die Charta der Vielfalt verwiesen, die Ende 2006 initiiert und die mittlerweile von mehr als 130 Unternehmen und auch Non-Profit Organisationen unterschrieben wurde. Mit der Unterzeichnung dieses Dokuments bekennen sich die Unterzeichner zur Vielfalt im Rahmen ihrer Tätigkeiten und Aktivitäten für die eigene Belegschaft und als Geschäftspartner, auch für Nutzerinnen und Nutzer. Die vorliegende Arbeit über Diversity Management im Deutschen Bibliothekswesen macht auf eindrucksvolle Art deutlich, wie wichtig das Thema Diversity bzw. Vielfalt auch für Bibliotheken ist. Es wird gezeigt, welche Rollen Bibliotheken in der Diskussion um Diversity spielen und damit verbunden die Verantwortung zur gesellschaftliche Teilhabe und Einbeziehung aller Menschen ist. Die demografische Reflektion der Nutzerinnen und Nutzer in der Belegschaft einer Bibliothek kann dazu führen, bisher nicht oder nur wenig berücksichtigte potentielle Gruppen anzusprechen und einbinden. Es stellen sich also Fragen wie: Reflektieren die kulturelle Angebot 9

Wolfgang Kaiser der Bibliothek die kulturelle Präferenzen von Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund und unterschiedlichen deutschen Sprachkenntnissen? Können Menschen mit unterschiedlichen Befähigungen bzw. Behinderungen das Angebot von Bibliotheken nutzen? Fühlen sich Frauen und Männer geschlechterspezifisch und ohne Klischees oder Stereotypen angesprochen? Begegnet man Menschen aller sexuellen Orientierungen in gleicher Weise? In der Vergangenheit sind schon viele Aktivitäten und Initiativen zu der einen und anderen Frage unternommen worden. Allerdings sollte die strategische Auseinandersetzung mit Diversity Management eine umfassende Antwort für alle gestellten Fragen finden. Eine erfolgreiche Umsetzung von Diversity Management in Bibliotheken zeigt sich darin, das das deutsche Bibliothekswesen als aufgeschlossen und weltoffen allen gegenüber gilt, attraktive Arbeitsplätze und Aufstiegschancen für die unterschiedlichste Talente und ebenso attraktive Angeboten für unterschiedlichste Nutzerinnen und Nutzer bietet. Hans Jablonski, Köln 2008

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1. Einleitung

„Kultureller Pluralismus mit einem überlappenden politischen Konsensus (Rawls 1993), der dem unassimilierten Anderen […] mit Toleranz begegnet (Gutman 1993) ist meiner Einschätzung nach das einzige probate Modell, das das Anrecht freier Bürger auf kulturelle, ethnische, rassische und geschlechtliche Differenz in einer freiheitlichen Demokratie anerkennt, ohne die Autonomie und Integrität des Individuums einem Gruppenzwang zu opfern.“1 Dieses auf die USA bezogene Zitat charakterisiert Diversity Management (DiM)2 in einer pluralistischen Gesellschaft: die Anerkennung von Vielfalt und Individualität. Schlagworte wie Wertschätzung, Toleranz und Respekt beschreiben die moralischen Forderungen an die multikulturelle Gesellschaft. Auch wenn die ökonomischen Aspekte in diesem Falle ausgeblendet werden, sind die eigentlichen Beweggründe von DiM tiefgehender und auf die Gesellschaftsform bezogen. Lange wurde in Deutschland die multikulturelle Gesellschaft verleugnet, verdrängt oder nicht anerkannt.3 Daher ist die Forderung des obigen Zitats auch auf die Bürger und das deutsche Bibliothekswesen übertragbar. Fortschreitende Individualisierungstendenzen, demographische und migrationspolitische, aber auch antidiskriminierende (zum Beispiel das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz)4 Veränderungen in der Gesetzgebung wirken sich auch auf Non-Profitorganisationen, wie etwa Bibliotheken, aus. Vor allem international tätige deutsche Unternehmen haben bereits in den letzten 5-8 Jahren damit begonnen diesen Tatsachen gezielt durch Initiativen Rechnung zu tragen – zum Beispiel, indem die Vielfalt der Belegschaften gezielt gefördert wird, um heterogene Belegschaftsstrukturen zu erreichen. In klassischen Einwanderungsländern, insbesondere im Diversity Ostendorf, 1996, S. 169 im Folgenden DiM 3 vgl. Kohlmeier et al., 2005, S. 9 4 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland beinhaltet im Wesent lichen die Umsetzung der EU-Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG

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Wolfgang Kaiser Management-Ursprungsland den USA, wurde schon seit etwa Mitte der 1990er Jahre von amerikanischen Bibliotheken die Notwendigkeit einer Umsetzung von DiM erkannt und bis heute erfolgreich praktiziert. Diversity Management könnte in deutschen Bibliotheken eine Veränderung von Mitarbeiterstrukturen bewirken, so dass diese die Vielfalt einer pluralistischen Gesellschaft mit unterschiedlichen Lebensstilen, ethnischen und religiösen Herkünften, unterschiedlichen Altersstrukturen und Wertorientierungen widerspiegelt. Dadurch wäre eine Ausweitung und genauere Segmentierung der Nutzergruppenstruktur möglich, um letztendlich die Bedürfnisse potenzieller und aktueller Nutzer, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Übersetzungen von Produkt- und Dienstleistungsangeboten, zu befriedigen. Seit der Reformierung des Staatsbürgerschaftsrechts (2005) wird ausländischen Mitbürgern, die bereits dauerhaft hier leben, eine Integration ermöglicht, sowie der Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft erleichtert.

