19. Internationale Schillertage 16.6.–24.6.17 Nationaltheater Mannheim

16.06.2017 - waren diese Erfahrungen aber so stark, dass er nicht anders ..... entfernt schon die nächste Option zu hören. .... profi liertesten Regisseuren.
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19. Internationale Schillertage 16.6.–24.6.17 Nationaltheater Mannheim

SIGNA: Das Heuvolk

Schillertage Magazin

NACH DER FREIHEIT ✽

19. Internationale Schillertage 16.6.–24.6.17 Nationaltheater Mannheim

19. Internationale Schillertage

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Julia Lohse, Studentin der Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim Wo hört für Sie die Freiheit auf? „Da, wo die Freiheit eines anderen beginnt, hört meine Freiheit auf“ ist ein nichtssagender Allgemeinplatz. Aus meiner Sicht schränkt allein meine Existenz die Freiheit anderer ein. Was ich konsumiere, kann von niemand anderem konsumiert werden. In der Volkswirtschaftslehre nennen wir das rivalisierende Güter. Es gibt diese Statistik, dass vom täglichen Konsum eines durchschnittlichen Europäers sieben Afrikaner leben könnten. Meine Konsumfreiheit geht also auf Kosten sieben anderer Menschen. Sie hört bei mir auf, wenn es um die Einschränkung von Grundbedürfnissen geht. Wie der Zugang zu sauberem Trinkwasser oder frischer Luft. Deshalb beschäftige ich mich intensiv mit Nachhaltigkeit. Der Begriff der Nachhaltigkeit ist schwer zu definieren, allerdings: Es geht dabei um mehr als um den Klimawandel. Ist meine persönliche Freiheit tatsächlich wichtiger als die anderer Menschen? Der Klimawandel, hauptsächlich verursacht durch die Industriestaaten, führt zu Überschwemmungen in anderen Gebieten oder Hungersnöten in Afrika wegen ausbleibender Regenfälle. Das führt zu Emigration oder in weiterer Zukunft wahrscheinlich auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen im Kampf um Ressourcen. In einer globalisierten Welt ist keine Handlung mehr ohne persönliche Folgen.

Liebes Publikum, liebe Freundinnen und Freunde der Schillertage, „Nach der Freiheit“, das Motto der 19. Internationalen Schillertage, kann Feststellung oder Frage sein: Sind in Zeiten, in denen durch demokratische Wahlen Autokraten zu Regierungschefs gewählt werden, die Werte freiheitlicher Gesellschaften bereits in Frage gestellt oder zumindest nicht mehr so selbstverständlich und verbindlich, wie wir immer dachten? Jedenfalls wird ihre Bedrohung uns wieder bewusst und damit auch die Notwendigkeit, sie zu verteidigen. ... „ist vor der Freiheit“, so lautet denn auch der Appell nicht zuletzt für unser Festival, das seinen Namen immerhin dem Freiheitsdichter schlechthin verdankt. In unserem Schillertage-Magazin, das Ihnen einen Vorgeschmack auf das Festival geben und Sie durchs Programm begleiten will, haben wir daher verschiedene Mannheimer befragt, was Freiheit für sie bedeutet, grundsätzlich und für sie persönlich, und deren Grenzen ausloten lassen. Auszüge aus ihren sehr unterschiedlichen Antworten lesen Sie in diesem Magazin, die vollständigen der Interviews finden Sie auf schillertage.de. Außerdem stellen wir Ihnen unsere Eigenproduktionen vor, auf die wir aus eher ungewöhnlichen Perspektiven blicken – wir haben etwa SIGNA zu einem Treffen mit einer Mannheimer Pfingstgemeinde begleitet und über religiöse Gemeinschaften und die Sehnsucht nach Erlösung gesprochen, haben mit Angehörigen der Staaten des ehemaligen Jugoslawien im Zusammenhang mit Oliver Frlji´cs Second Exile über Demokratie diskutiert, die Entstehung eines Virtual-Reality-Projekts im Selbstversuch erlebt und angeregt von Schillers Demetrius-Fragment eine zweckdienliche Anleitung in Bildern erstellt – zur Revolution, sollte sie denn notwendig werden. Natürlich finden Sie im Magazin auch alle nützlichen Informationen für das gesamte Programm, von den Schill-Out-Partys bis zum SWR2 Forum. Lassen Sie sich anlocken, verführen, inspirieren von unseren

Schiller-Befragungen, ob Eigenproduktionen oder Gastspiele. Herzlich bedanken möchte ich mich bei der Stadt Mannheim, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, die das Festival seit vielen Jahren maßgeblich fördern. Großer Dank gilt auch den Freunden und Förderern des Nationaltheaters Mannheim e.V., der Stiftung Nationaltheater Mannheim und der Heinrich-Vetter-Stiftung. Ich freue mich sehr, dass es auch in diesem Jahr gelungen ist, zahlreiche Sponsoren für die Internationalen Schillertage zu begeistern, stellvertretend für alle Partner des Festivals möchte ich Roche, John Deere, Dostmann Gerüstbau, die MWSP Mannheim und die Mediengruppe Dr. Haas nennen. Mein persönlicher Dank geht außerdem an das Heidelberger Ehepaar Bettina Schies und Klaus Korte für die großzügige Unterstützung. Und natürlich richtet sich mein Dank auch ganz besonders an den Mannheimer Morgen, der dieses Magazin möglich gemacht hat, und natürlich an Sie, das Publikum, für Ihr Interesse und Ihre leidenschaftliche Begleitung der Schillertage, deren 19. Ausgabe die letzte sein wird, die ich in meiner Mannheimer Intendanz verantworte. Ein Festival übrigens, das dem Nationaltheater Mannheim große künstlerische Freiheit gewährt, die Freiheit auch, in der Stadt und überregional zusätzliche Wirkung zu entfalten zum alltäglichen Theaterschaffen. Für mich als Regisseur und Intendant ist die Freiheit der Kunst essenziell. Dass wir hier ohne inhaltliche Einschränkungen von Politik oder Förderern Theater machen können, bedeutet für mich Freiheit. Eindrucksvolle Schillertage und großartige Freiheits-Erfahrungen wünscht Ihnen Ihr Burkhard C. Kosminski

Burkhard C. Kosminski, Intendant Schauspiel und Künstlerischer Leiter der 19. Internationalen Schillertage

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19. Internationale Schillertage

FREIHEIT KENNT KEINE MORAL Der Schriftsteller Boualem Sansal spricht zur Eröffnung der Schillertage im Schauspielhaus

Boualem Sansal, frankophoner algerischer Schriftsteller und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Zuletzt erschien sein Roman 2084 – Das Ende der Welt, in dem er eine Dystopie von einem religiösen Überwachungsstaat entwirft.

Was bedeutet Freiheit für Sie persönlich? Der berühmte Kalif Saladin, der nach langer Belagerung Jerusalem von den Christen zurückerobert hatte, bekam vom nicht minder berühmten Balduin IV, König von Jerusalem, der Aussätzige genannt, folgende Frage gestellt: Was bedeutet Euch Jerusalem, der Ihr keinen Aufwand und Kosten gescheut habt, um es zu erobern? Saladin lächelte und antwortete: Nichts! Nach einer langen Denkpause fügte er aber mit einem noch verschmitzteren Lächeln hinzu: Und alles! Meine Antwort lautet: Freiheit bedeutet für mich nichts und alles. Wann haben Sie sich zuletzt unfrei gefühlt? Mich unfrei zu fühlen, ist mein Dauerzustand. Die Augenblicke, in denen das Gefühl von Unfreiheit sich am stärksten bemerkbar macht, sind die, wenn man im Angesicht von Gewalt oder Ungerechtigkeit machtlos ist. Das letzte Mal erlebte ich es auf einem französischen Flughafen: Eine alte afrikanische Frau wurde von einem Grenzpolizisten beschimpft, weil sie zwei Tage länger in Frankreich geblieben war. Da ihr Visum abgelaufen war, würde er sie wegen unerlaubten Aufenthalts festnehmen. Die Arme bekam nichts mit, sie lächelte, verstand nicht, weswegen sie beschuldigt wurde. Sie stand einem ganzen Staat gegenüber, der dabei war, sie zu erdrücken. Der junge Polizist verstand nicht mal das Leid, das er ihr zufügte.

„Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“, sagte Jesus am Kreuz. Wo hört für Sie die Freiheit auf? Freiheit hört nie auf oder es ist keine Freiheit mehr. Es ist an uns aufzuhören, wenn die Freiheit uns auf Ebenen führt, die zu hoch, zu groß oder zu stark für uns sind oder wenn sie uns auf Wege mitnimmt, die unsere Moral ablehnt. Freiheit kennt keine Moral, es obliegt unserer Erziehung, uns zu sagen, bis wohin wir der Freiheit folgen können. Wer oder was bedroht Ihre Freiheit? Unsere Freiheit wird von niemandem stärker bedroht als von uns selbst. Das kommt daher, dass wir selten auf der Höhe unseres Wunsches nach Freiheit sind. Freiheit ist eine Übertretung, sie setzt uns dem System aus, in dem wir leben. Es zu übertreten, gegen seine Regeln zu verstoßen, ist gefährlich. Ohne Mut kann man die eigene Freiheit nicht verteidigen, sie nicht ausleben. Sind Sie so frei, wie Sie gern sein möchten? Ich besitze keinerlei Freiheit, da die Zwänge, die auf mir lasten, enorm sind. Ich lebe in einem Land, das von mehreren Diktaturen beherrscht wird (politisch und religiös). Freiheit ist bei uns ein politisches Verbrechen und eine religiöse Häresie. Ich finde einen Ausgleich, indem ich Bücher schreibe, in denen meine Figuren so frei leben, wie ich es mir selbst gewünscht hätte. Ein schwacher Trost.

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Talat Kamran, Leiter und Geschäftsführer des Mannheimer Instituts für Integration und interreligiösen Dialog e.V. Was bedeutet Freiheit für Sie persönlich? Ich unterscheide zwischen innerer Freiheit und äußerer Freiheit. Um innere, das heißt seelische Freiheit zu erlangen, muss man sich von körperlichen wie auch geistigen Einengungen wie Emotionen, Gefühlen und Gedanken befreien. Die seelische Freiheit ist die eigentliche, wahre Freiheit, wonach alle Menschen bewusst oder unbewusst streben. Das ist auch die Befreiung vom Ego, unserer niederen Natur. Die äußere Freiheit ist die Freiheit im Alltag. Besonders wichtig sind Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit wie auch Reisefreiheit. Unter Freiheit verstehe ich auch die Freiheit der Völker und Länder. Wer oder was bedroht Ihre Freiheit? Meine Freiheit wird von fanatischen, einseitigen und strengen Glaubensoder Gedankenrichtungen bedroht. Die Gedankenrichtung, die die absolute Wahrheit beansprucht, bedroht meine Freiheit. Sind Sie so frei, wie sie gern sein möchten? Nein, ich fühle mich nicht so frei, wie ich es mir wünsche. Ich brauche die innere Freiheit, wonach viele Kulturen seit Jahrtausenden suchen. Das ist ein Prozess der Selbstreflektion, Arbeit an sich selbst und Kampf gegen das eigene Ego umfasst. Diese Freiheit gelingt nicht, wenn man den Anderen bekämpft, sondern indem man gegen sein eigenes Ego einen Kampf führt.