1.1 Einführung in die Thematik Das Thema Diversity Management wurde zum Ende des letzten Jahrtausends erstmals auch von deutschen Unternehmen aufgegriffen. Zu dieser Zeit spürte man die demographischen und soziokulturellen Veränderungen besonders.5 Cox betrachtet die Intensivierung der interkulturellen Begegnungen als entscheidende Ausgangslage für die Notwendigkeit von Managing Diversity.6 Dies trug dazu bei, dass Belegschaften in Betrieben zunehmend heterogener werden. Die demographische Zusammensetzung der Bevölkerung, und somit auch der Nutzer von Bibliotheken, haben sich spätestens seit dem Anwerbestopp von 1973 geändert oder auch diversifiziert. Mit dem Recht auf Familiennachzug in dem darauf folgenden Jahr haben sich viele ehemalige Gastarbeiter entschieden, ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland zu wählen.7 Hinzu kommen zahlreiche Gesetze und gesellschaftliche Veränderungen, die beispielsweise Homosexuellen, Frauen und Rentnern gleiche Rechte ein vgl. Sepheri, 2002, S. 5 vgl. Cox et al., 1997, S. 34f. 7 Sommer, 2006, URL: http://images.zeit.de/text/2006/16/Einwanderung 5

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Diversity Management räumen. Es gibt kaum Bibliotheksverbände in Europa, die Konzepte und Ansätze von Diversity Management gezielt fördern, dafür werben und Preise vergeben, Implementierungen sind in Australien, Neuseeland, Kanada und den USA verwirklicht worden, sofern sie als sinnvoll erachtet wurden. Diese Staaten nutzen die Strategien von Managing Diversity teilweise bereits seit Ende der 1980er Jahre. Viele dieser Programme gehen allerdings nur auf Cultural Diversity-Aspekte ein. Bibliotheken in Deutschland tragen zwar der migrationspolitischen Komponente von Diversity Rechnung und realisieren Programme für die multikulturelle Bibliotheksarbeit. Das volle Begriffskonstrukt Diversity Management erfasst hingegen alle diejenigen Attribute, die ein Mensch anführen würde, um sich von einem anderen zu unterscheiden, unabhängig davon, ob er zur dominanten Kultur gehört oder nicht.8

2. Diversity Management 2.1 Problematik der Begriffsdefinitionen Diversity Management (DiM) bzw. Managing Diversity mit seiner teilweise sozial- und gesellschaftskritisch motivierten Sichtweise kann Begriffsbeschreibung und Wirkungsbehauptung miteinander verschmelzen. Jung hält aus diesem Grunde den wissenschaftlichen Entwicklungsprozess der DiM-Theorie in Bezug auf seine terminologische Betrachtung für kritikwürdig. Hinzu kommt eine mangelnde Abgrenzung der Begriffe Diversität und Diversitätsmanagement in der einschlägigen Literatur. Der Begriff Diversity Management wird sehr unterschiedlich definiert und in der Literatur oft synonym mit Managing Diversity mit einer stärker tätigkeitsorientierte Bedeutung verwendet.9 Die Vielfalt der unterschiedlichen Definitionsansätze sollen in der hier vorliegenden Arbeit deutlich gemacht werden.

vgl. Elmerich, 2007, S. 10 vgl. Jung, 2003, S. 100

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2.1.1 Begriffsbestimmung In den aus der Betriebswirtschaft und der Managementlehre stammenden wissenschaftlichen Publikationen wird häufig Diversity statt Diversität verwendet. Diversity als der gängigere und weiter verbreitete Begriff, wird auch in dieser Arbeit favorisiert. Beim Begriff Diversity handelt es sich um das Managementkonzept.10 Das aus dem Lateinischen (lat. diversitas) stammende Diversität kann mit Verschiedenheit, Unterschiedlichkeit, Mannigfaltigkeit eines Systems an Strukturen und Elementen übertragen werden. Auf den Kontext des hier vorzustellenden Managementkonzepts bezogen bedeutet Diversity Diversität, Heterogenität, Verschiedenartigkeit der Belegschaft, aber sehr häufig wird der facettenreiche Begriff Vielfalt verwendet.11 Aus der Universität von Maryland in College Park stammt folgende Definition: “Diversity bedeutet Andersartigkeit oder solche menschlichen Qualitäten, die anders von unseren eigenen sind und außerhalb von den Gruppen, zu denen wir gehören, aber auch präsent in anderen Individuen und Gruppen sind.“12 Der funktionelle Ansatz des Begriffs bezeichnet Management auch als Komplex von Aufgaben zur Steuerung eines Leistungsprozesses in einem Unternehmen.13 Nach dem von der Deutschen Managementgesellschaft erstellten Managementkreislauf sind die Hauptfunktionen des Managements die Zielsetzung, die Erstellung von Plänen, das Treffen von Grundsatzentscheidungen, die Erteilung von Anweisungen zu deren Verwirklichung und die Kontrolle der Realisierung.14 Das Kompositum Diversity Management stellt den Bezug zu sozialen Organisationen her, zum Beispiel zu den Personen als Elemente organisierter Handlungssysteme und den ihnen zugrunde liegenden Werten und Normen.15 Ziel des „Managens von Vielfalt“ ist die gewinnbringende Nutzung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten

vgl. Finke, 2005, S. 9 vgl. Becker, 2006, S. 7 12 vgl. Voss, 1998, S. 14 13 vgl. Steinmann, 1997, S. 5 14 nach Voss, 1998, S. 15 15 vgl. Jung, 2003, S. 92 10 11

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Diversity Management innerhalb der Belegschaft für die Organisation.16 Dies wird erreicht, wenn Rahmenbedingungen vorliegen, damit „alle Beschäftigten, unabhängig vom Geschlecht und anderen Merkmalen, ihre Leistungsfähigkeit und ihre Leistungsbereitschaft uneingeschränkt entwickeln und entfalten können“17, wodurch eine produktive Zusammenarbeit in einer heterogenen Mitarbeiterschaft möglich wird. Elmerichs Arbeitsdefinition von DiM bezieht sich auf die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Nutzung des individuellen Potentials: „Diversity Management ist zum einen das Konzept, das darauf abzielt die Unterschiede und Gemeinsamkeiten unter den Mitarbeitern in den unterschiedlichen Unternehmensbereichen in Einklang zu bringen, und zum anderen der Leitgedanke, dass diese Vielfalt eine eindeutige ökonomische Relevanz besitzt. Somit hat dieses Konzept den Charakter einer sozialen Innovation, ist jedoch wirtschaftlich basiert und impliziert somit eine soziale und ökonomische Verschränkung.“ 18

2.1.2 Historischer Entstehungshintergrund Die historischen Wurzeln von Diversity Management reichen bis ins 19. Jahrhundert. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und insbesondere nach der Verabschiedung des Civil Rights Act im Jahr 1964 sind Angaben über die Nicht-Diskriminierung auf der Basis von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, nationaler Herkunft und Sehbehinderung verankert. Dieser Rassenbegriff ist heute überholt. Ihm wurde unter anderem in einer UNESCO-Erklärung 1995 eine Absage erteilt: „Mit diesem Dokument wird nachdrücklich erklärt, daß es keinen wissenschaftlich zuverlässigen Weg gibt, die menschliche Vielfalt mit den starren Begriffen „rassischer“ Kategorien oder dem traditionellen „Rassen“-Konzept zu charakterisieren“. Vor dem Hintergrund der europäischen Kolonialvergangenheit und des deutschen Nationalsozialismus hat der Begriff „Rasse“ stets eine ideologische Funktion erfüllt, wenn es um die Durchsetzung von sozialen, ökonomischen und politischen Interessen ging. Ebenso machte Widman vom Zentrum für Antisemitismusforschung deutlich, dass die Verwendung vgl. Sepheri, 2002, S. 84 ff. Krell et al., 2004, S. 422f. 18 Elmerich, 2007, S. 16 16 17

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Wolfgang Kaiser dieses Begriffs nicht mehr zeitgemäß ist und Menschen zu Außenseitern macht und sie kollektiv abwertet: „Weil Begriffe wie „Rasse“ diese Eigendynamik des Vorurteils fördern, sollte man sein Vokabular in der Öffentlichkeit sorgsam wählen. Vor dem Hintergrund des wissenschaftlichen Forschungsstandes heißt das, den Rassenbegriff aufzugeben. Sein Einsatz in Rechtstexten könnte den Anschein erwecken, der Gesetzgeber billige einen ideologiegeladenen Kampfbegriff.“19 Mit dem Aufkommen des Civil Rights Act wurde von Präsident Kennedy die Commission on Equal Employment Opportunity berufen.20 Diese Programme widmeten sich schwerpunktmäßig der positiven Diskriminierung (affirmative action) und zielten auf die Assimilation und Eingliederung benachteiligter Gruppen ab.21 Eine Self Segregation ist trotz der Gleichstellungsgesetze in der amerikanischen Gesellschaft zu beobachten. Die Regelungen über Gesetze und Integration, sowie Assimilation, sind hochkomplexe gesellschaftliche Aufgaben.22 Die Vertreter von Diversity Management hatten diese Praktiken spätestens seit Anfang der 1990er Jahre kritisiert, da einzelne Personen als Vertreter einer Minderheit angesehen, aber nicht wirklich integriert wurden. Im Unterschied dazu versucht DiM, die Integration von Minderheitengruppen innerhalb der Belegschaft in die Gemeinschaft zu erreichen.23 Das Konzept Diversity Management wurde 1978 an der University of California entwickelt. Arbeitgeber sollten bei der Personalplanung und -entwicklung an bestimmte Verhaltensweisen zur Antidiskriminierung verpflichtet werden.24 Ausschlaggebend für diese Entwicklung war der vom Hudson Institute herausgegebene Bericht „Workforce 2000“.25 Er enthielt Untersuchungen über die Benachteiligung von Personen nichtweißer Hautfarbe und Frauen auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt. Durch Diversity Management sollten durch weitreichende und innovative vgl. Widmann, 2007, S. 3 ff. vgl. Williams II, 1999, S. 30ff. 21 vgl. Becker, 2006, S. 5 22 vgl. Maegli, 2006, S. 12 23 vgl. Aretz, 2002, S. 23f. 24 vgl. Hartweg, 2003, S. 31 25 Johnston/Packer nach Fink, 2005, S. 92

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Diversity Management Maßnahmen die Integration von Frauen und ethnischen Minderheiten auf dem Arbeitsmarkt erreicht werden.26 Ab Mitte der 1990er Jahre wurde darüber auch in Europa zunehmend diskutiert. So wurde die EQUAL-Initiative der EU in deutschen Städten mögliches Instrument zur Chancengleichheit, Teilhabe, Integrationshilfe und Verbesserung des Arbeitsmarktzugangs benachteiligter Gruppen. Die primäre Zielgruppe waren Migranten der zweiten Generation.27

2.1.3 Die Dimensionen von Diversity Diversity erkennt grundsätzlich die Verschiedenartigkeit und Unterschiedlichkeit von Menschen an, damit soll seine Einzigartigkeit und sein Potenzial28, seine Talente und Eigenarten hervorgehoben werden. Die Verschiedenheiten können nach sichtbaren Merkmalen unterteilt werden. In der Managementliteratur werden diese häufig in „wahrnehmbare und nicht wahrnehmbare Eigenschaften“ unterteilt. Dazu gehören u.a. Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Körperbehinderung und viele weitere Merkmale. Zu den nicht-sichtbaren Unterscheidungsmerkmalen zählen Berufsausbildung, Berufserfahrung, sexuelle Orientierung, Religion, Nationalität, kultureller Hintergrund. In Abbildung eins (die dazu gehörige Abbildung: Workforce America! Business one Irwin nach Loden/Rosener (1991)29 befindet sich im Anhang), die auf die Unterteilung von Loden und Rosener zurückgeht, werden die Diversity-Merkmale in Primär- und Sekundärdimensionen unterschieden. 1996 kam noch eine dritte Dimension hinzu. Demnach gibt es innere, äußere und organisationale Dimensionen. Persönlichkeit als vierte Dimension wird durch diese drei Dimensionen geformt. Die innere Dimension umfasst alle sichtbaren Unterscheidungsmerkmale, die oben bereits genannt wurden. Der Begriff der äußeren Dimension wird vgl. Jung, 2003, S. 92f. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2005, S. 31 28 vgl. Jablonski, 2000, S. 174ff. 29 ‚Diverse Teams at Work‘, Gardenswartz & Rowe, Irwin 1995, mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen übersetzt von Angelika Plett; aus: Marilyn Loden/ Judy Rosener, Workforce America!, Business One Irwin, 1991 26 27