EINE ANLEITUNG ZUR GEWALTFREIEN REVOLUTION

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Angelehnt an Otpor! und Gene Sharps Von der Diktatur zur Demokratie

DEMETRIUS [EXPORTING FREEDOM] Aljoscha Begrich & Tobias Rausch Uraufführung Nationaltheater Mannheim / Mannheimer Bürgerbühne 20.+ 23. Juni, 20.00 Uhr, Studio Werkhaus

Illustration: Sandra Schulze Text: Silke zum Eschenhoff

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WIR MÜSSEN BEREIT SEIN FÜR DAS LETZTE SIGNA im Gespräch mit Mitgliedern der Pfingstgemeinde „Christliches Zentrum Mannheim“ über den Begriff der Freiheit, die Bedeutung der Gemeinschaft und den Umgang mit Visionen, Gottesbegegnungen und der bevorstehenden Apokalypse

Die Gesprächspartner: Christliches Zentrum Mannheim Christian Tomm, hauptamtlicher Gemeindeleiter, Pastor und psychosozialer Berater; Judith Schreier, Älteste und Lobpreisleitung; Michael Reinhard, Ältester und Gemeindesekretär

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In SIGNAs Performance-Installation Das Heuvolk geht es um eine kleine, bisher unbekannte Glaubensgemeinschaft, die sich auf dem Gelände des Benjamin Franklin Village (BFV) auf den Letzten Tag und den Übergang in eine Neue Welt vorbereitet. Im Rahmen der Recherche beschäftigte sich das Team mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen christlicher Ausprägung. Mit Blick auf die amerikanische Geschichte des BFVs rückte dabei die Pfingstbewegung in den Fokus, die vor allem in den USA sehr verbreitet ist. Anfang Mai 2017 trafen sich die SIGNA-Regisseurin Signa Köstler und die Dramaturgin Katharina Parpart mit Mitgliedern des Christlichen Zentrums Mannheim, einer deutschen Pfingstgemeinde auf der Schönau, zum Gespräch. Katharina Parpart: Die Pfingstbewegung steht zwar theologisch der evangelischen Kirche nahe, als Freikirche ist sie aber unabhängig vom Staat. Wie äußert sich diese Freiheit für euch? Was bedeutet für euch Freiheit? Christian Tomm: Für Pfingstler ist der Begriff der Freiheit ein besonderes Thema. Während sich andere Gemeinschaften stark an der Ordnung des Wortes orientieren, also eher einen orthodoxen Einschlag haben, haben sich die unkonventionellen Gruppierungen, zu denen die Charismatiker oder die Pfingstler gehören, eher dem Begriff der Freiheit verschrieben. Freiheit zu erleben, von der Enge des Lebens in die Weite des menschlichen Spektrums zu führen,

das ist uns tatsächlich ganz wichtig. Michael Reinhard: Freiheit ist für mich – um einen anderen Begriff zu verwenden – Offenheit. Offen für das Leben zu sein. Nicht ohne Ordnung zu leben – Ordnung ist wichtig –, aber auch in eine Entspannung zu kommen und zu wissen, das Leben ist einfach das Leben, mit allem, was es mit sich bringt. Judith Schreier: Freiheit hat unterschiedliche Dimensionen für einen gläubigen Menschen, der sich das Evangelium zur Lebensgrundlage macht. Da haben wir den Begriff der Freiheit von der Sünde. Jesus zu begegnen als Erlöser, als Befreier, als demjenigen, der durch seinen Tod den Weg freigemacht hat, damit ich Vergebung bekommen kann. Dann aber auch die Dimension der Freiheit, dass mir keine Kirche vorschreibt, wie ich diesen Gott zu verstehen habe – ohne ein von Menschen vorgeformtes Gottesbild, vielmehr in einem Gottesbild, das ich erfahren darf, so wie sich mir Gott in der Bibel zeigt. Also die Freiheit in der Gottesbegegnung und schließlich die Freiheit, diesem Glauben Ausdruck zu verleihen. Dass ich nicht sagen muss, zum Beten musst du knien. Aber zum Beten darf ich knien, wenn mir danach ist. Oder: Singen tut man nur leise. Nein, ich darf auch meiner Freude Ausdruck verleihen durch Klatschen, durch Hüpfen oder andere Dinge, die vielleicht in anderen Gottesdienstformen nicht unbedingt denkbar wären. KP: Das klingt ein bisschen so, als könne bei euch jeder

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seinen Glauben nach seinen eigenen Bedürfnissen leben. Aber wird Glauben da nicht beliebig? Kann eine Glaubensgemeinschaft funktionieren, wenn es keine verbindlichen und verbindenden Regeln gibt? CT: Die pfingstliche Dogmatik ist von der Ethik, dem Gottesbild und der Anthropologie her relativ klar definiert, aber darin gibt es einen eigenlogischen Anteil. Es geht durchaus, dass man nuanciert seinen Glauben versteht. Die Emotionalität macht ein Stück weit den Pfingstler aus, die freiheitliche Form der Emotionalität. Die Regeln sind bei uns etwas im Hintergrund, sie sind nicht so deutlich wie bei den Orthodoxen. MR: Es ist ja nicht so, dass wir ohne Ordnung wären. Wir sind auch nicht liberal. Ich muss an den Ausspruch von Jesus denken: „Die Ordnungen sind ja für den Menschen da, und nicht der Mensch für die Ordnung.“ JS: Wir versuchen unser Gemeinschaftsleben, unsere individuelle und unsere gemeinschaftliche Beziehung zu Gott an dem auszurichten, was uns die Bibel gegeben hat. Also hauptsächlich am Neuen Testament, denn dort wird ja die erste Gemeinde ins Leben gerufen. Daran orientieren wir uns. Signa Köstler: Die Geschichte, die wir mit Das Heuvolk erzählen wollen, nimmt ihren Ausgangspunkt bei dem fiktiven Pastor Jake Wolcott, der ab 1975 im Benjamin Franklin

Jake Wolcott SIGNA: Das Heuvolk

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Village predigte. In den 1990er-Jahren hatte er mehrfach göttliche Visionen, die von außen allerdings als epileptische Anfälle aufgefasst wurden, weil sie im Widerspruch standen zu dem, woran die Gemeinde glaubte. Für Jake Wolcott waren diese Erfahrungen aber so stark, dass er nicht anders konnte, als dem in den Visionen vorgezeichneten Weg zu folgen und die Menschen zu warnen vor dem großen Unheil, das sich ereignen würde. Wie würdet ihr mit einer ähnlichen Situation in eurer Gemeinde umgehen? CT: Die Begegnung mit Gott, die eine Eindrücklichkeit hinterlässt, oder ein explizites Sehen von Dingen, das ist gar nicht so weit hergeholt. Die Verknüpfung mit der Epilepsie ist im Theater sicherlich etwas Spannendes. Die Gefahr liegt darin, dass sie ein Vorurteil von Glaubensarten und Gottesbegegnungen bedient. Ich halte die Begegnung mit Gott, die auch Außergewöhnliches beinhaltet, für einigermaßen unspektakulär. Aber es gab auch für mich persönlich Erfahrungen, die über meine Kraft gingen und wo ich sehr emotional wurde. SK: Und wie würdest du reagieren, wenn dir Gott in einer Vision oder einem Traum plötzlich etwas Unerwartetes zeigt, das dich irritiert oder deinen bisherigen Glauben vielleicht sogar in Frage stellt? CT: Ich empfinde die Bibel als Beziehungsgeschichte. Das heißt, wenn die Wahrheit, die ich zu sagen hätte, groß ist und dem Moment gar nicht entsprechen kann, dann würde ich es langfristig über die Begegnung, über die Beziehungsmäßigkeit in Fleisch und Blut führen. Also nicht konfrontativ, sondern im Zusammenleben miteinander das, was ich als Wahrheit erkannt habe, durch Vertrauensbildung transportieren. SK: Und wie würdet ihr, Judith und Michael, als Gemeindemitglieder mit einer für euch nicht nachvollziehbaren Vision eures Pastors umgehen? JS: Übernatürliche Erfahrungen mit Gott, die so aus dem Greifbaren heraustreten, die sind auch Thema in der Bibel. Gerade im Neuen Testament, wenn man an Johannes denkt, der die Offenbarung von der Apokalypse hatte. In der Bibel gibt es eine Richtlinie für den Umgang mit Prophetischem, mit dem Wort Gottes, das angeblich an Menschen weitergegeben wurde: ,Solche Dinge prüft! Das Gute bewahrt und das Schlechte vergesst.‘ Ich würde also prüfen: Steht das, was er erfahren hat, für die Gemeinde, für mich, für die Stadt, steht das in Widerspruch zu dem Gott, der sich in der Bibel offenbart? Im Zweifelsfall würde ich so einem Leiter – so charismatisch er auch sein mag – sagen: Bis hierhin sind wir gekommen und an dieser Stelle trennen sich unsere Wege. Ein geistlicher Leiter hat Verantwortung und steht in der Rechenschaftspflicht. Es gibt auch noch eine weitere Möglichkeit der Prüfung, das lässt die Bibel nämlich auch zu – man bittet um eine weitere Offenbarung. Vor allem wenn es um etwas Großes, Dramatisches geht, das das Leben vieler Leute beeinflussen würde. Hat er nämlich Unrecht, dann würde man eine ganze Gruppe von Menschen umsonst kirre machen. Also muss man das prüfen. Und in unserem Fall wäre auch ich nicht die Einzige, sondern wir würden als Gemeinderat prüfen. Dafür gibt es ja diese Strukturen. MR: Davon mal abgesehen, wenn unser Pastor sagen würde, die Apokalypse ist nah, dann würde ich sagen: Das ist nichts Neues, das wissen wir schon, wir sind mittendrin. Aber das wäre jetzt ein anderes Thema. SK: Das Thema interessiert mich eigentlich auch sehr … (lachen) MR: Jesus hat gesagt: Wenn ihr seht, dass diese Dinge passieren – und wir sehen, dass das passiert – dann erschreckt nicht, sondern freut euch darüber, weil ihr wisst, dass die Erlösung naht. Wenn man sich überlegt: Johannes hat vor 2000 Jahren von Gott Dinge gezeigt bekommen in einer weit entfernten Zukunft, die er in Bilder zu kleiden versuchte. Und wir erleben diese Dinge heute. Ich finde das faszinierend. Wir sind in der spannenden Situation erleben zu dürfen, dass biblische Geschichte Realität wird.

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KP: Müssen und / oder können wir uns auf das bevorstehende Ende dieser Welt in irgendeiner Weise vorbereiten? MR: Wir müssen bereit sein für das Letzte. Wir beschäftigen uns natürlich mit der Schrift und mit Prophetien: Wie hat Johannes das gemeint? Warum lässt Gott Johannes die Offenbarung schreiben? Damit wir einen genauen Fahrplan haben, wie die letzten sieben Jahre ablaufen? Diese Dinge zu beobachten, ist für mich faszinierend. Ein Beispiel aus der Offenbarung, diesem bildhaften Buch. Da ist die 666, die Zahl des Tiers. Was wurde da bereits hinein interpretiert? Mal war der Papst die 666, mal der amerikanische Präsident Bush. Es heißt in der Bibel auch: Wer diese Zahl trägt in der Schrift, der kann nicht mehr kaufen und verkaufen. Was heißt ,nicht mehr kaufen und verkaufen‘? Das Internet ist ja voll davon: die Zentralcomputer in Brüssel oder in Amerika, die diese ganzen Registrierkassen-Systeme organisieren, diese Scancodes. Ich finde es faszinierend zu sehen, dass diese Codes schon seit 35 Jahren von uns vollkommen gedankenlos benutzt werden. Wir sind schon so sehr zum Teil dieses Systems geworden, dass wir nicht mehr kaufen und verkaufen können, nicht mehr leben. Das raubt mir aber keineswegs meine Lebenslust. Jesus wird kommen, er wird uns holen. Aber das Leben geht weiter bis zu diesem Tag, an dem ich meinem Gott gegenüber stehe. SK: Wenn der letzte Tag kommt … MR: Und der kommt! SK: … wenn die letzte Posaune schallt und das Jüngste Gericht

Sabina und Prisca Wolcott SIGNA: Das Heuvolk

bevorsteht, sind dann diejenigen, die nie an Gott geglaubt haben, verloren? CT: Ich bin da mit Martin Luther und Dietrich Bonhoeffer im Gleichklang: Christenleben wird vorher gelebt, nicht am letzten Tag. MR: Das hört sich jetzt unglaublich brutal und endgültig an. Bei Johannes 3,16 heißt es: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Es geht aber noch weiter in Vers 18: „Wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet.“ Sie haben sich eigentlich selbst gerichtet, indem sie eben den Glauben an Jesus nicht für sich in Anspruch genommen haben. KP: Die Verantwortung liegt demnach bei jedem einzelnen, im Sinne einer rationalen Entscheidung, ob ich Gott in mein Leben lasse oder nicht? Oder muss man erst auserwählt sein, muss sich Gott mir erst offenbaren, damit ich dazugehören kann? MR: Dieser Erwählungsbegriff … das Krasse ist ja, dass jeder erwählt ist, Gottes Kind zu sein. Jesus sagt in Johannes 1,12: „Welche ihn aber aufnahmen, denen gab er die Macht oder das Recht, Gottes Kinder zu heißen.“ Gott will, dass wir alle seine Kinder sind. Aber nicht jeder von uns nimmt diese Kindschaft an. Wenn ich das irgendwann realisiere und diese Kindschaft annehme, revolutioniert das mein Leben. Ich bin nicht besser als die Menschen da draußen, die nicht glauben. Ich bin aber wesentlich besser dran als die Leute da draußen.

DAS HEUVOLK SIGNA Uraufführung SIGNA / Nationaltheater Mannheim 16. Juni, 18.30 Uhr, 17. + 18. Juni, 20.– 24. Juni sowie 1.– 16. Juli, 18.00 Uhr, Benjamin Franklin Village Bus-Shuttle zum Vorstellungsbeginn ab Vorplatz NTM Dauer: 6 h Altersempfehlung: ab 16 Jahre Die Spielstätte ist nicht barrierefrei.

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Schauspielerin Hannah Müller in einer dreidimensionalen Pixellandschaft

DER GEISTERSEHER BACKSTAGE Ein Probenbericht des Dramaturgen Bastian Boß über die Dreharbeiten mit den CyberRäubern in Weimar

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DER GEISTERSEHER Eine Theaterminiatur in der virtuellen Realität für je einen Zuschauer CyberRäuber – Das Theater der virtuellen Realität / Nationaltheater Mannheim 16. Juni, 18.30 – 21.00 Uhr, 17. – 24. Juni, jeweils 17.00 – 20.00 Uhr, Unteres Foyer

Studiobühne, Deutsches Nationaltheater Weimar. Hannah Müller und David Müller, Schauspieler aus Mannheim, treffen zum ersten Mal auf ihre Kollegen Sebastian Nakajew und Krunoslav Šebrek vom Nationaltheater in Weimar. Eigentlich treffen wir uns fast alle zum ersten Mal: Branko Janack, Regisseur aus Berlin, Klara Mand, Bühnen- und Kostümbildnerin aus Dresden, ich selbst aus der Dramaturgie in Mannheim und die beiden Projektinitiatoren Björn Lengers und Marcel Karnapke, letztere treten gemeinsam unter dem Namen „Cyber Räuber – Das Theater der virtuellen Realität“ in Erscheinung. Theater in der virtuellen Realität also; deswegen bleibt die Bühne beim Dreh auch leer. Gespielt wird im leeren Raum, alles andere entsteht im Computer. Nicht mal einen Green Screen brauchen wir, um die Aufnahmen in eine computergenerierte Umgebung zu setzen. Dies liegt daran, dass wir nicht mit einer klassischen Filmkamera drehen. Wir zeichnen dreidimensional auf, wobei nur die Spieler und nicht der leere Raum erfasst werden. Dafür haben wir kein Spezialequipment angeschafft, sondern die CyberRäuber haben ihrem Namen alle Ehre gemacht und die Controllerkamera eines Videospiels zweckentfremdet, damit sie die Bewegungen der Spieler nicht nur in räumliche Impulse umwandelt, sondern als Filmbild festhält. Am Computer kann Marcel Karnapke die Schauspieler jetzt zur Seite drehen und sie aus einem anderen Winkel betrachten, als wir eigentlich gedreht haben. Der Film wird also begehbar. Wir machen hier etwas, was im Erzählmedium noch niemand vor uns gemacht hat, schwärmt Björn Lengers. Aber so weit sind wir noch gar nicht… Erstmal lesen wir unsere Fassung des Geistersehers – Schillers größtem Publikumserfolg – irgendwo zwischen Schauerromantik und Kriminalgeschichte, erschienen als Fortsetzungsroman, den heute kaum jemand mehr kennt. Dann werden die Bühnenbilder ganz klassisch als Modelle gezeigt, obwohl alles erst im Computer

entstehen wird. Das einzige, was wir vor Ort bereits verwenden, sind die Kostüme. Bevor es losgeht, dürfen die Spieler das Neuland der virtuellen Realität selbst erkunden. Wie fühlt es sich an, mitten in einem digital aufgezeichneten oder entworfenen Raum zu sein, in dem man sich ganz ohne Controller frei bewegen kann? So stehen wir plötzlich an einem ganz anderen Ort – nur mittels VR-Brille und Kopfhörer. Zu Zwergen geschrumpft, laufen wir zu Füßen einer riesenhaften Schauspielerin durchs schwarze Nichts. Bildlich ist uns nahezu alles möglich – ein inspirierender Gedanke zum Drehstart. Kamera, Licht und Ton sind eingerichtet, es kann also losgehen! Das Theaterteam wird zum Filmteam. Die Ausstattung achtet darauf, dass im Kostüm keine Anschlussfehler entstehen, ich achte auf den Text und natürlich braucht es die klassische Filmklappe, damit Bild und Ton, bedient von den CyberRäubern, im Computer synchronisiert werden können. Branko Janack lässt die Szenen am Stück spielen, weil in einer dreidimensionalen Umgebung nicht so einfach geschnitten werden kann wie im herkömmlichen Film. Trotzdem drehen auch wir kleine Bildschnipsel, Großaufnahmen und ungewöhnliche Perspektiven, die dann später als virtuelles Mosaik zusammengesetzt werden. Die Hauptarbeit findet dabei allerdings erst im Nachhinein am Computer statt. Als dreidimensionales Gitternetz werden hier Umgebungstexturen und geometrische Muster geformt, verschoben und ineinander verwoben – mittendrin: unsere Schauspieler. Viel Arbeit, die als Theaterminiatur für je einen Zuschauer bei den 19. Internationalen Schillertagen sowie beim Kunstfest Weimar 2017 begehbar sein wird – aber eine spannende Arbeit, vielleicht sogar Pionierarbeit. Am Ende wird das Erlebnis für jeden Zuschauer anders sein, vielmehr wird es keine Zuschauer geben, sondern nur Akteure. Jeder wird selbst zum Regisseur im Theater der virtuellen Realität.