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Wolfgang Kaiser synonym zu den nicht-sichtbaren Merkmalen verwendet.30 Letztendlich kommt vor allem im Diversity Management eher die erste Dimension zum Tragen.31 Krell hat den Begriff Diversity folgendermaßen übersetzt: „Diversity heißt Vielfalt und bezieht sich auf alle Merkmale, die Einfluss auf die Selbst- und vor allem auch auf die Fremdwahrnehmung einer Person oder Gruppe haben und deshalb Quellen von Diskriminierung oder Quellen von Reibungen oder Spannungen in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Beschäftigter sein können.“32 Vedder unterteilt den Begriff in Kerndimensionen, in persönliche und in organisationsbezogene Merkmale. Zu den Kerndimensionen zählt er Geschlecht, Alter und Rasse, die persönlichen Dimensionen beinhalten für ihn Werte/Einstellungen und Familienstand. Unter organisatonsbezogenen Merkmalen versteht er die Dauer der Zugehörigkeit zum Arbeitgeber bzw. zu der jeweiligen Abteilung.33

2.2. Paradigmen von DiM34 Thomas und Ely haben die höchst komplexen und unübersichtlichen Diversity-Ansichten in drei Hauptkategorien aufgeteilt, die im Folgenden vorgestellt werden sollen. Sie wurden vom Autor ausgewählt, da sie zum besseren Begriffsverständnis von Diversity Management beitragen und ein leichteres Erschließen der komplexen Thematik ermöglichen.35

2.2.1 Diskriminierungs- und Fairnessparadigma Gleichstellung, Gleichbehandlung und sozialer Gerechtigkeit regeln bestimmte Beschäftigungsquoten für Minderheiten, die aber mit der Verwirklichung von DiM nur bedingt gleichzusetzen sind. Diese Ansätze sind vergleichbar mit Frauenförderungsprogrammen, die vgl. Elmerich, 2007, S. 10 vgl. Maegli, 2006, S. 7 32 vgl. Krell, 2001, S. 108 33 nach Elmerich, 2007, S. 13 34 nach Thomas/Ely, 1996 35 ebda. S. 79 ff. 30 31

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Diversity Management zwar eine gerechtere Behandlung der Mitarbeiterinnen erreichen, aber noch keine Änderung der Organisationskultur und des Arbeitsumfeldes. Für die Beschäftigen findet nur eine Assimilation an bestehenden Strukturen, Werten und ihrer Kultur statt, somit nur eine quantitative Messung anhand der Zugehörigkeiten bestimmter Minderheiten. Dieser Ansatz zielt darauf ab, alle Mitarbeiter gleich zu behandeln, ihnen gleiche Chancen einzuräumen und niemanden zu bevorzugen. Das Potenzial der Verschiedenartigkeit bleibt ungenutzt, da für die Diversity der Belegschaft keine Änderung der Kultur und des Arbeitsumfeldes genutzt wird.36 Zudem spielen nur moralische Begründungen eine Rolle, ökonomische werden dabei ausgeblendet. Dieser Ansatz will Chancengleichheit herstellen. Das Potenzial seiner Mitarbeiter als Erweiterung auf neue Kundensegmente bleibt außer Acht.

2.2.2 Zugangs- und Legitimierungsparadigma Die Kongruenz der demographischen Struktur der Kundengruppen mit der Belegschaft soll als Vielfalt einen Wettbewerbsfaktor darstellen und Vorteile erzielen. Lerneffekte können nur entstehen, wenn die Organisation durchlässig genug ist und ihre Minderheiten nicht nur auf deren spezifische Fähigkeiten reduziert37 oder übermäßige Unterschiede hervorgehoben werden. Durch eine Marktsegmentierung wird der Organisation Zutritt zu diversen Märkten und Kunden geschaffen.38 Eine Bibliothek könnte durch die regelmäßige Auswertung soziodemographischer Daten im Einzugsgebiet der Bibliothek eine Marktsegmentierung der unterschiedlichen Nutzergruppen erreichen und dadurch auf Veränderungen reagieren, das Dienstleistungsangebot entsprechend zu ändern.

vgl. Elmerich, 2007, S. 61f. vgl. Jung, 2003, S. 97f. 38 vgl. Sepheri, 2002, S. 52 36 37

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2.2.3 Lern- und Effektivitätsparadigma Die Vielfalt der in der Organisation vorhandenen Zugänge zur Arbeitsgestaltung, zur Aufgabenplanung und zur Problemlösung ermöglicht den Mitarbeitern, innerhalb ihrer Organisation zu lernen. Mitarbeiter werden ermutigt, Prozesse, Verfahrensweisen und Strategien innerhalb der Organisation zu hinterfragen.39 Hierbei wird DiM als ganzheitliches systematisches Lernen interpretiert. Jeder Mitarbeiter hat eine individuelle Persönlichkeit und kann diese mit ihren sozialen und kulturellen Bezügen in die Organisation einbauen und am Arbeitsplatz nutzbringend einsetzen. Diese Umsetzung ist nur möglich, wenn eine positive Haltung zum notwendigen steigenden Maß an Komplexität herrscht und ständig von neuem hergestellt wird. Die Grundlage dieses Ansatzes ist die Wertschätzung aller Diversity-Erscheinungsformen.40

2.3 Diversity Management vs. Interkulturelles Management Bei beiden Begriffen geht es um kulturelle Diversität, die beim Management von Organisationen als eine Herausforderung aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet wird. DiM beschäftigt sich mit dem Umgang mit Fremdheit und Verschiedenheit im Zusammenhang mit dem Vorteil von personeller und kultureller Vielfalt in einer Organisation. Interkulturelles Management hingegen knüpft an die Internationalisierungsprozesse von Organisationen an. Dieses Managementkonzept setzt sich mit Fragen und Problemen auseinander, die die Verschiedenartigkeit der kulturellen Umwelt thematisieren. Sie können in die Konfrontation von Personen und Institutionen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund einmünden.41

vgl. Becker, 2006, S. 7 vgl. Elmerich, 2007, S. 68 41 vgl. Jung, 2003, 97 f. 39

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2.4 Begriffsumfang des Diversity-Konzepts in dieser Arbeit Im Bibliothekskontext ist DiM das Management von Vielfalt in sowohl öffentlichen als auch wissenschaftlichen Bibliotheken. In erster Linie wird nach folgenden Diskriminierungsmerkmalen unterschieden: Alter, Geschlecht, Behinderung, sexuelle Orientierung, ethnische und religiöse Herkunft. Diversity im Bibliothekskontext heißt, eine gezielte Rekrutierung von Bibliothekspersonal mit Hinblick auf vielfältigere Nutzer vorzunehmen. Damit sollen Angehörige verschiedenster Minderheiten erreicht werden. Der Aufbau vielfältiger Bibliotheksbestände gehört zu den Managing Diversity-Aspekten, wie die Nutzung der klassischen Diskriminierungsmerkmale (ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung, Behinderung und Alter) insbesondere durch Öffentliche Bibliotheken. Darüber hinaus soll die Begriffsdefinition auf einzelne, nicht-wahrnehmbare Merkmale des Individuums erweitert werden, die die Persönlichkeit betreffen. Aufgrund der Fülle an Beispielen werden Cultural DiversityAspekten in dieser Arbeit verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt. Cultural Diversity kann auch mit kultureller Vielfalt übersetzt werden und bedeutet für Bibliotheken die Fokussierung auf Migranten und Deutsche mit Migrationshintergrund. Am Beispiel des Gellerup Community Center in Aarhus (Dänemark) soll zudem gezeigt werden, dass Diversity sich nicht nur auf Menschen beziehen muss, sondern auch auf die Bibliotheksvielfalt. Bibliotheken bieten in einer veränderten Umwelt unterschiedliche nichtbibliothekstypische Dienste an, was sich auf die Zusammensetzung der Mitarbeiter auswirkt, die oftmals nicht aus der Bibliotheksbranche kommen. Die bibliothekswissenschaftlichen Forschung in Deutschland hat Diversity Management noch nicht hinreichend definiert und somit auch kein Konzepte verwirklicht.

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3. Sozialwissenschaftliche und sozialpsychologische Grundlagen 3.1 Vorurteil, Stereotyp und Diskriminierung Vorurteile und Stereotype gefährden die Interaktion und Kommunikation von Arbeitsgruppen, was letztlich zu einer negativen Beeinflussung führt. Der Begriff Stereotyp stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Wörtern stereos (starr, fest, ständig, unbeweglich) und typos (Muster, Modell) zusammen. Es handelt sich um Bilder in unseren Köpfen und um relativ dauerhafte, auf wenige Merkmale reduzierte Vorstellungsbilder von Personen, Gruppen, Verhältnissen oder Dingen.42 Aus diesem Grunde geht es bei DiM auch um das Managen von Stereotypen.43 Peuckert definiert den Begriff Vorurteil als ein hochgradig verfestigtes, durch neue Erfahrungen oder Informationen nur schwer veränderbares, positives oder negatives Urteil über Personen (zum Beispiel Minderheiten, Ereignisse oder Objekte). Vorurteile bedingen ein diskriminierendes Verhalten.44 Eine betreffende Person hat sich mit den im Laufe der Sozialisation erworbenen Einstellungen und Stereotypen befasst, um vorurteilsfrei zu sein. Trotzdem bleiben die durch die Sozialisation erworbenen negativen Muster Teil der Wissensstruktur, obgleich sie den eigenen Überzeugungen nun entgegenstehen.45 Diskriminierung kommt aus dem Lateinischen discernere/discrimen und bedeutet „Unterscheidung“ oder „Trennung“. Doch im gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhang wird unter diesem Begriff Geringschätzung, Herabsetzung, Benachteiligung und Entwertung verstanden.46 Bei sozialer Diskriminierung geht es um die Bevorzugung oder Ablehnung von Personen, da die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder sozialen Kategorie gegeben ist. Dennoch stellt Jent fest, dass ein Privilegierungsgrad und ein Besserstellungsgrad zwar eine vgl. Schäfers, 1992, S. 422f. vgl. Petersen, 2006, S. 114 44 vgl. Bergmann, 2005, S. 4 45 vgl. Mitulla, 1997, S. 78 46 vgl. Geyer, 2006, S. 166 42 43

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Diversity Management Gleichberechtigung garantieren können, allerdings muss das noch keine Gleichstellung bedeuten. Unter Privilegierungsgrad wird die zumeist unbewusste und nicht-sichtbare Komponente des Diskriminierungsphänomens verdeutlicht.47 Ein anderes Beispiel ist die immer noch weit verbreitete Verwendung des Begriffs Ausländer, der erstens faktisch nicht korrekt ist, zweitens beleidigend wirkt, da diese Menschen nicht als Teil der deutschen Gesellschaft wahrgenommen werden. Hier wirkt schon die Sprache diskriminierend.48 Die Gründe, weshalb die so bezeichneten Menschen nach Deutschland kommen, werden aber nicht genannt und geben keinen Aufschluss über die erheblichen sozialen und politischen Statusunterschiede zwischen den verschiedenen Ausländergruppen.49 Geißler bemerkt hierzu folgendes: „Das Konzept des „Ausländers“ ...verwischt wichtige Unterschiede und vermengt Phänomene, die auseinandergehalten werden müssen. Es ist absehbar, dass der „Ausländer“ - Begriff...ein Auslaufmodelll ist; die Wirklichkeit läuft ihm davon.“50