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KUNST IST EIN INTUITIVER ZUGANG ZUR WELT Auch der Sachsen-Herzog Widukind spielt in der Performance eine Rolle

Hausautor Akın E. S¸ipal im Gespräch mit dem Dramaturgen Bastian Boß über seine Lecture Performance Adana liebt Breslau

ADANA LIEBT BRESLAU Eine Lecture Performance Akın E. S¸ipal Nationaltheater Mannheim 16. + 24. Juni, 21.00 Uhr, Studio Werkhaus

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In Adana liebt Breslau erzählst du unter anderem die Geschichte von deinem in Adana geborenen Großvater Kâmuran S¸ipal, der von einem ehemaligen nationalsozialistischen Professor dazu angeregt wird, in Münster über Don Karlos zu promovieren. Dort lernt er deine aus Breslau stammende Großmutter kennen. Warum hast du diese Geschichte als Ausgangspunkt für deine Lecture Performance gewählt? Akın E. S¸ipal: Da mein Großvater als Übersetzer aus dem Türkischen ins Deutsche an einer Schnittstelle lebt und arbeitet, mit verschiedenen Perspektiven umgehen muss und auch viele widersprüchliche Erfahrungen gemacht hat, eignet sich seine Geschichte gut, bestimmte festgefahrene Zusammenhänge zu verstören oder zumindest in Frage zu stellen. Unsere Perspektive auf die Türkei ist komplett verarmt und einer extremen Polarität ausgesetzt. Wir wissen wenig über dieses Land, über das wir die ganze Zeit sprechen. Das ist regelrecht absurd. Man scheint paralysiert von dem verheerenden Regime, aber durch das extreme Unwissen über das Land und die Zusammenhänge selbst verliert man auch den Zugriff. Die Titel deiner Theaterstücke Vor Wien, Santa Monica, Kalami Beach sowie die Lecture Performance Adana liebt Breslau verweisen allesamt auf Orte. Was hat es damit auf sich? AS: Orte spielen in vielen parallel zueinander verlaufenden Geschichten eine Rolle, an Orten überschneiden sich Geschichten, Orte prägen Geschichten und werden durch Geschichte geprägt. Sie haben etwas Universelles sowie Singuläres. Vor allem interessiert mich daran, dass die Namen von Orten so offen sind, aber auch Bilder, Vorstellungen und Erwartungen auslösen, die von Person zu Person unterschiedlich sind, für die Personen selbst aber sehr spezifisch sein können. Das finde ich faszinierend, dass man zu einem Namen wie Kalami Beach sofort ein Bild vor Augen hat. Zumindest ging es mir so. Namen von Orten sind ein schönes Symbol für einen künstlerischen Vorgang: Kunst ist für mich ein intuitiver Zugang zur Welt, wenn man Zuschauer vor den Namen eines Ortes als Titel eines Kunstwerks stellt, teilt man diesen intuitiven Zugriff. Seit Kalami Beach scheinen deine Arbeiten politischer zu werden, ohne jedoch anklagend zu sein. Empfindest du selbst deine Arbeit als politisch?

AS: Ich würde eher sagen, dass ich mich bestimmten vermeintlich politischen Fragen entziehe. Was wir im Gros der öffentlichen Debatten als politischen Diskurs begreifen, sehe ich eigentlich als stabilisierenden und leider statischen Zusammenhang. Die Links-Rechts-Debatte über „Integration“ zum Beispiel stabilisiert Rassismus, indem sie durch und durch polarisierend wirkt. Dadurch wird positiver wie negativer Rassismus gestärkt, und wir reden seit Jahrzehnten über den gleichen Kram. Es gibt keine Entwicklung, das Vokabular ist dasselbe. So schreiben sich Stigmata fest und fort. Ich bin sehr unsicher darüber, inwiefern es wirklich hilfreich ist, wenn man Zusammenhänge aufrechterhält, die insgesamt quälend sind für alle Beteiligten. Ich denke, dass man mit einer dialektischen Perspektive mehr erreichen kann. Der Versuch, zu verstehen, welche Funktion bestimmte Konflikte für das Große und Ganze haben. Meine Beobachtung ist, dass viel Kunst, die unter dem Label „politische Kunst“ verkauft wird, sich zwar auf Politik bezieht, aber nicht politisch ist. Sie nimmt eine vermeintliche politische Wirkung vorweg, die man zum Zeitpunkt der Entstehung oder Veröffentlichung eines Werks noch gar nicht einschätzen kann. Kunst ist kein Werkzeug zur Steuerung von Menschen. Ich würde sagen, je klarer die ideologische Linie oder Deckung mit politischen Polen, desto weniger stimulierend ist Kunst beziehungsweise desto weniger beschäftigt sie sich mit Fragen der Kunst, und dann wird es in meinen Augen schnell langweilig. Kunst ist natürlich immer ideologisch, es geht nicht anders, aber mich interessiert, wenn sie ambivalent ist. Gute Kunst ist mehrdeutig, und sie diktiert ihre eigenen Erzählungen, nicht politische Ideologien. Widersprüchliche, irritierende Momente, die uns ideologisch verunsichern, die uns dazu zwingen, unsere Weltbilder zu hinterfragen, das könnte eine positive Folge von Kunst sein, dann, würde ich sagen, ist Kunst politisch.

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Christine Krämer, Leitung Zoologie, Stadtpark Mannheim gemeinnützige GmbH Was bedeutet Freiheit für Sie persönlich? Freiheit bedeutet für mich tatsächlich – wie für die meisten Menschen vermutlich – eine Wahl zu haben, das heißt, die Möglichkeit zu entscheiden, wohin meine Reise gehen soll. Gleichzeitig ist diese persönliche Freiheit für mich eng an die Bereitschaft gekoppelt, Verantwortung zu übernehmen. Im Rahmen meines Berufes ist „Freiheit“ von Zootieren ein wiederkehrendes Thema. Eine treffende Stellungnahme dazu gibt es vom VdZ (Verband der zoologischen Gärten): Die Kritik an der Haltung von Tieren im Zoo basiert oft auf romantischen Vorstellungen vom Leben in der „freien Natur“. Tiere haben allerdings kein abstraktes Verständnis von „Freiheit“. Viele ihrer Handlungsweisen sind durch Reflexe vorgegeben, das Tier hat in diesen Fällen also gar keine Wahlfreiheit. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung sind Tiere auch im natürlichen Lebensraum nicht „frei“, sondern ihre Bewegungsfreiheit ist Einschränkungen unterworfen, die sich unter anderem aus dem Ökosystem und Territorium ergeben. In Menschenobhut gehaltene Tiere brauchen aber in jedem Fall Gehege, die so eingerichtet und gestaltet sind, dass sie darin alle ihre Grundbedürfnisse befriedigen können und die ihrem Verhalten angemessen Rechnung tragen.

SWR2 FORUM

THEATER IM KINO

Die Freiheit und ihre Feinde Internet-Giganten und Geheimdienste rücken ihr zu Leibe, Politiker setzen ihr mit immer neuen „Sicherheitspaketen“ zu, Rechtspopulisten attackieren sie. Die Freiheit kommt uns Stück für Stück abhanden. Schleichend, scheinbar unaufhaltsam. In Zeiten des Terrorismus geht Sicherheit vor Freiheit. Und im Netz hinterlassen wir bereitwillig unsere persönlichen Daten, werden zum gläsernen Konsumenten und leben in unserer Filterblase. In Dave Eggers’ Erfolgsroman Der Circle erschafft eine InternetSupermacht eine neue Welt totaler Transparenz und vollständiger Vernetzung, die ein Leben ohne Kriminalität und Verbrechen verheißt. Wie verführerisch ist dieses Leben „nach der Freiheit“? Wie weit sind wir noch von dieser Dystopie entfernt? Die neuen Anti-Europäer – Was tun gegen die Feinde der Freiheit? 17. Juni, 18.00 Uhr, Lobby Werkhaus * Es diskutieren: Prof. Dr. Ulrike Guérot, Politikwissenschaftlerin, Donau-Universität Krems | Osman Okkan, Filmemacher, Kulturforum Türkei Deutschland | Prof. Dr. Andreas Zick, Konfliktforscher, Universität Bielefeld Gesprächsleitung: Dietrich Brants

DON CARLOS Friedrich Schiller Burgtheater Wien im Kino Regie: Andrea Breth 18. Juni, 11.00 Uhr, Cineplex Planken * Don Carlos als Mischung aus Politthriller und Familiensoap auf der Leinwand: „Andrea Breths grandioses Machtliebesspiel mit Schillers Don Carlos im Wiener Burgtheater wirkt, als werde das alte, gewalttätige, schöne, an Unterdrückung leidende und von Freiheit schwärmende Stück von 1787 jetzt eben erst uraufgeführt.“ – Frankfurter Allgemeine Zeitung Im Anschluss an die Theaterfilmvorführung wird die Regisseurin Andrea Breth mit Burkhard C. Kosminski über ihre Theaterarbeit, insbesondere ihre Auseinandersetzung mit Schillers Werk, sprechen. Andrea Breth gehört zu den prägenden europäischen Regisseurinnen der Gegenwart. Von 1992 bis 1997 war sie Künstlerische Leiterin der Berliner Schaubühne, seit 1999 inszeniert sie regelmäßig am Burgtheater in Wien. Breth erhielt für ihre Regiearbeiten zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt 2015 den Schillerpreis der Stadt Marbach und 2016 den Nestroy-Theaterpreis für die Beste Regie.

„Ihr seid das Volk“ – Die Strategien der Vereinfacher 18. Juni, 18.00 Uhr, Lobby Werkhaus * Es diskutieren: Rolf-Dieter Krause, Fernsehjournalist, langjähriger Leiter des ARD-Studios Brüssel | Stefan Petzner, Politikberater, ehem. Pressesprecher von Jörg Haider, Wien | Prof. Dr. Bernhard Pörksen, Medienwissenschaftler, Universität Tübingen Gesprächsleitung: Ursula Nusser Diktatur 2.0 – Wie die Digitalisierung unsere Freiheit bedroht 21. Juni, 18.00 Uhr, Lobby Werkhaus * Es diskutieren: Prof. Dr. Dirk Helbing, Computer- und Sozialwissenschaftler, ETH Zürich | Adrian Lobe, Wissenschafts-Journalist, Heidelberg | Peter Schaar, Vorstandsvorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz e.V., Berlin; von 2003–2013 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Gesprächsleitung: Michael Risel Werther in der Filter-Bubble – Macht Selbstähnlichkeit unfrei? 22. Juni, 18.00 Uhr, Lobby Werkhaus * Es diskutieren: Prof. Dr. Jochen Hörisch, Medienwissenschaftler und Germanist, Universität Mannheim | Prof. Dr. Thomas Macho, Kulturwissenschaftler, Direktor des IFK, Wien | Michael Seemann, Kulturwissenschaftler und Blogger Gesprächsleitung: Dietrich Brants

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19. Internationale Schillertage

19. INTERNATIONA SCHILLERTAGE | 16 NATIONALTHEATE FR 16.06.

SA 17.06.

SO 18.06.

MO 19.06.

DI 20.06.

18.00 – 18.30

17.00 – 20.00, jeweils 15 min

11.00 – 15.00

17.00 – 20.00, jeweils 15 min

17.00 – 20.00, jeweils 15 min

ERÖFFUNUNG Begrüßung durch Burkhard C. Kosminski und Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz

DER GEISTERSEHER CyberRäuber / Nationaltheater Mannheim

DON CARLOS * Burgtheater Wien im Kino

DER GEISTERSEHER CyberRäuber / Nationaltheater Mannheim

DER GEISTERSEHER CyberRäuber / Nationaltheater Mannheim

Unteres Foyer | 3 / 5 EUR

Unteres Foyer | 3 / 5 EUR

DER GEISTERSEHER CyberRäuber / Nationaltheater Mannheim

19.00 – 22.00

18.00 – 24.00

WALLENSTEIN * Schaubühne Berlin

Unteres Foyer | 3 / 5 EUR

Schauspielhaus | 10 – 46 EUR

DAS HEUVOLK (UA) SIGNA / Nationaltheater Mannheim

Unteres Foyer 18.30 – 21.00, jeweils 15 min

17.00 – 20.00, jeweils 15 min 18.00 – 19.00

DER GEISTERSEHER CyberRäuber / Nationaltheater Mannheim

SWR2 FORUM DIE NEUEN ANTI-EUROPÄER – WAS TUN GEGEN DIE FEINDE DER FREIHEIT?