3.1.1 Beeinflussungsmechanismen bei der Entstehung von Vorurteilen und Stereotypen Die soziale Kategorisierung von Menschen und ihre Einteilung in Eigen- und Fremdgruppen verbreitet die Entstehung von Vorurteilen und Stereotypen. Der Entwicklung von Stereotypen wird durch mangelnden persönlichen Kontakt im interpersonalen Zusammenhang mit Fremdgruppen Vorschub geleistet. Hinzu kommen persönliche Erfahrungen (Ableitung von Gruppenmerkmalen aus beobachtetem Verhalten) und soziales Lernen (zum Beispiel Erfahrungen in der Schule, im Elternhaus, aus den Medien), die die Entwicklung von Stereotypen entscheidend beeinflussen können.51 Soziokulturell betrachtet haben laut Westie52 Individuen Vorurteile, weil in der Gesellschaft, in der sie aufwuch vgl. Jent, 2002, S. 36 f. vgl. Blom, 2002, S. 242 49 vgl. Mitulla, 1997, S. 14 50 Beck-Gernsheim nach Geißler S. 106 51 vgl. Petersen, 2006l, S. 109 52 Westi nach Schörner, 1993, S. 32f. 47 48

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Wolfgang Kaiser sen, Vorurteile zum normativen System ihrer Kultur zählen. Stereotype stellen also Merkmale einer Gesellschaft dar, die von Generation zu Generation übertragen werden und von deren Mitgliedern übernommen werden, aber vorschriftsmäßigen Charakter besitzen.53

3.1.2 Vorurteile und Stereotype gegenüber Bibliothekaren Eigenschaften, die dem stereotypisierten Bibliothekar zugeschrieben werden, sind: Ordnungsbesessenheit, matronenhafte Erscheinung, altmodisch gekleidet, penibles Verhalten, mürrischer Gesichtsausdruck und eine einsilbige Sprache.54 Pauline Wilson zitierte 1982 aus einer psychologischen Studie der 50er Jahre die wichtigsten Eigenschaften: Passivität, besitzergreifendes Verhalten, Ordnungsliebe, Schüchternheit, Mangel an Vorstellungskraft, Aversionen gegen Veränderungen, unsoziales Verhalten, konventionelles Verhalten und Einstellungen, Konformität und Konservatismus. Auch wenn manche dieser Stereotypen zeitlich überholt zu sein scheinen, sind viele dieser Eigenschaften immer noch in den Köpfen der Menschen verankert, da das durch die Medien vermittelte Bild dieser Berufsgruppe immer noch der Realität hinterherhinkt. Wilson wirft in ihrem Buch die Frage auf, ob es so etwas wie einen Modellcharakter oder eine Modellpersönlichkeit eines amerikanischen Bibliothekars gibt. Genauso könnte diese Frage auf Deutschland bezogen werden. Sie versucht zu erklären, wie es zu diesen Stereotypen in vielen Köpfen kommen kann, indem sie u.a. die klassischen an ihn geforderten Aufgaben nennt, wie einen ruhigen Charakter, freundlich, respektvoll, hilfsbereit, einfühlsam und dann die These aufstellt, dass bestimmte Stellen oder Jobs bestimmte Menschentypen mehr anzieht als andere.55 Die Unterteilung in umstandsbezogene und abstraktionsbezogene Stereotype eignet sich sehr gut, wenn beschrieben werden soll in welcher Situation bzw. durch welche Umstände ein Bibliotheksnutzer oder ein Nichtkenner die vorhandene Stereotype einer Bibliothek und ihrer Westi nach Schörner, 1993, S. 32f. vgl. Radford, 2003, S. 60 55 vgl. Wilson, 1982, S. 5 f. 53 54

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Diversity Management Mitarbeiter aufgreift oder Vorurteile entwickelt. Umstandsbezogene Stereotype werden durch den direkten Kontakt mit Gruppenmitgliedern vermittelt.56 Abstraktionsbezogene Stereotype kommen durch die Weitergabe von Wissen und Erfahrung über Dritte zustande. Gemeinsam ist den Stereotypen ein hoher kollektiver Übereinstimmungsgrad und die Tatsache, kognitiver Bestandteil von Vorurteilen zu sein. Dadurch verkörpern sie lediglich eine bestimmte Vorstellung von einer Menschengruppe. Der Personengruppe der Bibliothekare wird meist ein bestimmtes Rollenverhalten zugeschrieben, das dann in einem möglichen Kontakt erwartet wird.57 Gegenüber der Berufsgruppe der Bibliothekare existieren in den Köpfen der Menschen bestimmte Klischeebilder und Stereotype, die entweder durch den direkten Kontakt mit Bibliothekaren zustande kommen (instance-based), vor allem aber auch in den Medien (abstraction-based), insbesondere durch Film und Fernsehen, vermittelt werden. Wilson stellt heraus, dass Individuen, die zu der stereotypisierten Gruppe gehören, automatisch Gleichheit untereinander und Unterschiede mit anderen Gruppen zugeschrieben wird. Diese Komponenten sind physische Merkmale wie Geschlecht und Rasse. Noch mehr Bedeutung kommt aber der Persönlichkeit und den intellektuellen Eigenschaften zu.58 Laut Watzlawick ist alles Verhalten Kommunikation. Was er als Material der Kommunikation bezeichnet sind keineswegs nur Worte, sondern vor allem paralinguistische Phänomene (wie etwa der Tonfall in der Stimme, Schnelligkeit oder Langsamkeit der Sprache, Pausen, Lachen und Seufzen), die Körperhaltung, die Ausdrucksbewegungen (Körpersprache), also jedes Verhalten. Wenn also laut Watzlawick et al. das Verhalten Mitteilungscharakter hat, ist es auch Kommunikation.59 Das Auftreten, die Kleidung, das Erscheinungsbild und die Art und Weise wie Bibliothekare zum ersten Mal mit ihren Nutzern „Bekanntschaft“ machen, gehört zum Kommunikationsprozess. Viele Menschen stellen sich den typischen Bibliothekar mit dem Zeigefinger vor dem Mund vor, der seine Nutzer zu stillem Agieren auffordert.�� Nach Josselson beschreibt die eigene vgl. Park et al., 2000, S. 19 ff. vgl. Elmerich, S. 41 ff. 58 vgl. Wilson, 1982, S. 4 59 Watzlawick nach Karle, 1984, S. 24f. 60 vgl. Engelkenmeier, 2006, S. 1 56 57

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Wolfgang Kaiser Sprache schon, welcher Kultur der einzelne sich zugehörig fühlt. Die Sprache drückt nicht nur die Zugehörigkeit zu einer Nation aus, auch durch den Akzent innerhalb dieser Sprache kann unsere soziale Klasse oder unser Herkunftsort festgestellt werden. Hinzu kommt, dass die Wahl des Vokabulars uns mit verschiedenen subgroups in Verbindung bringt.