Unteres Foyer | 3 / 5 EUR

Lobby | 3 / 5 EUR

18.30 – 00.30

18.00 – 24.00

PREMIERE DAS HEUVOLK (UA) SIGNA / Nationaltheater Mannheim

DAS HEUVOLK (UA) SIGNA / Nationaltheater Mannheim

Benjamin Franklin Village | 30 EUR

Benjamin Franklin Village | 30 EUR

18.30 – 19.00 REDE ZUR ERÖFFNUNG von Boualem Sansal Schauspielhaus 19.30 – 22.30 MARIA STUART Münchner Kammerspiele Schauspielhaus | 10 – 46 EUR

Cineplex Planken | 12 EUR

Unteres Foyer | 3 / 5 EUR

Benjamin Franklin Village | 30 EUR 18.00 – 19.00

20.00 – 21.15

SWR2 FORUM „IHR SEID DAS VOLK“ – DIE STRATEGIEN DER VEREINFACHER

JE SUIS JEANNE D’ARC Maxim Gorki Theater Berlin

Lobby | 3 / 5 EUR 18.00 – 24.00

20.30

MARIA STUART * Münchner Kammerspiele

DAS HEUVOLK SIGNA / Nationaltheater Mannheim

Diverse Bands und Orte | Eintritt frei

Schauspielhaus | 10 – 46 EUR

Benjamin Franklin Village | 30 EUR

20.00 – 21.45

20.00 – 21.15

19.30 – 22.30

WINTERREISE ‫رحلة الشتاء‬ (UA) * Maxim Gorki Theater Berlin

JE SUIS JEANNE D’ARC * Maxim Gorki Theater Berlin Studio | 9 / 15 EUR

Opernhaus | 6,60 – 35 EUR 21.00 – 22.00 PREMIERE ADANA LIEBT BRESLAU Nationaltheater Mannheim Studio | 5 / 9 EUR

22.30 SCHILL-OUT BOHEMIAN BETYARS + PARTY MIT DISKO ESPERANTO Unteres Foyer / Theatercafé | Eintritt frei

Studio | 9 / 15 EUR

21.00 22.30 SCHILL-OUT HAIYTI + PARTY MIT AIRØN KØLARØW Unteres Foyer / Theatercafé | Eintritt frei

SCHILL -OUT WOODS OF BIRNAM Unteres Foyer | Eintritt frei

20.00 PREMIERE DEMETRIUS [EXPORTING FREEDOM] (UA) * Nationaltheater Mannheim / Mannheimer Bürgerbühne Studio | 9 / 15 EUR

SCHILL -OUT SCHILL-OUT PARCOURS 21.00 SCHILL -OUT TROMMELTRUBEL Unteres Foyer | Eintritt frei

19. Internationale Schillertage

ALE 6.6.–24.6.17 ER MANNHEIM MI 21.06.

DO 22.06.

FR 23.06.

SA 24.06.

17.00 – 20.00, jeweils 15 min

17.00 – 20.00, jeweils 15 min

17.00 – 20.00, jeweils 15 min

17.00 – 20.00, jeweils 15 min

DER GEISTERSEHER CyberRäuber / Nationaltheater Mannheim

DER GEISTERSEHER CyberRäuber / Nationaltheater Mannheim

DER GEISTERSEHER CyberRäuber / Nationaltheater Mannheim

DER GEISTERSEHER CyberRäuber / Nationaltheater Mannheim

Unteres Foyer | 3 / 5 EUR

Unteres Foyer | 3 / 5 EUR

Unteres Foyer | 3 / 5 EUR

Unteres Foyer | 3 / 5 EUR

18.00 – 19.00

18.00 – 19.00

18.00 – 24.00

18.00 – 24.00

SWR2 FORUM DIKTATUR 2.0 – WIE DIE DIGITALISIERUNG UNSERE FREIHEIT BEDROHT

SWR2 FORUM WERTHER IN DER FILTERBUBBLE – MACHT SELBSTÄHNLICHKEIT UNFREI?

DAS HEUVOLK (UA) SIGNA / Nationaltheater Mannheim

DAS HEUVOLK (UA) SIGNA / Nationaltheater Mannheim

Benjamin Franklin Village | 30 EUR

Benjamin Franklin Village | 30 EUR

Lobby | 3 / 5 EUR

Lobby | 3 / 5 EUR 19.30 – 21.30

20.00 – 22.00

18.00 – 24.00

18.00 – 24.00

DAS HEUVOLK (UA) SIGNA / Nationaltheater Mannheim

DAS HEUVOLK (UA) SIGNA / Nationaltheater Mannheim

WILHELM TELL * Theater Basel / Schauspiel Köln

DIE RÄUBER * Nationaltheater Mannheim

Opernhaus | 12 – 65 EUR

Schauspielhaus | 10 – 46 EUR

Benjamin Franklin Village | 30 EUR

Benjamin Franklin Village | 30 EUR

20.00

21.00 – 22.00

19.30 – 22.00

19.30

SECOND EXILE (UA) * Nationaltheater Mannheim

ADANA LIEBT BRESLAU * Nationaltheater Mannheim

MARIA STUART * Deutsches Nationaltheater Weimar

PREMIERE SECOND EXILE (UA) Nationaltheater Mannheim

Schauspielhaus | 15 – 32 EUR

Studio | 5 / 9 EUR

Schauspielhaus | 10 – 46 EUR

Schauspielhaus | 19 – 46 EUR 22.30

20.00 – 21.30

SCHILL-OUT MARY OCHER AND YOUR GOVERNMENT

DON KARLOS * Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin

Unteres Foyer | Eintritt frei

Studio | 9 / 15 EUR

20.00 DEMETRIUS [EXPORTING FREEDOM] (UA) Nationaltheater Mannheim / Mannheimer Bürgerbühne

22.30

Studio | 9 / 15 EUR

Unteres Foyer / Theatercafé | Eintritt frei

22.30 22.00 SCHILL-OUT SKINNY GIRL DIET Unteres Foyer | Eintritt frei

* Publikumsgespräch im Anschluss an die Vorstellung

SCHILL-OUT NILS BECH + PARTY MIT SARAH FARINA Unteres Foyer / Theatercafé | Eintritt frei

SCHILL-OUT FUMAC¸A PRETA + PARTY MIT DISCO DEDICATION

*

Nico Hofmann, Filmproduzent und Co-CEO der UFA Was bedeutet Freiheit für Sie persönlich? Mein Freiheitsbegriff ist sehr stark durch meine Eltern geprägt. Sie haben beide den Journalistenberuf mit extremem Freiheitsempfinden ausgeführt, das heißt: Freiheit der Meinung und des Wortes, die Freiheit, eigene Verantwortung zu übernehmen und auch die gegnerische Haltung einzunehmen. Ich bin sehr geprägt von diesem journalistischen Freiheitsbegriff, der für mich beinhaltet, Debatten zu führen, kontrovers zu sein und sehr offen seine Meinung spiegeln zu können. Diesem Ethos habe ich mich auch als Regisseur und Produzent verschrieben. Wann haben Sie sich zuletzt unfrei gefühlt? Ich glaube, es gibt sowohl eine innere und äußere als auch eine persönliche und nichtpersönliche Freiheit. Ich fühle mich manchmal in terminlichen Zwängen nicht frei und in Angelegenheiten, die mir durch alltägliche, administrative Probleme aufgezwungen werden. Was die inhaltliche, künstlerische Seite meines Berufs betrifft, erlebe ich das eigentlich überhaupt nicht. Ich nehme in Anspruch, die Programme so zu gestalten, wie ich es möchte, und die Themen nach meinen eigenen Vorstellungen zu setzen. Ich habe es in den vergangenen Jahrzehnten selten erlebt, dass diese Freiheit eingeschränkt wurde. Wer oder was bedroht Ihre Freiheit? Was mich gerade in diesem schwierigen Wahljahr beschäftigt, ist generell die populistische Bewegung. Ich nehme die Weltpolitik sehr ernst, die autokratische Dynamik zwischen Erdogan, Putin und Trump, das ist eine Wiederauferstehung des Autoritären. Ich beobachte auch sehr aufmerksam, mit welcher Taktik sich gerade in Frankreich die Rechtsextremen in die Mittelschicht drängen und sehe darin wirklich eine massive Gefahr für unsere demokratische Freiheit. Sind Sie so frei, wie Sie gern sein möchten? Ja. Das würde ich für mich in Anspruch nehmen. Ich verteidige die Freiheit jeden Tag, auch vor meinem eigenem Team. Wie gesagt habe ich im künstlerischen Bereich sehr wenig Einfluss negativer Art erlebt. Ich bin sehr stolz darauf, die Dinge so machen zu können, wie ich sie mir vorstelle, ohne Einschränkungen.

14

19. Internationale Schillertage

*

SCHILL-OUT

What does freedom mean to you personally? We are allowed to function within the social construct in ways that do not interfere with other people‘s sense of being. For some, in order to be truly free a certain access is necessary, i believe that a life that is sustainable, that is not bound to anyone else‘s desire, apart by choice, while not being cold, thirsty or cold is freedom. Life without sickness is freedom. Life in dignity is freedom, without persecution, a life without being followed by the certain vile gaze of strangers is freedom.

Das nächtliche Konzertprogramm der Schillertage

16. Juni, 22.30 Uhr BOHEMIAN BETYARS (HU) + DISKO ESPERANTO

20. Juni, 21.00 Uhr TROMMELTRUBEL (D)

21. Juni, 22.30 Uhr MARY OCHER AND YOUR GOVERNMENT (INT)

17. Juni, 22.30 Uhr HAIYTI (D) + AIRØN KØLARØW

18. Juni, 21.00 Uhr WOODS OF BIRNAM (D)

SCHILL-OUT PARCOURS 19. Juni, 20.30 / 21.30 / 22.30 Uhr Verschiedene Spielorte Am 19. Juni befreit sich das Nachtprogramm der Schillertage räumlich und verlässt das Theaterhaus. Für diesen Abend verbinden sich Live-Musik und verschiedene Vor- und Geschäftsräume, und während man sich hier gerade eingroovt, ist einen Steinwurf entfernt schon die nächste Option zu hören. Dabei eröffnet sich ein breites Feld von Möglichkeiten – von der Hinterhof-SambaSession im brutalistischen Verbindungstrakt, über Cello-Loops im Kosmetikstudio bis hin zu Jazz-angehauchtem Pop im Hundeshop.