3.1.3 Vorurteile und Stereotype der Bibliothekare gegenüber Nutzern Dem Autor ist schon zu Beginn seines Grundstudiums im Gespräch mit vor allem Lehrbeauftragten und Bibliothekaren aus der Praxis sehr oft die generalisierende Bezeichnung „der Nutzer“ aufgefallen, wenn vom Fehlverhalten oder der mangelnden Informationskompetenz einer bestimmten Nutzergruppe gesprochen wurde. Es besteht die Gefahr, dass Bibliothekare, als maßgebende Gruppe (in-group), dazu neigen dem Homogenitätseffekt zu erliegen. Untersuchungen durch Jones et al. an der Princeton-Universität haben bereits 1981 ergeben, dass durch gleichartige Persönlichkeitszuschreibungen und andere Charakteristiken Menschen dazu tendieren, die Mitglieder außerhalb ihrer eigenen Gruppe ähnlicher und gleicher als die Mitglieder innerhalb ihrer eigenen Gruppe wahrzunehmen.61 Das Verhalten könnte die Nutzer der Bibliothek treffen, wenn Bibliothekare diese als austauschbar und entbehrlich betrachten, was zu einer Stereotypisierung führt. Diese Wahrnehmungen treffen auf alle äußeren Gruppen (out-groups) gleichermaßen zu, ungeachtet deren Rasse, Religion, Nationalität oder anderer Persönlichkeitsmerkmale. Als einen der Gründe für dieses Phänomen sehen Islam et al., dass zwischen den Gruppen zu wenig Kontakt stattfindet.62 Auch Bibliothekare neigen dazu, aus Erfahrung oder weil es ihnen so vermittelt wurde, ein bestimmtes gewohnheitsmäßiges Verhalten an den Tag zu legen – vor allem in der Interaktion mit den Nutzern, der je nach seinem Auftreten und nach seinem Erscheinungsbild eine arrogante bzw. besserwisserische Behandlung erfahren kann. Laut Fordham können Bibliothekare das Stereotyp beför Jones et al. nach Plous, S. 7 Islam et al. nach Plous, 2003, S. 5

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Diversity Management dern, dass sie Bibliotheksbenutzer für technisch versierter halten, als sich selbst.63 Außerdem spielt auch die Frage des sozialen Standes eine Rolle. Im Auskunftsinterview kann es sehr leicht passieren, dass Nutzer aufgrund ihres äußerlichen Auftretens durch Kleidung und Sprache und einem anderen Bildungshintergrund, wie etwa bei Nutzern aus der Unterschicht oder Migranten mit unvollständigen Sprachkenntnissen, eine bestimmte Behandlung von Seiten des Bibliothekars erfahren. Seine Sprache oder das Verhalten, das korrekt und äußerst gewählt nach außen hin empfunden wird, könnte auf Nutzer eher abschreckend und arrogant wirken, so dass es vermutlich erst gar nicht zum Dialog der beiden kommt. Adkins und Espinal sind der festen Überzeugung, dass Menschen anderer Hautfarbe, die sich nicht selbst in der Bibliothek repräsentiert sehen, sich den Bibliothekaren erst gar nicht nähern.��Das könnte bezogen auf bestimmte ethnische Minderheiten in Deutschland ebenso zutreffen. Zumindest macht sich der Nutzer ein bestimmtes Bild über den Adressaten, also den Bibliothekar, dem er sein Informationsbedürfnis bzw. sein Anliegen schildert. Dem Inhalts- und Beziehungsaspekt kommt hier eine sehr große Bedeutung zu, da er durch diesen entscheidet, ob die Kommunikation zwischen beiden erfolgreich sein wird. Dieser Eindruck beeinflusst die Art und Weise der Information durch den Bibliothekar. Dem Beziehungsaspekt, in dem Aussagen zu Kontakt, Klima und emotionalen Aspekten enthalten sind, kommt eine große Bedeutung zu, da es gerade dieses non-verbale-Verhalten ist, das in der (interkulturellen) Kommunikation für Missverständnisse sorgen kann.�� Jede Mitteilung spielt in der Interaktion zwischen Bibliotheksbesucher und Mitarbeitern eine große Rolle. Das Bild über den Kommunikationspartner, in diesem Falle dem Bibliothekar, prägt die Art und Weise, wie wir uns mitteilen. Auf beiden Seiten wird das Verhalten durch den ersten Eindruck über den anderen geprägt.

vgl. Fordham, 2000, S. 14 Adkins; Espinal nach Asher et al., 2006, S. 19 65 vgl. Watzlawick et al., 1985, S. 53 ff. 63 64