22. Juni, 22.00 Uhr SKINNY GIRL DIET (UK)

Where does freedom end for you? Freedom is an abstract, it does not necessarily end in my perception. Who or what threatens your freedom? Notions of violence, notions of superiority, pride, accumulation of wealth, blind obedience, fear of the law.

23. Juni, 22.30 Uhr NILS BECH (NOR) + SARAH FARINA

Künstler: Daniel Fritzsche, Fartuuna, Grupo de Encontro, Lampe, Liam Cairns, Luna & Lewis, Mona Eichner, Lektrion, Puls Trio, The Necronautics Spielorte: Aroma Station, Foyer des Collini-Center, Deutsche Rentenversicherung, Fahrschule am Nationaltheater, Kosmetikstudio Kleopatra, Lottes Wohnung, Maßkonfektion Susanne Niegisch, Martha & Lotte Hundeshop, Physiotherapie Uhrig, RE / MAX Mannheim Das Programm wird am Vortag online bekanntgegeben. Um 22.30 Uhr spielen The Necronautics zum Abschluss im Theatercafé.

When was the last time you felt unfree? Each time when i am asked to produce an identification document, whether i am instantly admitted, or asked to wait. When the judging face of a controlling officer asks me to remove my glasses and hat, so they can observe me. When i see soldiers patrolling the streets of Brussels with heavy guns in their hands, and cctv operating on street corners in London, when certain politicians are holding a speech. These are reminders that freedom is bound to so many restrains, for which much is sacrificed.

24. Juni, 22.30 Uhr FUMAÇA PRETA (INT) + DISCO DEDICATION

Are you as free as you want to be? I am more free than i have ever imagined anyone from a certain social background could ever be.

*

Ricarda Boecking, Projektmanagerin im Marketing, Bloggerin und Gründerin des Hübsch & Herzlich Flohmarkt www.huebschundherzlich.de Wann haben Sie sich zuletzt unfrei gefühlt? Ehrlich gesagt, habe ich mich noch nie wirklich unfrei gefühlt, weil mir durch die deutsche Staatsangehörigkeit die wichtigsten Freiheiten ja in die Wiege gelegt wurden. Aber ich bin auch dankbar, dass meine Mutter mich zu einem freien Menschen erzogen hat und mich immer in meinen Entscheidungen ermutigt und bestärkt hat. Wo hört für Sie die Freiheit auf? Freiheit würde für mich aufhören, wenn mir meine Art zu Leben vorgeschrieben werden würde. Ich möchte selbst entscheiden, wie ich mein Leben führen möchte – mit allen Höhen und Tiefen. Wer oder was bedroht Ihre Freiheit? Eigentlich bedroht nur die Zeit meine Freiheit. Ich nehme mir oft viel zu viel vor und merke dann, dass ich das alles gar nicht schaffen kann. Mein Tag müsste manchmal 36 Stunden haben, damit ich all meine Pläne verwirklich könnte. Sind Sie so frei, wie sie gern sein möchten? Ich habe alle Freiheiten, die ich mir wünsche. Allenfalls wären es Momente, in denen ich mir selbst im Wege stehe und mir meine eigene Freiheiten eingrenze. Momente in denen Zukunftsängste mich hemmen, etwas Verrücktes und Unüberlegtes zu tun. Wenn der Verstand über den Bauch entscheidet.

19. Internationale Schillertage

15

GEISTERSTADT MANNHEIM Das Exil Ensemble macht auf seiner Winterreise Station in der Schillerstadt

*

Seit dieser Spielzeit ermöglicht das neu gegründete Exil Ensemble des Maxim Gorki Theaters Berlin professionellen Schauspielern, die gezwungen sind, im Exil zu leben, ihrer Profession nachzugehen. Zusammen mit der Regisseurin Yael Ronen hat das Exil Ensemble zwei Wochen lang eine Winterreise mit dem Bus durch Deutschland und die Schweiz gemacht, auch Mannheim lag auf der Route. Welchen Blick das Ensemble auf sein Exil-Land wirft, wird bei den Schillertagen zu sehen sein. Hier gibt es vorab einen Einblick in die Assoziationen, die der Zwischenstopp in Mannheim bei einem der Schauspieler Ayham Majid Agha aus Syrien, ausgelöst hat. KAPITEL 7: MANNHEIM Die anderen gingen ins Museum Schillerhaus in Mannheim. Ich bin zum Benjamin-Franklin-Village gefahren, diese deutsch-amerikanische Geisterstadt. Ich bin hingefahren, da ich nicht glauben konnte, dass es 2017 in Deutschland leere Städte gibt. Ich laufe und pfeife jetzt. Das Pfeifen ruft die Teufel. Ich höre das Echo meines Pfeifens in den Ruinen, diesmal nicht in meiner Heimatstadt Deir Ezzor. Ich höre das Geräusch von Zerstörung in der Ferne. Das Geräusch der Bulldozer lenkt meinen Blick auf den Boden. Die Stadt sieht aus wie jede Stadt nach dem Krieg, aber überraschend unversehrt. Ich möchte etwas Lebendiges sehen. Einen Vogel, der gen Himmel fliegt. Ich will Vögel sehen, die sich nicht an Menschen gewöhnt haben. Ich will ihre natürliche Angst sehen. Die Tiere sind hier in Sicherheit, die Menschen in Gefahr. Ich will nur eine Taube mit Charisma und erhobenem Haupt sehen, die zu tanzen bereit ist. Die Tauben hier sind faul und verwöhnt. Unhöflich und schamlos. Sie gucken einen mit leeren Augen an, warten auf Brot. Diese Tauben verstehen die Stimmen und Gesten nicht, an die die Tauben der arabischen Welt gewöhnt sind. Sie hüpfen und fliegen nicht, weil sie meine Kopfbewegung nicht als Einladung verstehen, im Himmel zu tanzen. Ich sehe eine Gruppe orientierungsloser

Tauben. Ich laufe direkt auf sie zu. Ich pfeife und sie fliehen alle, bis auf eine. Eine mutige Taube kommt auf mich zu, wie auf einen alten Freund. Sie flattert vor meinem Gesicht auf und ab, dann fliegt sie senkrecht hoch. Sie ist gut erzogen. Es muss in der Nähe einen Taubentrainer geben. Es muss ein Heim in der Gegend geben. Ich bewege meine Hände, und sie zeigt, was sie kann. Ich binde meinen Schal an einen Stock und wedle damit. Sie folgt. Sie hat das Zeichen verstanden. Sie ruft andere Tauben dazu, wir sind jetzt zu siebt. Die Show beginnt. Meine erste Choreografie am deutschen Himmel. Ich bin wieder der Maestro. Ich habe meine Tauben zurückgelassen. Sie gehören jetzt zur Sammlung meines Nachbarn: 873 Stück. Er weigert sich, die belagerte Stadt zu verlassen, um bei ihnen zu bleiben. Manchmal schickt er mir Bilder von den Vögeln in meiner Stadt, damit ich mich freue. Er merkt nicht, dass man auf seinen Fotos tausende herrenlose und obdachlose Tauben sieht. Alles ist zerstört und leer. Eine leere Stadt, von Tauben beherrscht. Seine dritte Frau hat ihn wegen der Tauben verlassen. Er erzählt mir in einer wütenden Nachricht warum seine Frau gegangen ist: „Es machte sie verrückt, dass ich 14 Stunden lang die Vögel fütterte, während sie alleine unten hockte. Sie ist aufs Land gegangen, zu ihrer Schwester. Sie hat mich allein gelassen, unter Belagerung. Sie bittet mich, ihr den grünen Schuh zu schicken, den sie verloren hat, als sie abgehauen ist. Wer hat dich gebeten zu gehen? Ich soll durch 42 Checkpoints mit einem Schuh Größe 43, weil sie sich für das Aschenputtel hält. Dann würde sie wahrscheinlich fragen, ob sie zurückkommen kann. Auf keinen Fall, sie vergiftet mich und die Tauben. Jeden Tag Raketen und wir überleben’s. Aber sie ist der sichere Tod. Sie ist eine Frau. Dann fragt sie nach der Scheidung. Arabische Frauen hassen Tauben mehr als Raketen.“ Er denkt, arabische Frauen hassen Tauben, aber sie sind nur eifersüchtig.

WINTERREISE

‫رحلة الشتاء‬

Yael Ronen & Exil Ensemble Uraufführung Maxim Gorki Theater Berlin 17. Juni, 20.00 Uhr, Opernhaus

Oliver Frljic´ wurde 1976 in Travnik, Bosnien-Herzegowina, geboren und flüchtete als 16-Jähriger vor dem Krieg nach Kroatien. Er gehört zu den profiliertesten Regisseuren des Gegenwartstheaters, seine Inszenierungen wurden vielfach ausgezeichnet und zu internationalen Festivals eingeladen.

Linda Begonja wurde 1972 in Zadar, Kroatien, geboren. Sie ist festes Ensemblemitglied am Satirischen Theater Kerempuh in Zagreb.

Enes Salkovic´ wurde 1987 in Tuzla, Bosnien-Herzegowina, geboren. Er ist festes Ensemblemitglied am Bonischen Nationaltheater Zenica.

Ein Gespräch über menschliche Ideale, zerbrechliche Emotionen und das Erbe der Balkanstaaten

SECOND EXILE Oliver Frljic´ Uraufführung Nationaltheater Mannheim 22. Juni, 19.30 Uhr, 23. Juni, 20.00 Uhr, Schauspielhaus

KREUZFAHRTSCHIFF EUROPA

19. Internationale Schillertage

Oliver Frljic´ widmet sich in seiner Inszenierung dem Thema Exil. In einer Probenpause sprach Dramaturgin Carolin Losch mit dem Regisseur und zwei Schauspielern aus dem ehemaligen Jugoslawien. Was bedeutet Freiheit für Sie? Linda Begonja: Der Versuch, dies zu beantworten, löst sofort weitergehende Fragen aus: Lebe ich meine Freiheit auf Kosten der Freiheit von jemand anderem aus? Bedeutet Freiheit Mut? Erlangt man Freiheit aufgrund einer eigenen Entscheidung, durch Widerstand oder dadurch, dass man sich nicht zum Sklaven von Gegenständen macht? Ich denke viel über Konzepte von „bürgerlicher Freiheit“ und „Freiheit der Kunst“ nach. Eine freie Gesellschaft sollte ihren Bürgern Sicherheit garantieren, unabhängig davon, dass unterschiedliche Vorstellungen über das Leben und die Kunst existieren und die Menschen grundverschiedene politische Überzeugungen haben. In Kroatien, wo ich herkomme, haben die Leute mittlerweile Angst voreinander. Es findet gerade eine Erosion der Gesellschaft statt, die verheerende Auswirkungen auf unseren Alltag hat. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und der Kriege im ehemaligen Jugoslawien haben offensichtlich keine Veränderung in unserem sozialen Bewusstsein bewirkt. Es scheint, dass die meisten Leute ihren nationalen Durst dadurch löschen wollen, indem sie lieber Blut als Wasser trinken. Enes Salkovic´: Freiheit ist eines der kompliziertesten und schönsten, aber auch umstrittensten menschlichen Ideale. Sie steht in engem Zusammenhang mit der Weltanschauung, der persönlichen Erfahrung und den Prinzipien des eigenen Lebens. Diese wiederum hängen von unserer Kultur und Erfahrungen ab, was bedeutet, dass bestimmte soziale Praktiken in einer Kultur geduldet werden, in einer anderen aber völlig verpönt sind. Freiheit der Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit sowie das Recht zu wählen sollten eigentlich nirgendwo auf der Welt zur Disposition stehen. Ich bin für absolute Freiheit, so lange sie nicht in das private Territorium des zerbrechlichen emotionalen Bereichs anderer Individuen eindringt. Oliver Frljic´: Freiheit ist, neben vielem anderen, auch die dominierende Ideologie des neoliberalen Kapitalismus. Der Freiheitsbegriff dient hier dazu, verschiedene Missstände zu verschleiern – soziale Ungerechtigkeit zum Beispiel oder ihre ökonomische Basis. Freiheit sollte eine regulierende Idee sein, die sich in verschiedenen Situationen entfaltet. Ich bin davon überzeugt, dass es keine Freiheit als solche gibt, sie muss stets aufs Neue definiert werden. Form und Inhalt der Freiheit ist das Ergebnis von Verhandlungen unterschiedlichster antagonistischer Kräfte der Gesellschaft. Donald Trump betrachtet ein Reiseverbot für Bürger aus sieben muslimischen Länder nicht als Einschränkung der Freiheit. Die Bürger der betroffenen Staaten haben aber sicherlich einen anderen Freiheitsbegriff. Wie sehen Sie die Zukunft Europas? ES: Europa war für mich lange ein Kreuzfahrtschiff ohne Kapitän, das in Richtung einer besseren Zukunft navigiert. Die jüngsten Turbulenzen, die durch den Brexit, die Stärke des Front National in Frankreich und die Flüchtlingskrise verursacht wurden, brachten das Schiff fast zum Kentern. Die europäische Krise ist offensichtlich, die soziale Kluft zwischen Reichen und Armen wird ständig größer. Europa sieht manchmal wie eine alte Mutter aus, die nicht in der Lage ist, sich um ihre Kinder zu kümmern. Die Kinder andererseits – darunter die Balkanstaaten – erinnern mich an faule Früchte, die von den „Elternzweigen“ herab hängen, das Leben aus ihnen heraus saugen, ohne die geringste Absicht zu reifen. Die Idee eines großen und starken Europas ist definitiv verblasst, und wenn wir uns nicht bald wieder auf unsere traditionellen Werte und Ideale besinnen, fürchte ich, dass das Schiff sinken wird, bevor es Segel setzt und wieder Kurs auf eine strahlende Zukunft nimmt.

OF: Ich bin sehr skeptisch. Die Tatsache, dass Emmanuel Macron Marine Le Pen besiegt hat, kann mich auch nicht allzu optimistisch stimmen, denn Macron repräsentiert das wirtschaftliche System, mit dessen Auswirkungen wir heutzutage konfrontiert sind. Oder, um es mit Bertolt Brecht zu sagen: „Die gegen den Faschismus sind, ohne gegen den Kapitalismus zu sein, die über die Barbarei jammern, die von der Barbarei kommt, gleichen Leuten, die ihren Anteil vom Kalb essen wollen, aber das Kalb soll nicht geschlachtet werden. Sie wollen das Kalb essen, aber das Blut nicht sehen. Sie sind zufriedenzustellen, wenn der Metzger die Hände wäscht, bevor er das Fleisch aufträgt.“ LB: Die Krise der EU ist ebenso wie die Krise ihrer ökonomischen Institutionen ideologisch und politisch begründet. Wir werden in der Zukunft mit Ausbrüchen von rassistisch und religiös motivierter Gewalt konfrontiert werden; gleichzeitig wird es ökonomische Profiteure dieser Entwicklungen geben. Um Slavoj Žižek, einen slowenischen Philosophen, zu zitieren: „Was wäre, wenn Europa das Paradoxon akzeptieren sollte, dass seine demokratische Offenheit auf Ausgrenzung beruht – dass es ,keine Freiheit für die Feinde der Freiheit‘ gibt, wie Robespierre es schon formuliert hat?“ Ich hoffe aufrichtig, dass Jean-Claude Junckers „White Paper“, in dem die EU-Kommission Szenarien für die Entwicklung der Europäischen Union skizziert, nicht zum „Black Book“ von Europa wird. Fühlen Sie sich persönlich frei? ES: In meinem Mikrokosmos fühle ich mich als ein freies Individuum, aber jedes Mal, wenn ich ihn verlasse – physisch oder geistig – fühle ich diese Bürde von Verantwortlichkeit, Angst, Vorurteilen und Vorsicht. Aber als Künstler ist man ja immer auf der Suche. Also gräbt man weiter, sucht nach einer Wahrheit, egal, wie bitter diese manchmal ist. Es ist wie bei einem guten Glas Wein, es spielt keine Rolle, wie viel man schon getrunken hat, man will noch mehr ... Letztlich ist mein Ideal der Freiheit, alleine auf einer weichen, grünen Wiese zu sitzen, vor einem sonnigen Horizont Kohlköpfe wachsen zu sehen und über die Liebe nachzudenken. LB: Freiheit bedeutet, die Verantwortung für meine eigenen Entscheidungen zu übernehmen. Ich würde gerne Gefühle wie Selbstsucht, Neid, Gier und Hass in meinem eigenen Leben bekämpfen und Toleranz und Empathie ins Zentrum meines Handelns stellen. Es handelt sich um universelle menschliche Werte, um die es täglich zu kämpfen gilt. In unserer Aufführung Second Exile versuche ich, eine künstlerisch radikale Sprache zu finden, eine innere Freiheit zu behaupten, die ich durch viele Jahre der Arbeit in einem institutionellen Theater verloren habe. Ein Wagnis einzugehen… OF: Ich sehe die Freiheit als dialektischen Prozess. Welche Bedeutung die Freiheit im Allgemeinen und in meinem persönlichen Leben einnimmt, hängt vom Kontext ab. Ich kann meinen persönlichen Traum von der Freiheit nicht unabhängig von der sozialen Realität, die mir Albträume bereitet, definieren. Meine Träume sind nur die Umsetzung des bereits vorhandenen dystopischen Charakters der Realität, in der wir leben. Aber wenn ich wirklich einen Traum von Freiheit definieren sollte, denke ich, wir sollten aus unseren ständigen Tagträumen aufwachen und uns der Realität des politischen und wirtschaftlichen Systems, in dem wir leben, stellen.

*

Ziggy Has Ardeur, Musiker und Produzent Was bedeutet Freiheit für Sie persönlich? Freiheit bedeutet für mich in erster Linie, alles und immer hinterfragen zu dürfen. Damit einher geht ein Grundvertrauen in unterschiedlichste Strukturen und Menschen um mich herum. Ich vertraue auf meine Menschenkenntnis ebenso wie darauf, dass mir der Himmel nicht auf den Kopf fällt. Was ich wirklich muss, entscheidet zum größten Anteil mein Wesen. Ich halte meinen Charakter an einer langen Leine und erlaube mir und meiner Umwelt viel Wandel. Aus eigenen Motivationen heraus handeln – so fühlt sich für mich Freiheit an. Wo hört für Sie die Freiheit auf? Gesellschaftlich gesehen ganz streng nach dem Lehrbuch: Dann, wenn sie eine andere individuelle Freiheit einschränkt. Persönlich gesehen aber hört sie gar nicht auf, da mein Begriff von Freiheit im eigenen Kopf stattfindet und ich selbst dafür verantwortlich bin. Wer oder was bedroht Ihre Freiheit? Existenzängste. Ein stetiger Begleiter für einen Künstler. Schon mal eine Wohnung als selbstständiger Musiker gesucht? Sind Sie so frei, wie Sie gern sein möchten? Ich sehne mich natürlich nach dem, was Freiheit auch bedeuten kann: zügelloses, maßloses, grenzenloses, verantwortungsloses, gedankenloses Sein und Handeln. Klingt traurig, oder? Aber ich würde mir schon auch was vormachen, wenn ich verleugnen würde, dass ich mich dem nicht gerne noch mehr hingeben würde. Aber natürlich bringt Freiheit auch immer Verantwortung mit sich.

19. Internationale Schillertage

GASTSPIELE

18

1.

2. 1. MARIA STUART Friedrich Schiller Münchner Kammerspiele Regie: Andreas Kriegenburg 16. + 17. Juni, 19.30 Uhr, Schauspielhaus * Das intrigenreiche Duell der beiden Königinnen erscheint bei Schiller in einem komplexen Spannungsfeld zwischen politischem Machtkampf, religiösem Konflikt und sexuell aufgeladener Privatfehde. In Andreas Kriegenburgs Münchner Inszenierung regieren nicht die Worte, sondern nichtausgesprochene Gefühle und nichtausgetauschte Blicke.

2. JE SUIS JEANNE D’ARC Nach „Die Jungfrau von Orleans“ von Friedrich Schiller Maxim Gorki Theater Berlin Regie: Mikaël Serre 18. + 19. Juni, 20.00 Uhr, Studio Werkhaus * Der in Paris lebende französische Regisseur Mikaël Serre nimmt Schillers Tragödie als Ausgangspunkt für ein Projekt über Nationalismus, religiösen Fanatismus und den Mythos von Jeanne d’Arc, die über die Jahrhunderte hinweg zur Patronin der Revolutionäre und Weltveränderer wie der Reaktionäre und Nationalisten werden konnte. Mit Schillers „romantischer Tragödie“ begibt Serre sich auf die Suche nach den Schutzheiligen von heute.