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3.2 Identifizierung spezieller Nutzergruppen und einer heterogenen Mitarbeiterstruktur für die Bibliothek 3.2.1 Begriffsdefinition Minderheit Unter Minderheit oder auch Minorität definiert Schäfers Bevölkerungsgruppen innerhalb eines Staates bzw. einer Gesellschaft, die sich von der Bevölkerungsmehrheit durch tatsächliche oder zugeschriebene ethnische, religiöse, kulturelle, sexuelle oder andere Merkmale unterscheiden. Abgeleitet vom Zitat Georg Simmels “Der Fremde ist ein Element der Gruppe selbst, nicht anders als die Armen und die mannigfaltigen inneren Feinde“, sind Minderheiten Gruppen, die durch ihren Status von der dominierenden Mehrheit ihre Position zugewiesen bekommen.66 Sehr oft sind solche Minderheiten im sozialen Raum personell weniger inkludiert durch die gesellschaftlichen Strukturen und sozial ungleich behandelt von der Mehrheitsgesellschaft.�� Allgemein definieren Sozialwissenschaftler Minoritäten als soziale Gruppen oder Entitäten einer Gesellschaft, in der sie bestimmte soziokulturell bedeutsame Merkmale besitzen. Die Minderheit erfährt durch die Mehrheit der Gesellschaft eine negative Unterscheidung, was zu Stigmatisierungen, Diskriminierungen oder Unterdrückung führen kann.68

3.2.2 Menschen mit Migrationserfahrung als Diversity-Gruppe für die Bibliothek „Als eine Konsequenz von Migration werden Situationen erzeugt, wo ein und dasselbe Individuum...danach strebt, in zwei Kulturgruppen zu leben. Dadurch wird ein instabiler Charakter erzeugt...Das ist der Mensch, der immer am Rand steht.“ Robert. E. Park, 192869 vgl. Schäfers, 1992, S. 237 Bourdieu nach Hillebrandt, 1999, S. 260 68 vgl. Schörner, 1993, S. 90 nach Hofstätter 1959, Simpson & Yinger 1965, Morris 1968, Schoeck 1969, Townsend 1973, Waldmann 1975, Fröhlich & Drever 1981, Nicklas & Ostermann 1983, Tajfel 1982, Vascivics 1989 69 vgl. Beck-Gernsheim S. 74 66 67

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Diversity Management Diesem von Robert Ezra Park (1864-1944), einem amerikanischen Sozialwissenschaftler beschriebene Migrationsphänomen möchte das Konzept von Diversity Management entgegensteuern, indem den individuellen Eigenschaften des Migranten Rechnung getragen wird. Die Gruppe der Menschen mit Migrationserfahrung stellen eine der größten Minderheiten in der Bevölkerung Deutschlands dar. Sie sind daher für Bibliotheken mit einer gezielten Diversity-Politik wichtig. Wie in anderen europäischen Staaten hat sich auch in Deutschland durch sinkende Geburtenraten und einer steigenden Lebenserwartung die Bevölkerungsstruktur gewandelt.70 Neben den Senioren gehören die Migranten und Deutsche mit Migrationshintergrund zur größten Gruppe, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt diskriminiert werden und ethnisch ungleich integriert sind.71 Laut Mikrozensus von 2005 leben 15,3 Millionen Ausländer und Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik. Diese Zahl entspricht mit ca. 19 % fast 1/5 der Bevölkerung von 82,7 Millionen.72 Begriffe wie Ausländer oder Migranten werden meist mit Personen in Verbindung gebracht, die aus den klassischen Gastarbeiterländern stammen.73 Auf mittlere und lange Sicht wird es wegen der verstärkten Anstrengungen und dem zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Interesse, die Kinder und Enkelkinder der ehemaligen Einwanderer besser zu integrieren, das Potenzial von gut ausgebildeten Deutschen mit Migrationshintergrund für den Arbeitsmarkt wachsen. Heute haben in Großstädten wie Hamburg bereits 45,82  % der Jugendlichen unter 18 Jahren einen Migrationshintergrund und Schätzungen zufolge wird in 20 Jahren jeder zweite Schüler in Berlin einen Migrationshintergrund haben.74 Abbildung 2 (Abb. 2 Migrationserfahrung der deutschen Bevölkerung nach Gruppen75 befindet sich im Anhang.) stellt die prozentualen Anteile vgl. Bade et al., 2004, S. 130 vgl. Granato, 2003, S. 10f. 72 vgl. Statistische Bundesamt nach Franken et al. , 2006, S. 5f. 73 vgl.Mitulla, 1997, S. 49 74 Bremmer, 2006, URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/ archiv/14.08.2006/2704086.asp 75 Statistische Bundesamt, 2005 nach Franken et al., 2006, S. 5f. 70 71

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Wolfgang Kaiser der in Deutschland lebenden Personen mit Migrationserfahrung dar. Das Statistische Bundesamt zählt zu den Personen mit Migrationshintergrund folgende Bevölkerungsgruppen: • Zugewanderte und in Deutschland geborene Ausländer, • Zugewanderte (Spätaussiedler und eingebürgerte zugewanderte Ausländer) und • nicht zugewanderte Deutsche mit Migrationshintergrund (eingebürgerte Ausländer, Kinder aus Migrationsfamilien). In den klassischen Einwanderungsländern (Australien, Kanada, Neuseeland und den Vereinigten Staaten) wird die im Ausland geborene Bevölkerung als Migranten bezeichnet. Diese Bezeichnung trifft somit nur auf den tatsächlich im Ausland geborenen Anteil der Bevölkerung zu. Im Gegensatz dazu wird in Deutschland die Unterscheidung in Staatsangehörigkeiten vorgenommen, so dass zum Beispiel eine in Deutschland geborene Person ohne deutschen Pass als Migrant gilt, da sie von einer Familie mit Migrationserfahrung abstammt.76 Zu der Gruppe der Migranten zählen folgenden Gruppen:77 • Ausländer (Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit) insgesamt 7,3 Mio. Menschen, davon 5,6 Mio. mit und 1,7 Mio. ohne Migrationserfahrung; • eingebürgerte deutsche Staatsangehörige (mit oder ohne Migrationserfahrung), ca. 3,5 Millionen; • Spätaussiedler (nach Schätzungen 1,8 Mio. Menschen) und jüdische Zuwanderer (ca.0,2 Mio.) sowie • Deutsche aus Migrationsfamilien (Kinder aus multikulturellen Ulrich, 2007, URL: http://www.migration-info.de/migration_und_bevoelkerung/artikel/070507.htm 77 Bundesamt für Statistik, 2005 nach Franken et al., 2006, S. 5 f. 76

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