19. Internationale Schillertage

*

Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit Mannheim Was bedeutet Freiheit für Sie persönlich? Das Leben in einer offenen demokratischen Gesellschaft und die innere Fähigkeit, meine Chancen dort auch nutzen zu können. Für meine tägliche Arbeit stehen dabei die Wissenschaftsfreiheit und die Rechte psychisch kranker Menschen im Mittelpunkt – zwei Punkte, an denen man übrigens sehr rasch sehen kann, wie es um die Freiheit in einem Land wirklich bestellt ist. Wann haben Sie sich zuletzt unfrei gefühlt? Bei den Einreisekontrollen in die USA vor einigen Wochen.

3.

Wo hört für Sie die Freiheit auf? Bei den Rechten der Anderen. Wer oder was bedroht Ihre Freiheit? Der Aufstieg populistischer, irrationaler und fremdenfeindlicher Gruppierungen und die Gefahr einer Hinwendung zu geschlossenen Gesellschaften und „alternative facts“. Sind Sie so frei, wie sie gern sein möchten? Nein (denn dafür bin ich nicht immer achtsam genug), aber ich bin dankbar dafür, dass die Limitationen nicht von außen kommen.

8.

4. 3. WALLENSTEIN Friedrich Schiller Schaubühne Berlin Regie: Michael Thalheimer 19. Juni, 19.00 Uhr, Schauspielhaus * „Michael Thalheimers grandiose Inszenierung nimmt Schillers strahlendes dramatisches Pathos mit rabenschwarzer Radikalität auf. In ihrer wohlkalkulierten Verweigerung historischer Konkretisierung öffnet die analytische Regie den Blick auf die Wallenstein-Figur in ihrer abgründig zeitlosen Dimension.“ – Frankfurter Allgemeine Zeitung

4. DON KARLOS Friedrich Schiller Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin Regie: Kieran Joel 22. Juni, 20.00 Uhr, Studio Werkhaus * „Da ich niemandes Sohn war, wurde ich meine eigene Ursache.“ Unglücklich liebt der Infant Don Karlos seine Stiefmutter, die Königin Elisabeth, die ihm einst als Braut versprochen war. Leidenschaftlich liebt Marquis Posa die Menschheit, doch seine Vision eines gerechten Staates droht im Machtbereich Philipps II. an der Realität zu zerbrechen. Aus verschmähter Liebe zu Don Karlos

wird die Fürstin Eboli zur Rächerin. Karlos’ Vater, der spanische König Philipp, die personifizierte Macht, taucht an diesem Abend nicht auf. Nur ein Stellvertreter. Das Prinzip der delegierten Macht. Was passiert mit einer Generation, deren Individuen einen absoluten, individuellen Wahrheitsanspruch haben, denen der Zugang zur Macht verwehrt wird und die sich selbst überlassen sind?

19

20

19. Internationale Schillertage

*

Peter Löb, Tennistrainer und Dolmetscher DSC_2246.jpg

Was bedeutet Freiheit für Sie persönlich? Einen gewissen Geldbetrag, der mir meine Reisen ermöglicht. Hammamet in Tunesien, direkt am Meer, ist meine zweite Heimat. Dort würde ich am liebsten den ganzen Winter verbringen. Wann haben Sie sich zuletzt unfrei gefühlt? Da fällt mir auf Anhieb nichts ein – ich hatte die letzten Jahre ein angenehmes Leben, als Tennistrainer und Dolmetscher für Englisch und Französisch. Ich hatte eigentlich keinen Druck.

5.

Wo hört für Sie die Freiheit auf? Bei der Ehe! Das fällt mir als Erstes ein … Sind Sie so frei, wie Sie gern sein möchten? Ja, auch wenn das Geld zum Reisen im Moment fehlt. Aber ich bin gesund für mein Alter. Ich bin 75, und ab und zu gebe ich noch Trainerstunden im Tennis.

6. 5.

WINTERREISE

‫( رحلة الشتاء‬UA)

Yael Ronen & Exil Ensemble Maxim Gorki Theater Berlin Regie: Yael Ronen 17. Juni, 20.00 Uhr, Opernhaus * Sieben professionelle Schauspieler aus Afghanistan, Syrien und Palästina, die in Deutschland im Exil leben. Zwei Wochen Winterreise mit dem Bus durch Deutschland. Ein Abstecher in die Schweiz. Welchen Blick wirft das Ensemble bei dieser Reise auf das ExilLand Deutschland? Seit dieser Spielzeit ermöglicht das neu gegründete Exil Ensemble des Maxim Gorki Theaters professionellen Schauspielern, die

gezwungen sind im Exil zu leben, ihrer Profession nachzugehen. Yael Ronen und die Schauspieler entwickelten basierend auf ihrer Deutschlandreise ein Theaterstück, die Produktion gastiert in den zehn auf der Recherche bereisten Städten.

6. WILHELM TELL Friedrich Schiller Theater Basel / Schauspiel Köln Regie: Stefan Bachmann 23. Juni, 19.30 Uhr, Opernhau * Tell lebt weltabgewandt mit Frau und Kind im Herzen der Alpen. Politik und Allgemeinwohl interessieren ihn nicht. Als er eines Tages dem Hut des Landvogts, der auf einer Fahnenstange in Altdorf thront, die befohlene Achtung nicht erweist, ist der persönliche Friede zu Ende. Stefan Bachmann verwandelt mit seinem zehnköpfigen, ausschließlich männlichen Ensemble den Schweizer Nationalmythos in eine bildgewaltige Sprachoper.

GASTSPIELE

19. Internationale Schillertage

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8. 7. MARIA STUART Friedrich Schiller Deutsches Nationaltheater Weimar Regie: Markus Bothe 21. Juni, 19.30 Uhr, Schauspielhaus * Maria Stuart, 1800 in Weimar uraufgeführt, bearbeitet das Schlachtfeld von Politik, Religion und Erotik. Zwei Frauen, die eine in wirklicher Gefangenschaft, die andere in der Abhängigkeit von der Meinung ihres Volkes gefangen, kämpfen um Autonomie. In den hochpolitischen Konflikt mischen sich Privatismen, Begehren, das Ringen um Anerkennung und Machthunger.

8. DIE RÄUBER Friedrich Schiller Nationaltheater Mannheim Regie: Calixto Bieito 24. Juni, 20.00 Uhr, Schauspielhaus * Zwei ungleiche Söhne ringen um die Gunst ihres Vaters, des Grafen von Moor. Karl, der Erstgeborene, bittet um Vergebung für seine Jugendsünden aus Leipziger Studentenzeiten. Franz, der sich gegenüber Karl und von der Natur benachteiligt sieht, unterschlägt dem alten Moor ein Reuegesuch und intrigiert gegen den älteren Bruder. Daraufhin wird Karl vom Vater verstoßen, erben soll Franz allein. Karl geht in die böhmischen

Wälder, wird ein Räuber und Mörder. Doch als die Gewalt überhandnimmt, entschließt sich Karl, in die Heimat zurückzukehren. Calixto Bieito liest Die Räuber als Destruktion und Zerstörung einer Familie.

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IMPRESSUM

Herausgeber: Nationaltheater Mannheim; Geschaftsführender Intendant: Dr. Ralf Klöter; Intendant Schauspiel / Künstlerische Leitung Schillertage: Burkhard C. Kosminski; Festivalleitung / Organisation: Mary Aniella Petersen; Projektassistenz Schillertage / Leitung Festivalbüro: Gesa Dethlefs; Redaktion: Christine Diller, Carmen Bach, Ingoh Brux, Carolin Losch, Katharina Parpart, Silke zum Eschenhoff, Bastian Boß, Mary Aniella Petersen Fundraising: Anita Kerzmann, Linda von Zabienski; Gestaltung: ErlerSkibbeTönsmann, Henning Skibbe, Elisabeth Pichler Druck: Mannheimer Morgen Großdruckerei und Verlag GmbH Stand: Juni 2017, Änderungen vorbehalten. Sämtliche personenbezogenen Bezeichnungen, die in dieser Publikation im Maskulin verwendet werden, sind geschlechtsneutral zu verstehen. Gemeint sind alle Geschlechter. Textnachweise: S. 4 Übersetzung von Francesca Spinazzi S.15 Auszug aus Winterreise ‫ رحلة الشتاء‬von Yael Ronen & Exil Ensemble, Maxim Gorki Theater Berlin. Alle weiteren Texte und Interviews sind Originalbeiträge.

Bildnachweise: Cover Prisca Wolcott / SIGNA: Das Heuvolk © Erich Goldmann | S. 3 Julia Lohse © Privat | S. 3 Burkhard C. Kosminski © Hans Jörg Michel | S. 4 Boualem Sansal © Merlin Verlag, Roger von Heereman | S. 4 Talat Kamran © Privat | S. 6 Christian Tomm, Judith Schreier, Michael Reinhard © Erwin Pretli | S. 7 Jake Wolcott / SIGNA: Das Heuvolk © Erich Goldmann | S. 8 Sabina und Prisca Wolcott / SIGNA: Das Heuvolk © Erich Goldmann | S. 9 Hannah Müller © CyberRäuber | S. 10 Widukind © Akın E. S¸ipal | S. 11 Christine Krämer © Privat | S. 11 Don Carlos, Burgtheater Wien © Bernd Uhlig | S. 13 Nico Hofmann © UFA | S. 14 Bohemian Betyars © Promo | S. 14 Haiyti © Tobias Gruber | Woods of Birnam © Schall & Schnabel | S. 14 Trommeltrubel © Promo | S. 14 Mary Ocher and Your Government © Klara Johanna Michel | S. 14 Skinny Girl Diet © Scarlett Carlos Clarke | S. 14 Nils Bech © Benjamin Alexander Huseby | S. 14 Fumac¸a Preta © Shelly Wilson | S. 15 Ricarda Böcking © Niko Neithardt, NiNe Design | S. 16 Oliver Frlji´c, Linda Begonja, Enes Salkovi´c © Christian Kleiner | S. 17 Ziggy Has Ardeur © Karim Abdelghany | S. 18 Maria Stuart, Münchner Kammerspiele © Judith Buss | S. 18 Je suis Jeanne d’Arc, Maxim Gorki Theater Berlin © Ute Langkafel | S. 19 Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg © AMLPressefoto | S. 19 Wallenstein, Schaubühne Berlin © Katrin Ribbe | S. 19 Don Karlos, Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin © Matthias Koch | S. 20 Winterreise, Maxim Gorki Theater Berlin © Esra Rotthoff | S. 20 Wilhelm Tell, Theater Basel © Simon Hallström | S. 20 Peter Löb © Hans Jörg Michel | S. 21 Maria Stuart, Deutsches Nationaltheater Weimar © Kerstin Schomburg | S. 21 Die Räuber, Nationaltheater Mannheim © Hans Jörg Michel

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